Mit 93 Jahren starb eine Legende: Gerd Ruge ist tot. Ein journalistisches Vorbild hat seine wachen Augen für immer geschlossen. Für mich war Ruge ein Vorbild, obwohl ich nie mit ihm arbeiten durfte. Diese Auszeichnung wurde mir nie zu Teil.
Ich habe die Arbeit von Gerd Ruge immer geschätzt, den Menschen kannte ich nur aus Erzählungen, aber der Reporter war mir Zeit seines Lebens präsent. Mein Vater hatte das Buch von Ruge Zwischen Washington und Moskau – Europa in der Konfrontation der Supermächte. Das bekam ich als Jugendlicher in die Hände und war über den Stil begeistert. Ich hatte damals Peter Scholl-Latour, Peter von Zahn und Dieter Kronzucker gelesen. Nun hatte ich Gerd Ruge für mich entdeckt.
Als es 1991 zum Putsch gegen Gorbatschow kam, hing ich vor dem Fernseher und verfolgte die Dauerreportagen von Gerd Ruge, der mir die Lage vom russischen Weißen Haus ins Wohnzimmer brachte. Manches Mal vernuschelt, aber immer objektiv. Der Mann konnte einfach mit Menschen. Später erschien dazu sein Buch: Der Putsch: Vier Tage, die die Welt veränderten
Er hatte den Dreh raus, um den Menschen zu erreichen. Ob er es unabsichtlich machte oder ob er diesen Stil bewusst einsetzte, das weiß ich nicht. Funktioniert hat es immer. Ich sagte einmal zu einem Kollegen, dass mich Ruge an die TV-Figur Colombo erinnerte – und das meine ich mit großem Respekt. Ruges Spruch lautete: „Wie ist das Leben?“ – und damit hatte er den Interviewpartner.

Auf einer Veranstaltung, ich glaube es war die Verleihung des Gerd Ruge Stipendium der Film- und Medienstiftung NRW, durfte ich ein paar Worte mit ihm wechseln. Und ich bat ihn um ein Autogramm. Ich hatte aus München extra eine alte Autogrammkarte vom WDR mitgebracht.
Er lachte und nuschelte etwas, warum ich kein neues Buch zum Unterschreiben dabei hatte. Ich lachte und sagte sinngemäß, dass er für mich ein Mann des Fernsehens sei und daher erschien mir die WDR-Autogrammkarte am passendsten. Wir beide lachten, er unterschrieb und das war leider meine einzige Live Begegnung mit Gerd Ruge. Das Autogramm hängt heute in meinem Arbeitszimmer.
Zur Person Gerd Runge
Gerd Ruge wurde am 9. August 1928 in Hamburg geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er 1949 beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Köln. 1956 ging er als erster ständiger Korrespondent für die ARD nach Moskau. 1963 entwickelte er mit dem Journalisten Klaus Bölling die ARD-Sendung „Weltspiegel“. Bis 1969 war Ruge Amerika- und Washington-Korrespondent der ARD und kehrte dann als ARD-Chefkorrespondent und Leiter des WDR-Studios zurück nach Bonn. 1973 bis 1976 war Ruge Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ in Peking, wurde 1977 für den WDR ARD-Hörfunkkorrespondent in Moskau und ab 1981 WDR-Fernseh-Sonderkorrespondent. Gerd Ruge leitete u.a. die Redaktionen „Monitor“ und „Weltspiegel“ im WDR sowie die Programmgruppe Ausland. 1987 ging er als ARD-Korrespondent und Studioleiter zurück nach Moskau, wo er bis zum Ruhestand 1993 arbeitete.
Dem Bildschirm verbunden blieb Ruge durch seine Reisereportagen „Gerd Ruge unterwegs“ und die Moderation der 3sat-Talkrunde „NeunzehnZehn“. Von 1997 bis 2001 leitete er den Bereich Fernsehjournalismus an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. 1999 wurde er Präsident der Jury des „Prix International des Correspondants de Guerre“. Gerd Ruge war Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. drei Adolf-Grimme- Preise, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis sowie 2014 den Ehrenpreis der Stifter des Deutschen Fernsehpreises.
Schlagwörter: Autogramm, Dieter Kronzucker, Fernsehjournalismus, Gerd Ruge, Korrespondent, Monitor, Peter Scholl-Latour, Peter von Zahn, Prix International des Correspondants de Guerre.Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis, Reporter, Weltspiegel
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