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Ukraine-Krieg: Mein Dilemma mit Kaspersky

17. März 2022

„Ich hab ein ganz mieses Gefühl“, so heißt der running Gag bei Star Wars, der in jeden Film einmal auftaucht. Aber nun mal ernsthaft. Mit Sorge und Überraschung vernahm ich die Warnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik vor den Antivirenprodukten des russischen Herstellers Kaspersky. Ich selbst setzte bei meinen Kunden und empfahl in meinen Seminaren die Produkte von Kaspersky, Bitdefender und F-Secure.

Es hat vor allem technische Gründe. Ich habe mich dabei immer auf die Test von AV-Test verlassen, da ich unter anderem dort Leute kenne und weiß, dass sie ihr Handwerk verstehen. Nach früherer Tätigkeit und Erfahrungen bei dem wichtigsten deutschen Windows-Testmagazin der PC Professionell PCpro ist für mich AV-Test ein seriöses Testzentrum in Sachen Antiviren-Software. Ich greife gerne auf die Studien von Kaspersky zurück, zuletzt beim Safer Internet Day.

Nun riet das BSI vor kurzem, dass die Kaspersky durch andere Produkte anderer Hersteller ersetzt werden sollten. Auch der Fußballverein Eintracht Frankfurt beendete mit sofortiger Wirkung den Sponsoringvertrag mit dem russischen Softwareunternehmen Kaspersky. Als Grund nannten die Hessen die Warnung des BSI. So ein Aufruf kann den wirtschaftlichen Ruin eines privatwirtschaftlichen Unternehmens bedeuten.

Beim BSI heißt es in der Stellungnahme: „Das Vorgehen militärischer und/oder nachrichtendienstlicher Kräfte in Russland sowie die im Zuge des aktuellen kriegerischen Konflikts von russischer Seite ausgesprochenen Drohungen gegen die EU, die NATO und die Bundesrepublik Deutschland sind mit einem erheblichen Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs verbunden. Ein russischer IT-Hersteller kann selbst offensive Operationen durchführen, gegen seinen Willen gezwungen werden, Zielsysteme anzugreifen, oder selbst als Opfer einer Cyber-Operation ohne seine Kenntnis ausspioniert oder als Werkzeug für Angriffe gegen seine eigenen Kunden missbraucht werden.“ Also kurz und überspitzt gesagt, auch wenn Kaspersky keine böse Absicht hat, könnte das Unternehmen von russischen Regierung/Geheimdienst/Putin himeself gezwungen werden, gegen den Westen vorzugehen. „Betreiber Kritischer Infrastrukturen sind in besonderem Maße gefährdet“, so das BSI. Ich könnte jetzt argumentieren, dass bei US-Firmen die NSA eine Backdoor hat oder bei TikTok die Kommunistische Partei das Sagen hat (darum weigere ich mich, diesen Dienst zu nutzen), aber das wäre eine klassische Whataboutism-Diskussion, die unseriös ist.

Vorgefallen ist noch nichts, aber das BSI sprach aufgrund des Angriffskrieges Putin diese Warnung aus.
Hören wir einmal die andere Seite, um uns ein Bild zu machen. Audiatur et altera pars hab ich in meiner Journalismusausbildung gehört.

Und das sagt Kaspersky
Über die deutsche PR-Agentur verbreitete Kaspersky eine Stellungnahme in der es heißt: „Wir sind der Meinung, dass diese Entscheidung nicht auf einer technischen Bewertung der Kaspersky-Produkte beruht – für die wir uns beim BSI und in ganz Europa immer wieder eingesetzt haben –, sondern dass sie aus politischen Gründen getroffen wurde. Wir werden unsere Partner und Kunden weiterhin von der Qualität und Integrität unserer Produkte überzeugen und mit dem BSI zusammenarbeiten, um die Entscheidung zu klären und die Bedenken des BSI und anderer Regulierungsbehörden auszuräumen.“ Im Grunde ist die Aussage, dass BSI handle aus politischen und nicht aus technischen Gründen.

Kaspersky ist ein privates russisches Unternehmen, das weltweit agiert. In Ingolstadt ist die deutsche Niederlassung, den deutschen Chef Marco Preuss habe ich mehrmals interviewt und einen kompetenten Eindruck bekommen. die Rechenzentren zur Virenerfassung stehen in Zürich und wurden mehrfach zertifiziert.

Und das sagte der Chef selbst
Eugene Kaspersky selbst lebt in der Regel in Moskau, ist Unternehmer und hat eine schillernde Biografie. Eugene Kaspersky hatte als Jugendlicher die technische Fakultät einer KGB-Schule besucht, seine erste Frau lernte er in einem Feriencamp des Geheimdienstes kennen. Naja, muss alles nichts heißen. Ich habe auf einer der alten CeBit-Partys nur seine Frau einstmals gesprochen, ihn selbst kenne ich nur über Videoschaltungen von IT-Sicherheitsmessen.

In einem offenen Brief hat er nun Stellung genommen: „Ohne auf Details einzugehen kann ich sagen, dass diese Behauptungen reine Spekulationen sind, die durch keine objektiven Beweise oder technischen Details gestützt werden. Der Grund dafür ist einfach. In der fünfundzwanzigjährigen Geschichte Kasperskys gab es nie einen Beweis für einen Missbrauch unserer Software zu schädlichen Zwecken. Und das trotz unzähliger Versuche, einen Beweis dafür zu finden. Ohne Beweise kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass die Entscheidung des BSI allein aus politischen Gründen getroffen wurde.“ Der ganze Brief auf Deutsch ist hier abgedruckt.

Und nun?
Zurück bleibe ich in Ratlosigkeit. Meine Kunden und Seminarteilnehmer rufen bei mir an und fragen nach, was ich ihnen raten soll. Ich gebe ihnen beide Stellungnahmen und drücke mich im Grunde vor einer klaren Entscheidung und dieses Dilemma gefällt mir absolut nicht. Einfacher wäre es, wenn man Kaspersky technische Mängel vorwerfen kann.

Ich will aber nicht vor den Karren Putins gespannt werden. Im Lokalen sehe ich ein Misstrauen in der deutschen Bevölkerung gegenüber russischsprachigen Menschen oder deutschsprachige Russen. Ich höre von Mobbing und Anfeindungen. Hier wird ein Keil in unsere Gesellschaft getrieben. Es muss klar sein: Nicht das russische Volk führt Krieg gegen uns, sondern der aggressive Diktator Putin und seine gewissenlosen Schergen.

Im Falle Kaspersky bezeichnet der Unternehmer Eugene Kaspersky den Ukraine-Krieg als das was er ist, nämlich als Krieg und wird es wohl nach russischer Gesetzgebung auch mit dem Staat zu tun bekommen. Oder ist alles ein großes Manöver der Desinformation und hybriden Kriegsführung? Ich weiß es nicht. Ich bin ratlos und werde die Geschichte genau beobachten.
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Buchtipp: Zu viel und nie genug von Mary L. Trump

28. Oktober 2020

Wenige Tage vor der US-Wahl habe ich das Buch Zu viel und nie genug der Trump-Nichte Mary L. Trump ausgelesen und es lässt mich entsetzt zurück. Dass Donald Trump nicht die hellste Kerze am Kuchen ist, das habe ich geahnt. Aber wie schlimm die Familie Trump ist, wurde mir erst durch dieses lesenswerte Buch aufgezeigt, das mir der Heyne Verlag zur Verfügung gestellt hat.

Die promovierte klinische Psychologin beschreibt ihre eigene Familiengeschichte. Natürlich läuft in jeder Familie nicht alles rund, aber bei Familie Trump ist die verfahrene Familiensituation der Auslöser allen Übels. Das soll das Verhalten des US-Präsidenten nicht entschuldigen, aber ich kann es nach der Lektüre dieses Buches Zu viel und nie genug nachvollziehen.
Zu viel und nie genug beschreibt nicht den Politiker Donald Trump – das machen ausgebildete Journalisten wie der große Bob Woodward mit seinen beiden Bücher Furcht und Wut ausgezeichnet. Mary L. Trump zeichnet ein intimeres Bild ihres Onkels und ich bin mir sicher: Sollte Donald das Buch von Mary gelesen haben, dann liegen familiäre Bindungen auf Eis. Mary L. Trump rechnet mit ihrer Familie ab. Aber es ist keine kaltschnäuzige Abrechnung aus dem Bauch, sondern sie setzt alles in Beziehung zueinander und erklärt, wie das Familienleben im Trump-Clan so abläuft.

Die Wurzel allen Übels liegt in Donalds Vater Fred. Der Immobilien-Tycoon regierte seine Familie und sein Unternehmen mit harter Hand. Liebe gab es nicht, Freundlichkeiten waren Fehlanzeige. Und in der Erziehung zeigte sich, dass Lüge zum Tagesgeschäft gehört. „Wie für Donald üblich, war die Story wichtiger als die Wahrheit, die leichtherzig geopfert wurde, vor allem, wenn eine Lüge die Geschichte besser klingen lässt“, heißt es bei Mary Trump. Fred Trump wusste, wie man Politiker abhängig machen konnte und „Wie man zur richtigen Zeit einen Gefallen einfordert.“ Fred Trump ist mit seinen Sozialbauten reich geworden und kassierte staatliche Gelder für seine Vorhaben. „Fred bekam sein Geschäft durch Geld vom Staat finanziert aber Steuern zahlen war nicht seine Sache, das vermied er mit allen Mitteln.“ Komisch, das erinnert mich dann doch an Donald Trump. „Für Fred Trump waren Geldwert, Selbstwert und menschliche Werte ein und dasselbe. Je mehr er hatte, desto besser war er. … Diese Einstellung bekam Donald schaufelweise von ihm eingetrichtert.“

Über seinen Vater Fred und den Mafia-Anwalt Roy Cohn lernte Donald das dreckige Spiel des Mobbings und des Dreckwerfens. So lässt sich die Autorität des Gegners durch Mobbing untergraben. Und Donald lernte von den Besten und war ein gelehriger Schüler. Klare Leseempfehlung von Zu viel und nie genug

Jury-Sitzung für Die Raute

9. September 2010

In diesem Jahr gab es zum ersten Mal einen Schülerzeitungswettbewerb der Hanns-Seidel-Stiftung mit Namen „Die Raute“. Ich hätte die Möglichkeit, diesen Preis im Vorfeld ein wenig mit vorzubereiten und war am Schluss auch als Jurymitglied mit von der Partie. Diese Arbeit geschah rein ehrenamtlich, denn die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses liegt mir sehr am Herzen.

Obwohl die Hanns-Seidel-Stiftung eine bayerische Stiftung ist, wurde der Schülerzeitungswettbewerb bundesweit ausgeschrieben. Und das mit großem Erfolg: Insgesamt 180 Schülerzeitungen aus ganz Deutschland nahmen an dem Wettbewerb teil. Und die Gewinner? Die Gewinner werden natürlich hier nicht verraten. Sie werden in einer offiziellen Preisverleihung im Oktober im Konferenzzentrum der HSS der Öffentlichkeit mit großem Tamtam verkündet. Der Termin steht noch nicht fest.

Viele Sachen sind uns als Jurymitglieder bei der Prämierung und Auswahl aufgefallen. In der Jury-Mitglieder waren Johannes Scheer (die Welt), Christian Deutschländer (Münchner Merkur), Wilfried Scharnagl (Bayernkurier), Stefanie von Winning (HSS) und Alexander Schröder (Kultusministerum). Dr. Franz Guber leitete die Sitzung.

Zunächst einmal: Es gab keine Zeitungen mehr die klassisch mit Schere und Kleber gebastelt werden. Kleber und Schere wurden vom Computer und die DTP abgelöst. Das digitale Zeitalter ist bei den Schülerzeitungen voll angekommen. Einzelne Schülerzeitungen haben sogar eine Line Extenions in Sachen Internet unternommen:  In statischen Websites oder dynamischen Blogs wird vom Schulleben berichtet. Auch die Herstellung und drucktechnische Qualität einzelne Produkte ist phänomenal – da können sich die Profis eine Scheibe abschneiden.  Die Schüler verstehen es mit XPress oder InDesign umzugehen – und einige beherrschen ihren Photoshop.

Bei den journalistischen Themen gibt es auch ein paar Neuerungen. Natürlich gibt es nach wie vor die klassische Schulthemen wie Berichte über Schulfeste, Schulausflüge oder Projektwochen, aber Schüler wagen sich auch in größere Themen. Themen wie Angst oder Mobbling im Unterricht und Cyberspace interessierten die Schüler ebenso wie Jugendkulturen oder sogar Bildungspolitik. Wir haben ein massives Plädoyer für die Hauptschule in einer Zeitung ebenso gefunden, wie eine kritische Auseinandersetzung mit dem G8.

Leider mussten wir aber feststellen, dass die journalistische Qualität oftmals hinter dem Erscheinungsbild der Zeitung zurück fällt. Verpackung ist nicht alles. Eine gut layoutete Zeitschrift macht noch lange keine gute Zeitschrift. Einige Schülerzeitungsredakteure verfielen in technischen Spielereien, ohne auf den Content zu achten. Dabei muss Form und Inhalt eine Einheit sein, sonst wird das Produkt vom Leser nicht akzeptiert. Wer allerdings glaubt, nur guter Inhalt reicht, der ist auch auf dem Holzweg.

Engagierte Diskussionen in der Jury.

Engagierte Diskussionen in der Jury.