
Unveröffentliches Dylan-Foto von 1978 im Backstage-Bereich von Nürnberg.
Heute feiert Bob Dylan seinen 70. Geburtstag. Ich gratuliere von ganzem Herzen. In den vergangenen Tagen ist tonnenweise Material über diesen „Shakespeare des 20. Jahrhunderts“ veröffentlicht worden, viel geistloses Zeug, aber auch so manche Perle. Ich will nicht mit biografischen Daten langweilen, dies lässt sich besser bei Wiki nachlesen. Was bedeutet aber Bob Dylan für mich?
Vielleicht sollten wir dabei erst einmal über Masken reden, denn die wahre Person Dylan kenne ich nicht. Ich kenne nur die vielen Masken, die der Barde ständig wechselt. Ich kam mit Dylan Mitte der achtziger Jahre in Verbindung, als ich bei meinem örtlichen Schallplattenladen Sound die Scheibe Empire Burlesque
(1985) in die Finger bekam. Absolut modern produziert, doch es war anders als die Sachen, die sonst populär waren. Diese Stimme war anders. Ich habe bis dato kaum Country oder Blues gehört und war an das Timbre nicht gewohnt. Es faszinierte mich, die Art und Weise wie Wörter betont oder herausgebellt wurden. Ich höre zu und ich war angetan: Hier hatte jemand etwas zu sagen. Das letzte Lied der zweiten Seite war Dark Eyes. Hier knöpfte Dylan an die Tradition des Folkie Dylan an. Davon wollte ich mehr. Und so kaufte ich Dylan Aufnahmen aus all den Jahren. Ich las über die sechziger Jahre, die Folk-Bewegung und auf einem Flohmarkt bekam ich zwei Bootlegs in die Finger: Das Judas-Teil und Newport 1965 – zwei absolute Glückstreffer. Von diesem Moment an, war es um mich geschehen. Ich wollte für mich dem Phänomen Dylan auf die Spur kommen. Darüber bin ich heute hinweg. Ich kaufe nach wie vor die Aufnahmen und freue mich, dass der Meister in Würde alt geworden ist. Privat ist Dylan wohl eher schwierig, aber ich muss ihn ja nicht ertragen. Mir reichen seine Musik und seine Filme.
Ich kann viele, sehr viele seiner Sachen auswendig. Ich habe viele Konzerte gesehen und habe alle regulären Alben zu Hause. Zudem Hunderte von Bootlegs, bei dem ich dieses Konzert mit jenem verglichen habe. Doch was ist die beste Dylan-Platte? Ich denke, die gibt es nicht. Es gibt wahnsinnig starke, starke und durchschnittliche. Ja, natürlich gibt es auch ein paar weniger gute (schlechte werde ich nicht sagen). Ich glaube, die Frage nach der besten Dylan-Scheibe ist falsch gestellt. Was ist der Dylan für welche Stimmung? Und hier hat Dylan viele Masken zu bieten: Protest, Liebeslied, Rock, Ballade, Lagerfeuer, Kirche, Highway, Spieler – im Moment bin ich in der Las Vegas-Stimmung von at Budokan
, zeitweise aber auch bei den neuveröffentlichen Mono-Aufnahmen von Highway und Blonde on Blonde
und – steinigt mich bitte – in die Born Again-Aufnahme des Toronto-Konzerts 1980. Nur die Weihnachtsplatte höre ich bei den sommerlichen Temperaturen derzeit nicht.
Früher habe ich viel Geld für Bootlegs des Song and Dance-Mans ausgegeben. Das hat auch ein Ende. So dann und wann erstehe ich noch eine Aufnahme. Aber ich suche noch die Zeppelinfeld-Aufnahme von 1978 als Dylan das erste Mal deutschen Boden betrat und der Jude Zimmerman auf dem ehemaligen Reichparteitagsgelände in Nürnberg spielte.
Die Dylan-Konzerte, die ich besuchte, waren ein Erlebnis. Mein erstes war mit Tom Petty und seinen Heartbreakern. Rock´n Roll pur, aber Dylan in einer persönlich schwierigen Phase. Dann ein Konzert im Zirkus Krone mit einem stark alkoholisierten Meister. Mit meiner Frau besuchte in ein zauberhaftes, völlig verregnetes Konzert in Bad Reichenhall bei dem Dylan Humor bewies. Gerade als ein Wolkenbruch einsetze, brach er ein Lied ab und stimmte Hard Rain an. Die Band musste schauen, wo sie bliebt, wenn Dylan schlagartig das Tempo, Tonart oder gar das komplette Lied wechselte. Aber die Begleitband hatte die Sache voll im Griff. Wie drückte es Dire Straits-Cheffe Mark Knopfler mal zur Aufnahme des religiösen Slow Train
-Albums aus. „Spielen mit Dylan, ist wie Sprechen mit Gott!“ Wieder eine Mär mehr im großen Dylan-Kosmos. Das letzte Konzert, was ich live gesehen habe, war im Münchner Zenit, wo Dylan zeitweise nur sang und an die Las Vegas-Zeiten erinnerte.
Ich habe noch in Erinnerung, wie manches Konzert im TV verfolgte. Gut erinnere ich mich an den Punkauftritt in Fort Collins, der im BR ausgestrahlt wurde. Dann das Konzert zum 30. Bühnenjubiläum, bei dem Dylan wohl am liebsten gar nicht teilnahm. Aber sein Song to Woody kam vom Herzen. Cool waren die Sachen vor dem Papst oder das Konzert an der Chinesischen Mauer. Aber richtig Rock´n roll war wohl der Live Aid-Auftritt als das Trio horrible Richard, Wood und Dylan sturzbesoffen drei Songs systematisch verhackstückte, während die ganze Welt dabei live zusah. Madonna und andere Stars mussten sich wohl ihren Teil gedacht haben, was die alten Männer da treiben – geniale Performance. Durch YouTube und Amazon kam ich zu einer stattlichen Konzertsammlung, die hard to handle sind: Woodstock ’94
, Newport, das Zeug mit den Dead und natürlich Last Waltz
.
Oh Mann, es gibt so viel über Bob Dylan zu sagen und zu schreiben. Da muss ich wohl meine Gedanken und Gefühle noch zehn Jahre ordnen und zum 80. Geburtstag kommt dann man Resümee. Vielleicht erst mal so, wie Bruce Springsteen in seiner Laudatio bei der Rock´n Roll Hall of Fame: Danke Dylan für alles, du warst der Bruder, den ich niemals hatte. Vielen Dank für deine Musik, deine Masken, deine Inspiration und Kraft. Ich freu mich auf weitere Treffen mit dir auf deiner Never Ending Tour oder bei iTunes.