Wir haben einige berühmte Regisseure in unserem Land hervorgebracht – und ich meine die lebenden. Dazu zählen Wim Wenders, Volker Schlöndorff, Hans-Jürgen Syberberg, Roland Emmerich und natürlich Werner Herzog. Herzogs Filme sind extreme Filme. Für mich ist die Zusammenarbeit mit dem Oberirren Klaus Kinski maßgeblich, aber ich mag auch Herzogs störrische Schauspielkunst wie in Mandalorian. Die Diskussion über seine gecastete Dokumentationen kann ich nachvollziehen.
Daher war es für mich eine Selbstverständlichkeit, die Herzog-Ausstellung in der Deutschen Kinemathek in Berlin anzusehen. Dazu ist ein kleiner, viersprachiger Katalog erschienen, der einen netten Überblick gibt, aber den es an wirklicher Tiefe fehlt. Dennoch habe ich das Buch pflichtbewusst gekauft.
Vor allem bin ich ein Fan von Werner Herzogs Nosferatu. In Berlin wollte ich erkunden, ob ich persönlich neues zu meinem Lieblingsfilm von Werner Herzog finden konnte. Und ich wurde fündig. Zunächst gab es die bekannten Aushangfotos von Nosferatu und die filmische Interpretation der Vampir-Figur von Max Schreck und von Klaus Kinski. Das ist für das klassische Ausstellungspublikum fein, bring den Vampirfan in mir aber nicht wirklich weiter.
Es gibt ein schönes Werksfoto von Herzog als er die Sonnenaufgangsszene probte und sich zur aufgehenden Sonne umdreht. Das Foto kannte ich nicht und es war der Grund, weshalb den Ausstellungskatalog für wertvoll finde. Hier werden die Filme des Regisseurs vorgestellt. Nosferatu – Phantom der Nacht von 1979 bekommt eine Doppelseite.
ber in einem kleinen Nebenraum öffnet sich die Schatztruhe, Wunderkammer in der Ausstellung genannt. Dort verharrte ich über eineinhalb Stunden und studierte die ausgestellten Objekte so gut es ging. Es handelte sich um Requisiten aus Filmen von Werner Herzog. Leider gibt es davon keine Bilder im Ausstellungskatalog, so dass ich selbst Fotos von diesen Schätzen gemacht habe. Für Nosferatu-Fans interessant waren u.a. für mich eine von 3000 Ratten, gerochene Fingernägel als Fundstücke im Schloss in den Karpaten, herausgebrochene Beißzähne aus der Sammlung von Dr. van Helsing, Sargerde mit Medaillon von Lucy Harker, Teile der Schublade von Harpers Bett im Schloss, Sargerde, Fasanenflügel vom Festschmaus im Schloss, ein Brief von Renfield, das Nachthemd von Lucy Harker, Totenschädel vom Schreibtisch Draculas, eine Buchlektüre aus dem Wohnzimmerschrank der Harkers, eine Kutschenlaterne aus den Karpaten, Holzpfahl (blutig) sowie eine Wanduhr.
Das ist der Grund für mich diese Ausstellung zu besuchen. Ich habe hier einen Rundgang in VR 360 durch die Ausstellung gemacht, damit man einen besseren Eindruck bekommt.
Und dann noch einige Bilder, damit man einen weiteren Eindruck über das Schaffen von Herzog gewinnt.
Als Hutträger ist diese Ausstellung eine Offenbarung: Hauptsache heißt die exzellente Schau im Bayerischen Nationalmuseum in München, die noch bis zum 30. April zu sehen ist. Der Untertitel Hüte.Hauben.Hip-Hop-Caps bringt es auf den Punkt, worum es geht – um Kopfbedeckungen aller Art durch die Jahrhunderte.
Das Museum lud zu einem Bloggerwalk und dem Ruf bin ich freilich gefolgt. Mit rund 250 Hüten, Hauben, Mützen, Schleiern und anderen Kopfbedeckungen sowie Gemälden und Skulpturen gibt die Ausstellung einen Überblick zur Kulturgeschichte der Kopfbekleidung: Kopfbedeckungen sind ein wichtiges Element der Selbstdarstellung. Sie verleihen Würde und machen Hierarchien sichtbar, können Distanz schaffen, aber auch das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Die Hut-Spezialist und Kurator Dr. Johannes Pietsch kannte noch so jedes kleine Detail und ich bin erstaunt, was sich alles über Hüte erzählen lässt. Großen Respekt hatte ich auch vor Dipl.-Rest. Dagmar Drinkler. Sie hat alte Knüpf- und Webtechniken ausgegraben und für die Neuzeit erhalten.
Großes Glück für Dr. Frank Matthias Kammel, den Museumschef, der die Bezeichnung Generaldirektor trägt. Nach seiner Begrüßung im „Schatzhaus an der Eisbachwelle“ ging es los. Mir schwirrte der Kopf vor lauter Zahlen und Fakten, die sich erst mal setzen mussten. Geballtes Hutwissen pur, so dass schnell klar war: Ich muss die Ausstellung nochmals besuchen, um noch mehr zu sehen.
Beim Rundgang erinnerte ich mich an eine Geschichte meines Vaters. Noch in den Fünfziger und bis Mitte der Sechziger Jahre war es für ihn selbstverständlich, einen Hut zu tragen. Erst durch die Studentenunruhen und außerparlamentarische Opposition galt der Hut als spießig und konservativ. Die Hüte meines Vaters verschwanden aus der Familie und als ich geboren wurde, gab es in unserem Haushalt keine Hüte mehr, vielleicht noch Mützen. Meine Frau erzählte mir eine ähnliche Geschichte, da blieb der Hut allerdings noch beim sonntäglichen Kirchgang lange Zeit erhalten.
Heute trage ich wieder Hut und Mützen, nur ganz selten Kappen. Ich bilde mir ein, dass ich ein Hutgesicht habe. Mit US-amerikanischen Kappen sehe ich seltsam aus, so meine Empfindung. Und der Hut hat wohl eine gewisse Renaissance unter jungen Menschen, die es chic finden, gut zu tragen.
Im Nationalmuseum war die Geschichte der Kopfbedeckungen zu erkunden. Die Bandbreite reicht von prächtigen Mitren über anmutige Damenhüte bis hin zu aktuellen Designermodellen. Hüte des Märchenkönigs Ludwig II. oder Otto von Bismarcks werfen ein Schlaglicht auf Vorlieben prominenter Persönlichkeiten. Neben Modellen von Dior, Cardin und Saint Laurent sind Unikate von Philip Treacy und Stephen Jones zu sehen. Geschichte und Gegenwart werden unter einen Hut gebracht: Kopfbedeckungen bieten eine einzigartige Vielfalt und sind einfach wunderschön – dem kann ich nur zustimmen. Hier ein 360 Grad Rundgang durch einen Teil der Ausstellung.
Kopfbedeckungen erfüllen unterschiedliche Zwecke: Der Schutz vor Witterung, das „Behüten“, ist eine davon. Im Zentrum der Ausstellung steht die schmückende Funktion. Kopfbedeckungen sind wichtige Elemente der Selbstdarstellung. Sie lassen einen Menschen größer und bedeutender erscheinen, dabei bilden Kopf und Gesicht des Trägers den Mittelpunkt. Nie wirkt ein Hut, eine Haube oder Mütze für sich allein. Kleidung und Accessoires erschaffen ein modisches Gesamtbild.
Frauenhauben und Schleier Verheiratete Frauen bedeckten schon in der Antike ihre Haare. Der Brauch setzte sich im Christentum fort. In Ägypten gab es in frühbyzantinischer Zeit reizvolle Haarnetze. Im Mittelalter benutzten Ehefrauen zum Verhüllen ihrer Haare dichtgewebte Tücher, die „Hauben“ oder „Schleier“ hießen. Heiratete eine Frau, kam sie also „unter die Haube“. Nonnen trugen als Bräute Christi ebenfalls Schleier. Aus den weltlichen Hauben entwickelten sich um 1470 komplizierte, vielfach um den Kopf gewundene Gebilde, die man sogar mit Polsterungen unterfütterte.
Zum Kirchgang war ein Schleier mit fester Kinnbinde Pflicht. Darüber wurde ein zusätzliches, immer größeres Tuch gebreitet, das schließlich als „Sturz“ die weiße Kirchenhaube bildete. Hier konnte die Texttilrestauratorin Dagmar Drinkler zeigen was sie konnte. Ihr gelang 2021 die Rekonstruktion eines vollständigen frühbyzantinischen Haarnetzes nach alten Techniken. Ich könnte mir vorstellen, dass ein solches Haarnetz heute wieder von der Modeindustrie aufgegriffen wird.
Hüte und Hutschmuck Seit etwa 1550 war die Spanische Mode das wichtigste Leitbild. Dort entwickelte sich das Barett zu einer eigenständigen For mit oben abgeflachter Kopfpartie und gerafftem unterem Rand. Später wuchs die weiche Mütze zu einem hohen Zylinder an.Diese Ausführung ahmte man in ganz Europa nach. Die ebenfalls überall modernen, sehr steifen spanischen Hüte besaßen eine schmale Krempe und ein hohes Kopfteil. Meist bestanden sie aus Filz mit einem Überzug aus Gewebe. Einfarbige Barette und Hüte boten den idealen Anbringungsort für Schmuck wie Metalldekorationen, Edelsteine oder Perlen. Sehr beliebt waren Zierspangen, die sogenannten Agraffen. Auch aufwendige Hutbänder gehörten zur Ausstattung.
Ab etwa 1630 bestimmte Frankreich die Mode in ganz Europa. Aus dem spanischen Hut war um 1600 ein Modell geworden, das ein hohes Kopfteil und eine mäßig breite Krempe besaß. Sie wurde breiter, die Höhe des Kopfes nahm dagegen ab. Daraus entstand der typische Soldatenhut der Zeit um 1620/50. Solche Schlapphüte mit aufgeschlagener Krempe und Federn prägten während des Dreißigährigen Krieges das Alltagsleben. Auch Frauen trugen sie häufig zu dieser Zeit. Gleichzeitig blieben die Huttypen mit hohem Kopfteil in Mode, nun aber mit breiterer Krempe als zuvor. Ähnlich hohe Hüte mit kegelförmig zugespitztem Kopfteil trugen einfache Handwerker und Bauern noch lange Zeit.
Hauben für die Frau In der Ausstellung ist eine Flinderhaube aus Nürnberg zu sehen, die wohl zwischen 1640 bis 1680 getragen wurde. Sie besteht aus Metalldraht, Seidenfäden, vergoldete Kupferlegierung, Leinengewerbe und Baumwollwatte. Es gibt weltweit nur noch drei Exemplare. Sie bringt zwei Kilogramm auf die Waage.
Anfang des 17. Jahrhunderts trugen Frauen oft Leinenhauben. Danach ließ die französische Mode die Haare völlig unbedeckt. Daneben existierte in Süddeutschland eine Haube für zuhause, die am Kopf anlag, den Haarknoten hinten aber frei ließ. Zunächst lag sie in einem glatten Bogen über der Stirn und bekam dann in der Mitte eine dreieckige Schneppe. In Frankreich brachten die 1670er-Jahre die Hauben zurück. Die Damen trugen nun mehrlagige Spitzenhauben. Um 1685 kam die „Fontange“ mit hochstehenden Rüschen auf. Sie wurde nach einer Mätresse von König Ludwig XIV. benannt. Die immer höhere Haube musste schließlich gestützt werden, und zwar durch ein Drahtgestell, die „Commode“. Um 1691/92 wuchs die Fontange noch mehr in die Höhe, die Rüschen fielen aber schmaler und später abgestuft aus. Seit 1708 wurde die nun niedrigere Fontange runder. 1713 endete die Mode der extravaganten Hauben in Versailles und im Laufe der folgenden Jahre auch überall sonst in Europa. Nachdem die hochbarocke Fontange um 1715/20 abgelegt war, kamen mit dem Rokoko kleinere Spitzenhauben in Mode. Um sie aus mehreren Teilen zu stecken und zusammenzunähen, benötigte man einen Haubenstock in Form einer Holzbüste. Als solide Basis diente ein leicht gepolstertes Stepphäubchen, das mit einem Band auf dem Haubenstock befestigt wurde. Daneben gab es einfachere kleine, anliegende Stoffhauben, zudem als Sonderformen fantasievolle Zierhäubchen. Im 18. Jahrhundert kamen Frauenhüte ganz eigener Form auf. Seit den 1730er-Jahren waren in England Strohhüte beliebt. Anfangs waren diese Strohhüte eher noch einfach gestaltet. Um 1760 wurden sie üppiger und saßen dann nach vorn gekippt auf den in die Höhe wachsenden Frisuren der Damen. Reisende bemerkten, solche Hüte wären typisch für England und würden dort von Frauen aller Klassen getragen. Bald verbreitete sich diese Mode auch auf dem Kontinent.
Gruseln muss auch sein Was wäre eine Ausstellung ohne einen gewissen Gruselfaktor. Den gibt es auch im Bayerischen Nationalmuseum. 250 Jahre lang schlummerte dieser Filzhut im Moor bis in den 1920 Jahren in Rosenheim beim Abbau von Torf eine männliche Leiche entdeckt wurde. Bei ihm der Hut eines einfachen Mannes.
Zeitsprung zur Hutkrise Machen wir einen Zeitsprung und hier deckt sich die Wissenschaft mit meinen Geschichten meines Vaters. Um 1960 wollten moderne Frauen keine Hüte mehr tragen. Wirklich neu und aufregend waren jetzt die hohen Frisuren. Zudem wurde das Autofahren auch für Frauen zum Standard, und dabei störten Hüte ungemein. Die innovativen Kreationen von Courrèges und Cardin in Paris hatten auch Auswirkungen auf die Damenhutmode. Dennoch war die große Hutkrise nicht aufzuhalten. In den 1970er-Jahren waren Hüte kein großes Thema mehr. Sie verschwanden aber trotzdem nie ganz aus dem Straßenbild. Im Sommer sah man elegante Strohhüte mit breiten Krempen, die den Retro- oder Nostalgietrend aufgriffen. Prinzessin Diana brachte als meistfotografierte Frau ihrer Zeit Hüte Anfang der 1980er-Jahre wieder in Mode. Dieser Boom hielt auch noch in den 1990er-Jahren an, obwohl frühere Verkaufszahlen nie mehr erreicht wurden.
Klassische Herrenmodelle wie Fedora, Trilby und Porkpie kommen nie ganz aus der Mode, doch treten Variationen hinzu. Nicht nur Herren mittleren Alters, sondern auch junge Männer tragen zunehmend Hüte, die ihnen Individualität verleihen. Ebenso spielen Schirmmützen modisch wieder eine große Rolle. Seit 2009 setzen die MvBoshi-Mützen einen frischen Trend. Um das Jahr 2000 kam eine neue Art Damenkopfbedeckung auf: der „Fascinator“, ein meist üppig dekorierter, pfiffiger Kopfputz. Aber auch große elegante Damenhüte sind immer noch gefragt. Der Klimawandel befördert das Tragen von Kopfbedeckungen als Sonnenschutz bei Menschen aller Altersklassen. Heute liegen Kopfbedeckungen wieder voll im Trend. Soziale Medien stärken das Bedürfnis nach Selbstdarstellung. Ein Hut oder eine Mütze kann hier wunderbare Dienste leisten. Baseball- oder Hip-Hop-Caps gehören zur beliebten Streetwear, und neben gängigen Huttypen kommen ganz neue Formen auf. Ob schlicht oder schrill, konservativ oder künstlerisch: Jede Frau und jeder Mann findet für sich das passende Modell.
So gibt es eine Hip-Hop-Cap von Smudo zu sehen, den ich erst einmal googeln musste, weil mir seine Musik ganz fremd ist. Soll der Mann sie tragen, mein Stil ist es einfach nicht.
Vom Filz zum Hut Nach dem Walk konnten die Blogger bei einem Live-Event staunen. Modistin Christine Halbig aus München zeigte dem Bloggervolk, wie Hüte aus Filz gemacht werden.
Gerade noch konnte ich die Ausstellung von Fujiko Nakaya im Haus der Kunst in München erleben. Immer wieder kam was dazwischen und am letzten Ausstellungstag Ende Juli konnte ich die famose Installation Nebel Leben erleben. Ich hätte mich wahnsinnig geärgert, dieses Ereignis verpasst zu haben.
Fujiko Nakaya wurde 1933 in Sapporo / Japan geboren. 1957 schloss sie hr Kunststudium an der Northwestern University in Illinois / USA ab. Anschließend studierte sie Malerei in Paris und Madrid. 1960 kehrte sie nach Tokio zurück, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Neben Malerei, Zeichnung und Video umfasst ihr Werk über 90 Nebelskulpturen, mit denen sie traditionelle Vorstellungen von Skulptur infrage stellt.
Die Videoinstallationen im Haus der Kunst waren interessant, aber die Nebel-Installation war einfach grandios.
Installation Pond (1976) Faszinierend, was mit der Videotechnik von 1976 möglich war. Heute wäre es eine klassische Cloud-Tcehnologie. In der damaligen Closed-Circuit-Installation Pond von 1976 wird das stetige Tropfen zum Symbol für Kontinuität und das ewige Fortschreiten der Zeit. Zwei Kameras übertragen Bilder in Echtzeit, die sich in nur einem Monitorbild überlagern: Eine Kamera filmt die Gesichter der Betrachter, die in den Monitor schauen, die andere überträgt das Bild der Wellen, die stetig herabfallende Tropfen in einem Wassereimer schlagen.
Das Abbild der Betrachter wird eins mit dem fiktiven Wasser-Spiegel im Monitorbild. Die visuelle Erfahrung ähnelt der Reflexion des Himmels in einer Pfütze, wobei realer und virtueller Raum auf einer Ebene erscheinen. Nakayas Installation zeigt die Dualität zwischen Welt- und Selbstbeobachtung auf und schafft eine sensorische Spannung zwischen der Immaterialität des virtuellen und der Materialität des realen Körpers. Die Besu cher innen sind Betrachter innen, aber gleichzeitig wesentlicher Bestandteil der Installation.
Das Highlight: Der Nebel Im Zentrum der Ausstellung im Haus der Kunst stand aber der Nebel. In einem Rhythmus von einer halben Stunde wurde in einem großen Raum die Installation präsentiert. Ich war so angetan, dass ich mich in drei Durchläufen inspirieren ließ – jede Installation von einer anderen Ecke des Raumes und einmal im Zentrum. Entstanden sind daraus drei unterschiedliche VR 360 Grad Aufnahmen, die nicht nur die Installionen von Fujiko Nakayas Nebelskulpturen zeigen, sondern die Reaktionen des staunenden Publikums. Natürlich waren vor allem die Kinder vom heraufsteigenden Nebel begeistert.
Der Nebel haute mich um Fujiko Nakayas Nebelskulpturen sind natürlich und künstlich zugleich. Der Nebel besteht aus purem Wasser, das unter hohemDruck aus winzigen Düsen spritzt. Diese sind mit mikroskopisch kleinen Stiften ausgestattet, die das Wasser in ultrafeine Tröpfchen zerstäuben. Durch die Anordnung und Intervalle der Düsen choreographiert Nakaya die Form ihrer Nebelskulpturen. Dabei ist sie sich bewusst, dass die Natur und die Umgebung Einfluss auf die Skulptur nehmen und umgekehrt. Der Nebel verdunstet schließlich und wird draußen Teil des natürlichen Wasserkreislaufs.
Im Innenraum wird er von großen Wasserbecken aufgefangen. Jeder Skulptur ging eine intensive Planungsphase voraus, so das Haus der Kunst. Systematisch erforscht Nakaya die meteorologischen Daten vor Ort wie Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und -geschwindigkeit sowie Temperatur. Die jeweilige Umgebung ist nicht nur Ausstellungsraum, sondern ein Ort, der mit dem Kunstwerk interagiert.
Für mich erweiterte ich das Kunstwerk. Als Banause probierte ich etwas aus und spielte mir den Score von John Carpenters The Fog – Nebel des Grauens via AirPods ein. Die Musik von Nakaya war experimentale Klangmusik, die wunderbar gewirkt hatte. Ich versuchte es mit den Synthi-Klängen von Carpenter, die auch eine starke Wirkung auf mich als Filmfan hatte. So wurde das Kunstwerk für mich greifbar. Ich hing meinen Gedanken nach und bin dankbar für diese Erfahrung.
Das Darben hat ein Ende. Die ARTMUC, eine der schönsten Kunstevents in München, hat nach Corona an diesem Wochenende wieder auf der Praterinsel geöffnet. Neben mehr als 75 Künstler aus ganz Europa stellen auch 25 Galerien und internationale Projekte in den Räumen aus. Auf Einladung des PresseClubs München durfte ich die Ausstellung einen Tag vor Eröffnung besichtigen und ich habe gemerkt, wie sehr mir Kunst und damit neue Ideen gefehlt haben. Hier ein Interview von mir mit dem Veranstalter Raiko Schwalbe.
Die ARTMUC positioniert als Entdeckermesse und Verkaufsplattform für zeitgenössische Kunst, die man sich auch leisten kann. „Der Kunstmarkt hat trotz einzelner Auktionsrekorde nach wie vor mit einer hohen Volatilität zu kämpfen. Das Positive daran ist jedoch, dass alle Protagonisten selbst aktiv werden und neue Wege und Ansätze für eine eigene Präsentation und Vermarktung entwickeln – darauf setzen wir u.a. mit unserem DIGITAL.LAB Projekt.“, erklärt der Veranstalter Raiko Schwalbe. Hier ein kleiner Rundgang in VR 360 Grad. Leider harmoniert die Framerate der Kamera nicht unbedingt mit der Beleuchtung der Ausstellungsräume – ein Manko vieler Galerien.
360 Grad Rundgang durch einen Teil der Ausstellung
Die rein weibliche Jury mit Dörthe Bäumer, Uta Römer und Anabel Roque Rodríguez hat eine beeindruckende Auswahl an Künstlern getroffen. Beim Gang durch die Ausstellungsräume traf ich auf eine Palette unterschiedlicher Richtungen. Sofort kam die Neugierde vermischt mit Inspiration auf.
Kunst aus der Ukraine von Katia Vozianov
Kunst aus der Ukraine von Katia Vozianov
Natürlich darf heute auch das Thema Ukraine-Krieg nicht fehlen. Die ARTMUC unterstützt bei der aktuellen Ausgabe zwei Kunstprojekte aus der Ukraine mit freien Flächen: die Galeristin Katia Vozianova von der Galerie Teskh und die Künstlerin Irina Fedorenko, beide aus Kiew. Vor dem Fall von Mariupol packte Katia Vozianova noch einige Bilder zusammen, verstaute sie in Rollen und brachte sie nach München.
Die Fliege von Brandy Brandstätter
Die Fliege von Brandy Brandstätter
Bei verschiedenen Künstler blieb ich länger stehen, weil die Werke mich auf die eine oder andere Art ansprachen. Humorvoll war die Fliege von Brandy Brandstätter. Es handelt sich um eine Kuh in Originalgröße von 2019, die mit 50.000 Maiskörner beklebt wurde. Gezählt habe ich die Körner nicht, wohl aber die Fliege auf der Nase der Kuh.
Hong Kong Noon I von Martin Köster
Hong Kong Noon I von Martin Köster (rechts unten).
Immer wieder habe ich die Bilder von Martin Köster gesehen und bewundert. Auf der ARTMUC habe ich endlich am Stand der Galerie an der Zitadelle die Bilder im Original gesehen und sie haben mich umgehauen. Marita Loren hat vier Bilder von Köster dabei, darunter Hong Kong Noon I. Ich habe mich sofort (in das Bild) verliebt. Martin Köster hat seine Faszination für Städte und seine Liebe für die Symmetrie in seinen Bildern vereint. Seine Öl-auf-Holz-Gemälde zeigen Stimmungen von typischen Stadtlandschaften, wo Menschen auf engstem Raum zusammenleben, aber doch einsam/fremd bleiben, wo Gebäude gleich und symmetrisch wirken, aber abstrahiert dargestellt sind.
Schalen und blauer Engel von Isabel Ritter
Beim Streifzug durch die Ausstellung blieb ich an den Bronzeskulpturen von Isabel Ritter stehen. Sie macht in Schalen: Bananenschalen, Orangenschalen, Zitronenschalen und mehr. Humorvoll und wunderschön anzusehen. Aber Isabel Ritter hat mich auch fasziniert mit ihrer Skulptur Blue Angel, die auch als digitaler Zwilling im Bereich digitale Kunst zu sehen und zu erfahren ist.
MODERN.POP.RAM von Fabian Seifried
MODERN.POP.RAM von Fabian Seifried
Fabian Seifried aus München faszinierte mich mit seinen Geweihen im Rahmen von KunstWild. Hier trifft sich Kunst und Tradition. Entstanden ist die Idee aus dem Nachlass der Grosseltern und der damit verbundenen schönen Erinnerungen. KunstWild soll Spass machen und positive Gefühle wecken. Manche Objekte passen einfach nicht in einem Rahmen. Sie brauchen Platz um von allen Seiten bewundert zu werden. Diese Blickfänge stehen auf soliden Metallständern und strahlen im natürlichen Sonnenlicht genauso schön wie in gemütlichem Kunstlicht. MODERN.POP.RAM war ein tolles Geweih in Pop-Art-Design.
Hunter & Prey von Tobias Frank
Hunter & Prey von Tobias Frank
Als Anime-und Cosplayer-Fan fiel mir sofort Hunter & Prey von Tobias Frank auf. Der aus München stammende Künstler zeigt viel Humor und hat wohl in diesem Bild seine Erfahrungen in Japan einfließen lassen. Das Bild hat mich spontan begeistert.
Und weitere Eindrücke von der sehenswerten ARTMUC.
Aufgrund der aktuellen Corona-Zahlen werde ich nicht nach Düsseldorf in den Kunstpalast zu der sicher sehenswerten Ausstellung Electro fahren, die noch bis 15. Mai 2022 läuft. Weil mich aber das Thema interessiert, habe ich mir den Katalog gekauft und wenn ein Kooperationspartner mitmacht, will ich auch ein Online-Seminar oder ein Präsensseminar in einem Club zu elektronischer Musik machen.
Unter dem Titel Electro – von Kraftwerk bis Techno geht der Katalog und auch die Ausstellung auf die Entwicklung der elektronischen Musik ein. Ich bin ein Fan von Daphine Oram, habe viel Stockhausen gehört, aber meine wirklichen Helden sind beispielsweise Jean-Michel Jarre, Klaus Schulze, Tangerine Dream und natürlich immer wieder Kraftwerk.
Von Kraftwerk geht für mich eine ungeheure Faszination aus. Im Laufe der Jahre habe ich mir ziemlich viele Aufnahmen zusammengekauft, besuchte ein schlichtweg geniales Konzert in der Lichtburg in Essen und saß dabei in der vordersten Reihe und nun erschien von Kraftwerk das Album Remixes.
Ich habe mir die schwarze Vinyl zum Hören und die farbige Vinyl zum Sammeln bestellt – unterwegs höre ich die mp3 und ich merke, wie der Rhythmus durch den Körper geht. Es ist eine Sammlung der Remixe der Jahre 1991 bis 2021 der Elektronik-Pioniere aus Düsseldorf. Die beiden Kraftwerk-Väter Hütter und Schneider sind nicht unbedingt für ihre Experimentierfreude mit anderen Musikanten bekannt und lassen andere DJs die Stücke interpretieren, aber ein wenig hat sich Kraftwerk doch bewegt. Das Album ist anders als die Mix-Ausgabe aus dem Jahr 1991. Es bestand damals aus einer Auswahl von Liedern, die ursprünglich bereits auf früheren Alben von Kraftwerk erschienen waren und neu arrangiert und aufgenommen wurden.
Das neue Album Remixes geht darüber hinaus. Die Compilation zeigt den immensen Einfluss von Kraftwerk auf die Club- und DJ-Kultur, Techno und alle Formen der elektronischen Tanzmusik. Die 19 offiziellen Remixe enthalten neben Kraftwerks eigenen Remixen auch Beiträge von einigen der wichtigen DJs und Produzenten wie François Kervorkian, William Orbit, Étienne de Crécy, Orbital, Underground Resistance, DJ Rolando und Hot Chip. Die Remixe stammen von verschiedenen Kraftwerk 12″-Singles, CD-Singles und digitalen Veröffentlichungen aus den Jahren 1991 bis 2021 und liegen jetzt endlich als CD und Vinyl vor.
Natürlich weiß ich, dass die Musik von Kraftwerk ein Urvater von Techno war und kenne die Mär von 1977 mit dem Besuch des Afterhours-Club in der New Yorker Bronx von Ralf Hütter und Florian Schneider. Sie gehört zur Geschichte von Kraftwerk. Dort hörten die beiden Deutschen, was aus ihrer Musik in der Bronx gemixt wurde und waren angetan.
Für mich faszinierend waren für mich die sieben verschiedenen Versionen von Expo 2000. Das kann anstrengend sein, wenn man als Zuhörer das Liedchen in unterschiedlichen Interpretationen hört, aber mir gefällt es.
Bis 3. Oktober 2021 läuft noch die Ausstellung The Mystery of Banksy – a Genius Mind in München. Zusammen mit meiner Familie habe ich mir die Veranstaltung im Isarforum beim Deutschen Museum angeschaut und ich habe eine zwiespältige Meinung.
Was dem Besucher klar sein muss, es handelt sich nicht um Originalausstellungsstücke, sondern um gut gemachte Repliken und die Ausstellung wirbt damit, dass sie nicht autorisiert sei.
In New York hatte ich die Ehre einen echten Banksy Boy with Hammer an der Upper East Side zu bewundern, der mich nachhaltig beeindruckt hat.
Auf einmal standen wir von einem echten Banksy.
In München war es schön, einen Streifzug des Schaffens dieses wohl berühmtesten Street-Art-Künstlers zu sehen, aber nicht in der Umgebung, die Banksy für seine Kunst eigentlich im Sinn hat. Kapitalismuskritik in Ausstellungsräumen mit 17 Euro Eintritt pro Nase (unter der Woche). Wie pervers ist das eigentlich? Didaktisch ist die Show in München prima gemacht. Enorm vielseitig und ansprechend präsentiert: QR Codes erklären zusätzlich zu den Beschreibungen an den Bildern, was der Künstler mit seinem Werk aussagen wollte. Da lässt sich nichts meckern und aufgrund eines durchdachten Hygienekonzepts ist die Ausstellung auch nicht überlaufen. Der Besucher hat seinen Spaß und es gibt spezielle Fotopoints, um Schnappschüsse als Erinnerung zu schießen und für die Ausstellung Werbung zu machen.
Die Ausstellung zeigt eine stattliche Anzahl von Bildern und Motiven, zudem laufen Videoinstallationen, die das Vorgehen des Meisters der Straßenkunst zeigen. Richtig grinsen musste ich bei der Installation Death of a Phone Booth. Eine rote britische Telefonzelle liegt am Boden und krümmt sich vor Schmerz, weil sie mit einer Spitzhacke malträtiert wurde. Es soll eine Beschreibung über den Rückgang der Telefonzellen im öffentlichen Raum sein, weil Smartphones sich durchgesetzt haben. Und natürlich wurde dieses Kunstwerk von den Besuchern mit dem Smartphone fotografiert – auch von mir.
Das ausgestellte U-Bahn-Abteil mit Banksys künstlicherischer Aufforderung sich an die Corona-Maßnahmen zu halten finde ich super gelungen. Es war ein Spaß in diesem Wagon die kleinen Ratten zu suchen, die der Künstler versteckt hat. So wird das Kunstwerk zu interaktiven Kunstwerk durch den Besucher. Und auch die Toilette mit den Ratten im Spiegel sind super gelungen.
Etwas schade finde ich die Darstellung von Love is in the Bin – das Kunstwerk, das zur Aktionskunst im Hause Sotheby’s wurde, als der Rahmen das Bild Mädchen mit Ballon am 5. Oktober 2018 durch einen Reißwolf zerstörte. Ich beobachtete einige Besucher in München, die diese Aktion nicht kannten. Da wäre ein Videobildschirm mit der Aktion in Endlosschleife didaktisch sinnvoll gewesen als nur reine Texttafeln.
Der umfangreiche Katalog ist ein wirkliches Musst-have. Im Ausstellungsshop gibt es ihn reduziert und er ist wirklich hervorragend. Er zeigt die Originalwerke des Künstlers in den Straßen und Plätzen, also Street Art in ihrer natürlichen Umgebung. Ich habe einige Kunstbücher über Banksy, aber dies gehört für mich als kunstinteressierten Laien zu den besten Büchern.
Wenn andere den Ruhestand genießen, ist Jean-Michel Jarre weiterhin produktiv tätig. Seine beiden jüngsten VR Konzerte hauten mich vom Hocker. Jetzt legt der 72jährige einen Soundtrack zu einer Fotoausstellung vor: Amazônia nach den Fotografien von Sebastião Salgado. Der Meister der Schwarzweiß-Fotografie war in Südamerika unterwegs und hat Eindrücke vom Amazonas eingefangen, Jarre liefert jetzt den Sound dazu. Ich schreibe bewusst nicht, dass er die Musik dazu liefert, denn es ist weitaus mehr. Es ist die Atmosphäre des Amazonas in Klang gepackt. Stimmen, Sprachsamples, Geräusche, Klänge, Wörter, Husten, Kreischen, das Prasseln des Feuers als wiederkehrendes Element, verknüpft mit Rhythmen, Schläge, Ambient-Klängen – eine elektronische Weltmusik, die inspiriert und provoziert.
Wie schon bei Zoolook 1984, also vor Jahrzehnten, geht Jarre weit über die klassische elektronische Musik hinaus. Er, der eigentlich auch für Bombastik bekannt ist, reduziert in Amazonia und durchbricht als 72 etablierter Musiker wieder Grenzen. Jarre lässt sich nicht einengen. Er macht keinen gefälligen Sound und stößt mit diesem Album die Tanzbären des Techno vor den Kopf. Amazônia ist ein Album für den Kopf und ich habe mir einen älteren Fotoband von Salgado mit dem wegweisenden Titel GENESIS herausgeholt. Amazonia erscheint erst im Mai 2021 bei meinem Lieblingsverlag Taschen. Sebastião Salgado bereiste sechs Jahre lang das brasilianische Amazonasgebiet und fotografierte die unvergleichliche Schönheit dieser einzigartigen Region: den Regenwald, die Flüsse, die Berge, die Menschen, die dort leben – ein unersetzlicher Schatz der Menschheit, in dem die ungeheure Kraft der Natur wie nirgendwo sonst auf der Erde zu spüren ist. 200 Bilder umfasst die Ausstellung, die seit dem 7. April 2021 in der Pariser Philharmonie zu sehen ist. Mal sehen, ob und wann die Ausstellung nach Deutschland kommt.
Seite für Seite habe ich den Band Genesis durchgeblättert und mich in den teils meditativen Sound von Jean-Michel Jarre vertief und verloren. Ja, der Sound ist gewöhnungsbedürftig und ich möchte das Album nicht als Musiktipp, sondern eher als Audiotipp bezeichnen. Es ist der Klang eines Ökosystems. Ich habe es mir genau zum Erscheinungstag bei Apple Music geladen und am selben Tag traf die CD bei mir ein.
Mein Rat: Lasst euch auf den Meister und seine Interpretation von Amazônia ein.
Wim Wenders ist preisgekrönter Regisseur, Autor, Produzent und Fotograf und Wim Wenders wird heute 75 Jahre alt. Ich gratuliere diesem Autorenfilmer aus der Zeit des neuen deutschen Films.Mein erster Wenders Film war Paris. Texas. Ich war erstaunt, wie ein Deutscher die Weite der USA einfangen konnte. Es war ein Roadmovie mit packendenden Darstellern: Harry Dean Stanton als Travis und Nastassja Kinski als Jane. Ich war zum deutschen Kinostart 1985 gerade auf meinem Dylan-Tripp und verschlang alles, was Sam Shepard zu Papier gebracht hatte. Wenders Regie war unheimlich eindringlich – die Musik von Ry Cooder Paris-Texas tat das seinige zum Erfolg des Films bei mir. Ich entschloss mich, Wim Wenders mehr Beachtung zu schenken.
Es folgten für mich Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972), Tokyo-Ga (1985), natürlich der geniale Der Himmel über Berlin (1987) und Bis ans Ende der Welt (1991) sowie In weiter Ferne, so nah! (1993).
Dann hörte irgendwie meine Begeisterung für Wim Wenders auf. Sein Buena Vista Social Club (1999) haute mich nicht vom Hocker. Erst wieder der Papst-Film Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes (2018) konnte mich wieder ins Kino locken.
Wenders als Fotograf konnte mich voll überzeugen. Seine japanischen Fotos zu Tokyo-Ga waren gewaltig. Seine Serie Written in the West Photographien aus dem amerikanischen Westen war göttlich. Bei den Fotos, die während Wim Wenders‘ Drehortsuche für Paris.Texas im Westen der USA entstanden sind, handelt es sich eigentlich um Fluchtbilder. Und so schließt sich der Kreis.
Die Polaroid-Kamera war für Wim Wenders von den späten 1960er- bis in die frühen 1980er-Jahre Tagebuch, Experimentierfeld und fotografisches Roadmovie. Dabei entstanden tausende persönliche und einmalige Aufnahmen von Filmsets, Reisen durch Europa, den USA und vielen anderen Orten der Welt. Sie zeigen Wim Wenders in privater Umgebung oder Porträts von bekannten Persönlichkeiten. 2018 war in Berlin die Ausstellung Wim Wenders . Sofort Bilder Polaroids im C/O Berlin. Ich musste mir einfach einen signierten Abzug erwerben. Also hab ich meinen Wenders zu Hause an der Wand.
Nachdem die Schule ausfällt, wollte ich euch eigentlich den Tipp geben, sich die absolut geniale Moebius Ausstellung im Max Ernst Museum Brühl des LVR anzusehen. Doch nix da. Das Museum wurde gestern aufgrund Corona geschlossen. Ich wollte die sehenswerte Ausstellung jedem Comic- und Kunstinteressierten ans Herz legen. Was nun bleibt, ist ein virtueller Streifzug durch diese Ausstellung.
Der französische Comiczeichners und Szenaristen Jean Giraud (1938–2012) ist unter dem Namen Moebius international bekannt geworden. In Brühl war die bisher umfangreichste Ausstellung zum Werk dieses Multitalents zu sehen. Moebius erforschte die Sphären der Träume und der Science-Fiction und inspirierte zahlreiche Filme etwa von George Lucas, Ridley Scott oder Hayao Miyazaki. In der Ausstellung hingen beispielsweise verschiedene Entwürfe von Abyss, die aber aus rechtlichen Gründen leider nicht fotografiert werden durften.
Bei Moebius verschwimmen die Grenzen zwischen Comicstrip und bildender Kunst. In seinen Geschichten treffen utopische Architekturen und futuristische Megametropolen auf Wüstenlandschaften und schamanistische Reisen durch Raum und Zeit.
Die Ausstellung widmete sich dem umfangreichen Werk von Moebius in thematisch gegliederten Bereichen: Ausgehend von grundlegenden Ideen in seinen Notizbüchern („Carnets“) über kolorierte Zeichnungen, Comicfolgen, abstrakte Gemälde bis hin zu populären Druckgrafiken und Objekten wird das Spektrum seiner Zeichenkunst ausgebreitet.
Moebius erfand und entwickelte über Jahre hinweg ikonische Figuren wie den stummen Krieger Arzak, Major Grubert, John Difool aus L’Incal (zusammen mit Alejandro Jodorowsky) oder die Raumfahrer Stell und Atan. Mit ihnen zusammen lässt er auch die Betrachtenden in die unendlichen Welten seiner Imagination reisen. Außerdem malte Moebius abstrakte Kompositionen, die aufgrund ihres ungewöhnlichen Formenrepertoires und der zeichnerischen Dichte eine eigenständige Werkgruppe bilden.
Die Ausstellung widmete sich Jean Girauds umfangreichem Schaffen. Sie versammelte rund 450 Arbeiten aus dessen zumeist unter der Signatur „Moebius“ entstandenen Bildgeschichten und ordnet sie verschiedenen Themenbereichen zu (wie »Natur und Metamorphose«, »Der Traum vom Fliegen und Fallen«, »Die innere Wüste und ihre Darstellung«, »Wanderer zwischen den Welten« oder »Die Utopie kolorierte Zeichnungen, szenisch gegliederte Comicfolgen, Skizzen, abstrakte Gemälde bis hin zu populären Druckgrafiken und Objekten wird das Spektrum seiner Zeichenkunst ausgebreitet.
Begleitend zur Ausstellung erschien ein Katalog mit 272 Seiten, über 260 Abbildungen und Beiträgen von Patrick Blümel, Isabelle Giraud, Jean Giraud, Achim Sommer, Friederike Voßkamp und Jürgen Wilhelm. Er ist als gebundene, zweisprachige Museumsausgabe (Deutsch/Englisch) zum Preis von 49,90 € erhältlich. Ich kann diesen Katalog ausdrücklich empfehlen.
Zu den acht Themenbereichen in der Ausstellung gibt es je ein großformatiges Foto an den Wänden, das sich mit dem Smartphone und der Augmented Reality App Artivive digital animieren lässt. Die interaktive App lässt sich kostenlos im Google Playstore und im Apple iTunes Store downloaden.
Natur und Metamorphose
„Wir wandeln uns kontinuierlich, meist in Reaktion auf verschiedenste Reize, sichtbare wie unsichtbare, innere wie äußere, die zu einer Bewegung des Lebens, einer physischen und psychischen Metamorphose in uns führen. Für mich ist das Prinzip der plastischen Metamorphose, das meine Zeichnungen prägt, kein Fetisch oder zeichnerischer Einfall, sondern ein Sinnbild für den Wandel, der sich in unserem Inneren fortwährend vollzieht.“
Spiritualität und Alchemie
„Man sollte sein ganzes Leben damit verbringen, alle Facetten des eigenen Seins und Wesens zu entdecken und alles, was es darstellt: Feuer, Luft, Erde und Wasser, die Grundelemente, aber auch die animalischen und gefühlsmäßigen Archetypen, sowie insbesondere den physiologischen Funktionstypus. Gleichermaßen die mehr engelhaften Strukturen.“
Der Traum vom Fliegen und Fallen
„Die eigentliche Geburtsstunde von Moebius als einem etablierten Phänomen schlug mit Arzach. Als Junge hat mich im Alter von etwa 14 oder 15 Jahren die Entdeckung der Science-Fiction ungeheuer beeindruckt. Inzwischen ist sie Teil meiner Bildsprache und meines geistigen Gemeinguts, und das ganz spontan. So ähnlich verhielt es sich mit dem Western auch. Western und Science-Fiction kamen dann zusammen: Das in Arzach beschriebene Universum ähnelt in starkem Ausmaß einer Art imaginärem Wilden Westen, versetzt auf einen nicht weniger imaginären Planeten. Mit der Figur des Gestalt mit hoher phrygischer Mütze in Kegelform, versehen mit Ohrlaschen und Mützenschirm. Ihr wurde Tribut gezollt, indem es verschiedene Versionen, Wiederholungen, subtile Veränderungen gab, die hinzukamen und für eine Weiterentwicklung des Charakters sorgten: Mal war er richtiggehend bösartig und beängstigend, extraterrestrisch und reptilienhaft. Dann wieder gab er sich engelsgleich. Oder er warf sich in symbolisch aufgeladene Posituren, entlehnt von den Präraffaeliten oder dem Darstellungskanon klassischer griechischer Statuen. Er wurde ein Mann, androgyn, eine Frau. So hat sich die Persönlichkeit von Arzac im Laufe der Jahre leicht gewandelt. Es gab eine Zeit, da wurde er sogar zum Starwatcher.“
Die innere Wüste und ihre Darstellung
„Ich hatte wirklich ein inniges Verhältnis, eine ganz starke Neigung zur Wüste, vor allem zur nordamerikanischen, die sehr eigentümlich ist, ab und an getupft mit in regelmäßigen Abständen wachsenden Grasbüscheln, mit Kakteen, die wie reglose Wesen dastehen, und Felsblocken in unwirklichen, fast schon organischen Formen.“
Wanderer zwischen den Welten
„Mein Ausgangspunkt liegt in der Science Fiction der 1960er Jahre und ihren vorherrschenden Theorien rund um die Zeit: Alle kreisen um die Idee, dass Zeit in verschiedene Ströme unterteilt werden kann, dass jeder Moment zu jedem Zeitpunkt zahlreiche Möglichkeiten birgt. Diese Zeitströme trocknen aus oder laufen weiter, sie finden allerdings immer gleichzeitig statt. Ich habe das aber immer in einem sehr literarischen, traumähnlichen Licht betrachtet: So als ob wir im Traum dazu in der Lage sind, Tangenten zwischen diesen verschiedenen Zeiten und Räumen zu betreten.“
Abstraktionen
„Eines der Abenteuer der zeitgenössischen Kunst besteht darin, in den Teil seiner selbst abzutauchen, der nicht vollständig belegt ist von sozialer Domestizierung, Höflichkeitsformen und der Notwendigkeit, in einer komplex strukturierten Gesellschaft zu überleben. Beim Betrachten lösen die kleinformatigen Werke ungeheuer starke Gefühle in mir aus, weil ich unmöglich erkennen kann, was sie darstellen.
[Es gibt] Momente, da denkt man, das ist organisch, könnte aber auch mineralisch sein, vielleicht ja Basaltablagerungen oder halbtransparente Steine, in Lehmkrusten eingeschlossene Schmucksteine, mit Luftblasen, zwiebelförmigen Einschlüssen, teils auch Schlangen, allerdings mit keinen echten, denn sie besitzen keine Schuppen, bilden vielmehr röhrenartige Formen, so genau lässt sich das nicht sagen. Vielleicht sind es auch Organe.“
„Das ist nichts weiter als eine chaotische Anordnung völlig beliebiger Formen. Und dann, im Bestreben, Elemente auszumachen, manövriert man sich allmählich in eine ausweglose Situation und stellt sich die Frage: Was mag das wohl sein? Also beginnt man, Formen zusammenzuführen, sie zu schließen, manche von ihnen auch zu erweitern, aber nicht so sehr aus einem Abenteuergeist heraus als vielmehr im Bemühen um Strukturierung, um Einordnung, um Sinnstiftung, um einen ästhetischen Sinn, der natürlich meinem eigenen Geschmack entsprechen soll, denn ich möchte mich nach keiner Schule richten.
Da bin ich dann in der Blase meiner vollständigen persönlichen Zufriedenheit, egoistisch, dem Egoismus verfallen, total. Aber stets mit der Fähigkeit, diese seltsame Ursuppe in etwas durchaus Lebendiges für diejenigen zu verwandeln, die sie betrachten und sich sagen: ›Eigenartig ist das schon, aber da steckt etwas dahinter, denn es ist gut gemacht. Man sieht, das ist in sich stimmig, das passt.
Das ist genauso, wie es sein soll.‹ Was aber dort dargestellt ist, weiß man nicht. Etwas nicht Erkennbares, dafür aber wiedergegeben in vollendeter Weise. Das finde ich wunderbar. Vergleichbares findet sich etwa auch in der Arbeit der Surrealisten, im Bereich der Literatur und bei Texten. Die großen Dichterinnen und Dichter dieser Zeit experimentierten in diese Richtung. Den Automatismus erhoben sie zu ihrem Ausgangspunkt und schauten dann, in welchem Abenteuer sie gelandet waren. Sie kamen aus der Taucherglocke hervor und ließen – schwupp – den Schmetterling fliegen. Das gefällt mir.“
Die Utopie des Wunderbaren
„Ich denke, dass meine Kunst mein Leben widerspiegelt, und nicht umgekehrt, so wie das bei anderen Künstlern der Fall ist. Deren Leben spiegelt ihre Kunst wider. Aber das ist nichts für mich, obwohl es sehr verlockend sein kann. Es war eine bewusste Entscheidung, und für mich eine sehr große Ent- scheidung, da mein Leben in gewisser Weise zu einer Reflektion meiner Kunst wurde.“
Der doppelte Mensch
„Ich bin ein Anhänger der kontrollierten Schizophrenie. Die Schizophrenie ist ein vollkommen positiver menschlicher Zustand. Man beginnt, sie Schizophrenie zu nennen, wenn es entgleist, wenn man es nicht mehr kontrolliert. Dann wird es zu etwas, was man behandeln muss. […] Die Schizophrenie, das heißt, die Fähigkeit, getrennte, unterschiedliche Register in sich zu haben und sie zu nutzen, nicht um zu manipulieren, sondern um das zu tun, was man zu tun hat, um in der Welt zu überleben, das ist essentiell.“
In ganz München hängt der süße Mops auf dem roten Sessel. Auf Plakaten, Litfaßsäulen, Displays – überall begegnet mir der Hund in der Landeshauptstadt. Der Hund ist das Key Visual zur Ausstellung „Treue Freunde – Hunde und Menschen“, die bis zum 19. April 2020 im Bayerischen Nationalmuseum zu sehen ist.
In München wird Werbung für die Ausstellung gemacht. Mops total
Nachdem der Mops bei unserer Familie gut ankommt, wollte ich mehr über das Bild wissen. Der Generaldirektor des Museums Dr. Frank Matthias Kammel erklärte beim Bloggerwalk die Geschichte des auffälligen Bildes. Der Hund heißt übrigens Siegfried und zeigt die Vorliebe des Malers Thomas Theodor Heine, einer der berühmtesten Münchner Karikaturisten. Siegfried entstand 1921 in Dießen am Ammersee. Siegfried ist ein netter Mopswelpe, der mit melancholischen Blick auf (s)einem Samtsessel thornt. Es wird vermutet, dass der Name Siegfried eine Anspielung auf den unverwundbaren Nibelungenhelden ist. Heine, ein passionierter Mopszüchter, setzte für sein Bild einen hohen Verkaufspreis an, um sich möglichst spät davon trennen zu müssen. Wie teuer das Bild Öl auf Holz dann verkauft wurde, weiß ich leider nicht.