So stelle ich mir ein Museum mit moderner, zeitgemäßer Museumskonzeption vor. Am Ende meines Aufenthalts in Lübeck besuchte ich das Europäische Hansemuseum und es war schlichtweg ein Erlebnis.
Die Hanse ist eine Mischung aus EU, NATO und OPEC des Mittelalters und nachdem ich bereits in zahlreichen Hansestädten war, war Lübeck das Zentrum dieses Reichs von Kaufmänner. Ich war von dem Museum so begeistert, dass ich mir gleich den Museumskatalog und zwei Bücher Die Hanse und Die Deutsche Hanse: Eine heimliche Supermacht
im Shop kaufte und auf der 6 stündigen Heimfahrt nach Bayern verschlang.
Was begeisterte mich an dem Europäischen Hansemuseum? Es begann mit dem Ticket. Der Preis von 13 Euro beinhaltete das Museum und das Burgklosters, was aber aufgrund von Renovierungsarbeiten und Aufbau einer Tanzveranstaltung nur teilweise zu besichtigen war. Einen Preisnachlass gab es aber nicht. Nun, mir ging es erst mal um das Hansemuseum. Ein Eintrittskarte beinhaltet einen NFC-Code. Im Eingangsbereich mache ich meine Karte scharf, wähle aus einer von vier Sprachen. Bei mir war es Deutsch, aber es gibt auch Englisch, Schwedisch und Russisch – interessant, denn in Bayern hätte Italienisch oder Französisch dazu gehört und sicherlich Chinesisch. Dann kann ich eine von 50 europäischen Städten wählen unter deren Sichtweise meine Führung steht und zum Schluss kann ich noch ein Interessengebiet auswählen. So stelle ich mir eine individuelle Führung durch das Hansemuseum zusammen. Ich halte meine Karte vor die Monitore und ein individueller Inhalt wird angespielt – so muss Museum heute sein.
An einem Einführungsmonitor am Anfang jeder Szene gibt es einen Überblick über die dort dargestellte historische Situation. Sie wurde auf Basis aktueller Forschungsergebnisse rekonstruiert, wird mir von den Guides zu Beginn meiner Tour vermittelt. Der Rundgang ist didaktisch hervorragend aufgebaut. Es gibt so genannte Kabinette mit historischem Material und zahlreichen Erläuterungen. Dem schließen sich Räume mit Szenen in historischen Kulissen an.
Der Rundgang startet mit einer Fahrt eines Aufzugs nach unten. Hier gibt es eine Art Luftschleuse, damit die historische Grabung nicht beschädigt wird. Es zeigt die Ursprünge Lübecks und historische Schichten des Burghügels.
Dann folgen Informationen über den wegweisenden Zusammenschluss an der Newa um 1193. So geht es weiter mit Lübeck um 1226, London 1550, Hansetag 1518, Handel & Glaube, die Pest um 1367 und Brügge um 1361. Mir als Filmfreund kamen die Setbauten von Filmbau Decotec entgegen. Auch das Filmstudio Babelsberg Potsdam schuf Figuren. Den Vorwurf von „erdachten Welten“ halte ich für nicht angebracht, basiert die Konzeption und Darstellung auf historischen Fakten. In dieser Art kann ich historisches Wissen vermitteln – und es macht auch noch Spaß. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und kann gar nicht sagen, welcher Raum mir am besten gefallen hat. Wahrscheinlich war es die Idee der Hanse: Der Zusammenschluss von Menschen mit gleichem Interesse, die die Welt verändern.
Leider hatte ich nur 2,5 Stunden Zeit, die sollte man sich aber auch nehmen. Beim nächsten Lübeck-Besuch nehme ich mir einen Tag Zeit, denn alle Tafeln und Hinweise konnte ich vor Ort nicht lesen – aber ich habe ja den exzellenten Ausstellungskatalog gekauft und verschlungen. Bald fahre ich nach Riga und werde mein Hanse-Wissen dort angeberisch anbringen.
Ein paar Zahlen und Fakten um das Hansemuseum. Das Hansemuseum war im April 2015 Tagungsort der Außenminister der G7-Staaten. Offiziell eröffnet wurde es am 27. Mai 2015 von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Museumsbetrieb wurde am 30. Mai 2015 aufgenommen.
Hier mein Videorundgang in drei Teilen: