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Buchtipp Star Wars Identities – Schlussstrich unter dem Amoklauf München

22. Juli 2017
Nach einem Jahr endlich ausgepackt: Katalog zu Star Wars Identities

Nach einem Jahr endlich ausgepackt: Katalog zu Star Wars Identities

Am 22. Juli jährt sich der Münchner Amoklaufs. Heute vor einem Jahr ermordete ein Schüler am Münchner Olympia Einkaufszentrum OEZ zahlreiche Menschen. Ich war damals mit meinem Sohn in München in der Star Wars Identities Ausstellung und wir waren von den Ereignissen betroffen. Meine Eindrücke vom Amoklauf habe ich gebloggt. Mein Sohn und ich verbrachten damals einen schönen Tag in der kleinen Olympiahalle und genossen die Wanderausstellung. Zum Abschluss kauften wir die Luxus-Ausgabe des Ausstellungskatalogs und die Sammlung der gerollten Ausstellungsplakate. Dann kam der Amoklauf und der weitere Tag verlief anders geplant. Der Tag machte uns Angst und Vater und Sohn hatten ein prägendes Erlebnis,
Ein Jahr stand die Tüte mit dem Ausstellungskatalog zu Hause bei uns herum. Immer wieder warf ich einen Blick auf die weiße Tüte. Ich hatte keinen Bedarf mich mit dem Katalog zu beschäftigen. Auch die Plakate waren noch originalverpackt und versiegelt. Wir nahmen durch den Amoklauf zwar keinerlei Schaden, aber es war eine intensive Erfahrung. Mir wurde damals bewusst, wie schnell sich mein geordnetes Leben verändern kann.
Die Tüte mit den Ausstellungskatalog stand also bei uns herum. Ich hatte keine Lust, mir die Erfahrung nochmals in Erinnerung zu rufen. Aber nach einem Jahren ist für mich Zeit gekommen und einen Schlussstrich zu ziehen. So doof es klingt: Ich packe jetzt diesen Ausstellungskatalog aus und erinnere mich wieder an eine wunderbare Star Wars-Ausstellung. Hier meine Eindrücke von der Ausstellung.

In dieser Tüte lag der Katalog ein Jahr herum.

In dieser Tüte lag der Katalog ein Jahr herum.

Ich legte damals 40 Euro für den Ausstellungskatalog auf den Tisch. Wir wählten als Star Wars-Fans die Luxus-Ausgabe mit einem Druck von Darth Vader. Der gebundene Katalog kommt in einem Karton daher.
Die Star Wars Identities lieferte für Fans enorm viele Details und es war tolle Sache viele Modelle, Sketches, Zeichnungen und Kostüme im Original zu sehen. Ich habe die Ausstellung damals Stück für Stück dokumentiert mit Fotos und Videos.
Nach einem Jahr kommen die Erinnerungen an diese wunderbaren Ausstellungsstücke wieder hoch. In einem Unboxing-Video stelle ich den Ausstellungskatalog vor. Ich kann jedem Star Wars-Fan diesen Ausstellungskatalog von Star Wars Identities absolut empfehlen.

 

Unsicherheit bei der Twitter-Kommunikation der Polizei nach Anschlag in Ansbach

25. Juli 2016

Ich war und bin voll des Lobes über die Krisenkommunikation der Polizei München in den vergangenen Jahren. Bereits früher hab ich die Leistungen herausgestellt, wie bei den Ereignissen zu Silvester 2015 oder unlängst beim Amoklauf in München. Ich stehe hinter der Polizei und unterstütze sie.
Allerdings hat die Polizei in Bayern noch einen Nachholbedarf in Sachen moderner Kommunikation, wie sich jetzt für mich bei dem Anschlag in Ansbach herausstellte. Laptop und Lederhose gibt es nicht in ganz Bayern und das wäre dringend notwendig.
Am Morgen nach dem Attentat in Ansbach ging durch Twitter eine Nachricht mit folgendem Inhalt: „Videos und Bilder zum Tatgeschehen bitte an folgende Adresse senden: rba.mittelfranken@web.de #explosion #ansbach“ Der Absender war @polby_1 ein nichtverifizierter Account, der sich als Polizei Bayern ausgibt.

Ich war mir nicht sicher, ob sich dahinter wirklich die bayerische Polizei befindet.

Ich war mir nicht sicher, ob sich dahinter wirklich die bayerische Polizei befindet.

Ich bin nicht ganz unerfahren in Sachen Social Media und das machte mich stuzig. Der Account ist nicht von Twitter verifiziert und jeder kann sich so einen Namen und Adresse anlegen. Woher soll der Bürger wissen, ob sich dahinter wirklich die Polizei aufhält? Das ist äußerst unprofessionell. Es könnte ja auch ein Depp sein, der Bilder von dem Attentat sammelt und sonst was damit macht.
Als zweites machte mich stutzig, dass zum Übertragen von Videos eine Web.de-Adresse angegeben wird. Web.de? Geht es noch unprofessioneller? Der Bürger soll ernsthaft Videos an eine Web.de-Adresse senden? Schon mal was von Datei-Upload gehört? In München wurde eine Upload-Seite eingerichtet und wir konnten die Bilder und Videos vom OEZ hochladen.
Mich hat das Ganze sehr verstört und ich habe nachgefragt. Es kam die Antwort in bestem Beamtendeutsch: „Es handelt sich dabei um eine Rückfallebene für Präsidien ohne Twitter-Kanal.“ Eine was bitte? Was ist jetzt eine Rückfallebene? Offizielle Nachrichtenseiten und später auch die Polizei München bestätigten, dass es sich bei @polby_1 um einen echten Twitter-Account der bayerischen Polizei handelt.

Die Polizei München bestätigt die Echtheit des Accounts.

Die Polizei München bestätigt die Echtheit des Accounts.

Im Laufe des Vormittags will sich die Polizei um eine Verifizierung durch Twitter bemühen. Ob das so schnell geht? Beim Schreiben dieses Blogposts fehlte noch immer der blaue Haken. Von mehreren Seiten kam die Bestätigung, dass es sich wirklich um einen offiziellen Account der Polizei handelt. Es ist der Einsatzkanal der bay. Polizei. „Nur in Einsatzlagen aktiv. Keine Anzeigenaufnahme! Keine 24/7 Überwachung! In Notfällen immer die 110 wählen!“
Und dennoch: Hier muss sich der Freistaat Bayern besser aufstellen. So eine Unsicherheit bei den Bürgern darf auf keinen Fall vorkommen. Die Diskussionen um die nicht verifizierte Adresse sowie um das Web.de-Konto füllen das Netz. Wir Bürger wollen unsere Polizei unterstützen. Doch hier muss das Innenministerium auch die technischen Voraussetzungen schaffen. Social Media ist keine neue Erfindung.
Ich bin viel in der Ausbildung von Polizisten unterwegs. Immer wieder höre ich die schlechte technische Ausstattung bei den Beamten. Bitte stellt diesen Misstand schnell ab.

Umgang mit Videospielen – Meine Schlüsse nach dem Amoklauf in München

24. Juli 2016

Ich bin seit Jahren mit dem Thema Medienkompetenz in Vorträgen vor Schülern, Lehrern und Eltern unterwegs. Nach dem Amoklauf in München setzt wieder die Debatte um die Killerspiele ein. Auf dem Rechner des Täters wurden solche Spiele gefunden. Ich höre aus dem Netz wieder Rufe nach einem Verbot solcher Spiele. Ich rufe zurück: Informiert euch und lernt Medienkompetenz.
In einem ZDF Spezial „Amoklauf in München – Eine Stadt im Ausnahmezustand“ wurde Bundesinnenminister Thomas de Maizieres vom ZDF-Moderator Matthias Fronoff interviewt. Vielen Dank an Patrick Heyer @patthemav für den Link. Der Moderator Fronoff gibt die Vorlage nach der Frage zu „gewaltlastigen Computerspielen“. Die Ursache sei nicht zu belegen, aber eine Verrohung liegt nahe. Er fragte den Minister: „Wollen Sie ran an dieses Thema?“

Bundesinnenminister Thomas de Maizieles im ZDF Interview.

Bundesinnenminister Thomas de Maizieles im ZDF Interview.

Bundesinnenminister Thomas de Maizieres forderte in diesem Interview kein Verbot solcher Spiele, wie jetzt immer wieder aus dem Netz zu hören ist. Bundesinnenminister Thomas de Maizieres antwortete eindeutig. „Ich beobachte seit längerem mit Sorge die Verrohung der Gesellschaft. … Es ist eine Hasssprache eine Beleidigung eingezogen, insbesondere auch im Internet, die unserer Gesellschaft nicht gut zu Gesicht steht. So sind wir nicht und so wollen wir nicht sein. … Ich glaube, dass die extremen Gewaltspiele, die wir dort erleben, ob die nun Ursache sind oder Beschleuniger für solche Radikalisierungen und Gewaltexzesse ist mir fast schon egal. Aber wir müssen darüber reden, es ist kein gutes Spielmaterial für junge Menschen. Jetzt rufen alle nach einem Verbot. Das wird nicht gehen. Aber ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Internet, raus aus der Anonymität, den Namen sagen, unser Gesicht zeigen und mit Respekt miteinander umgehen. Das ist etwas, was uns nach solchen Tagen beschäftigen muss.“

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Mit der Debatte über Medienkompetenz stimme ich mit dem Bundesinnenminister Thomas de Maizieres überein und stehe zur Verfügung. Das ist aktive Gesellschaftspolitik. In meinen Vorträgen über den Umgang mit Videospielen erkläre ich: „Videospiele sind heute ein Leitmedium der jungen Generation!“ Mit dieser Aussage konfrontierte ich beispielsweise Eltern und Schüler des Gymnasiums Münchberg. Die Regionalbeauftragte für Oberfranken der Hanns Seidel Stiftung Sabine Habla hatte in Kooperation mit dem Gymnasium zu Vorträgen geladen und über 200 Eltern und Schüler folgten der Einladung.

Videospiele bestimmen das Freizeitverhalten
Videospiele bestimmen das Freizeitverhalten der Jugendlichen in einem hohen Maß.. Ich selbst begann in seiner Jugend mit dem Atari 2600 und steift heute durch die Welt der Spiele. Während früher die Welten getrennt waren, wächst heute alles zusammen. Wir haben eine Vermischung der Medien, die Konvergenz nimmt zu und dadurch auch die Mediennutzung in der Gesellschaft. Wichtigstes Device ist sicherlich das Smartphone, das die Mediennutzung revolutioniert hat. Wir haben das Smartphone immer und überall dabei – und als Zeitvertreib werden Spiele-Apps am Smartphone stark genutzt. Aber auch Streaming-Angebote wie Apple TV oder Amazon Fire TV setzen nicht nur auf das Ausstrahlen von Filmen, sondern auch auf das Laden von Spielen.
Vor allem durch YouTube als zweitwichtigstes soziales Netzwerk verbreiten sich Spiele bei der jungen Zielgruppe rasant. YouTuber wie Gronkh haben mit ihren Let’s play-Videos riesigen Erfolg. Dabei kennt kaum ein Erwachsener die Namen wie Gronkh, Dner, PietSmiet, Sarazar, ungespielt, GermanLetsPlay, ConCrafter, Rewinside, GommeHD oder Paluten. „Hier haben sich Eltern von der Mediennutzung ihrer Kinder völlig entkoppelt, „stelle ich klar und mahne Medienkompetenz bei Eltern und Schülern an.
Zudem sind Videogames heute ein offizieller Beitrag zur Kultur. „Videogames sind junge künstlerische Ausdrucksform, die eine Fusion aus Musik, Film und Literatur bilden, ergänzt um interaktive Elemente. Damit gebührt Videospielen der Platz als gleichberechtigte Säule im kulturellen Kanon unserer Gesellschaft“, so ein Leitsatz der Vereinigung Videospielkultur e.V. Videospiele haben seit 2008 einen festen Platz im Deutschen Kulturrat. Zur Begründung hieß es, die Branche sei Auftraggeber für Künstler unterschiedlicher Sparten wie Designer, Drehbuchautoren bis hin zu Komponisten. Drehbuchautoren, die früher die Grundlagen für Kino-Filme lieferten, schreiben jetzt Drehbuch für Videospiele und Filmmusiker, die früher Filmmusik für Kinoschlager produzierten, schaffen nun die Musik für Videospiele. Klar sei aber auch, nicht jedes Spiel sei ein wertvoller kultureller Beitrag, ebenso wie nicht jedes Musikstück ein Beitrag zur Hochkultur sei.
In 40 Jahren haben Videospiele die Populärkultur beeinflusst, wie kaum eine andere Kunstform des 20. Jahrhunderts. Markennamen wie Mario, GameBoy, Lara Croft oder Pokémon kennen heute viele und sind mit ihnen groß geworden. „Videospiele zählen kulturell als auch ökonomisch zu den bedeutendsten Medientrends des 21. Jahrhunderts“ zitier ich den heutigen Leiter der BLM Siegfried Schneider.

Eltern müssen hinsehen
Bei all der Eurphorie müssten aber Eltern genau hinschauen, was ihre Kinder spielen. Der Bereich der Egoshooter sei extrem populär. Counter Strike sei nach wie vor ein Klassiker und werde bei eSports-Veranstaltungen als Wettbewerbsspiel gespielt. Vor 15 Jahren war das Gymnasium Münchberg in den Medien als ein Schüler online Maps für Counter Strike vom Gymnasium bereit stellte. Hier hört für mich der Spaß auf. Ich brauche keine Maps von der Schule, um dann dort einen Ego-Shooter zu spielen. Klar ist aber auch: Nicht jeder der Counter Strike spielt, ist ein potenzieller Massenmörder.
Starken Eindruck auf die Eltern machte die nächste Generation von Spielen, die über VR Brillen gespielt werden. Brillen wie Samsung VR, Sony VR für PS4, Microsoft Hololens oder das Highend-Modell Oculus Rift werden das Spiel in eine neue Dimension tragen. Der Spieler taucht durch die Brille voll in die Spielewelt ein. Ablenkungen wie sie heute noch möglich sind, werden ausgeblendet. Das Spielerlebnis wird gesteigert und auch die Gefahr sich in der virtuellen Spielewelt zu verlieren. Es gilt jetzt mehr denn je genau hinzuschauen. Ich rufe besonders die Schüler auf, ein Auge auf Mitschüler zu achten. Spielsucht ist eine ernstzunehmende Krankheit.

Merkmale von Spielsucht
Die Merkmale von Spielsucht sind vielfältig. Die Nutzung von Spielen wird immer häufer, länger und intensiver und die realen Freundschaften brechen immer mehr weg. Die Beziehungskontakte werden ausschließlich virtuell und die Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf nehmen rapide ab. Ein weiteres Kennzeichen: Wenn das Spielgerät nicht zur Verfügung steht, dann treten innere Unruhe, Depressionen und Aggressionen auf. Es kommt zum ständigen Streit zwischen den Angehörigen über die Nutzung des Spielgeräts und trotz negativer Konsequenzen ändert sich nichts am Verhalten.
Damit es nicht soweit kommt, empfehle ich: Sprechen Sie mit Ihrem Kind im Vorfeld. Informieren und interessieren Sie sich, was Ihr Kind spielt. Und spielen Sie doch einfach mal mit. Hinweise wie Altersfreigabe und klare Regeln sind eigentlich selbstverständlich. Aber auch: Bieten Sie Alternativen und seien Sie als Erwachsene ein Vorbild.

Meine subjektiven Eindrücke vom Amoklauf in München

23. Juli 2016

Der Mittlere Ring war voller Polizei, die Richtung OEZ fuhr.

Der Mittlere Ring war voller Polizei, die Richtung OEZ fuhr.

Über den Tathergang, Motive und Hintergründe des Amoklaufs in München will ich nicht spekulieren. Ich bin in Gedanken bei den Opfern dieser Nacht. Ich danke allen Einsatzkräften und ich danke allen Münchnern, die solidarisch ihre Wohnungen und Häuser für Gestrandete geöffnet haben. Von dieser Menschlichkeit habe ich auch erfahren und ich bin dankbar dafür. Hier kommen also meine subjektiven Eindrücke vom Geschehen des Amoklaufs in München. So habe ich den Abend und die Nacht erlebt:
Als verspätetes Geburtstagsgeschenk besuchten K1 und ich die Star Wars-Ausstellung am Nachmittag in der kleinen Olympiahalle. Mit guter Laune und Posterrollen untern Arm zogen wir gegen 18:15 Uhr Richtung Olympiapark zur U-Bahnhaltestelle Olympiazentrum. Wir nahmen uns vor, noch ein bisschen zu feiern, vielleicht in Kino zu gehen. Meine Frau war auswärts und K2 übernachtete bei Freunden – K1 und ich hatten also sturmfrei. Auf der Fußgängerbrücke über den Georg-Brauchle-Ring, einer der Hauptverkehrsadern der Landeshauptstadt, wollte ich ein Hyperlapse-Video vom Verkehrsfluss drehen. Hyperlapse-Vidoes sind Filme, die schneller ablaufen und dadurch einen interessanten visuellen Effekt durch Zeitraffer erzeugen.

Beim Drehen des Videos wunderten wir uns, warum auf einmal so viel Polizei und Krankenwägen unterwegs waren. Wir wechselten die Blickrichtung und sahen, dass der Verkehr zusammenbrach, die Münchner nur schwer eine Rettungsgasse bilden können. Polizei, Feuerwehr, Notarzt, Krankenwägen sowie zivile Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Sirene bahnten sich ihren Weg auf dem Mittleren Ring/Georg-Brauchle-Ring Richtung Olympiaeinkaufszentrum OEZ.

Twitter als Nachrichtenmedium
Via Twitter fragte ich meine Follower, ob und was denn passiert sei. Amoklauf im OEZ war die Antwort. Ich habe lange in der Gegend gearbeitet, kannte also die Weitläufigkeit der Shopping Mall. Das OEZ ist immer gut besucht. Wir blieben erst einmal auf der Brücke über den Ring, um abzuarten und die Lage zu klären. Die Meldungen in den sozialen Medien überschlugen sich. Von Toten und Verletzten war in sozialen Netzwerken die Rede. Videos wurden gepostet. Auch ich postete Videos, wusste aber genau, dass ich die Taktik der Polizei in meinen Videos nicht verraten darf. Für wie blöd halten mich eigentlich einige Twitterer in Oberlehrermanier?
Als gelernter Journalist versuchte ich die vorliegende Nachrichtenlage zu sondieren, um die Gefahr für mein Kind und mich einzuschätzen. Was sind seriöse Quellen, was ist Müll? Mit K1 sprach ich immer wieder über die Situation und wir entschieden uns, den Geburtstagsabend abzubrechen und heim aufs Land zu fahren. Mit unseren Star Wars-Plakaten untern Arm machten wir uns auf durch den Olympiapark in Richtung U-Bahn. Über dem OEZ kreiste ein Polizeihubschrauber.

ÖPNV eingestellt
An der U-Bahnstation Olympiazentrum angekommen, fuhr auch gleich eine U-Bahn ein. Wir hatten Hoffnung, von der Situation schnell wegzukommen. Doch der komplette öffentliche Personennahverkehr in München wurde aufgrund polizeilicher Anordnung eingestellt. U- und S-Bahnen sowie Straßenbahnen und Busse fuhren nicht. Taxifahrern war es untersagt, Passagiere aufzunehmen.

Nachdem es nun auch anfing zu regnen, entschlossen wir uns, den Schauer unter dem schützenden Vordach der U-Bahnstation direkt bei der BMW-Welt abzuwarten. Via Twitter bekam ich mit, dass der oder die Täter auf der Flucht waren. Zu diesem Zeitpunkt wurde von bis zu drei Tätern mit Langwaffen spekuliert. Ich schaute auf meine zusammengerollten Star Wars-Poster und hatte ein mulmiges Gefühl – hoffentlich verwechselt uns bei der Dunkelheit keiner. Die Polizei fuhr verstärkt im Gelände auf.


Um 19:31 Uhr bremsten bei unserer U-Bahnstation mehrere Polizeiwägen. Polizisten mit Westen mit der Aufschrift Polizei und mit gezogener Waffen sicherten die U-Bahnstation. Ihre Bewaffnung war Pistolen und Maschinenpistolen. Mit K1 ging ich ans Ende der Überdachung. Ich ermahnte mein Kind ruhig zu bleiben, erkläre ihm die Situation und falls es ernst würde, den Anweisungen der Polizei strikt Folge zu leisten. K1 hat gemerkt, dass es kein Spiel ist.


Gegen 19:41 Uhr verschärfte sich die Situation. Ein Polizeihubschrauber kreiste knapp über der BMW-Welt und kam immer tiefer über das Vordach der U-Bahnstation. Die Rotorblätter wirbelten den Dreck der Straße auf. Weitere Polizeiwägen fuhren vor. Es entstiegen schwere Einheiten, mit gepanzerten Westen, Schildern, schweren Helmen. Unruhe breitete sich unter uns aus. Die Einsatztruppen begannen den Bahnhof zu räumen und forderten uns auf, das Gelände zu verlassen. Gerüchte gingen herum, dass es am Stachus zu einem weiteren Schusswechsel gekommen sei. Ich entschied mich mit K1 den Ort des Geschehens zügig zu räumen. Es war uns mittlerweile egal, ob es regnete. Richtung Studenten- und Pressestadt des Olympischen Dorfes gingen wir besser nicht. Als ich in der Nähe des OEZ gearbeitet hatte, habe ich meine Mittagsspaziergänge immer dort gemacht, weil mich die Architektur der siebziger Jahre faszinierte. Und falls der oder die Täter auf der Flucht waren, dann könnten sie in diese Richtung unterwegs sein.

Unterkunft in einer griechischen Kneipe
Also gingen K1 und ich in die entgegengesetzte Richtung, an der BMW vorbei, querten den Georg-Brauchle-Ring, auf dem immer noch Einsatzwagen fuhren. Wir bewegten uns Richtung Lerchenauer Straße Richtung Innenstadt. Via Twitter erfuhr ich, dass inzwischen der Marienplatz evakuiert und der Hauptbahnhof geschlossen sei. Es sah ganz so aus, dass wir die Nacht in München verbringen müssten. Nachdem berichtet wurde, dass Restaurants in der Innenstadt geschlossen werden, suchten wir uns hier draußen eine kleine Kneipe. Wir entschieden uns für die Gastfreundschaft einer griechischen Kneipe namens Korfu.

In der griechischen Kneipe lief der Fernseher mit den aktuellen Ereignissen.

In der griechischen Kneipe lief der Fernseher mit den aktuellen Ereignissen.

Die Wirtsleute blickten streng auf meine Posterrolle, erkannten aber das Star Wars-Motiv und wir nahmen Platz. Zunächst setzten wir uns vor dem Fernseher und verfolgten die Berichterstattung am Flachbildschirm. Sehr gut dabei die Pressearbeit der Münchner Polizei mit ihrem Pressesprecher Marcus da Gloria Martins. Kluge, sachliche Antworten – so muss Pressearbeit sein. Also ich merkte, dass K1 bei den Wiederholungen der Videos unruhiger wurde, zogen wir uns in den hinteren Teil der Gaststätte zurück und verspeisten erst einmal Pommes. Via Facebook berichteten mir Freunde, dass auch meine Videos in den Tagesthemen und RTL gezeigt wurden – freilich ohne Quellenangaben. Am Nebentisch saß ein US-Bürger mit seinem 13jährigen Sohn. Er erkannte das Star Wars Logo und wir lieferten uns eine Diskussion über Star Wars. Welcher der Filme sei jetzt nun der beste? Der Amerikaner und ich wussten, dass unseren Kinder die Ablenkung gut tun würde. Die Spannung bei K1 fiel ab. Ich übersetzte dem Amerikaner, der aus New York kam, das Geschehen vom Fernseher. Seine Frau sei im Hotel und er wartet auf eine Möglichkeit zu ihr zu kommen. Taxis fuhren ja nicht und er hielt sich an den Rat der Polizei, erst einmal in geschlossenen Räumen zu bleiben.

Immer wieder meldete KAT Alarm.

Immer wieder meldete KAT Alarm.

Gegen 20 Uhr kam es zu wiederholten KAT-Warn-Meldungen auf der Apple Watch und dem Smartphone. Der Nachrichtendienst hat uns früher schon vor Unwetter gewarnt, jetzt kam es zu einer Sondermeldung über den Amoklauf. Der oder die Täter seien noch immer nicht gefasst.

#Opendoor und #offeneTuer
K1 und ich berieten unser weiteres Vorgehen. Die griechische Kneipe hatte bis 2 Uhr morgens geöffnet, aber bis dahin hat sich die Lage sicher nicht entspannt. Via Twitter fragte ich, ob zufällig jemand in München mit dem Auto unterwegs sei und uns Richtung Heimatdorf mitnehmen könnte. Der Tweet wurde zig Mal retweetet, aber leider meldete sich niemand. Allerdings mehrere Münchner Freunde boten uns an, bei ihnen zu übernachten, danke an Franziska, Sonya, Carmen, Sabine und Tobias – doch alle ihre Unterkünfte lagen in anderen Stadtteilen deutlich weg von unserer griechischen Kneipe. Einen Fußmarsch wollten wir mit unseren Star Wars-Postern nicht riskieren – vielleicht sieht eine Langwaffe auch so aus und der/die Täter waren ja noch auf der Flucht.

Meine Rettung

Meine Rettung

Via Twitter begann ich unter dem Hashtag #Opendoor und #OffeneTuer zu suchen. Ich finde es gewaltig, welche Solidarität in München entstand. Leute öffnen ihre Wohnungen für Fremde, die gestrandet sind. So kenne ich mein München und ich bin stolz auf diese Stadt – weltoffen und tolerant.
Ich war in Kontakt mit vielen Leuten, die wissen wollten, ob es uns gut geht. Danke für die Nachfrage. Mittlerweile hatte Facebook für München zudem seinen Safty-Check geöffnet – eine sehr gute Sache. Leute können sich melden und sagen, dass sie in Sicherheit sind.
Beim Surfen durch soziale Netzwerke stieß ich auch auf eine Twitterbekannte, die wunderbare @Emillota, die auch ihr Heim an Gestrandete öffnete. Ich meldete mich und Gott sei Dank war ihr Mann @Devteros mit dem Auto in unserer Gegend unterwegs. Wir dankten den freundlichen Griechen und stiegen ins Auto ein. Ich erklärte K1 die Situation und wir fuhren zum Heim von @Emillota und @Devteros. Das Paar hatte Freunde zu Gast und wir erzählten unsere Geschichten. Sie nahmen uns eine Nacht auf. Erleichtert und glücklich über so viel Menschlichkeit und Solidarität sprachen wir noch ein, zwei Stunden. Wir bekamen Bier (K1 Apfelschorle), WLAN und Strom für unsere iPhones. @Emillota und @Devteros arbeiten für den Verein Heimatstern. Dieser Verein arbeitet auf ehrenamtlicher Basis und unterstützt Menschen auf der Flucht und beim Ankommen – eine tolle Sache.

Nachts verfolgten wir die Nachrichtenlage.

Nachts verfolgten wir die Nachrichtenlage.

Alle verfolgten via Smartphone und Rechner die aktuellen Geschehnisse in München. Immer wieder klingelten die Handys und man versicherte sich die gegenseitige Anteilnahme und Hilfe. Toll, so etwas zu erleben. Gegen 0 Uhr zogen K1 und ich mich auf eine Matratze zurück. Ich schickte meiner Frau noch Gute-Nacht-Grüße. Sie hielt sich in Regensburg auf einem Konzert auf und wir standen den ganzen Abend über in Kontakt. Auch sie machte sich Sorgen.
Am nächsten Morgen bekamen wir ein tolles Frühstück. Der Espresso weckte meine Lebensgeister. Vielen, vielen Dank. Meine Nacht war schlecht, aber Hauptsache K1 konnte durchschlafen. Ich hatte einen unruhigen Schlaf, wachte immer wieder auf. Am Vormittag brachen wir wieder Richtung Heimatdorf auf. Der öffentliche Personennahverkehr in und um München war wieder angelaufen. In einer nächtlichen Pressekonferenz wurden erste Details der Bluttat bekannt: Neun Opfer wurden vom dem 18jährigen erschossen, bevor er sich selbst richtete. 27 Verletzte gab es, zehn von ihnen schwer. 300 Schuss Munition hatte der Mörder in seinem Rucksack. Weitere Fakten werden in den nächsten Tagen von der Polizei veröffentlicht.
Nochmals danke an die Sicherheitskräfte, die sofort gehandelt haben. Und ein ganz besonderer Dank an mein München, das geholfen hat.

Boulevardmedien am nächsten Tag.

Boulevardmedien am nächsten Tag.