Mann oh Mann, was haben wir uns in den Haaren gelegen und nun ist er verstorben. Wie ich den sozialen Medien entnehme, ist der 1938 geborene Wilfried Scharnagl verstorben. Er galt als enger Vertrauter von Franz-Josef Strauß und mischte im Hintergrund der CSU immernoch mit. Gerne hätte ich seine Kommentierung zum Ausgang der Landtagswahl in Bayern gehört.
Immer wieder kreuzten sich unsere Wege. Scharnagl war von 1977 bis 2001 Chefredakteur der Parteizeitung Bayernkurier und man traf sich auf Veranstaltungen der CSU in München über die ich als junger Reporter berichtete. Wenn Scharnagl lospolterte gingen viele in Deckung. Sein Wort hatte Gewicht und er genoss es, wenn der alte CSU-Spruch aufs Tablett kam: „Scharnagl schreibt, was Strauß denkt und Strauß denkt, was Scharnagl schreibt.“ Ob es so wahr ist, weiß ich nicht, dazu bin ich zu jung. Aber er galt als Denker einer CSU, die es heute wohl in der damaligen Form nicht mehr gibt.
Richtig zu tun hatte ich mit Wilfried Scharnagl als ich mit ihm zusammen in einer Jury eines Schülerzeitungswettbewerbes saß. Die Raute war der Preis der Hanns-Seidel-Stiftung und Scharnagl gehörte dem Vorstand der parteinahen Stiftung an. Bei der Bewertung der Zeitschriften kamen wir uns immer wieder in die Haare. Für Scharnagl waren die Schülerzeitungen zu professionell in jeder Hinsicht. Zu professionell in den Texten, zu professionell in den Fotos und zu professionell im Layout. Er kam eben aus einer anderen Zeitungsgeneration und ist ebenso wie ich beim Münchner Merkur seine ersten journalistischen Schritte gegangen. Als Referent für Schülerzeitungsseminare vertrat ich aber absolut einen neuen Weg. Eine moderne Schülerzeitung in Papier in 4c aber auch online, gestaltet am Rechner mit DTP, entstanden als digitales Produkt mit verschiedenen Ausspielkanälen. Kein Kleben und Schneiden, kein Schwarzweiß, kein Kopierer oder Letraset-Buchstaben-Gefummel. Scharnagl und ich kamen in der Jury-Sitzung nicht überein und wurden keine Freunde.
Aber er war professionell, das muss ich zugeben. Als ich ihn zum Tode Friedrich Zimmermanns befragte, wusste er zwar, dass wir uns in den Jurysitzungen gestritten hatten, aber im Interview war er höchst professionell und gab mir freilich ein Interview für YouTube.
Ich habe Wilfried Scharnagl zum 100. Geburtstag von Franz-Josef Strauß im Jahre 2015 getroffen. Er hielt einen Vortrag über den bayerischen Politiker und ich war sehr überrascht, dass es keine Glorifizierung von FJS war. Scharnagl hatte zu seinem Freund eine kritische Distanz und das verwunderte mich.
Ich bin gespannt, wie Mitstreiter seiner damaligen Zeit diesen streitbaren Publizisten würdigen. Für die CSU ist ein Urgestein verstorben. Mein Beileid gilt seiner Familie.
Heute am 6. September 2015 hätte Franz Josef Strauß seinen 100. Geburtstag gefeiert. Ich bin gerade zu diesem Zeitpunkt in Wildbad Kreuth. Ein Ort, der eng mit Strauß verbunden ist und es regnet in Strömen. Der Himmel beweint FJS. Kreuth bedeutete Franz Josef Strauß den Kreuther Geist, das Aufkündigen der Fraktionsgemeinschaft CSU/CDU und viele Geschichten mehr. Das Ehepaar Strauß wohnte in den 1980er Jahren in Kreuth. Kreuth ist aber auch ein tragischer Ort für die Familie Strauß. Am 22. Juni 1984 verunglückte Marianne, die Ehefrau von FJS, kurz nach der Brücke bei Scharling mit ihrem Fahrzeug tödlich. Gestern Nacht besuchte ich bei einer Fahrt nach Rottach-Egern die Todesstelle von Marianne Strauß. Es war eine eigenartige Stimmung, muss ich zugeben, keine Kerzen, nichts.
In den vergangenen Wochen beschäftigte ich mich ein wenig mit FJS und ging auf eine Reise in meine/seine Vergangenheit. Ich habe bereits darüber gebloggt.
Als politisch interessierter Mensch wollte ich mehr über den umstrittenen Übervater der CSU und bayerischen Ministerpräsidenten erfahren. Ich bin 1968 geboren und bekam als Kind und Jugendlicher den Streit um die Person FJS mit. Wo Strauß auftrat, da polarisierte er. Politisch habe ich ihn nicht bewusst erlebt, den Streit um ihn dafür um so mehr. In Gesprächen mit Zeitzeugen wurde mir nur deutlich: Er war umstritten, und das ist vornehm ausgedrückt. Von Verehrung bis Hass auf seine Person habe ich in den vergangenen Tagen viele Stimmen vernommen. Was habe ich alles gehört und gelesen: Übervater der CSU, Gauner, Schöpfer des modernen Bayern – auf jeden Fall war er eine faszinierende Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Ich denke, diverse Vorfälle wie Fibag, Lockheed oder dem Verkehrspolizisten Hahlbohm, die Spiegel-Affäre oder die Wienerwald-Rede von 1976 sind ganz schön heftig.
Strauß-Vortrag bei der HSS
Zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß veranstaltete die CSU-nahe Hanns Seidel Stiftung eine Vortragsveranstaltung „Franz Josef Strauß – Staatsmann und Freund“ mit Wilfried Scharnagl. Wilfried Scharnagl, ehemaliger Chefredakteur der CSU-Mitgliederzeitschrift Bayernkurier und politischer Publizist, genoss das besondere Vertrauen von Strauß, der dies mit dem Satz zum Ausdruck brachte: „Scharnagl schreibt, was Strauß denkt, und Strauß denkt, was Scharnagl schreibt.“
Diskussion mit dem Publikum
Diskussion mit dem Publikum
Alles ok mit der Aufnahme?
Wilfried Scharnagl beim Vortrag
Hans Peter Niedermeier organisierte den Abend.
Ich habe den Vortrag von Scharnagl und die anschließende Diskussion mit Prof. Hans Peter Niedermeier von der HSS für Youtube mitgeschnitten.
Ich war überrascht, dass Scharnagl in seinem Rahmen kritisch mit dem Übervater Strauß umging. Entsetzt war ich allerdings in der anschließenden Podiumsdiskussion über so manche Wortmeldung aus dem Publikum. Schaut euch die Videos mal an, wenn ihr ein bisschen Zeit habt.
Horst Möller: Herrscher und Rebell
Am Rande der Veranstaltung wies Scharnagl auf das Buch von Horst Möller hin: Franz Josef Strauß: Herrscher und Rebell. Das Buch erschien im Piper-Verlag, der mir das Buch zur Rezension zur Verfügung stellte. Vielen Dank dafür.
Wilfried Scharnagl stellte das Buch Herrscher und Rebell besonders heraus.
Das 832 Seiten dicke Buch wurde von Horst Möller verfasst, der einst das Institut für Zeitgeschichte in München leitete. Anfangs befürchtete ich ein trockenes Werk eines deutschen Professors, aber er orientiert sich an der angelsächsischen Erzählweise und an vier Tagen hatte ich das Buch gelesen. Vom Stil her flüssig, aber wissenschaftlich, gleitet mir das Werk in so mancher Formulierung in eine Art Heldenverehrung ab.
Und dennoch ist es ein wichtiges Zeitdokument, das Leben und Werk von Strauß vortrefflich beleuchtet. Allerdings mit Detailfehler, die einem Direktor des renommierten Instituts für Zeitgeschichte nicht passieren dürfen – Stichwort ist die berühmte Put Put-Rede. Hier hätte spätestens der Lektor besser aufpassen müssen. Auch Strauß außereheliche Affäre mit einer 17jährigen Schülerin wird mir zu wenig kritisch hinterfragt. Gut, ich war nicht dabei und das Privatleben soll privat bleiben, wenn es das öffentliche Amt nicht berührt.
Mir wurde das Buch von Horst Möller von Wilfried Scharnagl ans Herz gelegt.
Mir hat das Lesen dieses detailreichen Werkes große Freude gemacht, auch wenn ich mit der kommentierenden Form des Autors nicht einverstanden bin. Verfehlungen von Strauß müssen bei so einem Werk stärker berücksichtigt und klar benannt werden. Dennoch: Ohne FJS wäre Bayern nicht dort, wo sich der Freistaat heute wirtschaftlich befindet. Hervorragend unterstreicht das Buch, wie umstrittenen FJS war und heute noch immer ist. Erwähne ich bei der älteren Generation den Namen Strauß, schlägt mir Begeisterung oder Ablehnung entgegen – dazwischen scheint es nichts zu geben. Alle betonen aber übereinstimmend, welch Redner Strauß gewesen war – Redeschlachten zwischen Wehner und Strauß gehören in die Kategorie deutliche Worte. Immer wieder wurde mir gesagt, dass es solche Politiker wie Strauß heute bräuchte. Ja, sie bräuchte es, aber sie würden mit ihrer Art nur eine Zeitlang in ihren gewählten politischen Ämtern überleben. Wir als Volk fordern zwar deutliche Worte und Charakterköpfe – kommt es mal zu ihnen, dann ist die Aufregung aber groß.
Wirtschaftspolitik und Standortpolitik
In dem Vortrag der HSS wurde Wilfried Scharnagl gebetsmühlenartig vom Publikum gefragt, wie Strauß denn heute diese oder jene Sachen sehen würde. Wilfried Scharnagl lässt sich auf dieses Glatteis nicht führen und wiegelt zurecht ab. Und dennoch ist es in der Biografie von Horst Möller interessant nachzulesen, wie intensiv sich Strauß für Airbus gegen Boing einsetze und damit aktive Wirtschaftspolitik für den Freistaat machte. Solche klaren Worte bräuchten wir gegenüber Google und Facebook aus Deutschland (oder Bayern). Das System Strauß brauche ich heute nicht mehr, die Ecken und Kanten eines Politikers wie Franz Josef Strauß sehne ich herbei.
Originelles FJS-Plakat von Peter Gauweiler. Strauß wirkt noch heute in der Öffentlichkeit.
Vor kurzem verstarb der ehemalige CSU-Politiker Friedrich Zimmermann. Als junger Journalist durfte ich ein paar Mal über den Hardliner Zimmermann berichten. Beispielswiese wie er 1983 sich mit Herbert Achternbusch wegen der Filmförderung zu dessen Film „Das Gespenst“ anlegte. Zimmermann verweigerte aufgrund der Blasphemie eine Rate der Förderung. Das machte den schlechten Film unverdient berühmt. Neben all den politischen Entscheidungen wie Vermummungsverbot, Kronzeugenregelung oder Einführung von Katalysator im Auto blieben mir persönlich zwei Dinge über „Old Schwurhand“ in Erinnerung, wie Zimmermann spöttisch nach der bayerischen Spielbankenaffäre genannt wurde.
Zimmermann erklärte 1986, dass zu keiner Zeit Gefahr für die deutsche Bevölkerung bestanden hatte, nachdem den Sowjets ihr Reaktor in Tschernobyl um die Ohren geflogen ist.
Als Verkehrsminister posierte Zimmermann vor laufenden Kameras auf einem Mofa. Allerdings beherrschte er das Gefährt nicht und bretterte durch den Vorgarten und blamierte sich. Bei Rudis Tagesshow und anderen Pannensendungen lief damals der Spot rauf und runter.
Ich traf mit Wilfried Scharnagl einen politischen Weggefährten Friedrich Zimmermanns zu einem Kurzinterview. Scharnagl kannte Zimmermann u.a. als ehemaliger Chefredakteur des Bayernkuriers. Im Interview würdigte er den Menschen und Politiker Zimmermann.
In diesem Jahr gab es zum ersten Mal einen Schülerzeitungswettbewerb der Hanns-Seidel-Stiftung mit Namen „Die Raute“. Ich hätte die Möglichkeit, diesen Preis im Vorfeld ein wenig mit vorzubereiten und war am Schluss auch als Jurymitglied mit von der Partie. Diese Arbeit geschah rein ehrenamtlich, denn die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses liegt mir sehr am Herzen.
Obwohl die Hanns-Seidel-Stiftung eine bayerische Stiftung ist, wurde der Schülerzeitungswettbewerb bundesweit ausgeschrieben. Und das mit großem Erfolg: Insgesamt 180 Schülerzeitungen aus ganz Deutschland nahmen an dem Wettbewerb teil. Und die Gewinner? Die Gewinner werden natürlich hier nicht verraten. Sie werden in einer offiziellen Preisverleihung im Oktober im Konferenzzentrum der HSS der Öffentlichkeit mit großem Tamtam verkündet. Der Termin steht noch nicht fest.
Viele Sachen sind uns als Jurymitglieder bei der Prämierung und Auswahl aufgefallen. In der Jury-Mitglieder waren Johannes Scheer (die Welt), Christian Deutschländer (Münchner Merkur), Wilfried Scharnagl (Bayernkurier), Stefanie von Winning (HSS) und Alexander Schröder (Kultusministerum). Dr. Franz Guber leitete die Sitzung.
Zunächst einmal: Es gab keine Zeitungen mehr die klassisch mit Schere und Kleber gebastelt werden. Kleber und Schere wurden vom Computer und die DTP abgelöst. Das digitale Zeitalter ist bei den Schülerzeitungen voll angekommen. Einzelne Schülerzeitungen haben sogar eine Line Extenions in Sachen Internet unternommen: In statischen Websites oder dynamischen Blogs wird vom Schulleben berichtet. Auch die Herstellung und drucktechnische Qualität einzelne Produkte ist phänomenal – da können sich die Profis eine Scheibe abschneiden. Die Schüler verstehen es mit XPress oder InDesign umzugehen – und einige beherrschen ihren Photoshop.
Bei den journalistischen Themen gibt es auch ein paar Neuerungen. Natürlich gibt es nach wie vor die klassische Schulthemen wie Berichte über Schulfeste, Schulausflüge oder Projektwochen, aber Schüler wagen sich auch in größere Themen. Themen wie Angst oder Mobbling im Unterricht und Cyberspace interessierten die Schüler ebenso wie Jugendkulturen oder sogar Bildungspolitik. Wir haben ein massives Plädoyer für die Hauptschule in einer Zeitung ebenso gefunden, wie eine kritische Auseinandersetzung mit dem G8.
Leider mussten wir aber feststellen, dass die journalistische Qualität oftmals hinter dem Erscheinungsbild der Zeitung zurück fällt. Verpackung ist nicht alles. Eine gut layoutete Zeitschrift macht noch lange keine gute Zeitschrift. Einige Schülerzeitungsredakteure verfielen in technischen Spielereien, ohne auf den Content zu achten. Dabei muss Form und Inhalt eine Einheit sein, sonst wird das Produkt vom Leser nicht akzeptiert. Wer allerdings glaubt, nur guter Inhalt reicht, der ist auch auf dem Holzweg.