Archive for Oktober 2021

PowerShot PX – die Kamera, die mich verfolgt

28. Oktober 2021

Als Referent und Vortragsreisender in Sachen Digitalisierung bin ich mehr und mehr wieder unterwegs. Ich bräuchte von meinen Vorträgen immer wieder Bild oder Videomaterial für die Werbung in eigener Sache. Allerdings kann ich nicht immer Kunden bitten mal ein Foto oder ein Video zu machen. Das kommt nicht so gut. Da kommt ein neues Canon Produkt gerade recht, dass eigentlich für das familiäre Umfeld gedacht ist.

Eigentlich für die Familie gedacht, aber ich möchte die PowerShot PX beruflich einsetzen. Foto: Canon

Es geht um die smarte PowerShot PX, die in den nächsten Tagen für 470 Euro verfügbar ist.
Laut Canon verfügt die Kamera über so genannte intelligente Funktionen, um automatisch hochwertige Bilder mit 11,7 Megapixeln oder Videos mit 60p in Full HD aufzunehmen.

Eigentlich ist die Kamera, die aussieht wie meine 360 Grad Konferenzkameras, für Familienfotos und alltägliche Aufnahmen gedacht. Ich muss nicht hinter dem Auslöser stehen, um ein Bild/Video zu machen, sondern kann vor der Linse mit der Familie agieren, mit der Katze spielen und mehr. Im Grunde ist die PowerShot PX wie mein mobiler Kameramann Pivo, den ich immer wieder im Einsatz habe, wenn ich Videos mit dem iPhone aufnehme.

Aber die PowerShot PX soll mehr können. Automatische Aufnahmen und eine praktische Prioritätsfunktion sorgen dafür, dass die Mini-Kamera selbstständig erkennt, wann sie den Auslöser betätigen muss. Da bin ich gespannt, wie weit die KI inzwischen ist.
Für mich ein Vorteil gegenüber dem mobilen Kameramann Pivo: Die PowerShot PX folgt mit ihrem dreh- und schwenkbaren Objektiv vollkommen automatisch den Personen in der Umgebung und hält so natürliche Stimmungen und Situationen fest und braucht kein Smartphone als Datenspeicher, sondern hat eine eingebaute Festplatte. Die portable, intelligente Kamera kann überall platziert werden, um Schnappschüsse von alltäglichen Momenten zu machen, während die Sprachsteuerung auch die manuelle Aufnahme von Fotos und kreativen Videos intuitiv und einfach ermöglicht.

Die Kamera verfügt über einen USB-C-Ladeanschluss sowie integriertes WLAN, über das eine Kopplung mit Mobilgeräten möglich ist. Die smarte Gesichtserkennung erlaubt der PowerShot PX die automatische Suche nach dem richtigen Motiv für jede Aufnahme. Der Brennweitenbereich beträgt 19-57mm und das dreh- und schwenkbare Zoomobjektiv kann das Geschehen über einen sehr großen Bereich (340˚ horizontal und 110˚ vertikal) automatisch verfolgen.
Was Standrad ist: Die PowerShot PX lässt sich mit der Canon-App für iOS und Android ebenfalls manuell auf dem Mobilgerät steuern, um Bilder oder Videos aufzunehmen, ohne die Kamera dafür selbst in die Hand nehmen zu müssen. Die automatischen Aufnahmeeinstellungen lassen sich individuell anpassen, um beispielsweise das Objektiv so auszurichten, dass Bilder in einem individuellen Stil aufgenommen werden. In der App lassen sich zudem gezielt die Gesichter auswählen, die bei den Aufnahmen priorisiert werden sollen.

Kleiner Nebeneffekt: Mithilfe der PC Webcam Utility App kann die PowerShot PX zusätzlich als Webcam verwendet werden. Das bringt mir persönlich allerdings nichts, weil ich einen HDMI-Ausgang für meinen Videomischer von Blackmagic benötige.
Ich werde mal bei der Agentur von Canon anklopfen, ob die freundlichen PR-Leute mir ein Testexemplar zur Verfügung stellen. Ich möchte die PowerShot PX ausführlich testen und im Blog dann vorstellen. Ich bin gespannt.

Filmkritik: Halloween Kills

27. Oktober 2021

Der zweite Teil einer Trilogie hat es immer schwer. Während im ersten Teil die Story aufgebaut und die Figuren eingeführt werden und im dritten die Geschichte mit einem großen Knall endet, so muss im Sandwich-Teil die Spannung gehalten und die Story weitergesponnen werden. Dies gelingt in wenigen Ausnahmen in der Filmgeschichte. Und es gelingt bei Halloween Kills. Es ist zwar nicht so, dass Halloween Kills in die Filmgeschichte als Meisterwerk eingehen wird, aber es ist ein solides Storytelling um Michael Myers und seine blutigen Taten.

Der Film hält, was der Filmtitel verspricht. Kills en masse, im Grunde alles was zwei Beine hat, wird vom absoluten Bösen gemeuchelt, erstochen, zerhackt, erwürgt, erschlagen – einfach gekillt. Der Film schließt dort an, wo sein Vorgänger Halloween aufgehört hat. Wer den nicht gesehen hat oder gar nicht weiß, wer Michael Myers überhaupt ist, der hat schlichtweg verloren. Aber Halloween hat seine Fans, wie Jason oder Freddy ihre Fans haben und sie wissen, was an Halloween in Haddonfield passiert wird. Also ohne lange Vorrede geht es an den Bodycount, Zack Rübe ab. Zimperlichkeiten oder gar Rücksichtnahme gibt es bei Halloween Kills nicht – der Name ist Programm.

Halloween Kills ist mehr
Aber Halloween Kills ist mehr als ein brutaler Slasher. Er hat eine tiefere Ebene, die interessant ist. Er stellt die wichtige Frage, von wem geht eigentlich der Terror aus? Im Film wird mehrmals darauf hingewiesen, dass der Staat versagt habe, die Bürger von Haddonfield zu schützen. Die Konsequenz ist das Aufstellen einer Bürgerwehr, die Jagd auf Michael Myers macht. Dabei geraten die besorgten Bürger in einen wahren Blutrausch. Die Staatsgewalt, in Form des schwarzen Sheriffs mit Stetson-Hut, bleibt erschöpft auf der Treppe zurück. Die Bürger nehmen ihr Schicksal alleine in die Hand und wehren sich.

Ist damit Halloween Kills eine Parabel über Trump und mit all seinen Konsequenzen wie den Sturm aufs Kapitol im Januar 2021? Vielleicht im Geiste, wobei der Film vorher schon im Kasten war. Und dennoch zeigt Halloween Kills die Verführbarkeit der Massen und der Ruf nach einem starken (An-)Führer. Und der Film zeigt die Fehlbarkeit: Statt Michael wird ein Unschuldiger gejagt, der vor dem wütenden Mob in den Tod springt.
Und damit ist Halloween Kills bei Zitieren der Filmgeschichte. Natürlich darf Jamie Lee Curtis als Laurie Strode, die inzwischen aussieht wie Patti Smith, sich immer wieder selbst zitieren. Es macht Spaß, sie anzusehen, wobei ihr Schauspiel auf das Krankenhaus in Haddonfield beschränkt bleibt und damit wohl einen Ausblick auf den dritten Teil des Halloween-Gemetzels gibt, der Halloween Ends heißen wird. Der Kinostart von Halloween Ends steht schon fest: Der nunmehr 14. Film aus der „Halloween“-Reihe kommt am 13. Oktober 2022 in die Kinos, fast genau ein Jahr nachdem Halloween Kills in den Kinos startete. Ich vermute mal, dass Halloween Ends im Krankenhaus spielen wird und damit die Erinnerung an Halloween II – Das Grauen kehrt zurück von 1981 aufkommt.

Patti Smith? Nein es ist unsere Scream-Queen

Aber ein klares Filmzitat und große Verbeugung kommt von Regisseur David Gordon Green. Die Szenen mit den wütenden und schreienden Mob erinnern mich an die großen Frankenstein-Filme. Wenn sich die Dorfbewohner aufmachen und das Monster Frankenstein zur Mühle jagen, dann hat Regisseur David Gordon Green genau hingeschaut. Das macht Spaß anzusehen, dass Green hier die Klassiker zitiert.
Und ebenso scheint er seinen Tolkien gelesen und die Herr der Ringe-Verfilmungen gesehen zu haben. Als Michael Myers im Park nach seinem Opfer Ausschau hält, verkriecht sich das weibliche Opfer unter einer Baumwurzel. Myers als Schwarzer Reiter aus dem HdR-Universum, der auf der Suche nach den Hobbits ist, sie aber nicht entdeckt und weiterzieht.
Aber natürlich ist Halloween Kills nur ein Film für eingefleischte Fans der Reihe. Erinnert sei an dieser Stelle an den Halloween-Klassiker Halloween – Die Nacht des Grauens von John Carpenter von 1978, ein Slasher, der anders als Halloween Kills ohne Blut auskommt. Immer wieder sehenswert.

Ausstellungstipp Lichtspiele. Ausstellung zum Kino und Film im Brucker Land

26. Oktober 2021

Seitdem ich ein kleiner Junge war, liebe ich das Kino. Die magische Welt der bewegten Bilder: Lichtspielhäuser, Filmtheater, Multiplexkinos, Programmkinos und wie die Formen der filmischen Präsentationen auch heißen mögen. In meiner Jugend gab es in meiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck vier Kinos: Das Capitol, die Amperlichtspiele, das Lichtspielhaus und das Bundeswehrkino Luxor-Horst-Lichtspiele. In allen vier Kinos war ich gerne zu Gast und sie zeigten ein unterschiedliches Programm. Ich besuchte beispielsweise die Jugendvorstellungen am Nachmittag und zog mir die komplette Palette an Godzilla-Filmen rein. So bekam ich japanische Filmkultur unterhaltend mit.

Und auf diese Reise in die Kinovergangenheit begab ich mich wieder als ich die Ausstellung Lichtspiele. besuchte. Es ist eine Ausstellung zum Kino und Film im Brucker Land von den Anfängen bis zum Siegeszug des Fernsehens, die noch bis zum 31. Oktober 2021 im Bauernhofmuseum Jexhof gezeigt wird.

Die Ausstellung Lichtspiele. am Jexhof
An den Exponaten sah ich Projektoren, Schaubuden-Guckkasten oder die legendäre Laterna magica, die ich aber auch schon in anderen Museen bestaunt habe. Mir war es aber wichtig, die Kinos der Vergangenheit zu sehen: Alte Fotos, alte Pläne, alte Verordnungen – kommunale Kinogeschichte pur. Was für Schätze waren hier zu sehen. So fanden manche Filmvorführungen in den Sälen von Wirtshäusern statt und bei fahrenden Wanderkinos. Dazu gab es spezielle mobile Projektoren.

Mobiler Projektor für das Wirtshaus.

Und natürlich schossen Kinos in vielen kleinen und großen Gemeinden aus den Boden. Und auf diese Filmtheater lag mein Hauptinteresse.
Ich sah mir die Planungen und Kinos meiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck an. Im Laufe der Jahre begann dann das Sterben der Orte meiner Jugend. Ich erinnerte mich, wie ich an Karten angestanden habe, wie ich mich in Filme gemogelt habe, die eigentlich gar nicht für mich geeignet waren. Bestes Beispiel: Ich sah als Teenager den Carpenter-Klassiker Das Ding aus einer anderen Welt 1981 alleine im Kino und machte mir fast vor Angst in die Hose. Heute gibt es nur noch zwei Kinos in Fürstenfeldbruck. Das Lichtspielhaus wird unter anderem von einer Kulturinitiative getragen. Das Scala-Fürstenfeldbruck ist ein modernes Kino mit modernen Projektoren und Sound. Das Luxor-Horst-Lichtspiele gibt es noch, ist aber geschlossen.

Mit Spannung verfolgte ich die Kinoentwicklung in meinem heutigen Wohnort Maisach. Die Gemeinde war einst reich an Kinos. Heute haben wir Netflix.

Absolut empfehlenswerter Katalog und Ausstellung


In dem hervorragenden Ausstellungskatalog, der für rund 17 Euro beim Jexhof zu beziehen ist, hat Ortsarchivar Stefan Pfannes vorbildliche Arbeit geleistet. Anhand von zahlreichen Fotos, Plänen und Briefen erzählt er die Kinogeschichte der Gemeinde Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck. Gerne würde ich mir einen Vortrag von ihm mal anhören – mal sehen, vielleicht biete ich ihm ein Webinar zum Thema an. Wie ist eure Meinung dazu?

Die Kinogeschichte in Maisach
Das erste Kino in der Gemeinde gab es 1920 in Gerlinden. Michael Hornung gründete es zur Belustigung für Arbeiter eines nahegelegenen Torfwerkes. 1925 war mit dem Torfabbau und dem Kino dann auch schon Schluss.
1949 eröffneten die Bahnhofslichtspiele im Obergeschoss eines Gasthauses am Maisacher Bahnhof. Aber aufgrund von Steuerschulden und der nicht so gut gehenden Geschäfte wurde das Kino bereits 1953 wieder geschlossen.
176 Plätze hatten die Prinzess Lichtspiele an der Estinger Straße 6, das 1952 genehmigt wurde. Wie Pfannes berichtet, habe der Kinobetreiber Michael Ertl gut gewirtschaftet, übergab den Betrieb 1957. Der neue Betreiber hatte wohl nicht so ein glückliches Händchen und der Betrieb schloss 1964. Es folgte ein Getränkemarkt. Das Gebäude wurde 1993 abgerissen und überplant.

Und dann gab es noch das Filmtheater Maisach an der Aufkirchner Straße 8. Kinobetreiber Franz Haller eröffnete sein Lichtspielhaus 1965 mit dem Film Hochzeit lassen bitten. Hoheit lassen bitten ist eine deutsche Verwechslungskomödie von Paul Verhoeven aus dem Jahr 1954. Die Hauptrollen sind besetzt mit Hans Söhnker, Friedl Loor und Anne-Marie Blanc. Das musikalische Lustspiel basiert auf einer Operette von Walter Kollo. Ich kannte von alten Maisacher das Filmtheater Maisach als Hallerkino. Franz Haller betrieb gleichzeitig die Hallermühle am Ort. 1973 schloss er das Kino. Heute ist ein Haushaltswarengeschäft in dem Gebäude.

Der Pfarrer führt Buch über das Kinoprogramm.

Schön war in der Ausstellung eine Auseinandersetzung zwischen dem Kinobetreiber Haller und dem katholischen Pfarrer Betzl nachzulesen. Der Pfarrer stieß sich an einigen Filmen, führte genau Buch und regte sich beispielsweise über Tarzans Vergeltung (Originaltitel: Tarzan and His Mate) auf. Die MGM-Produktion hatte ein geschätztes Budget von 1,27 Millionen US-Dollar und spielte weltweit über 2,2 Millionen US-Dollar ein, ein paar Mark kamen aus Maisach. Es war der zweite Tarzan-Film mit Johnny Weissmüller. Tarzans Vergeltung war „mit Abstand der erotischste Tarzan-Streifen, der zugleich auch die realistischsten Kampfszenen beinhaltet“, so die damalige Filmkritik. Das ging dem Pfarrer zu weit. Die Kirche zeigte dafür für den gläubigen Maisacher dafür in Pfarrfilmstunden ein Alternativprogramm.

Wer noch Zeit hat, sollte sich unbedingt die Ausstellung anschauen. Sie lohnt sich auf jeden Fall. Der Katalog ist zu empfehlen und ergänzt meinen Ausstellungskatalog zur Kinogeschichte in Schwaben, die 1995 im Schwäbischen Volkskundemuseum Oberschönenfeld gezeigt wurde.

Der letzte Container nach Togo ging auf die Reise – für 2021

25. Oktober 2021

Vor wenigen Tagen ging der letzte Container für 2021 auf die Reise ins westafrikanische Togo. Die Aktion PIT Togohilfe aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck in Oberbayern hat wieder alle Kräfte mobilisiert. Der Inhalt waren Schulmöbel die vor Weihnachten in Togo eintreffen und auf die Dorfschulen verteilt werden.

Diese Möbel stammen aus der Schule an der Heckenstraße in Olching. Die Schule wurde vor Jahren aufgelassen und die Möbel sollten ursprünglich entsorgt werden. Die Schule war zu einem Lost Place geworden.

Margret Kopp, die Vorsitzende der Aktion PIT, hörte davon und bekam von der Stadt Olching den Zuschlag für das Mobiliar: 126 Tische und 167 Stühle können nach Togo verschifft werden.

Die Herausforderung: Die Tische und Stühle mussten aus zwei Gebäuden über zwei Stockwerke zusammengetragen und anschließend in einen Container verladen werden. Viele Schritte und Handgriffe für die ehrenamtlichen Helfer der Togohilfe und Kolpingfamilie sowie den Profis vom Bauhof Olching. Alles kein leichtes Unterfangen, zudem es noch anfing zu nieseln.

Aber mit vereinten Kräften und Maschineneinsatz vom Bauhof wurde auch diese Herausforderung bewältigt. Nach zwei Stunden Ladezeit konnte die Plombe geschlossen und der Container auf die Reise geschickt werden. Dank wieder an alle Helferinnen und Helfer für diese schweißtreibende Aktion.

Facebook goes VR: Dazu mein Buchtipp Jaron Lanier Anbruch einer neuen Zeit

21. Oktober 2021

Facebook plant seinen Namen zu ändern und in den Online-Gazetten waren Metaverse und Meta als mögliche neue Firmenbezeichnungen zu lesen. Entschieden ist noch nichts, warten wir einfach ab.
Aber klar ist, wohin die Reise der US-amerikanischen Tech-Riesen geht: Klar in Richtung VR (Virtual Reality) und AR (Augmented Reality). Mark Zuckerberg ist ein Fan dieser Zukunft und hat 10.000 neue Mitarbeiter für den Bereich in Europa angekündigt. Apple arbeitet mit Hochdruck an einer AR-Brille. Google hatte mit Google Glass zu früh ein Produkt auf den Markt geworfen, ist aber noch immer im Rennen. Microsoft überzeugt mit der Hololens.

Der Begriff Metaverse ist mir 1992 das erste Mal unter gekommen. Damals las ich den Roman Snow Crash von Neal Stephenson, die literarische Grundlage von VR. Neuromancer von William Gibson ging Richtung Cyberspace. Immer die Frage im Mittelpunkt: Was kommt nach dem Internet?

Ob technisch möglich oder noch reine Zukunftsmusik ist mir im Moment egal. Die Vision nach virtuellen Welten treibt die Unternehmen voran – auch Zuckerberg mit seiner Oculus-Brille und Horizont als Plattform geht diesen Weg in virtuelle Welten konsequent. Vor Jahren bin ich in Second-Life herumspaziert und war von der Idee angetan. Horizont von Zuckerberg geht diesen Second-Life-Weg konsequent.

Wer sich mit VR beschäftigt, der muss seinen Jaron Lanier gelesen haben.

Neben den Pinonierromanen von Neal Stephenson und William Gibson hat mich das Buch Anbruch einer neuen Zeit: Wie Virtual Reality unser Leben und unsere Gesellschaft verändert von einem meiner Lieblingsautoren Jaron Lanier immer wieder zum Nachdenken gemacht. Der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels hatte 2017 ein Buch geschrieben, wie VR unser Leben und unsere Gesellschaft verändert. Ich denke, Mark Zuckerberg hat dieses Buch auch gelesen.
Jaron Lanier, 1960 in New York geboren, ist Internetpionier der ersten Stunde und prägte Begriffe wie Virtual Reality oder Avatar. Laut Encyclopaedia Britannica ist er einer der 300 wichtigsten Erfinder der Geschichte. Er lehrte u.a. an der Columbia, in Yale und Berkeley. Heute arbeitet er für Microsoft Research.

Das Buch Anbruch einer neuen Zeit: Wie Virtual Reality unser Leben und unsere Gesellschaft verändert ist eine visionäre Liebeserklärung an eine Technologie, die ungeahnte Chancen bietet und gleichzeitig ein immenses Missbrauchspotential birgt. Dabei wirft er einen unvergleichlichen Blick darauf, was es im Angesicht unbegrenzter Möglichkeiten heißt, heute Mensch zu sein.

Es ist ein sehr persönliches Buch. Es geht um die Familiengeschichte. Ein Teil seiner Familie wurde im Holocaust von den Nazis getötet, seine Mutter starb bei einem Autounfall und Jaron wuchs als Außenseiter auf. Er sehnte sich nach anderen Welten. Das war sicher eine der Motivationen, als ins Valley kam und sich mit VR auseinandersetzte. Er betrieb von 1984 bis 1990 mit VPL Research ein Unternehmen zur Entwicklung und Vermarktung von Virtual-Reality-Anwendungen. Einige Geräte von VPL konnte man 1992 im Film Der Rasenmäher-Mann sehen, ein schlechter Film, aber ungemein visionär für den VR-Bereich.

Lanier diskutiert in seinem Buch Anbruch einer neuen Zeit: Wie Virtual Reality unser Leben und unsere Gesellschaft verändert sehr leidenschaftlich und verständlich über 50 verschiedene Definitionen von VR und setzt sich in unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen mit der Vision VR auseinander. Es steht für mich der Satz im Mittelpunkt: Virtuelle Realität braucht den Menschen, denn immer geht es um die Erweiterung der inneren Wahrnehmung mithilfe technischer Mittel.

Bei meiner Lektüre bin ich auf einen alten Spiegelartikel aus dem Jahre 2014 gestoßen. Hier äußert sich Lanier über Mark Zuckerberg: „Mark Zuckerberg ist definitiv nicht Stalin. Er ist nicht mal Lenin. Er hat eine gewisse Arroganz, aber er ist kein schlechter Mensch. Was all diese Pioniere letztlich antreibt, ist im Grunde der Versuch, den Tod zu verleugnen.“

Ich bin gespannt, wie der neue Name von Facebook aussehen wird und welchen Weg Mark Zuckerberg gehen wird. Vielleicht trifft er sich hinter den Kulissen mit Jaron Lanier und beide diskutieren die Zukunft des Internets. Spannend bleibt es allemal.

Das Apple Putztuch gab es schon vor rund 20 Jahren

20. Oktober 2021

Nachdem alle über das 25 Euro teure Poliertuch aus dem Apple Onlinestore berichtet haben, hat Apple sein Ziel erreicht: Das Unternehmen aus Cupertino ist wieder in aller Munde. Ich erinnere mich noch an das Jahr 2002 als es schon mal so ein Tuch gab.

Als meine Bestellung für die mobile Höllenmaschine MacBook Pro raus gegangen ist, schaute ich noch durch den Shop, ob es ein Schnäppchen gab: Apple und Schnäppchen – ein Widerspruch in sich. So stieß ich also auch wie viele andere auf das Poliertuch, das mir mein Optiker als kostenloses Geschenk beim Brillenkauf dazugibt, bei Apple ich aber bezahlen soll, auch wenn ich für Tausende von Euro ein M1Max-Biest gekauft habe.

25 Euro für ein Putztuch – ich liebe den Humor von Apple.

Poliertuch aus dem Jahre 2002
Aber in diesem Moment erinnerte ich mich an die Keynote des Jahres 2002. Apple hatte mich damals nach San Francisco auf die MacWorld Expo zur Bericterstattung eingeladen. Ich saß ziemlich weit vorne. Vorgestellt wurde damals der iMac im Sonnenblumen- oder Lampendesign. Steve war noch am Leben, Jon hatte das Design nach einem Spaziergang durch ein Sonnenblumenfeld entworfen und es war eine gute Zeit, es war eine andere Zeit. Ich liebte diesen Computer. Hier die Keynote als Steve Jobs den Rechner, the new iMac genannt, vorstellte.

Eskalation im Tech-Briefing
Anschließend gab es Tech-Briefings. Apple Ingenieure erklärte uns Journalisten den technischen Aufbau der damals mit dem G4 ausgestatteten Rechner. Die Nerven unseres Apple Ingenieurs und des dazugehörigen PR-Mannes wurden in unserer Session mit europäischen Journalisten extrem strapaziert.

Ein Kollege aus Deutschland hatte einen Schraubenzieher dabei und wollte den iMac vor den Augen der Apple Mitarbeiter aufschrauben, was bei Todesstrafe verboten war. Er war schwer davon abzubringen, um zu schauen, wie die RAM-Bausteine ausgewechselt werden können.

Aber richtig lustig wurde es dann als sich in meiner Session der Vertreter der französischen Vogue meldete. Apple öffnete sich damals in Richtung Luxusmarke. Der angesehene Kollege aus der Modebranche war weniger an den technischen Innereien des iMac interessiert als vielmehr an der Beilage zum iMac. Zum Lieferumfang gehörte nämlich ein graues Poliertuch, ganz so, wie es heute von Apple im Onlinestore angeboten wurde.
Warum dieses Tuch grau sei, wollte der Kollege wissen. Er könne sich sehr gut dagegen ein weinrotes Poliertuch vorstellen. Dafür erntete er verständnislose Blicke der Apple-Verantwortlichen. Deren Gesichtszüge entglitten.

Da musste man erst mit dem nervigen Deutschen und seinem Schraubenzieher fertig werden und dann kam der Modejournalist dazu und wollte eine Begründung für das graue Tuch. Dabei muss man wissen, dass US-Briefings damals so abliefen: Die Verantwortlichen stellten etwas vor und Fragen waren weniger erwünscht. US-Tech-Journalisten hielten sich daran, wir Europäer waren unsere Pressekonferenzen mit Frage – Antwort gewöhnt, Kulturunterschiede eben. Als die Stimmung in der Session zu eskalieren drohte, weil sowohl der deutsche Kollege mit seinem Schraubenzieher als auch der französische Kollege mit seinem weinroten Poliertuch keine Ruhe gaben, wurde die Session abgebrochen und wir vor die Türe geschickt. Quasi ohne Abendessen ab ins Bett.

Der deutsche Apple-PR Manager, der legendäre Georg Albrecht, der uns begleitete, konnte sich vor Lachen nicht mehr zurückhalten und entschuldigte sich bei seinen US-Kollegen, die schweißgebadet waren. Den new iMac samt Tuch hab ich noch. Vielleicht sollte ich bei Apple mal nachfragen, warum es das 25 Euro teure Putztuch nicht in Weinrot gibt.

Buchtipp: Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet

19. Oktober 2021

Morgens nach dem Aufwachen habe ich im Bett ein journalistisches Ritual: Ich scanne die sozialen Netzwerke, lese die Schlagzeilen der relevanten News-Website und schmökere in digitalen Zeitungen am iPad mini. Darunter ist auch die BILD, die ohne Zweifel Meinungsführer in Deutschland ist.

Ich bin gespannt, was und ob sich etwas in der Boulevard-Berichterstattung nach dem Rauswurf von Julian Reichelt vom Posten des Chefredakteurs ändert. In der BILD selbst stand auf Seite 3 eine Meldung dazu. Ich habe Reichelt selbst nur einmal bei einer Podiumsdiskussion in München kennengelernt als er über die Arbeit von Polizeipressesprecher Marcus da Gloria Martins im Rahmen des OEZ-Attentats mokierte. Ich war nicht Reichelts Meinung. Ich konnte aber sehen, wie streitbar Julian Reichelt argumentierte und wie sein Weltbild ist. Am Ende der Veranstaltung ließ ich mir sein Buch signieren und wechselte ein paar Worte, um mir ein Bild zu machen.

Und als Reichelt gestern bei Springer rausgeflogen ist – oder wie es diplomatischer bei Springer hieß: „Entbunden“ wurde, da griff ich zur Lektüre des Buches Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet spaltet. Ich habe immer wieder in einem Kapitel geschmökert und gestern habe ich das Buch aufgrund der aktuellen Ereignisse fertig gelesen. Erschreckend, wie das Geschäftsmodell des erfolgreichsten deutschen Medienhauses auf Angst basiert. Die Autoren Moritz Tschermak und Mats Schönauer haben eine beeindruckende Recherche vorgelegt. Sie liest sich zwar nicht so flüssig wie das Wallraff-Buch von 1977 Der Aufmacher: Der Mann, der bei Bild Hans Esser war, aber es ist auch eine andere Zeit heute: BILD ist komplexer als zu Wallraffs Zeiten.

Moritz Tschermak und Mats Schönauer betreiben seit 2004 den BILDblog und analysieren Tag für Tag den Medienkomplex BILD. Sie stellen fest: Unter Reichelt sei das Boulevard-Blatt noch brutaler, noch menschenverachtender, noch populistischer geworden. Jetzt muss Boulevard Position beziehen und zum Teil auch überspitzen, doch Reichelt hat den Bogen überspannt. Das wird in dem Buch eindrucksvoll belegt. In den Kapitel geht es unter anderem um BILD und die Justiz, Leser, Politik, Migration, Rechtspopulisten, Frauen und Hartz IV. Das Kapitel über Sport habe ich übersprungen, weil mich Sportberichterstattung null interessiert. Aber auch hier bezieht die Zeitung mit den vier Großbuchstaben wohl auch Position.

Julian Reichelt und sein Team waren erfindungsreich.Die Unsitte des Leserreporters schlug wie eine Bombe ein. Es gab sogar noch einen Presseausweis für diese Knipser. Die Leser-Blatt-Bindung war enorm. Als die Print-Auflage zusammenbrach, setzt man massiv auf Online, führte konsequent mit Bild Plus ein Bezahlabo ein und mit dem TV-Sender Bild TV wird der Verlag wohl den gleichen Weg gehen. Die Mannschaft um Reichelt nimmt es mit Persönlichkeitsrechten nicht so genau ist aus dem Buch ebenso zu lesen, wie die Redaktion Stimmung gegen Minderheiten macht.

Das Buch Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet ist ein wichtiges Buch zur Medienkultur. Das Buch zeigt, wie Journalismus funktioniert und wie er am Beispiel der BILD eben nicht funktionieren darf. Nach der Lektüre war ich erbost und erzürnt. BILD unter Reichelt machte sich seine eigenen Wahrheiten. Ich empfehle die Lektüre so manchen besorgten Bürger, der meint, die BILD sei die Zeitung des kleinen Mannes und ergreife seine Partei. Der kleine Mann irrt – er irrt gewaltig.

Persönlicher Nachruf auf Gerd Ruge

18. Oktober 2021

Mit 93 Jahren starb eine Legende: Gerd Ruge ist tot. Ein journalistisches Vorbild hat seine wachen Augen für immer geschlossen. Für mich war Ruge ein Vorbild, obwohl ich nie mit ihm arbeiten durfte. Diese Auszeichnung wurde mir nie zu Teil.
Ich habe die Arbeit von Gerd Ruge immer geschätzt, den Menschen kannte ich nur aus Erzählungen, aber der Reporter war mir Zeit seines Lebens präsent. Mein Vater hatte das Buch von Ruge Zwischen Washington und Moskau – Europa in der Konfrontation der Supermächte. Das bekam ich als Jugendlicher in die Hände und war über den Stil begeistert. Ich hatte damals Peter Scholl-Latour, Peter von Zahn und Dieter Kronzucker gelesen. Nun hatte ich Gerd Ruge für mich entdeckt.

Als es 1991 zum Putsch gegen Gorbatschow kam, hing ich vor dem Fernseher und verfolgte die Dauerreportagen von Gerd Ruge, der mir die Lage vom russischen Weißen Haus ins Wohnzimmer brachte. Manches Mal vernuschelt, aber immer objektiv. Der Mann konnte einfach mit Menschen. Später erschien dazu sein Buch: Der Putsch: Vier Tage, die die Welt veränderten
Er hatte den Dreh raus, um den Menschen zu erreichen. Ob er es unabsichtlich machte oder ob er diesen Stil bewusst einsetzte, das weiß ich nicht. Funktioniert hat es immer. Ich sagte einmal zu einem Kollegen, dass mich Ruge an die TV-Figur Colombo erinnerte – und das meine ich mit großem Respekt. Ruges Spruch lautete: „Wie ist das Leben?“ – und damit hatte er den Interviewpartner.

Mein Autogramm von Gerd Ruge.

Auf einer Veranstaltung, ich glaube es war die Verleihung des Gerd Ruge Stipendium der Film- und Medienstiftung NRW, durfte ich ein paar Worte mit ihm wechseln. Und ich bat ihn um ein Autogramm. Ich hatte aus München extra eine alte Autogrammkarte vom WDR mitgebracht.
Er lachte und nuschelte etwas, warum ich kein neues Buch zum Unterschreiben dabei hatte. Ich lachte und sagte sinngemäß, dass er für mich ein Mann des Fernsehens sei und daher erschien mir die WDR-Autogrammkarte am passendsten. Wir beide lachten, er unterschrieb und das war leider meine einzige Live Begegnung mit Gerd Ruge. Das Autogramm hängt heute in meinem Arbeitszimmer.

Zur Person Gerd Runge
Gerd Ruge wurde am 9. August 1928 in Hamburg geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er 1949 beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Köln. 1956 ging er als erster ständiger Korrespondent für die ARD nach Moskau. 1963 entwickelte er mit dem Journalisten Klaus Bölling die ARD-Sendung „Weltspiegel“. Bis 1969 war Ruge Amerika- und Washington-Korrespondent der ARD und kehrte dann als ARD-Chefkorrespondent und Leiter des WDR-Studios zurück nach Bonn. 1973 bis 1976 war Ruge Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ in Peking, wurde 1977 für den WDR ARD-Hörfunkkorrespondent in Moskau und ab 1981 WDR-Fernseh-Sonderkorrespondent. Gerd Ruge leitete u.a. die Redaktionen „Monitor“ und „Weltspiegel“ im WDR sowie die Programmgruppe Ausland. 1987 ging er als ARD-Korrespondent und Studioleiter zurück nach Moskau, wo er bis zum Ruhestand 1993 arbeitete.
Dem Bildschirm verbunden blieb Ruge durch seine Reisereportagen „Gerd Ruge unterwegs“ und die Moderation der 3sat-Talkrunde „NeunzehnZehn“. Von 1997 bis 2001 leitete er den Bereich Fernsehjournalismus an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. 1999 wurde er Präsident der Jury des „Prix International des Correspondants de Guerre“. Gerd Ruge war Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. drei Adolf-Grimme- Preise, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis sowie 2014 den Ehrenpreis der Stifter des Deutschen Fernsehpreises.

Podcast zu Steven Spielbergs Duell von 1971

17. Oktober 2021

Im Moment experimentiere ich mit dem Medium Podcast herum. Als Print-Journalist ist Audio ein neues Feld für mich. Bevor ich aber öffentlich mit meinen Sendungen live gehe, durfte ich Fragen und Fachwissen für einen Podcasts beisteuern.
Es ging um den ersten Steven Spielberg Spielfilm Duell aus dem Jahre 1971. Auf Einladung von Jan Planinic sprach ich mit Filmexperten David Dietrich über die Entstehung, Produktion und Wirkung dieses wichtigen Films. Anlass war eine Themenwoche zu Duell.

Dieser Podcast wurde zuerst den Mitgliedern der Facebook-Filmgruppe Erdbeben 1974 zugänglich gemacht. Diese Gruppe, zu der ich euch herzlich einlade, hat die Filme der siebziger Jahre zum Inhalt. Freunde des bewegten Bildes diskutieren und philosophieren über das wichtige Jahrzehnt in der Filmgeschichte. Ich bin in der Gruppe aktiv.
Also viel Spaß beim Anhören und vielleicht trifft man sich ja in der Facebook-Gruppe Erdbeben 1974

Filmkritik: James Bond 007 – keine Zeit zum Sterben / No Time to die

15. Oktober 2021

Der neue James Bond Film No time to die hat alles richtig gemacht und für mich viel falsch gemacht. Für mich als Traditionalist in Sachen Bond bricht dieser Bond zu sehr mit der Tradition und fügt sich dem modernen Zeitgeist. Dabei geht er weiter als die Vorgängerfilme. Daniel Craigs Interpretation des britischen Geheimagenten ist konsequent modern – und ich mag diese Interpretation nicht.

Keine Zeit zu sterben ist kein Bond in der Tradition der klassischen Filme. Zu viel hat das Produzentenduo Michael G. Wilson und Barbara Broccoli den Agent mit der Lizenz zum Töten weichgespült und dem Zeitgeist angepasst. Dadurch ist der Bond-Film auswechselbar geworden und unterscheidet sich nicht mehr von herkömmlichen Actionfilmen. Das Bond-Flair ist nur noch in Details vorhanden.

Der Film lebt von der Vergangenheit, von der Tradition ein Teil der erfolgreichsten Filmreihe der Welt zu sein. Nachdem der Start aufgrund von Corona immer wieder verschoben wurde, tut der fulminante Start den Kinos gut und dies begrüße ich. Zumindest in Deutschland ist der Film ein Kassenschlager. In den USA zündet Bond nicht so. Ich hab mir den langen Film in meinem Lieblingskino vor Ort dem Scala Fürstenfeldbruck angeschaut.

Einige Szenen von No Time to die erinnern mit Augenzwinkern an den Bond der Vergangenheit. Ich begrüße diese Verbeugung an die alten glorreichen Bond-Zeiten: Das wird gleich zu Beginn klar, als unser geliebter Aston Martin DB5 über die kurvigen Straßen von Italien rollt. Wir haben alle Zeit der Welt. Der Geheimdienst ihrer Majestät lässt grüßen. Ich sehe im Geiste die große Diana Rigg und mir wird klar, dass es aktuell Léa Seydoux als Madeleine Swann ist. Was für ein dramatischer Verlust an Schauspielkunst! Wir hören Louis Armstrongs Song am Ende des Films nochmal. Damit war schon zu Beginn klar, dass No Time to Die dramatisch enden wird.

Traditionspflege Aston Martin
Im Grunde waren die Aston Martins das Zeitlose an dem neuen Bond. Ich genoss das Erscheinen der Autos, die mehr Seele haben als die Schauspieler, die in ihm sitzen. Der Aston Martin DB5 ist das Auto, mit dem alles angefangen hat, als es 1964 im Bond-Film Goldfinger erstmals auf der Kinoleinwand erschien. Der DB5 machte einen solchen Eindruck, dass er danach in sechs weiteren Bond-Filmen zu sehen war: Feuerball, Golden Eye, Der Morgen stirbt nie, Casino Royale, Skyfall und Spectre. Sean Connery, Pierce Brosnan und Daniel Craig waren alle in dem Sportwagen aus den 1960er Jahren unterwegs.

Der DB5 der Gegenwart wird von der neuen MI6-Agentin Nomi, gespielt von Lashana Lynch, gefahren. Neue Agenten brauchen neue Autos. Das Flaggschiff des Aston Martin Portfolios legt im Film einen ganz großen Auftritt hin. Auch der Valhalla – der revolutionäre Mittelmotor-Sportwagen von Aston Martin – feiert in Keine Zeit zu sterben einen ganz besonderen Gastauftritt. Für mich neben dem DB5 kommt gleich der V8 Saloon, ähnlich dem Modell, das erstmals 1987 in Der Hauch des Todes einen Auftritt hatte. Der V8 Saloon feierte ein Jahrzehnt vor Timothy Daltons Bond sein Debüt und war sowohl das schnellste viersitzige Serienmodell seiner Zeit als auch das erste echte „Supercar“ Großbritanniens. Wer genau hinschaut, sieht am Nummernschild (B549 WUU), dass es sich um Daltons Auto handelt.

Erinnerung an große Zeiten
In der Basis des Schurken angekommen, sehen wir eine Verbeugung vor dem großen Ken Adam, der mit seinem Setdesign das Bond-Feeling prägte. Und wir sehen immer wieder das Set von Dr. No in dem Sean Connery als Bond startete. Ach ja, der gute alte Dr. No. Der Film spielte auf Jamaika und auch Keine Zeit zu sterben nimmt sich die Zeit, in Golden Eye, dem Anwesen von Ian Fleming, umherzustreifen. Das macht Laune, dass die Bond Macher solch einen historischen geschmackvollen Drehort zum Abschluss der Craig-Reihe gewählt haben.

In einer Zeit, in der Lieschen Müller sich als Pauschaltouristin die Welt ansehen kann, reicht es nicht mehr, dass James Bond Filme Exotik der Südsee und Flair der Ferne zeigen. Gedreht wurde in Süditalien, Kuba und London – alles Orte, die Lieschen Müller ansteuern kann. Die Welt von Bond ist eben kleiner geworden.
Achten Sie auf das Getränk in Jamaika. Es gibt keinen Wodka Martini. Stattdessen steht dort eine Flasche Blackwell Rum. Das ist nicht wie bei Bond-Filmen üblich ein Productplacement, sondern Blackwell Rum gehört Chris Blackwell, der bei Dr. No Location-Scout war und dann ins Rumgeschäft einstieg. Nette Spielerei für Bond-Fans und Alkoholiker.

Das letzte Mal Daniel Craig
Ich war nie ein Fan von Daniels Craig Interpretation des Helden, aber er spielt seinen Bond aus seiner Sicht konsequent. Auf der einen Seite zeigt er die Härte, die ein Agent mit der Lizenz zum Töten ausstrahlen muss. Er killt seine Gegner ohne Gnade. Aber auf der anderen Seite gibt Craig einen tiefen Einblick in Bonds Gefühlswelt. So haben wir unseren Bond noch nie gesehen – und wenn ich ehrlich bin, so wollte ich ihn auch nie sehen. Bond zeigt Wärme, Rücksicht, Verlangen – Softskills. Die Frauen, ich darf nicht mehr Bond-Girls schreiben, werden von Bond nicht mehr flachgelegt, sondern befördert. Nomi (Lashana Lynch) bekommt sogar die 007-Lizenz.

Übrigens: Im Hebräischen bedeutet Noomi „angenehm, erfreulich, liebenswürdig, die Liebliche“. Die meeto-Debatte hat Bond erreicht und die Kunstfigur James Bond neu geformt. Entstanden ist ein neuer Bond, der für mich aber auswechselbar, blasser wirkt, der seine Kanten verloren hat. Die kalten Krieger von Ian Fleming sind nicht mehr gefragt. Es ist auch nicht mehr die Figur, die Ian Fleming einstmals erdacht hatte. Bond wird in diesem Film ein Familienmensch.
Ist Ihnen aufgefallen, dass die Eröffnungssequenz fehlt, die uns immer begleitet hat: Bond dreht sich in die Kamera und schießt und dann setzt die Titelmusik ein. Bei Keine Zeit zu streben, darf Billie Eilish singen, aber diese ikonische Szene fehlt. Gegen Ende des Films im Showdown kommt eine Homage daran, als Bond an einer Wegkreuzung einen Terroristen umballert. Hier bricht der Film mit seinen Vorgängern und als Traditionalist in Sachen Bond mag ich das nicht.

Der böse Mann
Ungewohnte Härte und sogar Furcht gibt es gleich zu Beginn des Film. Bösewicht Lyutsifer Safin, von Rami Malik gut dargestellt, geht auf die Jagd nach einem Kind. Was geht da ab? Die Atmosphäre des Auftakts ist dicht, das Ganze ist spannend und brutal. So etwas zu Beginn eines Bond-Films, ohne dass der Held auftaucht, ist ungewöhnlich und bricht mit liebgewonnen Traditionen. Und da wir schon bei Bösewichten sind: Blofeld ist auch wieder da, Walz spielt ihn prima, doch seine Fesselung auf einem Stuhl ist einfach lächerlich und eines Bond-Bösewichts nicht würdig. Ein bisschen Schweigen der Lämmer im Hochsicherheitstrakt, das haben wir schon mal besser, viel besser gesehen.
Das Thema der biologischen Waffe ist in Corona-Zeiten hoch aktuell – da kam den Machern der Zufall zu Hilfe.

Mein Fazit: No Time to die ist ein emotionaler Actionfilm geworden, wie ihn das heutige Publikum zu schätzen weiß. Gut, dass die Ära Craig damit zu Ende gegangen ist und es eine Chance für einen Neuanfang gibt. Obwohl das Ende ja das Ende ist, geben uns die Produzenten die Hoffnung mit den Zeilen „James Bond will return“