Der neue James Bond Film No time to die hat alles richtig gemacht und für mich viel falsch gemacht. Für mich als Traditionalist in Sachen Bond bricht dieser Bond zu sehr mit der Tradition und fügt sich dem modernen Zeitgeist. Dabei geht er weiter als die Vorgängerfilme. Daniel Craigs Interpretation des britischen Geheimagenten ist konsequent modern – und ich mag diese Interpretation nicht.

Keine Zeit zu sterben ist kein Bond in der Tradition der klassischen Filme. Zu viel hat das Produzentenduo Michael G. Wilson und Barbara Broccoli den Agent mit der Lizenz zum Töten weichgespült und dem Zeitgeist angepasst. Dadurch ist der Bond-Film auswechselbar geworden und unterscheidet sich nicht mehr von herkömmlichen Actionfilmen. Das Bond-Flair ist nur noch in Details vorhanden.
Der Film lebt von der Vergangenheit, von der Tradition ein Teil der erfolgreichsten Filmreihe der Welt zu sein. Nachdem der Start aufgrund von Corona immer wieder verschoben wurde, tut der fulminante Start den Kinos gut und dies begrüße ich. Zumindest in Deutschland ist der Film ein Kassenschlager. In den USA zündet Bond nicht so. Ich hab mir den langen Film in meinem Lieblingskino vor Ort dem Scala Fürstenfeldbruck angeschaut.

Einige Szenen von No Time to die erinnern mit Augenzwinkern an den Bond der Vergangenheit. Ich begrüße diese Verbeugung an die alten glorreichen Bond-Zeiten: Das wird gleich zu Beginn klar, als unser geliebter Aston Martin DB5 über die kurvigen Straßen von Italien rollt. Wir haben alle Zeit der Welt. Der Geheimdienst ihrer Majestät lässt grüßen. Ich sehe im Geiste die große Diana Rigg und mir wird klar, dass es aktuell Léa Seydoux als Madeleine Swann ist. Was für ein dramatischer Verlust an Schauspielkunst! Wir hören Louis Armstrongs Song am Ende des Films nochmal. Damit war schon zu Beginn klar, dass No Time to Die dramatisch enden wird.
Traditionspflege Aston Martin
Im Grunde waren die Aston Martins das Zeitlose an dem neuen Bond. Ich genoss das Erscheinen der Autos, die mehr Seele haben als die Schauspieler, die in ihm sitzen. Der Aston Martin DB5 ist das Auto, mit dem alles angefangen hat, als es 1964 im Bond-Film Goldfinger erstmals auf der Kinoleinwand erschien. Der DB5 machte einen solchen Eindruck, dass er danach in sechs weiteren Bond-Filmen zu sehen war: Feuerball, Golden Eye, Der Morgen stirbt nie, Casino Royale, Skyfall und Spectre. Sean Connery, Pierce Brosnan und Daniel Craig waren alle in dem Sportwagen aus den 1960er Jahren unterwegs.
Der DB5 der Gegenwart wird von der neuen MI6-Agentin Nomi, gespielt von Lashana Lynch, gefahren. Neue Agenten brauchen neue Autos. Das Flaggschiff des Aston Martin Portfolios legt im Film einen ganz großen Auftritt hin. Auch der Valhalla – der revolutionäre Mittelmotor-Sportwagen von Aston Martin – feiert in Keine Zeit zu sterben einen ganz besonderen Gastauftritt. Für mich neben dem DB5 kommt gleich der V8 Saloon, ähnlich dem Modell, das erstmals 1987 in Der Hauch des Todes einen Auftritt hatte. Der V8 Saloon feierte ein Jahrzehnt vor Timothy Daltons Bond sein Debüt und war sowohl das schnellste viersitzige Serienmodell seiner Zeit als auch das erste echte „Supercar“ Großbritanniens. Wer genau hinschaut, sieht am Nummernschild (B549 WUU), dass es sich um Daltons Auto handelt.
Erinnerung an große Zeiten
In der Basis des Schurken angekommen, sehen wir eine Verbeugung vor dem großen Ken Adam, der mit seinem Setdesign das Bond-Feeling prägte. Und wir sehen immer wieder das Set von Dr. No in dem Sean Connery als Bond startete. Ach ja, der gute alte Dr. No. Der Film spielte auf Jamaika und auch Keine Zeit zu sterben nimmt sich die Zeit, in Golden Eye, dem Anwesen von Ian Fleming, umherzustreifen. Das macht Laune, dass die Bond Macher solch einen historischen geschmackvollen Drehort zum Abschluss der Craig-Reihe gewählt haben.
In einer Zeit, in der Lieschen Müller sich als Pauschaltouristin die Welt ansehen kann, reicht es nicht mehr, dass James Bond Filme Exotik der Südsee und Flair der Ferne zeigen. Gedreht wurde in Süditalien, Kuba und London – alles Orte, die Lieschen Müller ansteuern kann. Die Welt von Bond ist eben kleiner geworden.
Achten Sie auf das Getränk in Jamaika. Es gibt keinen Wodka Martini. Stattdessen steht dort eine Flasche Blackwell Rum. Das ist nicht wie bei Bond-Filmen üblich ein Productplacement, sondern Blackwell Rum gehört Chris Blackwell, der bei Dr. No Location-Scout war und dann ins Rumgeschäft einstieg. Nette Spielerei für Bond-Fans und Alkoholiker.



Das letzte Mal Daniel Craig
Ich war nie ein Fan von Daniels Craig Interpretation des Helden, aber er spielt seinen Bond aus seiner Sicht konsequent. Auf der einen Seite zeigt er die Härte, die ein Agent mit der Lizenz zum Töten ausstrahlen muss. Er killt seine Gegner ohne Gnade. Aber auf der anderen Seite gibt Craig einen tiefen Einblick in Bonds Gefühlswelt. So haben wir unseren Bond noch nie gesehen – und wenn ich ehrlich bin, so wollte ich ihn auch nie sehen. Bond zeigt Wärme, Rücksicht, Verlangen – Softskills. Die Frauen, ich darf nicht mehr Bond-Girls schreiben, werden von Bond nicht mehr flachgelegt, sondern befördert. Nomi (Lashana Lynch) bekommt sogar die 007-Lizenz.
Übrigens: Im Hebräischen bedeutet Noomi „angenehm, erfreulich, liebenswürdig, die Liebliche“. Die meeto-Debatte hat Bond erreicht und die Kunstfigur James Bond neu geformt. Entstanden ist ein neuer Bond, der für mich aber auswechselbar, blasser wirkt, der seine Kanten verloren hat. Die kalten Krieger von Ian Fleming sind nicht mehr gefragt. Es ist auch nicht mehr die Figur, die Ian Fleming einstmals erdacht hatte. Bond wird in diesem Film ein Familienmensch.
Ist Ihnen aufgefallen, dass die Eröffnungssequenz fehlt, die uns immer begleitet hat: Bond dreht sich in die Kamera und schießt und dann setzt die Titelmusik ein. Bei Keine Zeit zu streben, darf Billie Eilish singen, aber diese ikonische Szene fehlt. Gegen Ende des Films im Showdown kommt eine Homage daran, als Bond an einer Wegkreuzung einen Terroristen umballert. Hier bricht der Film mit seinen Vorgängern und als Traditionalist in Sachen Bond mag ich das nicht.

Der böse Mann
Ungewohnte Härte und sogar Furcht gibt es gleich zu Beginn des Film. Bösewicht Lyutsifer Safin, von Rami Malik gut dargestellt, geht auf die Jagd nach einem Kind. Was geht da ab? Die Atmosphäre des Auftakts ist dicht, das Ganze ist spannend und brutal. So etwas zu Beginn eines Bond-Films, ohne dass der Held auftaucht, ist ungewöhnlich und bricht mit liebgewonnen Traditionen. Und da wir schon bei Bösewichten sind: Blofeld ist auch wieder da, Walz spielt ihn prima, doch seine Fesselung auf einem Stuhl ist einfach lächerlich und eines Bond-Bösewichts nicht würdig. Ein bisschen Schweigen der Lämmer im Hochsicherheitstrakt, das haben wir schon mal besser, viel besser gesehen.
Das Thema der biologischen Waffe ist in Corona-Zeiten hoch aktuell – da kam den Machern der Zufall zu Hilfe.
Mein Fazit: No Time to die ist ein emotionaler Actionfilm geworden, wie ihn das heutige Publikum zu schätzen weiß. Gut, dass die Ära Craig damit zu Ende gegangen ist und es eine Chance für einen Neuanfang gibt. Obwohl das Ende ja das Ende ist, geben uns die Produzenten die Hoffnung mit den Zeilen „James Bond will return“