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Von Bambi bis Bettgeflüster – Filmlegenden, die Generationen bewegt haben als Filmprogramm

28. August 2025

Von einer guten Bekannten habe ich eine Kiste mit Filmprogrammen aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschenkt bekommen. Ich habe mich sehr darüber gefreut und nun beginnt das Sichten. Es handelt sich u.a. um die Illustrierte Filmbühne, deren Nachfolger ich in den achtziger Jahren gesammelt habe. Ich habe in einem Video ein paar Programme herausgezogen, die mir persönlich etwa bedeuten und stelle sie vor.

Illustrierte Filmbühne
Die „Illustrierte Filmbühne“ war eine deutsche Filmprogrammreihe, die von 1946 bis 1969 erschien und heute zu den begehrten Sammlerstücken der Filmgeschichte zählt. Es handelte sich um kleine, handliche Hefte im Taschenformat, die vor allem in Kinos verkauft wurden. Ihr Zweck war es, die jeweils aktuellen Filme zu bewerben und dem Publikum zusätzliche Hintergrundinformationen an die Hand zu geben.

Die Hefte zeichneten sich durch ihre liebevolle Gestaltung aus: Auf dem Titelblatt prangte meist ein auffälliges Foto oder ein Plakatmotiv des Films, während im Inneren kurze Inhaltsangaben, Szenenfotos und Porträts der Hauptdarsteller zu finden waren. Häufig gab es außerdem Hintergrundinformationen über Regisseure, Schauspieler oder die Entstehungsgeschichte des Films. Mit einem Umfang von meist nur vier bis acht Seiten waren die Hefte kompakt, aber reich bebildert und boten Kinogängern eine bleibende Erinnerung an ihren Besuch.

In der Nachkriegszeit war die „Illustrierte Filmbühne“ eines der wichtigsten Filmwerbemittel in Westdeutschland. Während große Filmmagazine allgemeine Trends beleuchteten, begleiteten diese kleinen Programme konkret den jeweiligen Kinofilm. Für viele Zuschauer waren sie die einzige Möglichkeit, Szenenbilder und Produktionsinformationen mit nach Hause zu nehmen. Die Hefte deckten ein breites Spektrum ab: von deutschen Produktionen bis zu großen Hollywood-Klassikern wie Casablanca, Vom Winde verweht oder 12 Uhr mittags.

Heute sind die Ausgaben der „Illustrierten Filmbühne“ bei Sammlern sehr beliebt. Ihr Wert hängt stark von der Seltenheit, dem Zustand und dem Filmklassiker-Status ab. Besonders begehrt sind Ausgaben mit ikonischen Covern oder Filmen, die Filmgeschichte geschrieben haben. Für Filmfreunde sind diese Hefte nicht nur nostalgische Erinnerungsstücke, sondern auch wertvolle Zeugnisse der deutschen Kino- und Kulturgeschichte.

Und hier die Programme aus meinem Video, chronologisch geordnet. Am Schluss sogar ein wirklicher Hammer.

Vom Teufel gejagt 1950
Der Film ist ein Kriminaldrama. Hans Albers spielt den ehemaligen Meisterdetektiv Rolf Bernt, der sich eigentlich aus dem aktiven Dienst zurückgezogen hat. Doch als eine Serie mysteriöser Verbrechen die Stadt erschüttert, wird er erneut in die Ermittlungen hineingezogen.

Bambi 1942
Der Disney-Zeichentrickfilm „Bambi“ aus dem Jahr 1942 ist ein berührendes Tier- und Naturdrama, basierend auf dem Roman von Felix Salten. Der Film war ursprünglich 1942 in den USA uraufgeführt worden, kam aber wegen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegsjahre erst acht Jahre also 1950 später in die deutschen Kinos. Das junge Rehkitz Bambi wird im Wald geboren und wächst behütet von seiner Mutter auf. Gemeinsam mit seinen Freunden, dem Hasen Klopfer und dem Stinktier Blume, entdeckt er spielerisch die Wunder der Natur. Doch das idyllische Leben wird jäh unterbrochen, als Bambis Mutter von einem Jäger erschossen wird.

Rampenlicht 1952
Der gealterte Clown und Komiker Calvero (Charlie Chaplin) hat seine besten Jahre hinter sich und kämpft mit dem Bedeutungsverlust seiner Karriere. Eines Tages rettet er die junge Ballerina Terry (Claire Bloom) vor einem Selbstmordversuch. Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Calvero hilft Terry, neues Selbstvertrauen zu gewinnen und ihre Karriere als Tänzerin wieder aufzubauen. Während sie Erfolg hat, sinkt Calvero immer weiter in Vergessenheit.

Don Camillo und Peppone 1952
Der Film „Don Camillo und Peppone“ (Don Camillo, 1952) ist eine italienisch-französische Komödie.
In einem kleinen Dorf in der Po-Ebene der Nachkriegszeit stehen sich zwei Gegensätze gegenüber Don Camillo (Fernandel), der temperamentvolle katholische Pfarrer Peppone (Gino Cervi), der kommunistische Bürgermeister. Beide vertreten leidenschaftlich ihre Überzeugungen und geraten ständig in Streit – ob es um Politik, Glauben oder Dorffragen geht. Ihre Auseinandersetzungen führen zu vielen humorvollen, aber auch rührenden Situationen. Trotz aller Rivalität verbindet die beiden jedoch eine heimliche Freundschaft und gegenseitiger Respekt.

Die Wüste lebt 1953
Der Film „Die Wüste lebt“ (The Living Desert) aus dem Jahr 1953 ist ein Dokumentarfilm von Walt Disney aus der Reihe True-Life Adventures. Der Film zeigt das faszinierende Leben in der nordamerikanischen Wüste und kombiniert beeindruckende Naturaufnahmen mit erzählerischem Witz. Gezeigt werden verschiedene Tiere wie Skorpione, Schlangen, Echsen, Schildkröten, Vögel und Insekten, die sich an die extremen Bedingungen der Wüste angepasst haben. Besonders bekannt ist die Szene eines „Tanzes“ der Skorpione, die mit Musik unterlegt ist. Der Film erklärt auf unterhaltsame Weise das Zusammenspiel von Überlebensstrategien, Nahrungsketten und Naturkreisläufen in dieser rauen Umgebung.

Desirée 1954
Der Film „Desirée“ aus dem Jahr 1954 ist ein historisches Liebesdrama mit Marlon Brando als Napoleon Bonaparte und Jean Simmons als Désirée Clary. Die junge Kaufmannstochter Désirée Clary aus Marseille verliebt sich in den ehrgeizigen Offizier Napoleon Bonaparte. Die beiden verloben sich, doch Napoleon verlässt sie bald, um seine militärische und politische Karriere voranzutreiben, und heiratet schließlich Joséphine. Désirée ist tief verletzt, findet aber später ihr Glück an der Seite eines französischen Generals, der später König von Schweden wird. Der Film verwebt Liebesgeschichte und Weltgeschichte und zeigt, wie persönliche Schicksale und große historische Ereignisse miteinander verbunden sind.

Sauerbruch 1954
Der Film „Sauerbruch – Das war mein Leben“ aus dem Jahr 1954 ist ein biografisches Drama über den berühmten deutschen Chirurgen Prof. Dr. Ferdinand Sauerbruch, gespielt von Ewald Balser. Er entwickelt bahnbrechende chirurgische Methoden, insbesondere im Bereich der Brustkorbenchirurgie, und kämpft unermüdlich für den medizinischen Fortschritt.

Ladykillers“ (1955)
Die exzentrische ältere Dame Mrs. Wilberforce (Katie Johnson) vermietet ein Zimmer an den geheimnisvollen Professor Marcus (Alec Guinness). Er gibt vor, mit seinen vier Begleitern ein Streichquartett zu sein. In Wirklichkeit plant die Bande einen Überfall auf einen Geldtransporter.

Susi und Strolch 1955
Der Disney-Zeichentrickfilm „Susi und Strolch“ (Lady and the Tramp) aus dem Jahr 1955 ist ein romantisches Abenteuer für die ganze Familie. Die wohlerzogene Cocker-Spaniel-Hündin Susi lebt behütet bei einer wohlhabenden Familie. Ihr ruhiges Leben ändert sich, als ein Baby ins Haus kommt und sie weniger Beachtung findet. Zufällig trifft sie den streunenden Mischlingsrüden Strolch, der frei und ungebunden auf der Straße lebt.

Der Prinz und die Tänzerin 1957
Der Film „Der Prinz und die Tänzerin“ (The Prince and the Showgirl) aus dem Jahr 1957 ist eine romantische Komödie mit Marilyn Monroe und Laurence Olivier, der auch Regie führte.
Im Jahr 1911 kommt der steife und pflichtbewusste Prinz-Regent von Karpathien (Laurence Olivier) nach London zur Krönung von König George V. Dort trifft er auf die lebenslustige amerikanische Tänzerin Elsie Marina (Marilyn Monroe). Der Prinz lädt sie in seine Residenz ein, zunächst mit eindeutigen Absichten, doch Elsie überrascht ihn mit Witz, Charme und Schlagfertigkeit.

Das Wirtshaus im Spessart“ 1958
Der Film „Das Wirtshaus im Spessart“ aus dem Jahr 1958 ist eine deutsche Musikkomödie mit Liselotte Pulver in der Hauptrolle, basierend auf der Novelle von Wilhelm Hauff. Die junge Gräfin Franziska (Liselotte Pulver) reist mit ihrem Verlobten und dessen Diener durch den Spessart. Als sie in einem abgelegenen Wirtshaus übernachten, werden sie von einer Bande Straßenräuber entführt, die Lösegeld erpressen wollen. Doch Franziska erweist sich als clever und mutig: Sie verkleidet sich, überlistet die Räuber und versucht, ihre Begleiter zu befreien.

Bettgeflüster 1959
Der Film „Bettgeflüster“ (Pillow Talk) aus dem Jahr 1959 ist eine romantische Komödie mit Doris Day und Rock Hudson in den Hauptrollen. Die erfolgreiche Innenarchitektin Jan Morrow (Doris Day) und der charmante Komponist Brad Allen (Rock Hudson) müssen sich in New York eine Telefonleitung teilen. Brad nutzt die Leitung ständig für seine Flirts, was Jan wahnsinnig macht.

Vom Winde verweht (1939/1953)
Die Deutschlandpremiere des Films „Vom Winde verweht“ fand am 15. Januar 1953 in München statt. Der Film wurde bereits 1939 in den USA uraufgeführt, konnte aber während der NS-Zeit in Deutschland nicht regulär starten. Zum einen galt der Roman von Margaret Mitchell als „kulturfremd“, außerdem waren US-Filme generell nur eingeschränkt oder gar nicht zugelassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verzögerte sich die Auswertung zusätzlich wegen der Rechtefragen und der Neuordnung der Filmwirtschaft in Deutschland. Für die deutsche Erstaufführung 1953 wurde der Film komplett synchronisiert.
Die erste Synchronfassung war recht frei in der Übersetzung und trug stark den Ton der 1950er-Jahre.
1977 wurde der Film noch einmal neu synchronisiert, um ihn näher am Originaldialog zu halten.

Pardon – ein Klassiker des deutschen Satire-Journalismus

2. Juni 2024

Ich hab mich geärgert, dass ich die Ausstellung in Regensburg zur Satire-Zeitschrift „Pardon“ verpasst habe. Ein lieber Kollege brachte mir den Flyer mit und ich bestellte daraufhin den Katalog. Interessant war, so berichtete er, dass junge Menschen mit den Zeichnungen nichts anfangen konnten, weil ihnen wohl der politische Hintergrund fehlte, von der Zeit in der die satirischen Zeichnungen entstanden sind.

Die Satire-Zeitschrift „Pardon“ war eine bedeutende deutsche Publikation, die von 1962 bis 1982 erschien und in dieser Zeit großen Einfluss auf die deutschsprachige Medienlandschaft hatte. Gegründet von Hans A. Nikel, Erich Bärmeier und Gerhard Kromschröder, positionierte sich „Pardon“ als humoristisches und zugleich kritisches Magazin, das politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen aufgriff. Das erste Titelbild schuf übrigens kein Geringerer als Loriot.

Gerne hätte ich die Ausstellung gesehen. So bleibt mir nur das Lesen im begleitenden Ausstellungskatalog Teuflische Jahre: Pardon: Die deutsche satirische Monatsschrift 1962–1982. Für mich ist „Pardon“ ein Beispiel dafür, wie Satire als Mittel zur Reflexion und Kritik gesellschaftlicher Zustände genutzt werden kann. Die Zeitschrift zeigte, dass Humor und Ernsthaftigkeit keine Gegensätze sein müssen, sondern sich ergänzen können, um wichtige Botschaften zu vermitteln und Veränderungen anzustoßen. Bis heute erinnert man sich an „Pardon“ als eine Pionierin des deutschen Satirejournalismus und als eine Zeitschrift, die den Mut hatte, unbequem zu sein und Tabus zu brechen.

Kein Blatt vor den Mund
„Pardon“ war bekannt für seinen bissigen Humor und seine scharfsinnigen Karikaturen, die oft kontroverse Themen behandelten. Die Zeitschrift nahm kein Blatt vor den Mund und kritisierte sowohl politische Entscheidungsträger als auch gesellschaftliche Missstände. Besonders in den 1960er und 1970er Jahren, einer Zeit großer politischer und sozialer Umbrüche in Deutschland, spielte „Pardon“ eine wichtige Rolle. Die Zeitschrift diente als Sprachrohr für eine Generation, die sich gegen das Establishment stellte und Reformen forderte.

Ein Markenzeichen von „Pardon“ war die enge Zusammenarbeit mit bekannten Künstlern und Schriftstellern. Zu den regelmäßigen Beiträgern gehörten prominente Persönlichkeiten wie Robert Gernhardt, F.W. Bernstein und F.K. Waechter. Diese Autoren und Illustratoren prägten den Stil und das Erscheinungsbild der Zeitschrift maßgeblich. Ihre Werke waren nicht nur humorvoll, sondern regten auch zum Nachdenken an und forderten die Leser heraus, bestehende Normen und Werte zu hinterfragen.

Kunst der Karikatur
Ein bemerkenswertes Element von „Pardon“ war die Kunst der Karikatur. Die Zeitschrift setzte diese Form der Illustration meisterhaft ein, um komplexe politische und soziale Themen auf eine leicht verständliche und zugängliche Weise darzustellen. Karikaturen von namhaften Künstlern wie Chlodwig Poth und Hans Traxler wurden zu einem integralen Bestandteil des Magazins und trugen erheblich zu dessen Popularität bei.

Das Ende
Trotz ihres Erfolgs und ihrer Bedeutung geriet „Pardon“ im Laufe der Zeit in finanzielle Schwierigkeiten. Der Wandel in der Medienlandschaft und das Aufkommen neuer Satireformate führten schließlich zur Einstellung der Zeitschrift im Jahr 1982. Dennoch bleibt „Pardon“ ein wichtiger Teil der deutschen Mediengeschichte. Ihre Rolle als kritisches und humorvolles Sprachrohr einer ganzen Generation hat nachhaltigen Einfluss auf nachfolgende Satiremagazine und die deutschsprachige Satirekultur insgesamt.

Verkehrspolitiker schämt euch – wo ist der Nachfolger vom 9-Euro-Ticket

31. August 2022

Die drei Monate 9-Euro-Ticket sind morgen vorbei und es gibt kein konkretes Anschlussmodell. Das ist schade, sehr schade. Wir wollen doch die Energie- und Verkehrswende schaffen, aber so nicht. Verkehrspolitiker schämt euch. Es wurde geredet, was gut ist, es wurde nichts entschieden, was schlecht ist.

Ab morgen muss ich mich wieder umgewöhnen. Ich bin drei Monate lange in Bus und Regionalbahn problemlos eingestiegen und ich fühlte mich gut. Ab morgen darf ich mich wieder mit einem extrem verwirrenden und teuren Tarifsystem auseinandersetzen, weil die Politik es nicht geschafft hat, etwas anzubieten. Es fördert die Politikerverdrossenheit, nicht Politikverdrossenheit.

Zahlen und Statistiken gibt es genug, besonders in den vergangenen Tagen. 31 % der erwachsenen Käufer des 9-Euro-Tickets haben es häufig auf Wegen genutzt, die sie sonst per Auto zurück­gelegt hätten, sagt eine YouGov-Umfrage. 18 % haben es sogar aus­schließlich auf solchen Strecken eingesetzt.
Und auch die krisengeschüttelte Bahn zog eine positive Bilanz, nachdem die Politik das Vorzeigeunternehmen heruntergewirtschaftet hatte. Die Chefin des Regionalverkehrs, Palla, bezeichnete das Experiment als „vollen Erfolg“. Sie nannte es besonders erfreulich, dass in den zurückliegenden drei Monaten im Regionalverkehr im Schnitt etwa zehn Prozent mehr Fahrgäste unterwegs gewesen seien als vor der Corona-Krise. Die Bahn hat nach eigenen Angaben 26 Millionen des Neun-Euro-Tickets verkauft.

Natürlich waren die Züge sehr voll, zum Teil überfüllt. Das Personal war genervt und die Strecken zum Teil nicht einsatzbereit. Das ist aber nicht der Fehler des 9-Euro-Tickets, sondern die ruinösem Sparmaßnahmen der Politik an der Deutschen Bahn. Politiker, schämt euch!

Laut einer BR-Umfrage zum 9-Euro-Ticket haben 44 Prozent der Nutzer das Auto öfter stehen gelassen, bei 55 Prozent hat sich nichts geändert. Vor allem die Jüngeren waren bereit, auf Bus und Bahn umzusteigen. Meine Kinder haben Reisen unternommen, die sie sonst aufgrund der Preise niemals gemacht hätten.

Deutliche Unterschiede zeigten sich je nach wirtschaftlicher Lage – in einkommensschwachen Gebieten wurde das Sonderangebot stärker genutzt. Wenig überraschend ist, dass bei einem besseren Angebot des ÖPNV auch das billige Ticket besser ankam als in dünn besiedelten Regionen.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV hat das 9-Euro-Ticket als vollen Erfolg gewertet. Geschätzt habe es rund eine Milliarde Fahrten pro Monat im Zeitraum Juni bis August durch die Sondermaßnahme gegeben. Rund zehn Prozent davon wären laut einer großangelegten Umfrage des VDV sonst mit dem Auto erledigt worden. Dadurch seien über drei Monate rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden. Das sei in etwa der gleiche Effekt, als hätte es ein Jahr lang ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gegeben.

Vielleicht zaubern die zuständigen Verkehrspolitiker bis morgen ein Überraschungsangebot aus dem Hut. Aber nein, denn die Parlamente in Land und Bund sind ja im Sommerurlaub. Mit dieser Einstellung wird es mit der Energie- und Klimawende nichts und meine Kinder müssen es ausbaden – vielen Dank dafür (Ironie aus).

„Für Matthias“ – ein Autogramm von Bundeskanzlerin Angela Merkel

6. Dezember 2021

Meine Kinder kannten nie eine andere Bundeskanzlerin als Angela Merkel. Die Kindergeneration davor nie einen anderen als Helmut Kohl bis Basta-Schröder kam. Nun, ich bin schon älter, dass ich mich noch an andere Bundeskanzler erinnern kann. Nun ist es klar: Nach roten Rosen und vergessenen Farbfilm nimmt die Geschichte ihren Lauf. Der Abschnitt Angela Merkel geht jetzt zu Ende.

In meinem Blog äußere ich mich kaum zu den Themen Religion und Politik (bis auf Netzpolitik), obwohl ich zu beiden eine klare Meinung habe. Rückblickend bin ich dankbar, dass wir eine Naturwissenschaftlerin als Bundeskanzlerin hatten. Jemand, der Fakten einschätzen und bewerten kann – und seine politischen Schlüsse daraus gezogen hat. Klar, es lässt sich Angela Merkel viel vorwerfen, aber für mich noch klarer: Wir haben dieser Frau viel zu verdanken.

Für mich ist die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel ein guter Mensch. Das ist eigentlich das höchste Lob, was ich über jemanden sagen kann. Und ich will nicht die politischen Leistungen aufzählen, derer es sicher genug gibt. Ich kenne Merkel nicht privat, ich kenne sie nur aus den Medien. Ich habe sie bei Besuchen im Bundestag von der Besuchertribüne live gesehen – näher kam ich ihr nicht. Ihren Podcast habe ich gehört, auch Steffen Seibert, dem scheidenden hoch professionellen Regierungssprecher, habe ich in Twitter gelauscht, was er über seine Chefin zu berichten weiß. Ich denke, sie ist als Mensch in Ordnung, aber ich weiß es nicht. Als Politikerin sind wir gut mit ihr gefahren.

Ich habe daher eine Politikerin, die ich privat und beruflich etwas besser kenne, gebeten, mir ein Autogramm von Merkel zu besorgen. Ich sprach die Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin im Bundeskanzleramt Doro Bär von der CSU an. Sie koordinierte mit ganz kleinem Team in der Regierung Merkel die Digitalpolitik, mein Steckenpferd. Ich bat Doro Bär um ein Autogramm mit Widmung von der Kanzlerin. Doro Bär sagte zu und sie hat Wort gehalten.

Die (Noch)-Kanzlerin hat mir ein Autogramm gegeneben – vielen Dank.

Heute kam mit der Post eine signierte Autogrammkarte der noch Bundeskanzlerin Angela Merkel – eine der letzten, die sie wohl als Kanzlerin unterschrieben hat. „Für Matthias“ steht darauf zu lesen. Nun, Frau Merkel kennt mich nicht (glaube ich zumindest) und ich weiß nicht, wie eine solche Autogrammvergabe erfolgt. Ich stell es mir romantisch vor, dass Doro Bär einfach mal zu ihrer Chefin hingegangen ist und gesagt hat „ich kenne da so einen Typen, der hätte gerne ein Autogramm“ und die Kanzlerin hat den Kugelschreiber genommen und unterschrieben. Aber vielleicht lief es auch ganz bürokratisch als Verwaltungsakt ab, wenn Merkel in den Pausen die Autogrammwünsche abarbeitet und die Karten in ministeriale Umlaufmappen packt.

Wenn ich die Gelegenheit habe, dann werde ich Doro Bär einfach fragen. Mal hören, welche Geschichte sie mir zu MEINEM Autogramm erzählen kann.
Ich danke Doro Bär: Du hast versprochen, du hast geliefert – dafür ganz herzlichen Dank und ganz herzlichen Dank an Angela Merkel für das Autogramm und vor allem für 16 Jahre Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Buchtipp: Zu viel und nie genug von Mary L. Trump

28. Oktober 2020

Wenige Tage vor der US-Wahl habe ich das Buch Zu viel und nie genug der Trump-Nichte Mary L. Trump ausgelesen und es lässt mich entsetzt zurück. Dass Donald Trump nicht die hellste Kerze am Kuchen ist, das habe ich geahnt. Aber wie schlimm die Familie Trump ist, wurde mir erst durch dieses lesenswerte Buch aufgezeigt, das mir der Heyne Verlag zur Verfügung gestellt hat.

Die promovierte klinische Psychologin beschreibt ihre eigene Familiengeschichte. Natürlich läuft in jeder Familie nicht alles rund, aber bei Familie Trump ist die verfahrene Familiensituation der Auslöser allen Übels. Das soll das Verhalten des US-Präsidenten nicht entschuldigen, aber ich kann es nach der Lektüre dieses Buches Zu viel und nie genug nachvollziehen.
Zu viel und nie genug beschreibt nicht den Politiker Donald Trump – das machen ausgebildete Journalisten wie der große Bob Woodward mit seinen beiden Bücher Furcht und Wut ausgezeichnet. Mary L. Trump zeichnet ein intimeres Bild ihres Onkels und ich bin mir sicher: Sollte Donald das Buch von Mary gelesen haben, dann liegen familiäre Bindungen auf Eis. Mary L. Trump rechnet mit ihrer Familie ab. Aber es ist keine kaltschnäuzige Abrechnung aus dem Bauch, sondern sie setzt alles in Beziehung zueinander und erklärt, wie das Familienleben im Trump-Clan so abläuft.

Die Wurzel allen Übels liegt in Donalds Vater Fred. Der Immobilien-Tycoon regierte seine Familie und sein Unternehmen mit harter Hand. Liebe gab es nicht, Freundlichkeiten waren Fehlanzeige. Und in der Erziehung zeigte sich, dass Lüge zum Tagesgeschäft gehört. „Wie für Donald üblich, war die Story wichtiger als die Wahrheit, die leichtherzig geopfert wurde, vor allem, wenn eine Lüge die Geschichte besser klingen lässt“, heißt es bei Mary Trump. Fred Trump wusste, wie man Politiker abhängig machen konnte und „Wie man zur richtigen Zeit einen Gefallen einfordert.“ Fred Trump ist mit seinen Sozialbauten reich geworden und kassierte staatliche Gelder für seine Vorhaben. „Fred bekam sein Geschäft durch Geld vom Staat finanziert aber Steuern zahlen war nicht seine Sache, das vermied er mit allen Mitteln.“ Komisch, das erinnert mich dann doch an Donald Trump. „Für Fred Trump waren Geldwert, Selbstwert und menschliche Werte ein und dasselbe. Je mehr er hatte, desto besser war er. … Diese Einstellung bekam Donald schaufelweise von ihm eingetrichtert.“

Über seinen Vater Fred und den Mafia-Anwalt Roy Cohn lernte Donald das dreckige Spiel des Mobbings und des Dreckwerfens. So lässt sich die Autorität des Gegners durch Mobbing untergraben. Und Donald lernte von den Besten und war ein gelehriger Schüler. Klare Leseempfehlung von Zu viel und nie genug

Geburtstag – Ich bin heute seit zehn Jahren bei Twitter

24. Oktober 2018

Ich komm mir vor wie Captain Ahab, denn ich habe den Fail Whale früher immer wieder gesehen. Immer wieder tauchte er auf, wenn es eng wurde. Heute ist der Fail Whale verschwunden, er ist ausgestorben, egal wann man ihn sucht. Ich bin schon so lange bei Twitter, dass ich den Wal noch kenne, der erschien, wenn das soziale Netzwerk überlastet war. Heute feiere ich meinen zehnten Twitter Geburtstag. Zehn Jahre zwitschere ich nun unter meinen Account @redaktion42 .


Warum so lange? Nun, Twitter hat mein Medienverhalten geändert. Für mich ist Twitter News, Spaß, Empathie, blöde Sprüche, schlüpfrige Andeutungen, Nachrichtenquelle Nummer 1, in letzter Letzt ist es aber auch Verschwörung, Hetze, Aggression, Verleumdung. Twitter hat sich verändert, es ist kälter dort geworden und das mag ich überhaupt nicht. Ich werde Twitter nicht den Hetzern, den Bots und den Hatern überlassen und weiterhin das Gute in den Menschen zu sehen.


Es ist in den vergangenen zehn Jahren so viel passiert: Wir Twitterer konnten zusammen lachen, konnten zusammen Tatort schauen, die digitale Sau durchs Dorf jagen. Wir konnten Menschen vor dem Selbstmord retten oder Hilfsaktionen für anderer Twitterer organisieren. Twitter war und ist etwas Gutes, wenn wir es nur richtig einsetzen.
Ich habe noch die 140 Zeichen erlebt und gelernt, mich kurz und bündig auszudrücken. Ich kenne noch Faven und ich wünsche mir seit zehn Jahren, Tweets nachträglich bearbeiten zu können (wegen der Rechtschreibung). Aktien von Twitter habe ich mir keine gekauft, obwohl ich mir es immer wieder überlegt habe. Aber der richtige Zeitpunkt war irgendwie nicht gekommen. Ich habe an Twitterwalls während Veranstaltungen geschrieben, ich habe erlebt, wie aus dem Bundestag Wahlergebnisse getwittert wurde, bevor der Bundestagspräsident das Ergebnis verkündet hat. Ich habe den Niedergang der klassischen Massenmedien erlebt, wenn The Donald und andere sich direkt an die Wählerinnen und Wähler wenden und das Medium dazwischen überspringen.


Ich habe in den vergangenen zehn Jahren tolle Dialoge geführt. Promis, die mir im Real Life nie eine Antwort gegeben hätten, sprachen mit mit. Politikerinnen und Politiker kamen zu mir aufs Handy und wir führten Diskurse und tauschten Meinungen aus. Und auch mir wurde geholfen. Ich bekam Meinungen, Bestätigung und Freunde. Aus virtuellen Freunden wurden echte Freunde und Bekannte – das ist toll. Ich habe andere Ansichten kennengelernt und ich habe viel, viel gelernt durch Chats. Twitter war anders als Facebook und das ist gut so. Der SMS an alle bleibe ich weiterhin treu und wenn ich in meinen Seminaren ab und zu meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Macht von Twitter zeigen kann und um #Followerpower bitte, dann machen viele, viele von euch da draußen mit. Danke dafür, dass ich seit zehn Jahren Teil einer solch tollen Gemeinschaft sein darf. Danke für die Infos, den Spaß, die Freude, die Wärme, den Humor, die Menschlichkeit und wenden wir uns gegen die Neider, Hetzer, Hater, Verschwörer, Verleumder, Rassisten, Faschisten, Kommunisten und Zerstörer der Menschlichkeit.

House of Cards: BBC schlägt Netflix

22. September 2014

Im Moment schaue ich auf meinen Zugreisen die zweite Staffel von House of Cards und ich genieße das Intrigenspiel von verlogener Politik und Machterhalt – ein Lehrstück für den modernen Politiker. Wie der große Humorist Gerhard Polt schon sagte: Fast wie im richtigen Leben.
Viele Details mag ich an der Serie und auch die Besetzung von Kevin Spacy ist äußerst gelungen. Für mich ist es eine seiner besten Rollen. Und unseren Fernsehsendern muss klar sein, was das bedeutet, wenn Netflix so eine geniale Serie streamt. Fernsehen ändert sich. Hier passiert etwas am TV-Markt. Amazon hatte ja auch bereits mit dem Wikiner-Epos Vikings einen großen Erfolg.

Die zweite Staffel von House of Cards.

Die zweite Staffel von House of Cards.

Zurück zu House of Cards: Bei all meiner Begeisterung für die David Fincher-Serie muss ich zugeben: Ich finde das Original House of Cards nochmals um Klassen besser. Es liegt daran, dass die Originalserie in London spielt und damit europäischer ist als der mir fremde US-Politikbetrieb. Zwar ist Kevin Spacy prima, doch Ian Richardson ist noch besser. Schaut euch den Unterschied einmal an und zwar in der Originalfassung.

Kevin Spacy spielt seine Rolle umwerfend.

Kevin Spacy spielt seine Rolle umwerfend.

Autor Michael Dobbs, heute Peer und Mitglied des House of Lords, hatte einst im Stab von Margret Thatcher gearbeitet und mit seinen Romanen einen entlarvenden Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebes gestattet. Es ist übrigens eine Schande, dass seine Romane im Moment nicht wieder in Deutschland aufgelegt werden und so musste ich das englische eBook House of Cards bei Amazon laden. Der deutsche Rechteinhaber Bastei-Lübbe könnte sich bewegen und sicher den einen oder anderen Euro verdienen. Völlig unverständlich so eine Veröffentlichungspolitik.

Ian Richardson ist aber noch besser.

Ian Richardson ist aber noch besser.

Michael Dobbs brachte wohl sein Insiderwissen in seine Bücher ein. Und es ist der britische Politikbetrieb und nicht ein US-amerikanischer, den Doobs beschreibt, der Kampf in Whitehall. Daher interpretiert Ian Richardson die Rolle des eiskalten Politikers noch eindrucksvoller. Richardson ist böse, richtig böse. BBC schlägt hier Netflix, wobei ich keinesfalls sagen will, dass die Neuverfilmung schlecht ist, das Original ist nur noch besser. Die britische Englisch passt besser, als das amerikanische Englisch für diese Art von Filmen. Die Steigerung „Feind, Todfeind, Parteifreund“ bekommt hier eine neue Bedeutung und ich sehe heute so manche Politikkampagne unter einem anderen Licht. Hier lernt der Zuschauer taktieren, intrigieren, vernichten auf die feine englische Art und Ian Richardson ist ein Meister des Marionettenspiels darin. Vielleicht können Politiker diese Serien als Fortbildungskosten von der Steuer absetzen?
Interessant ist, dass die US-Serie bei den Emmys neun Mal nominiert wurde, aber nur drei Preise bekam. Streaming ist bei der US-Jury wohl noch nicht angekommen oder sie stehen auf der Leitung.

Das britische Original finde ich sogar noch besser.

Das britische Original finde ich sogar noch besser.

Buchkritik: Netzkinder gegen Offliner – Danke, Internet. von Alexander Fuchs

22. April 2012

Ich bin ja ein Freund von deutlichen Worten, aber bei der Lektüre des Buches Netzkinder gegen Offliner – Danke, Internet. von Alexander Fuchs blieb mir erst einmal die Spucke weg. Der 23jährige Autor gibt ein klares Plädoyer pro Netz ab und positioniert sich gegen die Offliner. Gefangene werden nicht gemacht. Die Sprache ist klar, eindeutig, provozierend. Nerd Fuchs hat wahrscheinlich schon so viele Kämpfe hinter sich, so viele Diskussionen, so viele Anfeindungen, dass es ihm jetzt reicht. Fuchs feuert aus allen Rohren. Für ihn besteht die Welt nicht aus Grautönen, sondern sie ist entweder klar schwarz oder weiß. Er hat keine Geduld mit den Offlinern mehr, die seine Netzwelt zerstören, die Freiheit determinieren und einschränken wollen. Und er findet mit diesem Buch genügend Anhänger.

Seine Thesen für seine Netzkinder, seine Leserschaft formuliert er radikal, vielleicht nicht immer sprachlich geschliffen, aber eindeutig und – verdammt nochmal – er hat in vielen Dingen schlicht und einfach recht. In vielen seiner Thesen spricht er mir aus dem Herzen. Hut ab vor soviel Chuzpe. Endlich sagt es mal einer diesen Offlinern.

Wer von den angegriffenen Offlinern den Mut hat, sollte dieses Buch lesen, aber Bedenken, es hat ein junger Wilder geschrieben. In zwei, drei Stunden hat der Leser das Buch durch. Wenn der lesende Offliner keinen Herzanfall bekommen oder seinen Rechtsanwalt wegen Nötigung angerufen hat, dann erfährt er etwas aus erster Hand, wie eine Generation tickt. Und wir reden nicht mehr von der Generation C64, die heute um die 40 ist und den Aufstieg des Webs erlebt hat. Wir erfahren von den Sorgen und Nöten einer Generation von Mitte 20, für die das Netz allgegenwärtig ist. Sie sind im Netz aufgewachsen und kennen es nicht anders. Wenn es ein Problem gibt, führen Google und Co zur Antwort. Für diese Generation ist das Netz nicht ein abstrakter, virtueller Raum in den man sich begibt, sondern es ist Alltag.

Auch Videogames gehören zum Leben des Nerds dazu. Fuchs rechnet ab mit den Vorwurf der Killerspiele in Form von Counter-Strike. Alles Terroristen und Mörder, die diese Spiele spielen. Und er rechnet ab mit den Medien ab, die krampfhaft die alten Denkstrukturen  bewahren und ihre Netzberichterstattung mit Trojaner, Facebookpartys und Abzocke anreichern. Ja, auch diese Medien gehören zu den Offlinern. Und wenn sich die Medien nicht ändern, verlieren sie weiter den Einfluss auf diese Generation (und sie verlieren Auflage).

Natürlich ist das Buch absolut subjektiv geschrieben. Es handelt von Alexander Fuchs und seiner Sicht auf die Welt. Hier werden die Offliner einhaken und dem Autoren Fuchs vorwerfen, dass seine Erlebnisse von LAN-Partys, Bewerbungsgesprächen und IT-Sicherheit durch Noobies und Dummschwätzern nicht zu verallgemeinern sind. Doch, sie viele sind es – leider. In vielen meiner Seminaren mit Offlinern kommen die Gedanken, Vorurteile in der ein oder anderen Form immer wieder an den Tag. Meine Erfahrungen mit der Welt der Offlinern sind ähnlich, allerdings rege ich mich nicht mehr so darüber auf wie Alexander Fuchs. Wenn Offliner etwas nicht verstehen, dann reagieren sie mit Angst und Unsicherheit, dann machen sie sich über das Unbekannte lächerlich und werden unsachlich.  Wie oft höre ich, dass es die Welt nicht interessiert, was ich zu Mittag essen und darüber twittere. Alexander Fuchs hat recht. Bleibt doch in eurer Offline-Welt und übertragt nicht euer Denkmodell auf andere. Diesen Bedenkenträgern aus der Politik und Gesellschaft hält Fuchs einen Spiegel vor. Für meinen Geschmack macht er allerdings den Fehler, die Offliner in eine Ecke zu stellen und sich zum Teil über sie lustig zu machen, anstatt nur seine Thesen zu erhärten. Aber dies liegt wahrscheinlich daran, dass Fuchs jahrelang im Umgang mit den Offlinern frustriert wurde.

Ich habe die drei Stunden Lektüre des Buches Netzkinder gegen Offliner – Danke, Internet. genossen, nicht die Sprache, aber die Thesen. Und ich empfehle das Buch allen On- und Offlinern, die über den Tellerrand sehen oder sich einfach mal wieder richtig ärgern wollen.

Social Media: Neue Form der Politikbeteiligung

2. November 2010

ePeition an den Deutschen Bundestag.

ePeition an den Deutschen Bundestag.

Politiker jammern gerne darüber, dass die Deutschen unpolitisch sind. Das stimmt nicht: Ich denke vielmehr, das Volk ist politisch interessiert, aber sie sind Politikermüde. Die Bevölkerung lässt sich nicht mehr langfristig in Parteien binden, aber wir sind dennoch politisch. Sobald wir von etwas betroffen sind, bzw. uns Dinge betreffen, dann engagieren wir uns. Sei es bei Stuttgart21, Nichtraucherschutz usw. Das Engagement ist ereignisgebunden und anschließend bricht das Engagement wieder ab und die Aufmerksamkeit wendet sich etwas anderem zu.

Die Rolle von Social Media ist dabei gewaltig. Hier lassen sich Massen mobilisieren. Wer dazu ein aktuelles Beispiel braucht, der sollte sich eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag ansehen.  Thema: Einhaltung der Verträge zur Abschaltung der Atomkraftwerke bis zum Jahr 2023. Der Antrag kam von Jörg Zwosta, Petitionsnummer 13587. Interessant ist das Jörg Zwosta Bürgermeister der CDU in Baden-Baden war und auf eine weitere Amtszeit verzichtete. Die Petition sollte von 50.000 Bundesbürgern am Abend des 21. Oktober 2010 unterzeichnet werden. Um 0 Uhr war Schluss. Um 21 Uhr fehlten noch rund 6000 Unterschriften, damit die Petition behandelt wird. Und dann brach der Online-Sturm nicht. Über Twitter und Facebook riefen die Befürworter der Petition die Community zum Mitmachen auf. Und siehe da: Minute für Minute registrierte sich das Volk und die Zahl der Unterschriften wuchs. Am Schluss waren es 73978 Unterzeichner – ein Erfolg für die Befürworter und ein Sieg für die Leistungsfähigkeit Social Media.  Die Petition ist nun in der parlamentarischen Prüfung.

In der Begründung zum Antrag hieß es:

Trotz der vor sieben Jahren geschlossen Verträge plant die Bundesregierung eine Verlängerung der Restlaufzeiten 13 Jahre vor in Kraft treten der beschlossenen Maßnahmen. Die Regierungskoalition will eine Verlängerung der Restlaufzeiten von 8 bis 14 Jahren erreichen.

Wir möchten die Bundesregierung auffordern, sich mit Vertretern aller Energieformen auseinander zu setzen und gemeinsam Meilensteine der Energiewende zu erarbeiten.

Ein Austritt aus den bestehenden Verträgen 13 Jahre vor Umsetzung der Maßnahmen halten wir für nicht richtig und bestehen auf der Einhaltung der Vereinbarung.

Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Haupt-Begründung: „Wir brauchen die Atomenergie als Brückentechnologie“ nicht belegbar. (Siehe Stromüberschüsse bereits 2010)

Immer noch ungeklärt und medienwirksam „vertuscht“ ist dagegen das Thema der Entsorgung des Atom-Mülls und die fehlende Beteiligung der Erzeuger an der Lösung dieses Problems.

Auch der Einsatz der Technik ist ein enormes Sicherheitsrisiko. Denn alle technischen Systeme versagen einmal – bei einem Atommeiler allerdings mit nicht planbaren Risiken. (Bsp.: Alle vor 1980 erbauten Atommeiler verwenden noch heute (2010) eine analoge Steuerung.)

Mit der Förderung der erneuerbaren Energieträger und ihre Verwertung sind wir in der Lage, bis zum Zeitpunkt des geplanten Laufzeitendes des letzten Atommeilers die geforderten 40% Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu erzeugen.

Aus den oben genannten Gründen fordern wir die aktuelle Bundesregierung dazu auf, dafür Sorge zu tragen, dass die von Ihren Vorgängern abgeschlossenen Verträge zur Abschaltung der Atomkraftwerke bis 2023 eingehalten werden!

 

Politiker sind keine Volksvertreter

20. November 2009

Wie weit sich die Politiker vom Volk oder anders herum entfernt haben, deute ich aus folgender kleinen Episode am Rande eines Schülerzeitungsseminars. Schüler auf diesem Seminar machten den üblichen Verfassungsvergleich: 1848 und 1871. Auf einmal zog ein Schüler einen Kasten neben der Institutionen wie Bundestag/Reichstag auf und schrieb das Wort „Volksversammlung“ hinein.

Auf meine Intervention, das Volk sei doch bereits durch die Abgeordneten in der entsprechenden Kammer vertreten, kam nur als Antwort: „Das ist nicht das Volk, das sind nur Politiker und die sind doch wohl nicht das Volk!“ Für den Schüler war klar: Die Politiker vertreten das Volk nicht, sondern nur ihre Interessen. Soweit ist es schon gekommen.