Posts Tagged ‘Friedrich Wilhelm Murnau’

Dracula Musical im Deutschen Theater

24. Oktober 2022
Foto: Susanne Brill/Deutsches Theater München

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann findige Produzenten nach dem Erfolgsmusical Tanz der Vampir das Originalbuch Dracula des Iren Bram Stokers auf die Musical-Bühnen bringen würden. Und genau dieses Dracula-Musical hatte jetzt im Deutschen Theater München seine umjubelte Münchner Premiere. Ich war als Fan des Grafen eingeladen, um dieser Premiere beizuwohnen – vielen Dank dafür.

Alex Balgas Inszenierung des Musicals von Frank Wildhorn wurde nach der Premiere auf der Ulmer Wilhelmsburg von Publikum und Presse gefeiert. In München ist der starke Thomas Borchert in der Titelrolle zu erleben. Den Part seines Gegenspielers van Helsing übernimmt Patrick Stanke. Bevor allerdings in den bequemen Theaterstühlen des Deutschen Theaters Platzgenommen wurde, gab es ein Schaulaufen auf dem Roten Teppich mit Prominenz, Stars und Sternchen. Darüber habe ich ein Video gedreht:

Mich hat es vor allem interessiert, wie man den komplizierten Tagebuchroman von Bram Stoker auf eine Musicalbühne bringen kann. Bei der Theateradaption von Dracula wurden ja Änderungen vorgenommen – und so auch bei der Musicalinszenierung. Mich faszinierte es, was man durch Projektion, Licht, Nebel und Effekte die Handlung in nur einem Bühnenbild darstellen kann. Keine aufwendigen Umbauten, sondern ein Set, aber unterschiedlich bespielt – das war wirklich großartig. Auch die komplizierte Schiffspassage auf der Demeter von Transsilvanien nach England wurde geschickt erzählt. Und mein Herz als Dracula-Fan jubelte, als die Bühne für einen kurzen Moment in Schwarzweiß gehüllt wurde – Friedrich Wilhelm Murnau und Max Schreck ließen grüßen (meinen lauten Aufschrei im Publikum wurde von meinen Nachbar irritiert zur Kenntnis genommen). Als relativ neue Inszenierung hielt sich die Produktion aber eher an die erfolgreiche Francis Ford Coppola-Verfilmung von Dracula. Im Grunde war das Musical damit kein Kammerspiel, sondern ein MTV-Video auf der Bühne des Deutschen Theaters: Schrill, laut, bunt und in großen Teilen unterhaltsam.

Kreisch, wenn es Schwarzweiß wird.

Der amerikanische Komponist Frank Wildhorn, bekannt geworden durch seine Bühnenwerke „Jekyll & Hyde“, „Der Graf von Monte Christo“ und „Bonnie and Clyde“, lässt in seinem Dracula den Kampf zwischen Hell und Dunkel auch musikalisch spannungsreich austragen, mit Gitarrenriffs und Beats als rockiges Musical. Und die Songs gehen ins Ohr – die CD hab ich gleich bestellt. Für den mächtigen Sound sorgt ein 17-köpfiges Orchester unter der Leitung des Dirigenten Andreas Kowalewitz (Ex-Gärtnerplatz-Kapellmeister).

Foto: Susanne Brill/Deutsches Theater München

Auch mehr im Dunkel fand der Tod des Texaners Quincey Morris (Daniel Rakasz) statt als im hellen Licht. Das Ableben des Grafen geschieht nicht durch Professor Abraham van Helsing (Patrick Stanke), sondern erinnert an Murnaus und Herzogs Nosferatu-Version durch die Opferung von Mina Murray (großartig Roberta Valentini). Der Graf selbst wurde von einem Vampirprofi gespielt. Thomas Borchert beißt sich durch das Stück auf der Suche nach Erlösung. Borchert spielte einstmals den Grafen Krolock in der Musical-Version von Tanz der Vampire – so schließt sich der Kreis.

Persönlich hätte ich gerne mehr von Renfield (John Davies) gesehen, der durch seine Darstellung absolut überzeugen sollte – ich mochte seine Interpretation von Tom Waits Renfield sehr.

Aber nach all meinen Begeisterungsstürmen kam auch der kritische Vampir-Fan in mir aus dem Sarg. Stoker schrieb Dracula im viktorianischen Zeitalter, was zu großen Teilen von den Musical-Machern geflissenlich ignoriert wurde. Van Helsing war so of beschäftigt, seinen coolen Ledermantel an- und dann gleich wieder auszuziehen, so oft, dass es fast schon nervte.
Aber wirklich nervig war, dass man die Kostümierung von Lucy und den drei Bräuten Draculas eher in eine Rocky Horror Picture Show gepasst hätten. Viel Bein mit Strapse sorgten für die entsprechende Aufmerksamkeit beim männlichen Musicalpublikum. Ob der alte Bram Stoker damit einverstanden gewesen wäre?

Foto: Susanne Brill/Deutsches Theater München


Draculas Kostümierung war fein, orientierte sich Gary Oldman in Francis Ford Coppolas Filmversion, wobei Eiko Ishioka wunderbare Kostüme nicht im Ansatz erreicht wurden, dafür ist die Produktion zu preiswert.

Leider wurde auch die Sexualität der viktorianischen Zeit fast völlig aus dem Stück gestrichen, wahrscheinlich weil die Anspielungen von Stoker einem modernen Publikum sowieso entgangen wären. Die jungfräuliche Lucy hat symbolisch mit vier Männern sexuellen Kontakt. Oder der bisexuelle Auftritt des Grafen mit Harker als Dracula seine attraktiven Bräute in die Schranken weist mit den Worten „Dieser Mann gehört mir.“ Diese Szene ist zwar enthalten, bringt aber die revolutionäre Dramatik von Stokers Stoff nicht rüber.

Egal, was soll es: Dracula als Musical ist eine schöne Unterhaltung für zwei Stunden. Und wer in München Karten bekommt, kann eine schöne Inszenierung im Deutschen Theater bis 13. November 2022 genießen.

Dracula im Film (22): Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens

5. März 2022

Der Film ist die Mutter aller Vampirfilme. Nachdem Nosferatu am 4. März 1922 ins Kino kam, änderte sich die Welt des fantastischen Films. Friedrich Wilhelm Murnau schuf ein Meisterwerk des expressionistischen Horrorfilms – vielleicht nur mit dem Einfluss des Kabinetts des Dr. Caligari vergleichbar.

Und auch 100 Jahre nach seiner Premiere ist der Stummfilm Nosferatu – eine Symphonie des Grauens unheimlich. Das liegt zum einen an der Regiearbeit von Murnau, zum anderen an der Darstellung des Vampirs durch Max Schreck, der in Klaus Kinski, Willem Dafoe und Reggie Nalder seine Nachfolger hatte. Dabei hätten wir beinahe den Film nie zu Gesicht bekommen. Die Produktionsfirma Prana-Film von Enrico Dieckmann und des Okkultisten Albin Grau nahmen die Dracula-Vorlage von Bram Stoker ohne sich um die Rechte zu kümmern. Stokers Witwe klagte, bekam 1925 recht und alle Kopie sollten vernichtet werden. Das geschah allerdings nur teilweise und so wurde der Filmschatz bis in die heutige Zeit gerettet. Es tauchten Szenen von Nosferatu noch in dem Film „die zwölfte Stunde“ 1930 als erweiterte Raubkopie auf. Ich hab über diesen Film und eine Live-Klavierbegleitung von Richard Siedhoff mal gebloggt.

Ich sehe nach 100 Jahren Parallelen zur heutigen Zeit. Murnaus Nosferatu traf damals den Nerv der Zeit und tut es sicher heute auch noch. Das Ende des schrecklichen ersten Weltkriegs lag 1922 noch nicht lange Zeit. Europa lag in Trümmern, die Menschen hatten schwerste körperliche und seelische Verletzungen. Und auch die spanische Grippe hatte auf dem Kontinent gewütet und die Seuche forderte viele Todesopfer. Und es stand damals die gewaltige Inflation vor der Tür, die 1928 ausbrach und die wirtschaftliche Welt zusammenbrechen ließ. Weimar scheiterte und der Nationalsozialismus stürzte die Welt in den nächsten schrecklichen Krieg. Die eine oder andere Parallele gibt es zu heute: Krieg, Corona, Inflation. Und ich sehe den Einfluss des Übernatürlichen. 1922 war es der Okkultismus, heute ist es New Age oder Esoterik.


Ohne Nosferatu hätte es keinen Carl Theodor Dreyers Vampyr – Der Traum des Allan Grey gegeben, wir hätten nie Bela Lugosi in Tod Brownings Dracula 1931 genießen können, Christopher Lee hätte 1958 bei Hammer nie seinen Einstand gehabt und auch Werner Herzog hätte 1979 nie Kinski als Nosferatu die Kamera verführen dürfen, MTV wäre bei Coppola Dracula in Kostümen geschwelgt und auch Shadow of the Vampire hätte nie das Gedankenspiel durchspielen können, ob Max Schreck vielleicht doch ein Vampir war.

Hinweis: Zum Jubiläum des Films bin ich zu einem kleinen Filmsymposium eingeladen. Am Sonntag, 6. März, kehrt das Grauen nach 100 Jahren zurück. Mit einer Matinee ehren wir im Scala Kino Fürstenfeldbruck um 12 Uhr das Meisterwerk des Vampirfilms. Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens.

Dracula im Film (10): Herzogs Nosferatu – das Phantom der Nacht (1979)

31. August 2020

Werner Herzog hat nie kleine Brötchen gebacken: Es musste immer großes Kino auf seine Art sein. Und als er sich 1979 an seine Neuinterpretation von Dracula gemacht hat, musste sich Herzog mit einer der besten Dracula-Verfilmungen messen lassen.
Herzogs Nosferatu – das Phantom der Nacht ist eine Neuinterpretation von Murnaus Nosferatu – eine Symphonie des Grauens – Klaus Kinski contra Max Schreck. Für mich ist der Stummfilm von Murnau noch immer der bessere Film, aber Herzogs Verfilmung des Stoffes hat seine großen Momente. In Ermangelung einer Laserdisc habe ich mir die Bluray angesehen, was dem Film Nosferatu technisch nicht gutgetan hat. Optisch bietet die Abtastung für Bluray allerdings dramaturisch interessante Elemente. Der Film versinkt in manchen Teilen in eine gewisse Unschärfe und wirkt für mich wie ein Fiebertraum beim Betrachten. Ob es Herzog so gewollt hat, kann ich nicht sagen. Die DVD in meinen Besitz erzeugt diesen Effekt nicht.


Herzog wollte nie ein Remake von Murnaus Klassiker machen, wozu auch. Er liefert uns eine Verbeugung vor dem Stoff. Heutigen Sehgewohnheiten kommt die Verfilmung nicht entgegen – er kommt sperrig daher, langatmig und langweilig für viele Zuschauer. Das Tempo des Films ist europäisch. Deutschland kann nicht mit Hollywood konkurrieren und Herzog will auch kein Coppola sein, dessen Dracula sich fulminant breitmacht und einer jüngeren Generation als Maßstab dient. Herzog orientiert sich dagegen am Stummfilm – und diese Verbeugung vor dem deutschen Expressionismus ist wunderschön. Die Nebendarsteller agieren kaum, sondern füllen den Raum, seien es Zigeuner oder Stadträte. Isabelle Adjani, eine große Schauspielerin, interpretiert die Lucy einfach göttlich und könnte sofort als Star des Expressionismus durchgehen.
Bruno Ganz ist Harker und was soll man über das Talent von Ganz schreiben, was nicht schon geschrieben wurde? Er war einfach ein großer Schauspieler.
Und der Graf selbst? Klaus Kinski als unbarmherziger Blutsauger ist wirklich unheimlich. Vor Max Schreck hatte ich schaurige Angst, vor dem Terror von Klaus Kinski habe ich mich gefürchtet. Die Kamera von Jörg Schmidt-Reitwein, der auch für Kluge und Achternbusch arbeitete, ist sein Partner. Kinski spielt mit diesem Partner Kamera, umgarnt sie, zischt sie an – großes Schauspielkino. Von Schreck kamen die Zähne und Ohren, der Mantel und der Hut, aber Kinski erfüllt den Charakter mit seinem eigenem Schauspiel. Mir hat es großen Spaß gemacht – vor allem die Szenen mit Isabelle Adjani sind ergreifend.
Van Helsing ist ein Mann der Wissenschaft, der sich zum Pfählen hinreißen lässt, und dann mit der deutschen Polizeiverwaltung in Konflikt gerät – wunderbar humorvoll von Herzog gelöst. Und ähnlich wie bei Polanskis Tanz der Vampire siegt das Böse und verbreitet sich über die Welt.


Ein Wort zur Musik: Hauptsächlich stammte er Score Nosferatu von Florian Fricke und Popol Vuh. Die Krautrocker aus München arbeiteten oft mit Herzog zusammen und schaffen mit ihrer elektronischen Musik eine besondere Atmosphäre für Nosferatu. Der Film beginnt mit Aufnahmen vom Museum der Mumien von Guanajuato (aus México) und das Musikstück „Brüder des Schattens“ zieht uns sofort in ihren Bann. Dann setzt Herzog noch auf Wagners Rheingold und am Ende auf das Sanctus der Cäcilienmesse von Charles Gounod.
Die Vision Nosferatu von Werner Herzog ist absolut gelungen. Seine Bilder von gewaltig, die Atmosphäre ist unheimlich – das 12000 Töten der Ratten aus Ungarn brachte dagegen Tierfreunde auf die Barrikaden.
Für mich ist Herzogs Nosferatu – das Phantom der Nacht eine gelungene Dracula-Verfilmung mit leichten Schwächen im Drehbuch. Aber es ist vor allem ein bildgewaltiges Schauspielerkino.

Die Nibelungen – Entdeckungsreise in den Expressionismus

14. Februar 2019

Ich liebe den deutschen Film des Expressionismus und der Folgezeit. Das heißt, ich verehre Leute wie Friedrich Wilhelm Murnau oder Fritz Lang. Die Murnau-Stiftung hat einige der Klassiker auf Bluray in exzellenter Qualität herausgebracht, darunter Metropolis, Nosferatu, Caligari oder der Zweiteiler Die Nibelungen. Vor kurzem dürfte ich der Deutschlandpremiere von Golem beiwohnen.

Der Drache aus den Nibelungen in der UFA-Ausstellung.

Der Drache aus den Nibelungen in der UFA-Ausstellung.

Als ich mal wieder in Potsdam weilte, besuchte ich das Filmmuseum Potsdam, weil mich ein Freund darauf aufmerksam gemacht hat, dass dort etwas interessantes zu sehen sei. Ich hatte in München die UFA-Ausstellung besucht und ein schönes Bild vom Drachen aus den Nibelungenfilm gesehen. Auf Nachfrage sagte man mir, dass mehr Material im Filmmuseum Potsdam zu sehen sei.

Maria in Metropolis
Also auf nach Potsdam und ab ins Filmmuseum. Zunächst stieß ich nur auf ein Abbild von Maria aus Metropolis von 1927.

Maria aus Metropolis im Filmmuseum Potsdam.

Maria aus Metropolis im Filmmuseum Potsdam.

Maria, die später zum Roboter wird, bedeutet mir sehr viel. Ich habe auf meinem Schreibtisch eine Statue von Maria stehen und es für mich immernoch der schönste Roboter schlechthin.

Gespielt wurde der Maschinenmensch von Brigitte Helm. In der UFA-Ausstellung war eine Tonbüste dieser schönen Schauspielerin zu sehen, die mich faszinierte. Die Büste wurde von Jussuf Abbo (1888-1953) angefertigt.

Brigitte Helm - die Maria - hier in der UFA-Ausstellung.

Brigitte Helm – die Maria – hier in der UFA-Ausstellung.

Die Nibelungen
Aber ich war ja eigentlich auf der Suche nach der Nibelungen-Saga, die Fritz Lang 1924 vor Metropolis verfilmt hatte. In einer Nische des Potsdamer Filmmuseums fand das gesuchte Material: Es gab Bilder und Skizzen von dem Fritz Lang-Zweiteiler Nibelungen.

Ein wirklicher Schatz, der dort ausgestellt ist. Mein Herz als Filmfan schlug höher. Die Reise von München nach Potsdam und der Besuch des Museums hatte sich also gelohnt. Die Nibelungen-Filme Die Nibelungen habe ich einst im Fernsehen gesehen und später dann auf Bluray erworben. Es gab später noch eine schwache Neuverfilmung des Sagenstoffs Die Nibelungen , aber mit einer gewaltigen Musik Die Nibelungen von Rolf Wilhelm.

Mechanischer Drache – lange vor CGI
Bei all der Schwere der Nibelungensaga war für mich als Kind der Drache immer das Wichtigste. Während es heute ein Drache wie Smaug bei Peter Jackson aus CGI wäre, war der Drache bei Fritz Lang noch klassische Handarbeit. Ich zeigte meinen Kindern den Drachen von damals. Natürlich grinsten sie über die Effekte aus der Stummfilmzeit im Vergleich zum CGI der Neuzeit, aber sie wollten wissen, wie der Drache damals gemacht wurde.
In der Drachen-Szene muss sich Filmarchitekt Karl Vollbrecht als Drachenlenker bewähren. Er war Mitarbeiter des legendären Otto Hunte, der den Drachen konstruiert hat. An vorderster Stelle dirigiert er Kopf und Augen des Drachens, der aus Eisen, Hartholz, Draht und Kaschierung bestand. Innen waren Mitarbeiter, die den Drachen in Bewegung versetzen. Es muss furchtbar heiß im Inneren des Drachens gewesen sein und Fritz Lang gilt ja als unnachgiebiger Filmemacher. Er ließ die Szenen wiederholen bis er zufrieden war.

Der Drache allein war schon ein Hingucker. Aber nun muss ja der Drache noch gegen Siegfried ins Felde ziehen. Und Siegfried kämpft heldenmütig gegen das Ungetüm. Sein Schwert Balmung trifft das Auge des Drachens. Der Drache windet sich vor Schmerzen. Das berstende Auge ist übrigens eine gefüllte Schweinsblase. Der Drache wird besiegt, blutet und Siegfried wird unverwundbar durch das Drachenblut, wäre da nicht ein Lindenblatt. Der Rest der Geschichte ist ja bekannt.

Otto Hunte schuf die vier Welten
Der Ur-Wald mit dem Drachen ist eine von vier Welten, die Fritz Langs damalige Ehefrau Thea von Harbous in ihrem Drehbuch forderte. Dann gibt es noch den ritualisierten Burghof, Brunhilds nordische Burg, und König Etzles Hunnenburg. „Hunte, du sollst mir die Nibelungen bauen“, soll Regisseur Fritz Lang zu seinem Filmarchitekten gesagt haben.

Und der fing detailreich für das „geistige Heiligtum einer Nation“ (Lang) zu bauen. Und Otto Hunte schuf ein Meisterwerk des Expressionismus mit Kontrasten, Ornamenten, Gewändern, Symbolen. Das Spiel mit dem Licht ist grandios. Otto Hunte war der vielleicht bedeutendste Architekt der Universum-Film AG (Ufa) in den zwanziger und dreißiger Jahren und für die opulente Ausstattung vieler Ufa-Großproduktionen verantwortlich, die Filmgeschichte schrieben.
Leider habe ich bisher ein Art of Nibelungen-Buch gefunden, denn das in Potsdam ausgestellte Material ist grandios. Es gibt nur einen vergriffenen Band vom Deutschen Filmmuseum: Otto Hunte: Architekt für den Film

Stummfilmpianist Richard Siedhoff sorgt für den richtigen Ton bei der Zwölften Stunde

9. März 2017

Richard Siedhoff Macht Quatsch mit mir. Dabei ist er ein seriöser Musiker.

Richard Siedhoff Macht Quatsch mit mir. Dabei ist er ein seriöser Musiker.

Als Fan des deutschen Expressionsmus im Film war ich nervös, als mein Kollege Christopher Link mir erzählte, dass im Münchner Filmmuseum eine seltene Kopie des Vampir-Films „die zwölfte Stunde“ gezeigt wird. Den Streifem musste ich sehen. Am Ende war ich vom Film total enttäuscht – und dennoch war der Abend ein voller Gewinn. Zum Film gab es Live-Klaviermusik von Stummfilmpianist Richard Siedhoff aus Weimar. Virtuos begleitete Siedhoff den Film und wir trafen uns nach der Vorstellung zu einem kleinen Videointerview.

Nicht autorisierter Klassiker
Der Film „die zwölfte Stunde“ ist im Grunde eine Art erweiterte Raubkopie. Er kam 1930 in die Kinos. Ihm liegt der legendäre Film von Friedrich-Wilhelm Murnau „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ zu Grunde, einer meiner Lieblingsfilme. Die zwölfte Stunde ist dagegen eine nicht autorisierte Bearbeitung von Murnaus „Nosferatu“ aus dem Jahr 1922.
1930 kam der Tonfilm auf und die „die zwölfte Stunde“ bediente den Wunsch des Publikums nach mehr Toneffekte. Die Stummfilmteile wurden mit Geräuschen und Musik unterlegt, Szenen wurden vertauscht und entfernt, neue Tonfilmszenen wurden von Waldemar Roger hinzugefügt, die Rollenbezeichnungen wurden geändert. Für mich steht fest: Der großartige Murnau Film wurde einfach nur verstümmelt. Die ergänzenden Szenen waren belanglos und dauerten viel zu lange, wie die Szene aus dem Gasthaus, das Hochamt, die Hafenszene oder Impressionen aus dem Südtirolurlaub von Waldemar Roger. Der Rhythmus des Meisterwerks von Murnau wurde zerstört. Naja, am Ende hatte ich die „die zwölfte Stunde“ eben auch gesehen.

Stummfilmpianist Richard Siedhoff
Viel wichtiger für mich im Nachhinein war die Filmmusik. Am Abend im Filmmuseum spielte Stummfilmpianist Richard Siedhoff. Er improvisierte neben der Leinwand und schaffte es, dass aus dem schlechten Film ein unvergesslicher Abend wurde.


Der Film hatte ursprünglich eine eigene Tonspur. Sie bestand aus der nicht mehr erhaltenen Musik von Georg Fliebiger, die auf Schallplatte synchron zum Film angespielt wurde.
Richard Siedhoff hatte die Sache virtuos im Griff und ließ den schlechten Film zu einem Kulturgenuss werden. Seine Website von Richard Siedhoff gibt umfangreich über den Künstler Auskunft. Mehr als 200 Filmklassiker hat Richard Siedhoff mit eigenen Kompositionen und Improvisationen sowie einigen adaptierten Originalmusiken begleitet. Richard Siedhoff ist Hauspianist im Lichthaus Kino Weimar, dessen Stummfilmprogramm er kuratiert. Zudem ist er als Komponist für Film, Theater und Kabarett tätig. Leider gibt es noch keine CD von ihm.


Ich traf Richard Siedhoff nach der Aufführung der Zwölften Stunde zu einem Kurzinterview in München. Christopher Link, erfolgreicher Dokumentarfilmer, filmte unser Gespräch mit meiner Lingra. Siedhoff ist seine Begeisterung für die alten Werke anzumerken. Er lebt für die Klassiker. Er hat Nosferatu schon einige Male gespielt und einige Motive selbst komponiert. Diese Motive variiert er immer wieder während des Spiels. Für die Zwölfte Stunde wurde es komplett adaptiert.

Dracula im Film 2: Shadow of the Vampire 2000

22. März 2012

Sonnenaufgang für einen Vampir.

Sonnenaufgang für einen Vampir.

Eine wohltuende Überraschung ist dieses Bonbon, das wahren Vampirfreunden einfach Spaß machen muss. Der Film Shadow of the Vampire ist ein Genuss. Shadow of the Vampire zeigt in einer fiktiven Story, was wirklich hinter der besten Dracula-Verfilmung aller Zeiten stecken könnte. Was wäre, wenn Max Schreck in Murnaus Klassiker Nosferatu – eine Symphonie des Grauens in Wahrheit doch ein Vampir gewesen wäre?

Ein netter Gedanke und daraus entstand ein atmosphärisch dichter Film mit den beiden Hollywoodstars John Malkovich als Friedrich Wilhelm Murnau und Willem Dafoe als Vampir Max Schreck. Dafore wurde mit dem Oscar für seine eindrucksvolle Leistung und nochmal für die ausdrucksstarke Maske nominiert. Als Gage für sein realistisches Auftreten im Film bekommt der Vampir die Hauptdarstellerin versprochen – auch ein interessantes Geschäftsmodell, das Hollywood wieder einführen sollte.

Der Film ist voller Extreme: Murnau ist ein Besessener und Schreck ist es ebenso – aber eben jeder auf seine Weise. Aber anders als bei klassischen Dracula-Verfilmungen kommt dieses Mal keine Sympathie für den Vampir auf. Die gnadenlosen Helden des düsteren Filmes gehen buchstäblich über Leichen. Murnau opfert bedenkenlos seine Mitarbeiter für die Kunst, denn wir wissen ja, für die Kunst müssen Opfer gebracht werden. Der Vampir dagegen hat einfach nur Hunger, fett Kohldampf und spielt sich selbst als gieriger verbitterter Mann. Wer ist nun das größere Monster? Der Künstler oder der Vampir?

Und der Film von No-Name E. Elias Merhige ist eine wunderbare Hommage an den Meisterregisseur Plumpe, der sich als Künstler Murnau nannte. Der Film spielt wunderbar mit der Filmtechnik der damaligen Zeit – wir standen mitten im Expressionismus. Sehr schön ist ein Dialog von Murnau und Schreck vor einer gemalten Sonne in der Höhle des Vampir. Wir lernen viel über das Filmemachen im Stummfilmzeitalter, wenngleich das Genie des wahren Murnaus mit seiner neuartigen Montageart ein wenig auf der Strecke bleibt. Wenn ein Film wie „The Artist“ den Stummfilm im heutigen Kino wieder aufleben lässt, dann ist Shadow of the Vampire eine schöne Verbeugung an diese vergangene Zeit und ein blutiger Leckerbissen für Vampirfans.