Posts Tagged ‘Empathie’

Podcast: Künstliche Intelligenz im Friseurhandwerk: Ergänzung statt Ersatz

12. November 2025

Ich habe im Rahmen meines wöchentlichen Newsletters gefragt, ob ich stärker ins Podcasten einsteigen soll. Die Mehrheit der Abonnenten sagte Ja. Also taste ich mich weiter vor.

Im Rahmen eines Podcasts des Landesinnungsverbandes Friseure & Kosmetiker Bayern sprach ich mit dem stellvertretenden Landesinnungsmeister und Berufsbildungsexperte Christian Hertlein über die Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz (KI) für die Friseur-Branche. Dabei wurde deutlich: Digitale Technologien gewinnen auch im Friseurwesen zunehmend an Bedeutung – sie ersetzen jedoch nicht die zentralen Kompetenzen des Handwerks.

„Empathie, Kreativität und handwerkliches Geschick sind die drei Eigenschaften, die den Friseurberuf auch in Zukunft unverzichtbar machen“, betonte Hertlein. KI könne den Beruf nicht ersetzen, sondern biete vielmehr zusätzliche Werkzeuge, um Salons moderner, effizienter und kundenorientierter zu gestalten.
Schon heute ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten – von automatisierten Kundeninformationen über KI-generierte Bilder für Marketingmaterialien bis hin zu digitalen Tools, die Auszubildende bei der kreativen Gestaltung von Frisuren unterstützen. Hertlein sieht darin auch Chancen für die berufliche Bildung: „Wenn junge Menschen lernen, präzise mit KI zu arbeiten, stärkt das sowohl ihre Sprachkompetenz als auch ihre Kreativität.“

Damit diese Potenziale ausgeschöpft werden können, sei es notwendig, Berufsschulen und Betriebe gezielt zu schulen und Lehrpläne an die neuen Anforderungen anzupassen. Auch die Verbände stünden in der Verantwortung, die Digitalisierung aktiv zu begleiten und praxisnahe Schulungsangebote bereitzustellen.

Das Gespräch macht deutlich: Die Digitalisierung ist auch im Friseurhandwerk längst Realität. Für die Betriebe bedeutet das, rechtzeitig den Anschluss zu finden, um Wettbewerbsfähigkeit, Kundenbindung und Ausbildungsqualität langfristig zu sichern.

Filmkritik: Guillermo del Toros Frankenstein

10. November 2025

Ja, ich habe auf diesen Film hingefiebert, weil ich die Thematik absolut faszinierend finde. Endlich Frankenstein von Guillermo del Toro, den ich gerne im Kino gesehen hätte, aber dann eben auf Netflix zu sehen bekam.

Guillermo del Toros Frankenstein (Netflix, 2025) ist eine leidenschaftliche Neuinterpretation von Mary Shelleys klassischem Roman – überraschend werkstreu und doch unverkennbar geprägt von del Toros Handschrift. Die Rahmenhandlung beginnt – wie in der Vorlage – im hohen Norden im Jahr 1857: Ein dänischer Polarkapitän (Lars Mikkelsen) stößt in der arktischen Eiswüste auf den geschwächten Wissenschaftler Viktor Frankenstein (Oscar Isaac) und eine gewaltige Kreatur (Jacob Elordi), die ihren Schöpfer unerbittlich jagt. Nachdem die Mannschaft das Wesen vorübergehend überwältigen kann, warnt Viktor eindringlich, das „Monster“ werde zurückkehren und nicht ruhen, bis es ihn vernichtet hat. Der erste Teil hatte mich schon gefesselt.

In Rückblenden entfaltet der Film Viktors Vorgeschichte und Obsession: Angetrieben vom traumatischen Verlust seiner Mutter Claire (die im Kindbett starb) verfällt Viktor dem Größenwahn, den Tod zu besiegen. Gegen die moralischen Bedenken seiner Zeitgenossen experimentiert er besessen mit der Erschaffung von Leben aus toter Materie. Ein wohlhabender Gönner, Henrich Harlander (großartig wieder Christoph Waltz), fördert Viktors unmenschliche Experimente aus eigenen Motiven und verschafft ihm die nötigen Ressourcen, um in einem gewaltigen, gotischen Turmlabor sein unheiliges Werk zu vollenden. In einer unvergesslichen Szene durchsucht Viktor ein schlachtfeldgleiches Leichenhaus nach „geeigneten“ Körperteilen und setzt in grotesker Präzision einen neuen Menschen aus Leichenteilen zusammen – begleitet von Alexandre Desplats bizarr märchenhaftem Score, der in ironischem Kontrast zu den schauderhaften Bildern steht. Leider gibt es den Score bisher noch nicht auf Vinyl.

Schließlich haucht Viktor einem namenlosen Geschöpf Leben ein. Doch was als Triumph über den Tod gedacht war, entpuppt sich rasch als tragische Schöpfung: Die Kreatur – ein empfindsames, aber von Beginn an gequältes Wesen – sucht verzweifelt nach Identität, Liebe und Zugehörigkeit in einer Welt, die es als abstoßendes Monstrum behandelt. Del Toros Film richtet den Fokus dabei stets auf die großen Fragen, die schon Mary Shelleys Roman durchzogen: Was bedeutet es, Mensch zu sein? Was heißt es, Schöpfer oder Geschöpf – Vater oder Sohn – zu sein, Liebe zu suchen und verstanden zu werden? Entsprechend durchzieht Frankenstein ein existenzielles Grundthema: die Ambivalenz von Leben und Tod, Schöpfung und Verantwortung. Wie die Romanvorlage verhandelt der Film den Zwiespalt zwischen wissenschaftlicher Hybris und moralischer Verantwortung, zwischen der Sehnsucht, Grenzen zu überwinden, und den Konsequenzen, ein „neues Leben in die Welt zu bringen“ . Del Toro bleibt dabei der literarischen Vorlage bemerkenswert treu und beleuchtet dennoch neue Facetten: Frankenstein wird zu einer „düsteren Meditation darüber, was Menschsein bedeutet“, der der Film jedoch einen unerwartet hoffnungsvollen Unterton abgewinnt. So zeigt das Drama eindringlich, dass das Leben zwar Leid und Schmerz mit sich bringt, aber zugleich Schönheit in Akzeptanz und Vergebung liegen kann. Diese Haltung – typisch für del Toros von Empathie für Monster geprägtes Erzählen – macht seine Frankenstein-Adaption zu einem zutiefst humanistischen Werk, das über bloßen Horror hinausgeht.

Der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Schöpfer und Geschöpf
Im Zentrum von del Toros Interpretation steht explizit der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Viktor und seiner Kreatur – sowohl auf der Handlungsebene als auch im übertragenen, metaphorischen Sinn. Del Toro selbst betont, dass er die Geschichte primär „als Erzählung von Vätern und Söhnen“ gelesen hat. Viktor Frankenstein ist hier mehr noch als in früheren Versionen ein “Vater”, der ein künstliches Kind in die Welt setzt – jedoch ohne Liebe, Verantwortung oder Mitgefühl. Die Kreatur wiederum erlebt sich als verlassenes Kind, das von seinem „Vater“ verstoßen und misshandelt wird. Diese dynamische spiegelt einen klassischen Generationenkonflikt wider: Viktor verlangt von seiner Schöpfung blinden Gehorsam wie ein tyrannischer Vatergott, der keine Widerrede duldet. Tatsächlich behandelt er sein erschaffenes Wesen anfangs bloß als seelenloses „Es“, das er in Ketten legt und isoliert, aus Angst vor dem Urteil der Außenwelt und um seine eigene Hybris zu schützen. Doch je mehr die Kreatur Bewusstsein, Sprache und sogar Bildung erlangt, desto stärker wächst in ihr das Empfinden, ein eigenständiges Wesen – sein Sohn – zu sein, das ein Recht auf Leben und Achtung hat. Die Konflikte eskalieren, als der „Vater“ Viktor letztlich sogar versucht, sein Geschöpf zu töten – die extremste Form der Zurückweisung. An diesem kritischen Wendepunkt dreht del Toro die Perspektive des Films: Nun darf der “Sohn” – die Kreatur – seine Seite der Geschichte erzählen. Dieser erzählerische Kniff, der an Mary Shelleys wechselnde Erzählerstimmen anknüpft, verleiht dem zweiten Filmteil eine zutiefst tragische, aber auch humanisierende Note.

Die Kreatur begehrt gegen ihren Schöpfer auf wie ein enttäuschter Sohn, der gegen einen allmächtigen, grausamen Vater rebelliert . Der vormals gefügige “Adam” lehnt sich gegen seinen “Gott” auf – ein zentraler Konflikt, der in del Toros Version ins Herz der Erzählung rückt. Diese Vater-Sohn-Thematik wird im Film auch jenseits der direkten Beziehung Viktor–Monster vielschichtig reflektiert. So findet die Kreatur in der Welt der Menschen kurzzeitig Ersatzväter: Etwa nimmt sie Zuflucht bei einem blinden alten Mann (David Bradley), der sie ohne Vorurteile aufnimmt und wie ein gütiger Vater in die Menschlichkeit einführt. In der Abgeschiedenheit von dessen Heim erlebt das Geschöpf erstmals Fürsorge, lernt sprechen, liest über Adam und Eva und schöpft Hoffnung auf Akzeptanz. Diese Episode – eine Reminiszenz an die berühmte Blindenhütte-Szene aus Bride of Frankenstein (1935) – zeigt, wie bedürftig nach Liebe und Anleitung das geschundene “Kind” ist, das Viktor nie anerkennen wollte. Doch auch diese Idylle zerbricht: Als die Kreatur die ganze grausame Wahrheit ihrer Entstehung erfährt, schlägt kindliche Verzweiflung in rasende Wut um. Voll Zorn verflucht das Geschöpf den „Vater“, der ihm ohne zu fragen Leben gegeben und damit ein ewiges Dasein voller Einsamkeit auferlegt hat. Indem Viktor ihn erschuf, hat er ihm unwissentlich Sterblichkeit und Frieden verwehrt – ein Leben ohne die Gnade des Todes, das die Kreatur als unerträgliche Qual empfindet. In diesem Sinne thematisiert der Film den Vater-Sohn-Konflikt auch philosophisch: Der “Vater” Viktor schenkt Leben, aber kein sinnerfülltes Dasein; der “Sohn” leidet an dieser ungewollten Existenz und macht dem Vater bittere Vorwürfe dafür.

Bemerkenswert ist, wohin del Toro diesen Konflikt letztlich führt. Anstatt – wie viele frühere Versionen – in auswegloser Tragödie zu enden, sucht der Film nach Erlösung durch Verständnis und Vergebung. Im finalen Aufeinandertreffen in der Arktis, wenn Schöpfer und Geschöpf einander ihre Erlebnisse und Gefühle schildern, durchbricht del Toro den Teufelskreis aus Vorwürfen und Vergeltung. Die Kreatur bringt das außergewöhnliche Mitgefühl auf, Viktor auf dem Sterbebett tatsächlich zu verzeihen. Dies ist der emotionale Höhepunkt des Films: Der „Sohn“ vergibt dem fehlbaren „Vater“ – ein Moment, der in Shelleys Roman so nicht vorkommt und der den Kern von del Toros eigener Aussage ausmacht. Der Regisseur hat betont, er wollte die „Kette des Schmerzes“, die von Vätern an Söhne weitergegeben wird, sichtbar machen und am Ende durch Vergebung durchbrechen. In Interviews beschreibt del Toro diese Deutung als zutiefst persönlich: Hätte er den Film in jüngeren Jahren gemacht, so sagt er, wäre es wohl nur das Klagelied eines Sohnes über seinen Vater gewesen – doch nun, selbst im Alter eines Vaters, erzähle er von der Sehnsucht nach Vergebung eines Vaters, „der ursprünglich selbst ein Sohn war und merkt, dass er seiner Rolle nicht gerecht wird“. Diese introspektive Sicht fließt direkt in den Film ein: Viktors Hybris und Scheitern wirken auch wie ein tragisches Erbe – ein unbewältigter Schmerz, den er an sein „Kind“ weitergibt. Erst indem das Geschöpf diesen Kreislauf mit einem Akt der Vergebung beendet, wird ein Ausweg aus der generationsübergreifenden Schuld sichtbar.

Im übertragenen Sinne steht der Vater-Sohn-Konflikt hier also für generelle Muster von Versagen und Vergebung zwischen Generationen. Frankenstein erzählt davon, wie schwer es ist, als Vater die eigenen „Schatten“ nicht an die Kinder weiterzugeben, und wie befreiend es sein kann, diesen Teufelskreis von Vorwürfen und Wut zu durchbrechen. So findet del Toro in der finsteren Mythosvorlage eine zutiefst menschliche Botschaft: dass am Ende Verständnis und Vergebung möglich sind, selbst zwischen Schöpfer und Geschöpf, Vater und Sohn. Dieser versöhnliche Unterton – „einer meiner hoffnungsvollsten Schlusspunkte überhaupt“, wie del Toro ihn nennt – hebt den Film deutlich von früheren, oft nihilistischeren Frankenstein-Adaptionen ab.

Filmhistorische Bezüge
Del Toros Frankenstein ist nicht nur ein Einzelwerk, sondern steht bewusst im Dialog mit der reichen filmhistorischen Tradition der Frankenstein-Thematik und des klassischen Horrorfilms. Der Regisseur, selbst bekennender Monsterliebhaber, hat Mary Shelleys Schöpfung als „sein persönliches heiliges Buch“ bezeichnet – schon als Kind war er besessen von Boris Karloffs ikonischer Verkörperung des Monsters aus den Universal-Studios der 1930er. Es verwundert daher nicht, dass sein Film zahlreiche Anspielungen und Hommagen an frühere Adaptionen enthält, zugleich aber traditionelle Motive weiterentwickelt.

Besonders deutlich erkennbar sind die Einflüsse der Universal-Horror-Klassiker unter Regisseur James Whale. Del Toro orientiert sich in Stimmung und Figurenzeichnung an Whales Frankenstein (1931) und Bride of Frankenstein (1935), die erstmals das Monster als fühlendes Wesen mit tragischer Seele darstellten. Glenn Kenny hebt hervor, dass del Toro Whales Ansatz der Humanisierung des Geschöpfs noch erweitert und vertieft hat. Visuelle Zitate an Whales Filme finden sich zuhauf: Vom gewaltigen Turm-Laboratorium mit prasselnden Elektrizitätsapparaturen bis hin zur berühmten Blindenhütte-Sequenz (im Original freundet sich das Monster mit einem blinden Einsiedler an) beschwört del Toro die Atmosphäre der 30er-Jahre-Universalfilme . Kenner „werden visuelle Anleihen bei Whale erkennen“, so Kenny . Doch wichtig ist: Frankenstein (2025) verlässt sich nicht auf bloße Nostalgie oder augenzwinkernde Zitate. Del Toro „lehnt sich nicht zu sehr in seine Bewunderung der Filmtradition“, sondern erzählt die Geschichte ernsthaft und leidenschaftlich, ohne ironisches Augenzwinkern. So ehrt er Whale, indem er dessen Geist – den empfindsamen, poetischen Horror – weiterführt, statt nur oberflächliche Referenzen einzustreuen. Ein Beispiel ist das sprechende Monster: Anders als Karloffs stummes, grunzendes Geschöpf darf Elordis Kreatur in del Toros Fassung ausdrucksstark sprechen und lesen. Damit kehrt der Film zu Shelleys Romanfigur zurück – einem eloquenten, philosophierenden Wesen – und korrigiert das gängige Popkultur-Bild des stummen Monsters. Dies zeigt del Toros Anspruch, die klassischen Vorbilder liebevoll zu zitieren, aber zugleich zu übertreffen, indem er Aspekte beleuchtet, die früher vernachlässigt wurden.

Neben Whale spürt man auch den Einfluss der farbintensiven Hammer-Horror-Adaptationen der 1950er und 60er Jahre. Filme wie The Curse of Frankenstein (1957) mit Peter Cushing brachten erstmals blutige Details und schillernde Gothic-Bilder in die Frankenstein-Filmwelt – Elemente, die del Toro ebenfalls aufgreift. Sein Frankenstein verbindet die düstere Gotik der Universal-Ära mit der „reißerischen Farbpalette und Melodramatik“ der Hammer-Filme. So scheut del Toro nicht vor expliziterem Grauen zurück: Der Anblick der „zusammengeflickten Leichenteile“ und die ganze Schöpfungssequenz sind in ihrer makabren Detailfülle deutlich näher am Hammer-typischen Schauer als an Whales eher zurückhaltender Darstellung. Auch in der Charakterzeichnung Viktors als zunehmend skrupelloser Wissenschaftler, der über Leichen geht, schwingt etwas von Cushings schonungsloser Frankenstein-Interpretation mit. Dennoch meidet del Toro plakative Effekthascherei: Gewalt und Schrecken dienen stets der Tragik der Geschichte und der Figurenzeichnung, nie Selbstzweck. Gerade dadurch entwickelt er die klassischen Vorbilder weiter – er fügt dem bekannten Frankenstein-Mythos neue seelische Tiefe hinzu, anstatt bloß Altbekanntes zu reproduzieren.

Darüber hinaus zollt die Inszenierung auch dem deutschen Expressionismus und weiteren frühen Horrorklassikern Tribut. Visuell beschwört del Toro immer wieder expressionistische Stimmungen herauf: verzerrte Licht- und Schatteneffekte, die die innere Zerrissenheit der Figuren spiegeln. Insbesondere Viktors Labor wird mit dramatischen Schattenspielen und scharfem Hell-Dunkel kontrastiert in Szene gesetzt – ein bewusster Verweis auf Meilensteine wie Das Cabinet des Dr. Caligari (1920), wo extremer Schattenwurf Wahnsinn und Alptraum symbolisierte . Wenn die riesenhafte Silhouette der Kreatur in einem flackernden Kellergewölbe auftaucht, fühlen wir uns an die unheimlichen, verzerrten Bilder der Stummfilm-Ära erinnert. Ebenso arbeitet del Toro mit klassischen Gothic-Versatzstücken: Verwunschene Friedhöfe bei Sturm, kerzenbeleuchtete Schlossgemächer und hochaufragende, turmbewehrte Gebäude entstammen direkt der Schauerromantik, die schon Shelleys Roman prägte. Indem der Film „Turm-Burgen, Kerzenschein und sturmgepeitschte Friedhöfe“ zeigt, beschwört er das gotische Erbe auf der Leinwand herauf, das seit 200 Jahren immer neue Filmemacher inspiriert. Hier knüpft del Toro auch bewusst an die Ikonografie von Whales 1931-Verfilmung an, die Shelleys neblige Berglandschaften in „gewaltige Labor-Sets“ verwandelte.

Zahlreiche weitere filmische Anklänge lassen sich ausmachen: So erinnert die teilweise verhüllte, narbige Physiognomie der Kreatur an den maskierten Phantom der Oper (1925) – ein Gesicht, das Schrecken und Tragik zugleich in sich trägt. Auch moderne filmische Einflüsse blitzen auf: Del Toros Erzählstruktur mit Rückblenden und wechselnden Perspektiven evoziert eine Art psychologischen Horror, der an neuere Thriller erinnert (beispielsweise wurde Martin Scorseses Shutter Island als Vergleich angeführt). Doch im Kern ist Frankenstein (2025) vor allem eine Liebeserklärung an die Monsterfilme vergangener Zeiten. Del Toro verwebt „jahrzehntelange visuelle Traditionen des Horrorkinos: expressionistische Schatten, gothic-Grandeur, das Wissenschaftsblasphemie-Motiv der 1930er und die tragischen maskierten Monster“ zu etwas Eigenem. Damit positioniert sich der Film filmhistorisch sowohl als Hommage wie auch als innovativer Beitrag: Ein Werk, das die Vergangenheit reflektiert und mit neuen Ideen belebt. In seinem Frankenstein stecken überdeutlich die Inspirationen der filmischen Vorväter – doch del Toro „mischt beide Ansätze und fügt seine eigene Betonung auf tragische Schönheit hinzu“. Dadurch gelingt ihm ein bemerkenswertes Kunststück: Seine Version wirkt vertraut und doch neuartig, zutiefst respektvoll gegenüber den Vorbildern und trotzdem unverkennbar von persönlicher Vision getragen.

Visuelles und stilistisches Konzept
Visuell reiht sich Frankenstein nahtlos in Guillermo del Toros Œuvre ein, das für opulente Bildgestaltung, liebevolles Produktionsdesign und eine märchenhaft-düstere Atmosphäre bekannt ist. Gleichzeitig setzt der Film einige eigene Akzente und variiert bekannte Stilmittel, gerade im Vergleich zu Werken wie Crimson Peak (2015), Pans Labyrinth (2006) oder The Shape of Water (2017).

Kameraarbeit und Inszenierung
Del Toros Stamm-Kameramann Dan Laustsen, der bereits Crimson Peak, The Shape of Water und Nightmare Alley fotografierte, sorgt auch in Frankenstein für atemberaubende Bildkompositionen. Die Kamera ist ständig in Bewegung – sie gleitet und schwebt förmlich durch die prächtigen Settings, was dem Zuschauer ein Gefühl verleiht, durch del Toros weitläufige Welt zu treiben. Dieses dynamische „Mitschwimmen“ erinnert an die fluiden Kamerabewegungen in The Shape of Water, wo oft ein schwereloser, wasserähnlicher Effekt erzeugt wurde. In Frankenstein nutzt Laustsen die Bewegung, um die Schauplätze – vom eisigen Schiffdeck über das prächtige Anwesen der Frankensteins bis zum unheimlichen Labor – in voller Pracht zu enthüllen . Jeder Kameraschwenk offenbart dabei Details und Tiefe der Szenerie, ähnlich wie Crimson Peak mit schwelgerischen Fahrten durch das viktorianische Spukhaus Allerdale Hall die opulente Ausstattung zelebrierte. Ergänzt wird dies durch einen bewussten Einsatz von Licht und Schatten: Chiaroscuro-Effekte verleihen vielen Szenen einen malerischen, kontrastreichen Look. Etwa tauchen Schlüsselmomente – wie die Kreatur, die Viktors Braut Elizabeth in ihrem blutbefleckten Hochzeitskleid hält – in ein Spiel aus hellen und dunklen Flächen, das sofort ins Auge sticht. Ein anderes Beispiel ist das Bild von Viktors toten Mutter Claire, deren bleicher Leichnam in einem offenen Sarg voller roter Rosen aufgebahrt ist, während leise Schneeflocken herabfallen. Dieses makabre, aber ästhetisch durchkomponierte Tableau kontrastiert Viktors idealisierte Vorstellung von Reinheit mit der morbiden Realität – ein typisches Gothic-Motiv, das an viktorianische Gemälde oder an del Toros eigene Inszenierung in Crimson Peak (wo Blut und Schnee in ähnlicher Weise kontrastiert wurden) erinnert. Insgesamt demonstrieren solche „malerischen Motive“ del Toros und Laustsens Gespür für die Traditionen der Gothic-Ästhetik, wie sie auch früheren Filmen des Regisseurs zugrunde liegt.

Ausstattung, Setdesign und Farbdramaturgie
Frankenstein besticht durch ein ausgefeiltes Produktionsdesign, das historische Authentizität mit del Toros Sinn für das Fantastische verbindet. Jedes Set ist bis ins Detail ausgestattet – von den verwitterten Steinmauern in Viktors geheimem Turmlabor bis zu den reichen Textilien der Salons und Ballkleider im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig sind die Bühnenbilder so gestaltet, dass sie ikonische, fast archetypische Bilder erzeugen. Del Toro erwähnte in einem Interview, dass er das Labor „fast wie eine Bühne“ entworfen hat, mit klaren, eindringlichen Formen (beispielsweise einem riesigen Kreuz, an dem ein Kadaver wie an einem Altar hochgezogen wird) – im Gegensatz zu Crimson Peak, wo er jedes Eckchen mit detailverliebter Ausstattung gefüllt hatte (dort „Detail auf Detail auf Detail“). In Frankenstein dominieren stattdessen große, symbolträchtige Strukturen: Viktors finsterer Turm etwa wirkt wie eine gotische Kathedrale des Wahnsinns, ein zerfallendes Monument voll dunkler Geheimnisse. Diese Architektur und die umgebende wilde Landschaft rufen unweigerlich Erinnerungen an das Anwesen aus Crimson Peak oder an die unterirdischen Gemäuer in Pans Labyrinth wach. In all diesen Filmen erschafft del Toro räumliche Spiegelbilder der Figurenseelen: Hier wie dort wird an den Gemäuern der Verfall und die Verderbnis sichtbar, die den Protagonisten innerlich droht. Doch während Crimson Peak als Kammerspiel fast vollständig in einem einzigen, labyrinthartigen Spukhaus spielte, weitet Frankenstein den Horizont: Der Film wechselt zwischen opulenten viktorianischen Interieurs, schneebedeckten Naturkulissen und dem klaustrophobischen Laboratorium. Dadurch entsteht ein episches Gefühl von Weite, das man so in del Toros früheren Gothic-Werken selten hatte.

Ein herausragendes Merkmal ist die Farbdramaturgie. Del Toro entschied bewusst, Frankenstein nicht in verwaschenen Sepiatönen eines typischen Kostümdramas zu halten. Stattdessen strotzt der Film vor kräftigen, symbolischen Farben. Die Palette wird von eigenwilligen Kombinationen dominiert: „türkisgrüne und glühende Orangetöne“ bestimmen viele Szenen und verleihen der Geschichte eine fast andereweltliche Stimmung. Diese ungewöhnliche Farbwahl unterscheidet Frankenstein von den eher gedämpften Erdtönen in Pans Labyrinth oder den schwarz-rot-goldenen Tönen in Crimson Peak. Tatsächlich erinnern die Türkis- und Orangenuancen ein wenig an The Shape of Water, wo del Toro ebenfalls mit Grün-/Blau-Tönen (für das Alltägliche und Fremde) und warmem Gelb/Orange (für das Menschliche und die Liebe) arbeitete. In Frankenstein scheinen die leuchtenden Orange-Töne häufig mit Feuer, Kerzenlicht und Sonnenaufgängen assoziiert – ein Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit – während kaltes Grünblau die unnatürliche Existenz der Kreatur und die nächtliche Welt des Labors untermalt. Zusätzlich setzt del Toro seine bekannten Signalfarben ein: „Überall finden sich seine geliebten Rottöne und pechschwarzen Schatten“. So erstrahlen z.B. Viktors Visionen von engelsgleichen Wesen in einem unheilvollen Karmesinrot, und Blut kontrastiert immer wieder auffällig mit Schnee oder blassem Licht . Wie schon in Crimson Peak (wo rote Tonerde und Gespenster die Szenerie durchzogen) nutzt del Toro Rot und Schwarz hier für eine traumwandlerische Gothic-Atmosphäre – „ein visueller Alptraum, in dem man dahinschwelgen kann“. Bemerkenswert sind auch die Kostüme: Anstatt historisch steif und gedeckt zu sein, sind Viktors Kleidung und die Garderobe der anderen Figuren „prächtig, voller Farbe und sogar mit modernem Flair“ gestaltet. Del Toro wollte ausdrücklich keine blass-pastellige Kostümfilm-Ästhetik, sondern „pompöse Mode mit viel Swagger“ – ein Ansatz, der bereits in Crimson Peak (opulente viktorianische Kleider) oder The Shape of Water (knallgrüne Bonbon-Pie und knallrote Accessoires) zu sehen war. Hier in Frankenstein betont die farbenfrohe Pracht vor allem Viktors exzentrisches Genie und die Lebenskraft, die er verzweifelt zu meistern sucht.

Kreaturendesign und Effekte
Wie in all seinen Filmen legt del Toro großen Wert auf das Creature Design – und hier konnte er endlich sein Traummonster erschaffen. Die Kreatur in Frankenstein ist ein Meisterwerk praktischer Effekte und Maskenbildnerei. Mit Hilfe aufwendiger Prosthetics wird Jacob Elordi in ein großgewachsenes, narbenübersätes Wesen verwandelt, das gleichermaßen Furcht einflößt wie Mitleid erregt. Das Design ist näher an Mary Shelleys Beschreibung als die klassischen flachköpfigen Karloff-Darstellungen: Del Toros Monster wirkt wie ein zusammengeflicktes Puzzle menschlicher Körper – „sein Torso sieht aus wie zusammenstoßende tektonische Platten“, schrieb ein Kritiker bewundernd. Diese krude körperliche Konstruktion spiegelt sich sogar subtil im Kostümbild: Ein grünes Kleid von Mia Goths Figur Elizabeth etwa weist ein Muster aus aneinandergedrückten Inseln auf, was optisch an die Narbenplatten der Kreatur erinnert. Ich sah sogar Ridleys Scotts Prometheus im Film wieder.

Solche visuelle Spiegelungen zeigen die Sorgfalt, mit der del Toros Team (u.a. Szenenbildnerin Tamara Deverell und Kostümbildnerin Kate Hawley) gearbeitet hat. Ganz wie bei del Toros früheren ikonischen Kreaturen – ob der leichenbleiche Pale Man und der Faun in Pans Labyrinth oder der Amphibienmensch in The Shape of Water – setzt auch Frankenstein auf greifbare, handgemachte Effekte. Die physische Präsenz der Kreatur ist in jeder Szene spürbar und konsistent beeindruckend, was die emotionale Verbindung zum Publikum verstärkt. Del Toro inszeniert das Monster mit einer Mischung aus Schauder und Empathie: In manchen Momenten ist es ein furchterregender Verfolger im Stil klassischer Horror-Ungeheuer, doch schon im nächsten zeigt eine zarte Geste – etwa wenn das Wesen behutsam eine kleine Maus in den Händen hält – die angeborene Sanftheit und Verletzlichkeit im Inneren. Diese Ambivalenz im Monstercharakter kennt man auch aus The Shape of Water, wo das fischähnliche Geschöpf zugleich unheimlich und liebenswert war. Tatsächlich bemerken Beobachter, dass del Toros Frankenstein-Kreatur „dem Amphibienmann aus Shape of Water näher ist als den früheren schlurfenden Monsterdarstellungen“ – beide sind furchterregend und doch wunderbar menschlich in Geist und Auge.

Vergleich mit früheren Werken
Betrachtet man Frankenstein im Kontext von del Toros Filmografie, erkennt man einerseits viele wiederkehrende Handschriften, andererseits aber auch Weiterentwicklungen. Themensetzungen wie das Aufbegehren gegen Autorität und der unschuldige Blick auf Monstrosität sind schon in Pans Labyrinth zentral – dort rebelliert die junge Ofelia gegen ihren sadistischen Stiefvater (eine Art monströser Vaterfigur), hier stellt sich die Kreatur gegen ihren Schöpfer. In beiden Fällen plädiert del Toro für Ungehorsam gegenüber tyrannischer Autorität, ein Motiv, das er selber als wiederkehrend in seinen Filmen erkannt hat. Visuell-teatralische Elemente wie die kreisförmige Bildsprache tauchen ebenfalls erneut auf: Wie schon in Crimson Peak oder Nightmare Alley (wo runde Fenster und Spiralen Schicksalskreise andeuteten) arbeitet del Toro auch hier mit Kreis-Motiven. Tatsächlich beginnt Frankenstein mit einem Sonnenaufgang und endet mit einem Sonnenaufgang – ein bewusster Kreis, der geschlossen wird . Diese Symbolik unterstreicht den Zyklus von Schöpfung und Vergebung, der durchlaufen wurde, und findet Entsprechungen in den von del Toro geliebten Wiederholungsmotiven früherer Filme (z.B. die zyklische Erzählstruktur in The Shape of Water, wo Anfang und Ende im Wasser sich spiegeln).

Gleichzeitig wagt del Toro in Frankenstein stilistisch Neues. Insbesondere der Tonfall des Finales – bittersüß, aber hoffnungsvoll – sticht hervor. Wo Pans Labyrinth in tragischer Erlösung endete und Crimson Peak die Heldin traumatisiert, aber lebend zurückließ, wo sogar The Shape of Water die finale Vereinigung der Liebenden ins Fantastisch-Ungesicherte verlagerte, da gönnt Frankenstein seinem Monster eine ungewohnt optimistische Perspektive. Nach all dem Leid glaubt die Kreatur am Ende, „dass das Leben – wie die Sonne – erneut aufgehen wird und vielleicht ein Platz für sie in dieser neuen Welt existiert“. Dieser Hoffnungsschimmer fügt sich durchaus in del Toros romantische Ader (schon Shape of Water feierte die Liebe zwischen Außenseitern), doch hier wirkt er noch bewusster als Aussage über Vergebung und menschliche Imperfektion. Del Toro lässt seine Figuren am Ende Frieden schließen mit der Unvollkommenheit des Daseins: „Das Leben ist unperfekt, und der Film schließt damit Frieden – Menschsein heißt, den Anderen sehen zu können“, so umschrieb er seine Intention. Damit setzt Frankenstein einen lichten Schlusspunkt in del Toros Œuvre der „schönen Monster“ – ein Schlussakkord, der sich trotz aller Tragik fast versöhnlicher anfühlt als die Melancholie früherer Werke.

Buchkritik: „Führungsaufgabe Nr. 1: Kommunikation“ von Dr. Nikolai A. Behr

20. Oktober 2025

Gleich vorweg: Ich bin mit dem Autoren seit langem bekannt und schätze seine Veranstaltungen und sein Fachwissen rund um das Thema Führung. Nun hat Nikolai A. Behr mir sein neues Buch empfohlen, dass ich im Hinblick als jahrelange Führungskraft als Textchef und Chefredakteur bei verschiedenen Verlagen gelesen habe. Und ich wurde bei der Lektüre wieder bestätigt, dass Behr einfach den Bogen raus hat.

Das 2025 im brain script Verlag erschienene Buch „Führungsaufgabe Nr. 1: Kommunikation“ von Dr. Nikolai A. Behr ist ein praxisorientiertes und zugleich tiefgründiges Werk über eine der zentralen, oft unterschätzten Anforderungen moderner Führung: die Fähigkeit, wirkungsvoll zu kommunizieren. Behr, selbst erfahrener Medientrainer und Kommunikationsberater für Topmanager, verbindet in seinem 149 Seiten starken Buch theoretische Fundierung mit unmittelbarer Anwendbarkeit – ein Leitfaden, der die Kunst des Führens nicht über Kennzahlen, sondern über Haltung, Sprache und Resonanz neu denkt. Immer wieder holte ich mir in der Vergangenheit Inspiration für meine Arbeit aus seinen Shorts in sozialen Netzen. Jetzt kann ich (endlich) dazu auch sein Buch nutzen.

Im Aufbau zeigt sich die klare Struktur des Werks: Sechs Hauptkapitel führen die Leserinnen und Leser von der Einordnung klassischer Managementaufgaben über die zentrale Rolle der Kommunikation bis hin zu konkreten Werkzeugen und Modellen. Besonders hervorzuheben ist der sogenannte G.A.M.E.-Code, ein von Behr eigens entwickeltes Konzept zur systematischen Verbesserung der Kommunikationsqualität. Er steht exemplarisch für den Ansatz des Buches, Kommunikationsprozesse greifbar und trainierbar zu machen. In weiteren Kapiteln behandelt Behr Themenfelder wie empathische Gesprächsführung, aktives Zuhören, rhetorische Klarheit, digitale Medienkompetenz sowie den Umgang mit interkulturellen Differenzen im Führungsalltag.

Bemerkenswert ist die Sprache, die Behr wählt: präzise, unpathetisch, aber von spürbarer Leidenschaft für sein Thema getragen. Er vermeidet die Floskelhaftigkeit vieler Leadership-Ratgeber und arbeitet stattdessen mit Fallbeispielen aus realen Unternehmen, wissenschaftlich fundierten Argumenten und nachvollziehbaren Kommunikationsstrategien. In Zitaten wie „Wer Kommunikation nur als Soft Skill betrachtet, unterschätzt ihren Hebel für echte Transformation“ wird seine Kernbotschaft deutlich – Führung ist kein Status, sondern Beziehungsarbeit, und Sprache das wichtigste Werkzeug dieser Beziehung.

Das Buch richtet sich ausdrücklich an Führungskräfte aller Ebenen – vom Teamleiter bis zur Geschäftsführung – und eignet sich auch für Coaches und Trainer, die Kommunikationsarbeit vertiefen möchten. Bei der Lektüre habe ich festgestellt, was ich in meiner Führungspraxis so manches Mal falsch gemacht habe, indem ich Mitarbeitern meine Ideen nicht immer vermitteln konnte. Hätte ich dieses Buch bloß früher gelesen.

Seine Stärke liegt dabei in der Balance zwischen Reflexion und praktischer Nutzbarkeit: Behr bietet nicht nur Anregungen, sondern konkrete Übungen und Denkroutinen, die sich in den Führungsalltag integrieren lassen. Gerade in einer Zeit hybrider Arbeitsmodelle und digitaler Distanz wirkt seine Forderung nach Empathie und Präsenz im Dialog dringlicher denn je. Ich hatte zu meiner Zeit noch alle Mitarbeiter im Büro am Ort sitzen, daher empfand ich die Ausführungen zur digitalen Führung besonders spannend.

„Führungsaufgabe Nr. 1: Kommunikation“ ist mehr als ein weiterer Managementratgeber – es ist für mich ein Plädoyer für sprachbewusste, menschlich orientierte Führung. Nikolai Behr gelingt es, Kommunikation als strategisches Führungsinstrument zu begreifen und zugleich deren ethische Dimension offenzulegen: dass gute Führung immer mit ehrlichem Zuhören und respektvollem Sprechen beginnt. Für alle, die in modernen Organisationen gestalten, motivieren und überzeugen wollen, sollte dieses Buch eine inspirierende Pflichtlektüre sein.

Die Hauptthesen
Die Hauptthesen von Nikolai A. Behrs Buch „Führungsaufgabe Nr. 1: Kommunikation“ (brain script Verlag, 2025) lassen sich in fünf Kernaussagen zusammenfassen. Sie beschreiben Kommunikation als den entscheidenden Hebel moderner Führung und begründen, warum sie weit mehr ist als ein „Soft Skill“.

Erstens: Kommunikation ist die wichtigste Führungsaufgabe. Behr argumentiert, dass alle wesentlichen Managementprozesse – Motivation, Orientierung, Strategieumsetzung – durch Kommunikation vermittelt werden. Ohne klare, konsistente Kommunikation scheitert jede Führung, unabhängig von Fachkompetenz oder Hierarchie.

Zweitens: Empathie und Klarheit sind die Leitwerte wirksamer Führung. Gute Führung beginnt mit aktivem Zuhören und setzt emotionale Intelligenz voraus. Nur wer die Perspektive anderer nachvollzieht, kann Vertrauen und Bindung aufbauen – zentrale Faktoren für Mitarbeitermotivation und Zusammenarbeit.

Drittens: Kommunikation wirkt auf allen Ebenen – verbal, nonverbal und digital. Behr betont, dass Führungskräfte ihre Wirkung in Präsentationen, Meetings, E-Mails oder Videokonferenzen bewusst gestalten müssen. Zugleich warnt er vor der Illusion, Kommunikation sei bloß Rhetorik; sie ist immer auch Haltung und gelebte Authentizität.

Viertens: Kommunikation entscheidet über den Erfolg von Veränderungsprozessen. Besonders in Krisen, Transformationen und hybriden Arbeitsumgebungen ist Verständlichkeit das wichtigste Führungsinstrument. Behr fordert eine proaktive, wertschätzende Sprache, die Orientierung gibt und Ängste abbaut.

Fünftens: Kommunikation ist trainierbar. Mit dem von Behr entwickelten G.A.M.E.-Code bietet das Buch ein praxisnahes System, um Kommunikationsmuster zu analysieren, Feedbackprozesse zu verbessern und Botschaften wirksamer zu gestalten. Der Ansatz steht für die These, dass kommunikative Exzellenz kein Zufall, sondern Ergebnis bewusster Selbstreflexion und Übung ist.

Persönlicher Nachruf auf Georg Stefan Troller

28. September 2025

Ich bin um Trauer um ein journalistisches Vorbild. Georg Stefan Troller ist im Alter von 103 Jahren in Paris gestorben – und mit ihm verlässt die Welt einen der eindringlichsten, neugierigsten und zugleich sensibelsten Journalisten ihrer Zeit. Ich durfte Troller im hohen Alter in München treffen und verneige mich vor seinem journallistischen Werk. Es hat mich inspiriert.

Trollers Leben war vom Fluch der Geschichte ebenso geprägt wie von einer fast trotzigen Hingabe zur Sprache: Geboren als jüdischer Pelzhändler-Sohn in Wien, vertrieben vom Nationalsozialismus, floh der Jugendliche 1938 mutterseelenallein über die Tschechoslowakei und Frankreich in die USA, bevor er als GI nach Deutschland zurückkehrte, das KZ Dachau miterlebte und Zeugnis ablegte für ein Jahrhundert voller Brüche.

Doch Trollers Antwort auf die Unwirklichkeit der Vertreibung war nie Resignation, sondern das Gespräch, die lebendige Begegnung, das behutsame Öffnen der Biografie des Gegenübers. Seine Fernseharbeit – legendär das „Pariser Journal“ und die „Personenbeschreibung“ im ZDF – wurde zur Schule der Empathie, zur Bühne des Menschlichen jenseits glänzender Oberflächen. Während andere am Sensationshunger der Medien rührten, suchte Troller nach den verborgenen Wunden, nach Absurdität und Wahrheit – immer mit der leisen Hoffnung, dass sich im Erzählen der Schmerz mildern lässt und Herkunft nicht mehr Fluch, sondern eigene Wahrheit sein darf. Dass er dabei strikt seine jüdische Herkunft jahrzehntelang verheimlichte – aus Furcht vor antisemitischer Ablehnung – macht seine Sendungen umso eindringlicher: denn seine Fragen galten nie nur dem Porträtierten, sie leuchteten stets in die Schatten der eigenen Geschichte. Troller starb in einer Zeit, in der der Antisemitismus in unserem Land wieder erwacht. Ich könnte kotzen.

Seine Interviewtechnik veränderte den deutschen Fernsehjournalismus nachhaltig. Er lehnte jede neutrale Distanz ab, bestand auf Subjektivität, auf der Aufrichtigkeit der eigenen Zweifel und Sehnsüchte. Der poetische Kommentar, die Montage von Bild, Wort und biografischer Erschütterung, machten seine Fernseharbeiten stilbildend – für Generationen von Kulturvermittlern, die ihm nachfolgen sollten. Vielleicht war Troller einer der ersten Blogger. Troller selbst bezeichnete den Journalismus als Mittel der Selbstrettung, der Begegnung mit Menschen als Versuch, Lebensberechtigung zu finden, dort, wo Sprache und Erinnerung ihre Heimat haben. Zu seinem 100. Geburtstag habe ich ein Video für ihn aufgenommen.

Sein Paris wurde ihm als Emigrant zum Symbol einer zweiten Geburt. Im Viertel Saint-Germain-des-Prés, im Herz der Geschichte, fand er Vergangenheit und Zukunft, die Brücken seiner eigenen Existenz. Der Verlust von 19 Angehörigen im Holocaust, die unablässige Fremdheit, wurden nie Schlusspunkt – sondern der Ausgang einer lebenslangen Reise, der Suche nach eigenen Leuten, nach dem, was Mensch-Sein jenseits aller historischen Verheerung bedeutet.

Was bleibt nach Trollers Tod, ist mehr als ein Nachruf. Es ist die Einladung, hinter Fassaden zu schauen, der Welt subtil und mitfühlend Fragen zu stellen. Sein Werk mahnt, die Verletzlichkeit in anderen zu sehen, das Gespräch zu suchen, selbst und immer wieder. Troller, der Zeitzeuge und Menschenfreund, hat mit seinen Fragen das Fernsehmedium in eine Schule der Sensibilität verwandelt und die Hoffnung hinterlassen, dass Verständigung möglich bleibt – solange Sprache, Erinnerung und Menschlichkeit nicht verstummen.

Gerne hätte ich ihn noch einmal getroffen und mit ihm über seinen Deutschland-Film gesprochen. In seinem Leben hat Troller mehr als 1.700 Interviews geführt, drehte rund 200 Filme und schrieb Drehbücher und Bücher, darunter 1988 die Autobiographie „Selbstbeschreibung“. Seine Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit mehreren Adolf-Grimme-Preisen, einer Oscar-Nominierung, Bambis und der Goldenen Kamera.

Warum der Film Projekt Brainstorm für mich ein Klassiker geworden ist

8. Mai 2025

Als Filmfan genieße ich die großen Klassiker der Filmgeschichte. Die achtziger Jahre brachten für mich aber persönlich wenig erbauliches in Sachen Film hervor. Vier Filme haben mich u.a. aber immer zum Nachdenken gebracht: Blade Runner und Opfer wegen ihrer Spiritualität, Tron und Projekt Brainstorm wegen der technischen Weitsicht und auch wegen ihrer philosposphischen Gedankenexpertimente.

Vor kurzen erschien Projekt Brainstorm auf Bluray. Ich hatte bisher nur die Laserdisc und eine DVD. Jetzt konnte ich den Film in seiner vollen Pracht genießen zudem noch die Showscan-Version enthalten ist.

Ich habe Projekt Brainstorm damals bei uns im Kino gesehen und bei der mickrigen Projektion konnte der Film seine visuelle Kraft nicht enthalten. Dies holte ich später nach und auch die neue Versionen auf Bluray genoss ich am 4K-Beamer.

Als ich neulich im Apple Store in der Münchner Rosenstraße die Apple Vision Pro ausprobierte, kam mir der Film wieder in den Sinn und ich bestellte die Bluray noch im Hinausgehen. Tim Cook hat bei der Entwicklung der VR/AR-Brille diese Technik auch im Hinterkopf gehabt. Eine Maschine, die Gedanken, Erinnerungen, Erfahrungen und Gefühle aufzeichnet und auf andere überträgt. Was für eine interessante Idee.

Aber Projekt Brainstorm (1983) ist weit mehr als ein technikzentrierter Science-Fiction-Film; er entfaltet eine vielschichtige philosophische Reflexion über Bewusstsein, Tod, Empathie und die ethischen Grenzen technologischen Fortschritts. Das hat mich beschäftigt, seitdem ich Projekt Brainstorm gesehen hatte.

Ich stelle meine Themen zu den Themenkomplexen zusammen und führte sie ansatzweise aus: Bewusstsein, Tod und Transzendenz – Empathie und Kommunikation – Ethische und gesellschaftliche Implikationen – die Rolle des Individuums und der Gesellschaft und nicht zuletzt die Metaphorik des Mediums Film.

Bewusstsein, Tod und Transzendenz
Im Zentrum steht die Frage, was das menschliche Bewusstsein ausmacht und ob es möglich ist, subjektive Erfahrungen – bis hin zum Tod – technisch zu speichern und zu teilen. Die Aufzeichnung des Sterbens von Dr. Reynolds und das spätere Erleben dieser Erfahrung durch Michael konfrontieren die Figuren und das Publikum mit der Grenze zwischen Leben und Tod. Der Film stellt dabei die Frage, ob es eine Form von Existenz nach dem Tod gibt und wie sich diese mit technischen Mitteln erfahrbar machen ließe. Die Visionen von Licht, Engeln und kosmischer Einheit am Ende deuten auf eine philosophische Vorstellung von Transzendenz und einem kollektiven Bewusstseinszustand hin.

Empathie und Kommunikation
Die Technologie im Film ermöglicht es, nicht nur Sinneseindrücke, sondern auch Emotionen und Erinnerungen direkt zu übertragen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit einer radikal neuen Form von Empathie: Menschen können buchstäblich fühlen, was andere fühlen. Der Film fragt, ob eine solche totale Kommunikation zu mehr Verständnis und Verbundenheit führt – oder ob sie auch gefährlich sein kann, wenn sie missbraucht wird.

Ethische und gesellschaftliche Implikationen
Projekt Brainstorm thematisiert die Ambivalenz technologischer Innovationen: Während die Erfindung ursprünglich als Mittel zur Erweiterung menschlicher Erfahrung gedacht ist, wird sie schnell von Militär und Industrie vereinnahmt – etwa zur Gehirnwäsche oder als Folterinstrument. Der Film stellt damit die Frage nach Verantwortung und Ethik im Umgang mit mächtigen Technologien und warnt vor deren Missbrauch.

Die Rolle des Individuums und der Gesellschaft
Die Protagonisten geraten in einen Konflikt zwischen persönlicher Integrität und gesellschaftlichem Druck. Die Technologie wird zum Prüfstein für die Frage, wie weit der Mensch gehen darf, um Wissen zu erlangen und Grenzen zu überschreiten. Der Film reflektiert damit auch über die gesellschaftlichen Folgen von Innovation und die Gefahr, dass individuelle Erfahrungen und Privatsphäre verloren gehen.

Metaphorik des Mediums Film
Schließlich verweist der Film selbstreflexiv auf das Medium Kino: Die Möglichkeit, fremde Erfahrungen zu teilen, spiegelt die Funktion des Films wider, Zuschauer in andere Leben und Welten eintauchen zu lassen. Projekt Brainstorm fragt so auch, ob und wie Medien unser Bewusstsein und unsere Wahrnehmung von Realität beeinflussen.

Für mich ist klar: Projekt Brainstorm unterscheidet sich von anderen Sci-Fi-Filmen vor allem durch seinen realitätsnahen, fast dokumentarischen Ansatz zur Darstellung von Technologie, den Fokus auf Bewusstsein und subjektive Erfahrung sowie die kritische Reflexion über gesellschaftliche und ethische Folgen. Die Technologie steht nicht nur als Plot-Element im Vordergrund, sondern wird als Auslöser tiefgreifender philosophischer und sozialer Fragen inszeniert

Und alle diese Fragen wurden von Regisseur Douglas Trumbull technisch brillant umgesetzt. Trumbull war einst für die Tricks von Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum verantwortlich und lieferte mit Lautlos im Weltraum seinen ersten eignen Film und Flop ab. Auch Projekt Brainstorm floppte grandios, hat aber einen großen Platz in meiner persönlichen Filmgeschichte.
Projekt Brainstorm nutzte innovative Bildformate, visionäre Kameratechnik und experimentelle Spezialeffekte, um das Thema Bewusstsein und virtuelle Realität technisch wie künstlerisch überzeugend umzusetzen. Der Film war damit ein Vorreiter für spätere Entwicklungen im Bereich immersiver Medien und bleibt ein bedeutendes Beispiel für den kreativen Einsatz von Filmtechnik zur Verstärkung inhaltlicher Konzepte. Ich möchte dies begründen:

Innovative Bildgestaltung und Formatwechsel
Der Film wurde in zwei unterschiedlichen Formaten gedreht: Die Realszenen im klassischen 35-mm-Format (1,85:1), die Szenen aus der Perspektive des Gedankenübertragungsgeräts hingegen in Super Panavision 70 mm (2,20:1).

Dieser bewusste Wechsel der Bildformate erzeugte beim Kinopublikum einen spürbaren Kontrast zwischen der „realen“ Welt und den aufgezeichneten Sinneswahrnehmungen, was die Immersion und das Erleben der virtuellen Realität verstärkte. Die „Brainstorm“-Sequenzen wirkten dadurch spektakulärer, weiter und intensiver als die Alltagsszenen.

Die technische Umsetzung erforderte, dass 35-mm-Aufnahmen auf 65- bzw. 70-mm-Negative vergrößert wurden, um eine visuelle Konsistenz zu erreichen. Im Kino führte das zu einem Wechsel zwischen „Pillarbox“- und „Scope“-Darstellung, was auf Heimmedien nur eingeschränkt nachvollziehbar ist.

Visionäre Nutzung neuer Technologien
Regisseur Douglas Trumbull, bekannt für seine Pionierarbeit im Bereich visueller Effekte, wollte ursprünglich das von ihm entwickelte Showscan-Verfahren einsetzen, das mit 60 Bildern pro Sekunde ein extrem realistisches, flüssiges Bild erzeugt. Aus Kostengründen wurde dieses Verfahren jedoch nur teilweise und nicht für den gesamten Film genutzt.
Die filmische Umsetzung der Gedanken- und Gefühlserfahrungen mittels Weitwinkeloptik, Ego-Perspektive und dynamischer Kameraführung war ihrer Zeit weit voraus und nimmt spätere Entwicklungen im Bereich Virtual Reality und immersiven Kinos vorweg.

Spezialeffekte und Sounddesign
Die Darstellung der subjektiven Erlebnisse – von Achterbahnfahrten bis hin zu Nahtoderfahrungen – war technisch aufwendig und setzte Maßstäbe für die visuelle Umsetzung innerer Welten im Kino.
Auch das Sounddesign trug wesentlich zur Immersion bei, indem es die Wahrnehmung der Figuren für das Publikum unmittelbar erfahrbar machte.

Soundtrack
Der Soundtrack zu Projekt Brainstorm stammt von James Horner, der später mit Filmmusik zu Titanic und Braveheart Weltruhm erlangte. Horner schuf für den Film eine atmosphärische und vielschichtige Komposition, die elektronische Klänge mit klassischen Orchester-Elementen verbindet. Besonders in den „Brainstorm“-Sequenzen unterstreicht die Musik das Gefühl von Staunen, Gefahr und Transzendenz und verstärkt so die emotionale Wirkung der Bilder. Der Score trägt maßgeblich dazu bei, die Grenzen zwischen Realität und virtueller Erfahrung hörbar zu machen und zählt zu den frühen, innovativen Arbeiten des Komponisten. Ich hatte mir den Score 2006 als CD gekauft und höre immer wieder das „Stück Lilians Heart Attack“, eine sehr eindrucksvolle musikalische Darstellung eines Herzanfalls.
Das Album ist relativ selten und wer es mal genießen will, dann mal zu YouTube greifen.