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Umgang mit Videospielen – Meine Schlüsse nach dem Amoklauf in München

24. Juli 2016

Ich bin seit Jahren mit dem Thema Medienkompetenz in Vorträgen vor Schülern, Lehrern und Eltern unterwegs. Nach dem Amoklauf in München setzt wieder die Debatte um die Killerspiele ein. Auf dem Rechner des Täters wurden solche Spiele gefunden. Ich höre aus dem Netz wieder Rufe nach einem Verbot solcher Spiele. Ich rufe zurück: Informiert euch und lernt Medienkompetenz.
In einem ZDF Spezial „Amoklauf in München – Eine Stadt im Ausnahmezustand“ wurde Bundesinnenminister Thomas de Maizieres vom ZDF-Moderator Matthias Fronoff interviewt. Vielen Dank an Patrick Heyer @patthemav für den Link. Der Moderator Fronoff gibt die Vorlage nach der Frage zu „gewaltlastigen Computerspielen“. Die Ursache sei nicht zu belegen, aber eine Verrohung liegt nahe. Er fragte den Minister: „Wollen Sie ran an dieses Thema?“

Bundesinnenminister Thomas de Maizieles im ZDF Interview.

Bundesinnenminister Thomas de Maizieles im ZDF Interview.

Bundesinnenminister Thomas de Maizieres forderte in diesem Interview kein Verbot solcher Spiele, wie jetzt immer wieder aus dem Netz zu hören ist. Bundesinnenminister Thomas de Maizieres antwortete eindeutig. „Ich beobachte seit längerem mit Sorge die Verrohung der Gesellschaft. … Es ist eine Hasssprache eine Beleidigung eingezogen, insbesondere auch im Internet, die unserer Gesellschaft nicht gut zu Gesicht steht. So sind wir nicht und so wollen wir nicht sein. … Ich glaube, dass die extremen Gewaltspiele, die wir dort erleben, ob die nun Ursache sind oder Beschleuniger für solche Radikalisierungen und Gewaltexzesse ist mir fast schon egal. Aber wir müssen darüber reden, es ist kein gutes Spielmaterial für junge Menschen. Jetzt rufen alle nach einem Verbot. Das wird nicht gehen. Aber ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Internet, raus aus der Anonymität, den Namen sagen, unser Gesicht zeigen und mit Respekt miteinander umgehen. Das ist etwas, was uns nach solchen Tagen beschäftigen muss.“

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Mit der Debatte über Medienkompetenz stimme ich mit dem Bundesinnenminister Thomas de Maizieres überein und stehe zur Verfügung. Das ist aktive Gesellschaftspolitik. In meinen Vorträgen über den Umgang mit Videospielen erkläre ich: „Videospiele sind heute ein Leitmedium der jungen Generation!“ Mit dieser Aussage konfrontierte ich beispielsweise Eltern und Schüler des Gymnasiums Münchberg. Die Regionalbeauftragte für Oberfranken der Hanns Seidel Stiftung Sabine Habla hatte in Kooperation mit dem Gymnasium zu Vorträgen geladen und über 200 Eltern und Schüler folgten der Einladung.

Videospiele bestimmen das Freizeitverhalten
Videospiele bestimmen das Freizeitverhalten der Jugendlichen in einem hohen Maß.. Ich selbst begann in seiner Jugend mit dem Atari 2600 und steift heute durch die Welt der Spiele. Während früher die Welten getrennt waren, wächst heute alles zusammen. Wir haben eine Vermischung der Medien, die Konvergenz nimmt zu und dadurch auch die Mediennutzung in der Gesellschaft. Wichtigstes Device ist sicherlich das Smartphone, das die Mediennutzung revolutioniert hat. Wir haben das Smartphone immer und überall dabei – und als Zeitvertreib werden Spiele-Apps am Smartphone stark genutzt. Aber auch Streaming-Angebote wie Apple TV oder Amazon Fire TV setzen nicht nur auf das Ausstrahlen von Filmen, sondern auch auf das Laden von Spielen.
Vor allem durch YouTube als zweitwichtigstes soziales Netzwerk verbreiten sich Spiele bei der jungen Zielgruppe rasant. YouTuber wie Gronkh haben mit ihren Let’s play-Videos riesigen Erfolg. Dabei kennt kaum ein Erwachsener die Namen wie Gronkh, Dner, PietSmiet, Sarazar, ungespielt, GermanLetsPlay, ConCrafter, Rewinside, GommeHD oder Paluten. „Hier haben sich Eltern von der Mediennutzung ihrer Kinder völlig entkoppelt, „stelle ich klar und mahne Medienkompetenz bei Eltern und Schülern an.
Zudem sind Videogames heute ein offizieller Beitrag zur Kultur. „Videogames sind junge künstlerische Ausdrucksform, die eine Fusion aus Musik, Film und Literatur bilden, ergänzt um interaktive Elemente. Damit gebührt Videospielen der Platz als gleichberechtigte Säule im kulturellen Kanon unserer Gesellschaft“, so ein Leitsatz der Vereinigung Videospielkultur e.V. Videospiele haben seit 2008 einen festen Platz im Deutschen Kulturrat. Zur Begründung hieß es, die Branche sei Auftraggeber für Künstler unterschiedlicher Sparten wie Designer, Drehbuchautoren bis hin zu Komponisten. Drehbuchautoren, die früher die Grundlagen für Kino-Filme lieferten, schreiben jetzt Drehbuch für Videospiele und Filmmusiker, die früher Filmmusik für Kinoschlager produzierten, schaffen nun die Musik für Videospiele. Klar sei aber auch, nicht jedes Spiel sei ein wertvoller kultureller Beitrag, ebenso wie nicht jedes Musikstück ein Beitrag zur Hochkultur sei.
In 40 Jahren haben Videospiele die Populärkultur beeinflusst, wie kaum eine andere Kunstform des 20. Jahrhunderts. Markennamen wie Mario, GameBoy, Lara Croft oder Pokémon kennen heute viele und sind mit ihnen groß geworden. „Videospiele zählen kulturell als auch ökonomisch zu den bedeutendsten Medientrends des 21. Jahrhunderts“ zitier ich den heutigen Leiter der BLM Siegfried Schneider.

Eltern müssen hinsehen
Bei all der Eurphorie müssten aber Eltern genau hinschauen, was ihre Kinder spielen. Der Bereich der Egoshooter sei extrem populär. Counter Strike sei nach wie vor ein Klassiker und werde bei eSports-Veranstaltungen als Wettbewerbsspiel gespielt. Vor 15 Jahren war das Gymnasium Münchberg in den Medien als ein Schüler online Maps für Counter Strike vom Gymnasium bereit stellte. Hier hört für mich der Spaß auf. Ich brauche keine Maps von der Schule, um dann dort einen Ego-Shooter zu spielen. Klar ist aber auch: Nicht jeder der Counter Strike spielt, ist ein potenzieller Massenmörder.
Starken Eindruck auf die Eltern machte die nächste Generation von Spielen, die über VR Brillen gespielt werden. Brillen wie Samsung VR, Sony VR für PS4, Microsoft Hololens oder das Highend-Modell Oculus Rift werden das Spiel in eine neue Dimension tragen. Der Spieler taucht durch die Brille voll in die Spielewelt ein. Ablenkungen wie sie heute noch möglich sind, werden ausgeblendet. Das Spielerlebnis wird gesteigert und auch die Gefahr sich in der virtuellen Spielewelt zu verlieren. Es gilt jetzt mehr denn je genau hinzuschauen. Ich rufe besonders die Schüler auf, ein Auge auf Mitschüler zu achten. Spielsucht ist eine ernstzunehmende Krankheit.

Merkmale von Spielsucht
Die Merkmale von Spielsucht sind vielfältig. Die Nutzung von Spielen wird immer häufer, länger und intensiver und die realen Freundschaften brechen immer mehr weg. Die Beziehungskontakte werden ausschließlich virtuell und die Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf nehmen rapide ab. Ein weiteres Kennzeichen: Wenn das Spielgerät nicht zur Verfügung steht, dann treten innere Unruhe, Depressionen und Aggressionen auf. Es kommt zum ständigen Streit zwischen den Angehörigen über die Nutzung des Spielgeräts und trotz negativer Konsequenzen ändert sich nichts am Verhalten.
Damit es nicht soweit kommt, empfehle ich: Sprechen Sie mit Ihrem Kind im Vorfeld. Informieren und interessieren Sie sich, was Ihr Kind spielt. Und spielen Sie doch einfach mal mit. Hinweise wie Altersfreigabe und klare Regeln sind eigentlich selbstverständlich. Aber auch: Bieten Sie Alternativen und seien Sie als Erwachsene ein Vorbild.

Buchkritik: Netzkinder gegen Offliner – Danke, Internet. von Alexander Fuchs

22. April 2012

Ich bin ja ein Freund von deutlichen Worten, aber bei der Lektüre des Buches Netzkinder gegen Offliner – Danke, Internet. von Alexander Fuchs blieb mir erst einmal die Spucke weg. Der 23jährige Autor gibt ein klares Plädoyer pro Netz ab und positioniert sich gegen die Offliner. Gefangene werden nicht gemacht. Die Sprache ist klar, eindeutig, provozierend. Nerd Fuchs hat wahrscheinlich schon so viele Kämpfe hinter sich, so viele Diskussionen, so viele Anfeindungen, dass es ihm jetzt reicht. Fuchs feuert aus allen Rohren. Für ihn besteht die Welt nicht aus Grautönen, sondern sie ist entweder klar schwarz oder weiß. Er hat keine Geduld mit den Offlinern mehr, die seine Netzwelt zerstören, die Freiheit determinieren und einschränken wollen. Und er findet mit diesem Buch genügend Anhänger.

Seine Thesen für seine Netzkinder, seine Leserschaft formuliert er radikal, vielleicht nicht immer sprachlich geschliffen, aber eindeutig und – verdammt nochmal – er hat in vielen Dingen schlicht und einfach recht. In vielen seiner Thesen spricht er mir aus dem Herzen. Hut ab vor soviel Chuzpe. Endlich sagt es mal einer diesen Offlinern.

Wer von den angegriffenen Offlinern den Mut hat, sollte dieses Buch lesen, aber Bedenken, es hat ein junger Wilder geschrieben. In zwei, drei Stunden hat der Leser das Buch durch. Wenn der lesende Offliner keinen Herzanfall bekommen oder seinen Rechtsanwalt wegen Nötigung angerufen hat, dann erfährt er etwas aus erster Hand, wie eine Generation tickt. Und wir reden nicht mehr von der Generation C64, die heute um die 40 ist und den Aufstieg des Webs erlebt hat. Wir erfahren von den Sorgen und Nöten einer Generation von Mitte 20, für die das Netz allgegenwärtig ist. Sie sind im Netz aufgewachsen und kennen es nicht anders. Wenn es ein Problem gibt, führen Google und Co zur Antwort. Für diese Generation ist das Netz nicht ein abstrakter, virtueller Raum in den man sich begibt, sondern es ist Alltag.

Auch Videogames gehören zum Leben des Nerds dazu. Fuchs rechnet ab mit den Vorwurf der Killerspiele in Form von Counter-Strike. Alles Terroristen und Mörder, die diese Spiele spielen. Und er rechnet ab mit den Medien ab, die krampfhaft die alten Denkstrukturen  bewahren und ihre Netzberichterstattung mit Trojaner, Facebookpartys und Abzocke anreichern. Ja, auch diese Medien gehören zu den Offlinern. Und wenn sich die Medien nicht ändern, verlieren sie weiter den Einfluss auf diese Generation (und sie verlieren Auflage).

Natürlich ist das Buch absolut subjektiv geschrieben. Es handelt von Alexander Fuchs und seiner Sicht auf die Welt. Hier werden die Offliner einhaken und dem Autoren Fuchs vorwerfen, dass seine Erlebnisse von LAN-Partys, Bewerbungsgesprächen und IT-Sicherheit durch Noobies und Dummschwätzern nicht zu verallgemeinern sind. Doch, sie viele sind es – leider. In vielen meiner Seminaren mit Offlinern kommen die Gedanken, Vorurteile in der ein oder anderen Form immer wieder an den Tag. Meine Erfahrungen mit der Welt der Offlinern sind ähnlich, allerdings rege ich mich nicht mehr so darüber auf wie Alexander Fuchs. Wenn Offliner etwas nicht verstehen, dann reagieren sie mit Angst und Unsicherheit, dann machen sie sich über das Unbekannte lächerlich und werden unsachlich.  Wie oft höre ich, dass es die Welt nicht interessiert, was ich zu Mittag essen und darüber twittere. Alexander Fuchs hat recht. Bleibt doch in eurer Offline-Welt und übertragt nicht euer Denkmodell auf andere. Diesen Bedenkenträgern aus der Politik und Gesellschaft hält Fuchs einen Spiegel vor. Für meinen Geschmack macht er allerdings den Fehler, die Offliner in eine Ecke zu stellen und sich zum Teil über sie lustig zu machen, anstatt nur seine Thesen zu erhärten. Aber dies liegt wahrscheinlich daran, dass Fuchs jahrelang im Umgang mit den Offlinern frustriert wurde.

Ich habe die drei Stunden Lektüre des Buches Netzkinder gegen Offliner – Danke, Internet. genossen, nicht die Sprache, aber die Thesen. Und ich empfehle das Buch allen On- und Offlinern, die über den Tellerrand sehen oder sich einfach mal wieder richtig ärgern wollen.

Verbot von Killerspielen

13. März 2009

fahne

Ich kann es bald nicht mehr hören, wenn nach dem Attentat in Winnenden die üblichen Erklärungsversuche aus der politischen Schublade gezogen werden. Da sind sie wieder, die bösen Killerspiele, die aus unseren Jugendlichen hirnlose mordende Monster machen. Ja, ja der Täter hat Killerspiele gespielt und saß stundenlang vor dem Computer. Es ist so schön einfach, alles zu vereinfachen und schnell einen Grund für die Untat zu finden. Ich habe regelrecht darauf gewartet, wann endlich der Begriff „Counter Strike“ fällt, das der Täter natürlich gespielt hat. Und wie der Pawlowsche Hund kommt sofort der Ruf nach dem Verbot von Killerspielen.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rief nach einem Verbot von besonders brutaler Computerspiele mit der Begründung, bei jungen Menschen setzten solche Spiele Hemmschwellen herunter und beinhalteten die Gefahr, „dass jemand meint, so etwas selbst nachspielen zu müssen“. Der Präsident der Deutschen Stiftung für Verbrechensbekämpfung, Hans-Dieter Schwind, fordert ein „totales Verbot von Computer-Gewaltspielen.“

Diese Spiele sind ab 18 Jahren und das ist gut so. Die sollen und dürfen nicht an Jugendliche verkauft werden. Was passiert wenn sie verboten werden? Schon mal was von FTP-Server und Download gehört? Ein Verbot kann nicht die Lösung sein, sondern eine Auseinandersetzung mit den Ursachen. Warum nehmen Eltern die Erziehung nicht ernst? Warum braucht man als Sportschütze 16 Schusswaffen zu Hause? Warum muss über Tausende Schuss Munition zu Hause gelagert werden? Warum diskutiert man nicht Erziehungs- und Schulsysteme? Warum wird nicht über den Druck reflektiert der in Schule und Gesellschaft herrscht?