Posts Tagged ‘Vampirfilm’

Dracula im Film (29): So finster die Nacht

11. Oktober 2022

Was für eine Offenbarung! Ich habe nicht geglaubt, dass ich nach all den schlechten oder durchschnittlichen Vampirfilmen noch so ein solches Juwel finden würde. So finster die Nacht ist für mich ein Vampirfilm der Extraklasse, der lang bei mir nachgewirkt hat.

Da ich die kanadischen Horrorfilme von David Cronenberg mit seiner Kälte mag, da schob ich die Disc von So finster die Nacht gerne in den Player. Der Film stammt aus Schweden und wurde 2008 inszeniert von Tomas Alfredson, den ich bis dato nicht kannte. Die Geschichte um die Freundschaft und Romanze eines introvertierten, gedemütigten Jungen und eines weiblichen, androgyen Vampirkindes hat mich berührt. Eine Romanze, eingebettet in Blut und Schnee – daraus resultieren starke Bilder. Kåre Hedebrant spielt Oskar und Lina Leandersson die Vampirin Eli spielen hervorragend. Der Film kann als Horrorfilm oder auch als Jugendromanze gesehen werden.

Erst im Nachhinein habe ich gelesen, dass der Name des Films auf Morrisseys Lied Let the Right One Slip In basiert, wobei ich zugeben muss, dass ich mich mit Morrissey nicht so auskenne.
Der Film strahlt eine ungewöhnliche Kühle aus, die ich sehr schätze. Hinzu kommen ungewöhnliche Kameraeinstellungen. Hier gedeiht die Angst sehr eindrucksvoll und der Film wird ein Fest für die Sinne: Romantisch, brutal, sensibel, gehaltvoll und gnadenlos. Als der Film zu Ende war, saß ich in meinem Fernsehsessel und musste das Werk erst einmal verkraften, so sehr hat der Film mich hineingezogen.

Kein Wunder, dass die Amerikaner den Stoff von So finster die Nacht begeistert aufgenommen und eine Neuverfilmung unter dem Titel Let Me In von Cloverfield-Regisseur Matt Reeves gedreht haben. Auch der ist empfehlenswert.

Der Inhalt kurz: Oskar (Kare Hedebrant), ein zwölfjähriger Junge, lebt isoliert und wird von seinen Mitschülern gedemütigt. In seiner sensiblen Seele brodelt es, aber er setzte seine Rachegelüste nicht um. Mit Eli (Lina Leandersson) lernt er eine eigenartige mysteriöse Nachbarin kennen und sieht in ihr eine verwandt Seele, die allerdings nur nachts unterwegs ist.

Dracula im Film (11): Nosferatu in Venedig (1988)

6. September 2020

Völlige Fehlbesetzung: Klaus Kinski

Völlige Fehlbesetzung: Klaus Kinski

Seit „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ wissen wir, dass Venedig ein phantastischer Drehort für Horrorfilme sein kann. Das muss sich Produzent Augusto Caminito auch gedacht haben, als er Nosferatu in Venedig in Angriff genommen hatte. Es hätte ein interessanter Dracula-Film werden können, aber der Film ist es nicht geworden.
Augusto Caminito wollte an den Erfolg von Herzogs Nosferatu anknüpfen und verpflichtete Klaus Kinski für eine Art Fortsetzung des Themas. Das war ein Fehler. Vielleicht könnt Werner Herzog das Ego von Klaus Kinski noch im Zaum halten und kanalisieren, Augusto Caminito konnte es nicht. Kinski ist eine komplette Fehlbesetzung. Sein Interesse war scheinbar nur, junge nackte Mädchen zu betatschen und deren Körper vor der Kamera zu malträtieren
– ein schauspielerisches, wenn gar künstlerisches Talent ist nicht auszumachen. Ein jähzorniger, alter, geiler Mann agiert vor der Kamera. Kein Nosferatu im Stile von Max Schreck, vielmehr der Zorn Gottes vor der Kamera mit peinlichem Gestammel.
Kinski verbrauchte drei Regisseure M. Caiano, L. Cozzi, M. Lucidi für den Film Nosferatu in Venedig, der eine schöne Kameraführung, mit Vangelis einen genialen Score, eine traumhafte Kulisse und ein interessantes Thema hatte. Seine etablierten erfahrenen Schaupielkollegen Christopher Plummer als Professor Paris Catalano
Und Donald Pleasence als Geistlicher Don Alvise schauen nur düster drein, als wüssten sie, wie schlecht der Film werden wird. Das Drehbuch ist wirr und viele Szenen wurden nur zusammengeschnitten, weil sie halt vorhanden waren. Der Produzent wollte seinen Star Kinski nicht vergraulen und ließ sich auf der Nase herumtanzen. Kinski selbst wollte auch mal Regie führen – was er in diesem Fall aber nicht kann.
So viel hätte man ausNosferatu in Venedig machen können, es ist leider hoffnungslos gescheitert.
Im Grunde mag ich das Thema, ich mag den Drehort und ich mag im Grunde auch die italienische Regietradition – Nosferatu in Venedig übt als Vampirfilm auch eine gewisse Faszination aus, wenn nur dieser Kinski nicht wäre.

Dracula im Film (8): Jonathan (1970) – Vampire sterben nicht

12. August 2020

Jonathan war Geißendörfers zweite Regierarbeit.

Jonathan war Geißendörfers zweite Regierarbeit.

Ein sehenswerter deutscher Beitrag zur Verfilmungen rund um den Mythos stammt von Hans W. Geißendörfer. 1970 brachte der Vater der Lindenstraße den erschreckenden Vampirfilm Jonathan in die Kinos. Es war seine zweite Regiearbeit nach dem Fall Lena Christ.
Aber natürlich können die deutschen Autorenfilmer nicht einfach einen Vampirfilm drehen, nein er musste eine politische Botschaft haben, schließlich stammt der unheimliche Streifen aus dem Jahre 1970. Alle Elemente des klassischen Vampirfilms sind vorhanden: Zähne, Gräber, Kreuze, Pfahl – auch der Name Jonathan verweist auf Jonathan Harker aus Bram Stokers Dracula. Doch der Film ist mehr als ein Vampirfilm – es ist eine politische Parabel in wunderschönen Bildern.

Es zeigt den Aufstand des unterdrückten Volkes gegen den Adel, der dem Volk das Blut aussaugt.
Die Handlung: Ein junger Mann mit Namen Jonathan wird von den Intellektuellen, den Professoren und Studenten, zu den bösen Vampiren geschickt, um zu spionieren. Dort wird er allerdings erwartet und muss Folter und Tortur über sich ergehen lassen. Dann aber die Wendung: Das Volk, die Bauernschaft, die bisher sich selbst quälte und ihre Wut an Schwächeren ausließ – dieses Volk erwacht nun und übt blutige Vergeltung an den Herrschenden und treibt die Blutsauger schließlich ins Meer.
Der Film ist keine leichte Kost, aber wunderschön von Geißendörfer fotografiert. Es gibt kaum Dialoge, dafür eine Kombination von Bildern und Musik und die Farben des Setdesigns sind aufeinander abgestimmt. Die dominanten Farben sind Schwarz, Weiß, Rot – diese Farben kennen wir doch, oder? Gedreht wurde auf Schloss Pommersfelden bei Bamberg, der Gründungsbau des fränkischen Barocks. Die Einstellungen sind meist Totale, kaum Details. Geschnitten wird nur dann, wenn es notwendig ist, also für die jüngeren Zuschauer eine Tortur. Gerne würde ich den Regisseur mal zu seinem Film befragen, vielleicht ergibt sich die Gelegenheit. Auf der DVD gibt es ein aufschlussreiches Interview mit Geißendörfer.

Im Film sind allerhand Anspielungen auf die Kapitalismuskritik der linken siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wahrzunehmen. Auch das Kommunardenleben wird visuell zitiert, die Kommune 1 mit freier Liebe lässt grüßen. Bauern schauen einem jungen Paar beim Sex zu.
Übrigens: der Film wurde ein finanzieller Erfolg. Rund eine Millionen Zuschauer gingen 1970 ins Kino.
Eine Kopie des Films zu bekommen, ist übrigens ziemlich schwer. Es gab mal eine Arthaus-Kollektion auf DVD. Dort ist auch das Presseheft als PDF hinterlegt. Im Interview wird auch von einer härteren japanischen Version gesprochen, die ich allerdings noch nie wirklich gesehen habe. Im Interview betont Geißendörfer, dass hier exzessiv mit Kunstblut gearbeitet wurde. Gerne würde diese Version in die Finger bekommen.
Es ist an der Zeit, dass eine restaurierte Bluray-Version auf den Markt kommt.