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Buchkritik: In Hütten und Palästen – Ein Reporterleben von Rolf Seelmann‑Eggebert

19. November 2025

Ab und zu lese ich Werke von renommierten Journalisten wie beispielsweise Peter von Zahn, Peter Scholl-Latour und Kollegen aus alten Zeiten, um mich für meinen Job zu motivieren und auch Ideen zu bekommen. Jetzt griff ich wieder zu Rolf Seelmann-Eggebert, der unlängst verstorben ist. Hier mein Nachruf von damals.

Er blickt in seinem autobiografischen Werk „In Hütten und Palästen – Ein Reporterleben“ auf ein Leben zurück, das in der journalistischen Landschaft Deutschlands kaum seinesgleichen hat. Erstmals wird deutlich, wie vielseitig sein Werdegang war: Vom Auslandskorrespondenten in Afrika über Hör- und Fernfunk beim Norddeutscher Rundfunk (NDR) bis hin zum gefeierten „Adelsexperten“ im europäischen Königshaus-Milieu.

Das Buch beginnt mit den frühen Jahren des Autors, seinen Anfängen beim NWDR/NDR als freier Mitarbeiter für Hörfunk und Fernsehen, schildert dann die Jahre als Korrespondent in Westafrika (ab 1968) und später in Nairobi, Kenia (1972–1976) für den Hörfunk beziehungsweise das Fernsehen.
Diese Phase ist besonders bedeutsam, weil Seelmann-Eggebert nicht nur über Ereignisse berichtete, sondern in einem ganz anderen Medienumfeld arbeitete – mit Begrenzungen, improvisierten Bedingungen und unmittelbarer Nähe zu den Reportage-Realitäten vor Ort. Das eröffnet dem Leser einen Blick auf eine journalistische Form, die heute selten geworden ist.

Parallel schildert er seine spätere Tätigkeit beim Fernsehen, insbesondere seine Berichterstattung über Königshäuser, royale Großereignisse und Staatenbesuche. Diese Kapitel sind reich an Anekdoten: etwa der Ausfall des Tons bei der Trauung von Charles III. (damals noch Prinz Charles) und Diana, Princess of Wales, bei der er dank seiner Vorbereitung den Predigttext live ins Deutsche übertrug.

Dabei wird deutlich: Seelmann-Eggebert verstand sich nicht allein als Boulevard-Kommentator, sondern als Journalist mit Anspruch. Er ordnete gesellschaftliche Entwicklungen ein, reflektierte Medien- und Adelshistorie und vermied nach eigenen Aussagen Pathos: „Wenn du mit einem König auf dem Sofa sitzt, dann glauben alle, ich sei nah dran. Aber das täuscht.“

Ein besonders gelungener Teil des Buches ist der Wechsel zwischen den Extremen – von „Hütten“ zu „Palästen“, wie der Titel treffend formuliert. Die „Hütte“ steht metaphorisch für Reportage-Alltag in Afrika – unter schwierigeren Bedingungen, aber mit direkter Begegnung und menschlicher Nähe. Die „Paläste“ stehen für die glanzvolle Welt der Monarchien – elegant, protokollarisch, aber eben auch geerdet durch seine Perspektive. Dieses Spannungsverhältnis macht die Stärke des Buches aus: Es sind nicht nur die royalen Anlässe, die faszinieren, sondern gerade die Schnittstellen zwischen Macht und Alltag, zwischen den privilegierten Sphären und den realen Lebenswelten.

Stilistisch überzeugt Seelmann-Eggebert durch einen klaren, persönlichen Ton. Er nimmt den Leser mit auf seine Reisen, lässt kurze Reportage-Momente, Begegnungen mit Königinnen und Königen, aber auch Gespräche mit Einheimischen in Afrika Revue passieren. Dabei spart er nicht mit kleinen Selbstreflexionen – etwa über die Rolle des Journalisten, die Verantwortung, aber auch die Grenzen. Die Co-Autorschaft mit seiner Tochter Adele bringt weiteren Gewinn: Dialoge, Briefausschnitte und Interviewmaterial verleihen dem Text Authentizität und Tiefe.

Auch kritisch zeigt sich das Buch: Seelmann-Eggebert überrascht nicht mit einer groß angelegten Medien- oder Adelskritik, doch er thematisiert etwa die Diskrepanz zwischen Glamour und Machtlosigkeit, zwischen Repräsentation und Lebenswirklichkeit – insbesondere in den Auslandsreportagen Afrikas. Er schreibt über die „menschenunwürdigen Zustände“ dort im Vergleich zur deutschen Wohlstandsgesellschaft – und wie ihn diese Erfahrung immer wieder einholte.

Ein paar Anmerkungen zur Bewertung: Wer sich vorrangig für royale Themen interessiert, findet hier zahlreiche Insider-Momente, Interviews, historische Wegmarken – vom Buckingham Palace bis zu anderen europäischen Königshäusern. Wer hingegen mehr an Journalismusgeschichte, Medienwandel oder Reportagereisen interessiert ist, wird ebenfalls fündig sein – gerade die Afrika-Jahre verleihen dem Buch eine Tiefe, die über glänzendes Protokoll hinausgeht. Manchmal fehlt dem Text eine stärkere Struktur oder kritische Distanz gegenüber dem eigenen Wirken – aber das lässt sich bei einer Lebenserinnerung verzeihen.

„In Hütten und Palästen“ ist eine eindrucksvolle Biografie, die zeigt, wie ein Journalist zwischen zwei Welten lebte – zwischen Afrika und den Königshäusern Europas –, wie er Begegnungen mit Macht, Repräsentation und Alltag meisterte und gleichzeitig seine Neugier bewahrte. Für Leserinnen und Leser, die mehr wollen als reine Adelschroniken, bietet das Buch Horizont, Menschlichkeit und spannende Einblicke in ein außergewöhnliches (Reporter-)Leben.

Ich habe noch ein Autogramm von ihm, das in meiner Heldengalerie in meinem Arbeitszimmer hängt. Auch eine Art der Motivation für mich.

Persönlicher Nachruf auf Franz Josef Wagner

8. Oktober 2025

Nein, ich war nie ein Anhänger von ihm, aber er war ein Fels an dem man als Journalist nicht vorbeikam. Seine Kommentare erzeugten Reaktion und manches Mal auch Nachdenken. Nun ist der BILD-Kolumnist Franz Josef Wagner im Alter von 82. Jahre verstorben.

Ich hab mich über viele Kommentare von Wagner geärgert, aber man kam nicht an ihm vorbei. Er hat vielleicht dem Volk aufs Maul geschaut und dies in seine eigene Sprache transferiert. Oft habe ich seine Kolumne „Post von Wagner“ gelesen, mich aufgeregt, manchmal zugestimmt, manchmal einen dicken Hals bekommen. Ignorieren konnte ich Franz Josef Wagner nicht. In seiner letzten Kolumne widmete er sich Putin und endete: „Ein Mörder lacht uns aus.“ Da hatte Wagner recht.

Seine BILD-Kolumne endete immer versöhnlich mit: „Herzlichst. Ihr Franz Josef Wagner“.
Der Werdegang kann überall nachgelesen werden: Volontariat bei der Nürnberger Zeitung, später streitbarer Chefredakteur der Bunten. Ich hörte mal den Ausruf, der ihm wohl zugeschrieben wird, belegen kann ich es allerdings nicht: „Ich recherchiere mir doch meine Geschichte nicht kaputt“. Das ist gefährlich, aber Wagner war eine journalistische Trüffelsau, er roch die Geschichten, denn er war ein hervorragender Geschichtenerzähler. Gerne lese ich noch im Bild-Buch von Taschen.

In meinen Journalismus-Seminaren analysierte ich seine Sprache mit meinen Teilnehmern immer wieder: Franz Josef Wagners journalistische Sprache war unverkennbar und polarisiert bis zuletzt: Sie war geprägt von kurzen, oft abgehackten Sätzen, die eine enorme emotionale Wucht entfalten konnten. Seine Kolumnen waren ein Wechselspiel aus Anklage, Flehen, Dialog und oft ironischem Schmunzeln, immer im direkten, adressierenden Stil.

Wagner wurde häufig als „Gossen-Goethe“ bezeichnet, weil er einerseits gerne große Gefühle und existenzielle Themen behandelte, andererseits aber nie den Tonfall des Boulevardscheues: Einfachheit, Direktheit, sprachliche Provokation und bewusste Zuspitzung prägten seine Texte. Seine Sprache war poetisch wie drastisch zugleich – immer auf der Suche nach dem perfekten, einprägsamen Satz. Er stilisierte das Fragmentarische, verwendete viele rhetorische Fragen, spielte mit Sehnsucht, Melancholie und Nostalgie.

Sein Schreiben war dabei persönlich, subjektiv und stets auf das Lebensgefühl der Leserschaft gezielt. Wagner hatte keine Angst vor Pathos, konfrontierte sich und seine Leser mit den Abgründen des Alltags, war aber auch selbstironisch und stellte seine eigene Position immer wieder in Frage. Häufig wurde sein Stil als „bissig“, „impulsiv“, mitunter „hysterisch“ oder „zynisch“ beschrieben.

Während viele seine Kolumnen als „Gedichte für das Boulevardpublikum“ feierten, warf man ihm oft Übertreibung, gezielte Provokation und grobe Vereinfachungen vor. Er wurde gefeiert wie kritisiert und galt als Stimme des Volkes, als „Volksschriftsteller“ mit großer Leidenschaft für die Sprache, dabei aber immer auch als umstritten.

75 Jahre PresseClub München

5. April 2025

Seit 30 Jahren oder mehr bin ich Mitglied in dieser Institution in München. Ich hab mein Eintrittsdatum vergessen. Nun feierte der Internationale PresseClub München seinen 75. Geburtstag mit einem Festakt in der bayerischen Residenz zu der Bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, Florian Herrmann geladen hatte. Bei allen vielen schönen Worten gab es eine besondere Überraschung: Charlotte Knobloch wurde zum Ehrenmitglied des Clubs ernannt. Charlotte Knobloch ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und eine streitbare Mahnerin.

Alle Redner betonten die Wichtigkeit einer demokratischen Presse, wiesen aber auch darauf hin, dass die Medienbranche in einem Umbruch ist. Gastgeber und Mutmacher Florian Herrmann meinte zwar, dass die besten Zeiten des Journalismus noch vor uns liegen würde. Zurückgeschaut hat Medienunternehmer und Journalist Helmut Markwort, der an eine der vielen Club-Reisen erinnerte. Damals ging es nach China, das noch unter Mao die Kulturrevolution verkraften musste. In Erinnerung blieb mir, dass der großartige Gerd Runge seinen Hund nachts Gassi führen musste, weil die Chinesen Geschmack an Hund gefunden hatte. Ich hinterfragte die Story des Geschichtenerzählers nicht.

Der amtierende Vorsitzende Uwe Brückner stellte die Leistungsfähigkeit der Münchner Institution am Marienplatz heraus, die sich weiterentwickeln würde. In den PresseClub ging beispielsweise der Bloggerclub hervor und der Verband der Nachwuchsjournalisten in Bayern geht in den PresseClub auf. In beiden Vereinen war ich aktiv tätig.

Gelungen war die Überraschung der Ehrenmitgliedschaft von Charlotte Knobloch. Ich habe die 92jährige Dame immer wieder im Club getroffen und finde es ein richtiges Zeichen vom Vorstand, sie als Ehrenmitglied aufzunehmen. Hier hier Ansprache und sorry für den schlechten Ton in den Hallen der Residenz.

Ich habe mich an diesen Abend prächtig unterhalten mit vielen Weggefährten. Meine tiefe Verbeugung vor dem ehemaligen Club-Vorsitzenden Norbert Matern und auch vor meinen guten Freund Gero Himmelsbach. Ich unterhielt mich mit u.a. Markus Kaiser, Christopher Nordhoff, Tobias Russ, Susanne Himmelsbach, Michael Schmatz, Rudolf Reisbeck, Petra Schmieder-Runschke und Eva Moser. Klatsch und Tratsch

Es gibt ein schönes Sonderheft zur Clubgeschichte, in der ich sogar abgebildet bin und ein Foto beisteuern konnte.

Schreibmaschinen, Fernschreibern und Telefonen
Der PresseClub München e.V. feierte also im Jahr 2025 sein 75-jähriges Bestehen und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, die eng mit der Entwicklung des Journalismus in Deutschland verbunden ist. Gegründet wurde der Club am 16. März 1950 unter dem Namen „Verein Auswärtige Presse“ von 41 Journalisten, die sich bereits am 2. August 1948 zur Arbeitsgemeinschaft Auswärtige Presse im Verband der Berufsjournalisten in Bayern zusammengeschlossen hatten. In den ersten Jahren nach seiner Gründung diente der Club vor allem als Arbeitsstätte für Journalisten, ausgestattet mit Schreibmaschinen, Fernschreibern und Telefonen.Seit seiner Gründung haben zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport den PresseClub besucht, darunter Hildegard Knef, Franz Josef Strauß, Hans-Dietrich Genscher, Olof Palme, August Everding, Mario Adorf, Gerhard Schröder und Helmut Kohl. Diese Besuche unterstreichen die Bedeutung des Clubs als zentrale Plattform für den Austausch zwischen Medienschaffenden und Entscheidungsträgern.

Heute zählt der PresseClub München rund 800 Mitglieder, darunter Journalistinnen und Journalisten, Pressesprecher und Medienverantwortliche aus verschiedenen Bereichen. Der Club versteht sich als unabhängige und überparteiliche Institution, die Themen zur Diskussion stellt und journalistische sowie gesellschaftspolitische Entwicklungen begleitet. Mit jährlich bis zu 300 Veranstaltungen, darunter Pressekonferenzen, Diskussionsrunden und Workshops, bietet der Club ein vielfältiges Programm.

Ein besonderes Anliegen des PresseClubs ist die Förderung des journalistischen Nachwuchses. Seit 2004 bietet der Club ein Mentoring-Programm an, bei dem erfahrene Journalistinnen und Journalisten junge Kolleginnen und Kollegen auf ihrem beruflichen Weg begleiten und beraten. Dieses Engagement unterstreicht die Verpflichtung des Clubs zum Qualitätsjournalismus und zur Unterstützung der nächsten Generation von Medienschaffenden.

Für mich steht fest: Mit seiner reichen Geschichte und seinem kontinuierlichen Engagement bleibt der PresseClub München eine zentrale Institution für den Journalismus und die Medienlandschaft in Deutschland. Und ich bin stolz darauf, ein wenig zu der Geschichte beigetragen zu haben.

Eindrücke von der Reise- und Freizeitmesse f.re.e.

24. Februar 2025

Eigentlich bin ich nur auf die Reise- und Freizeitmesse f.re.e. Das Kürzel steht für Freizeit, Reisen und Erholung. auf dem Münchner Messegelände gegangen, um meinen guten Freund und ehemaligen Arbeitskollegen Franz Neumeier zu treffen.

Der langjährige Journalist und erfolgreiche Leiter der Kreufahrtseite cruisetricks moderierte professionell in Halle A4 das Kreuzfahrtforum. In der Pause kamen wir zu einem Schwätzchen zusammen. Ich wollte erfahren, was warum ein ehemaliger Lokaljournalist und erfolgreicher Chefredakteur verschiedener IT-Zeitschriften nun über Kreuzfahrten schreibt. Hier mein Interview, danke Franz.

Sonst schlenderte ich über das Messegelände und besuchte einen Teil der rund 1000 Aussteller aus 50 Ländern. So richtig gezündet es bei mir allerdings nicht. Die Freizeitindustrie ist zu einer fetten Branche geworden, Reisen ist wieder in, als ob es die Klimakrise nicht gibt. In den fünf Ausstellungsbereichen – Reisen, Caravaning & Camping, Fahrrad, Wassersport sowie Outdoor & Fitness – konnten die Besucher sich beraten lassen, Vorträge anhören aber auch viel Mitmachen und Ausprobieren.

Die Fressstände waren wie immer gut besucht. Natürlich musste ich die italienische Salami probieren (und kaufen) und den Allgäuer Bergkäse naschen.

Es hat mich Irland am meisten beeindruckt. An dem Stand wurde Guiness und Kilkenny ausgeschenkt und der Stand in einen Art Pub umgebaut. Das schuf Atmosphäre und bei einem, zwei Glas Bier konnte man befreit über einen Tripp auf die grüne Insel plaudern. Schade, dass ich keinen Schottland-Stand angetroffen habe, denn da soll es dieses Jahr wieder einmal hingehen.

Trotz Mühen und großen Reizen bleibt für uns die USA die nächsten vier Jahre kein Reiseziel, ich freute mich aber sehr über die kanadische Fahne an den Ständen mancher Nordamerika-Reiseveranstalter.

Wer Show macht, dem gehört die Aufmerksamkeit. Die Gondoliere am Stand von Venedig sangen aus Leibeskräften mit einigem Vino im Blut und lockten die Interessenten an.

Das Allgäu machte Lärm mit den Perchten. Sehr laut zogen die Herrschaften durch die Halle. Das Auftreten von Perchten, grausig anzusehenden Gestalten, zählt zu den Raunachtsbräuchen. Diese waren ursprünglich heidnischer Herkunft und wurden erst allmählich christianisiert. Die Idee war ja nett, aber Gespräche in der Nähe der Perchten waren unmöglich. Da werden manche Aussteller zu recht sauer gewesen sein, schließlich kosten die Messestände in München eine schöne Stange Geld.

Kurze Gespräche führte ich bei den Ständen von Korea und Taiwan, längere Gespräche bei den Pilgerreisen der beiden christlichen Kirchen oder Bayerisch-Schwaben. Im Grunde gab es aber keine weiteren Infos als im Netz außer vielleicht die persönliche Kommunikation.

Die Hallen Caravaning & Camping, Fahrrad, Wassersport sowie Outdoor & Fitness interessierten mich nur am Rande, schaute mir dennoch ein wenig um.

Interessant für mich war die Teilnahme der Bundeswehr an der Messe. Ja, Bundeswehr ist kein Hobby und keine Freizeitaktivität, aber ich halte die Teilnahme dennoch für richtig, nicht zuletzt wegen der politischen Situation. Neben gepanzertem Gerät gab es für Drehgerät für den Gleichgewichtsinn. Und damit wäre ich für die Bundeswehr untauglich.

Tim Pröse – Ein Chronist der Erinnerung: Geschichten, die uns nie loslassen

14. Februar 2025

Bereits zum vierten Mal war Spiegel-Bestsellerautor Tim Pröse in unserer Gemeindebücherei Maisach zu einer Lesung. Was für eine Ehre, wenn ein Mann, der ganze Hallen bei seinen Lesungen füllt, zu einer kleinen Bücherei in den Westen von München kommt und begeisterten Zuhörern seine Werke präsentiert. Ich gebe zu, ich bin ein absoluter Tim Pröse-Fan und freue mich, wenn ich diesen charismatischen Autoren treffe und sprechen kann. Ich mag den Typen einfach in seiner Art, journalistisch bewundere ich seine Schreibe, seinen Stil und seine Themen.

Tim Pröse ist ein deutscher Journalist und Autor, der sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch seine Werke über Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts einen Namen gemacht hat. Seine Bücher verbinden historische Aufarbeitung mit emotionalen Porträts und zeigen, dass Erinnerung nicht nur ein intellektueller Prozess, sondern auch eine zutiefst menschliche Angelegenheit ist. Pröse gibt denjenigen eine Stimme, die Geschichte erlebt und geprägt haben – oft Menschen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, aber deren Schicksale uns bis heute berühren und prägen. Tim Pröses journalistische Wurzeln liegen in der Porträtkunst. Er schrieb unter anderem für den Focus und bewies dort sein Gespür für persönliche Geschichten hinter den großen Ereignissen. Diese Fähigkeit, Historie durch individuelle Biografien greifbar zu machen, zieht sich durch all seine Bücher. Seine Werke sind nicht bloß historische Abhandlungen, sondern erzählen Geschichte durch die Menschen, die sie erlebt haben. Nach der Lesung führte ich ein Interview mit diesem Künstler.

In Maisach hat er Auszüge aus seinem Buch „Wir Kinder vom 20. Juli“ präsentiert. Ein wichtiges Buch, gerade vor der bevorstehenden Bundestagswahl. In „Wir Kinder des 20. Juli“ (2024) widmet er sich den Nachkommen der Widerstandskämpfer des Hitler-Attentats von 1944. Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie die Ereignisse von damals in den Familien weiterwirken und welche Verantwortung die nachfolgenden Generationen tragen. Hier setzt Pröse auf eine neue Perspektive: Nicht die Zeitzeugen selbst, sondern ihre Kinder erzählen von Schuld, Trauma, aber auch von Stolz und Pflichtbewusstsein.

Mir wurde bei seiner emotionalen Lesung wieder bewusst: Tim Pröse ist kein neutraler Chronist, sondern ein Autor mit einer klaren Haltung. Er stellt sich gegen das Vergessen, gegen das Verharmlosen von Verbrechen und gegen die Relativierung der Geschichte. Dabei bleibt er aber stets auf der Ebene der Erzählung, ohne sich in politische Diskussionen zu verstricken. Seine Bücher sind ein Plädoyer für das Erinnern – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern durch die Kraft der persönlichen Geschichte.
Ein herausragendes Merkmal von Pröses Schreibstil ist seine Fähigkeit, historische Fakten mit lebendigen Erzählungen zu verbinden. Er schreibt klar, anschaulich und ohne akademische Distanz. Die Schicksale, die er schildert, sind oft erschütternd, aber er verfällt nie in Sensationslust oder übermäßige Dramatik. Vielmehr lässt er seine Protagonisten für sich sprechen und schafft es, ihren Geschichten Tiefe und Gewicht zu verleihen.

Und ich bin wirklich stolz, dass so ein Autor bei uns in der Gemeinde zu Gast war.

Ausstellung: Lee Miller – Von der Muse zur Meisterin der Kamera

9. Februar 2025

Kurz nachdem ich ein Online-Seminar zu Lee Miller durchgeführt habe, gib es nun im Rahmen der Münchner Veranstaltungsreihe „Stunde Null“ eine faszinierende Ausstellung über die berühmte Fotografin im Amerika Haus. Die Eröffnung machte u.a. ihr Sohn Anthony Penrose, der die Bilder der 1977 verstorbenen Fotografin auf dem Dachboden fand und der Nachwelt erhielt. Bis zum 31. Juli 2025 ist die fantastische Ausstellung im Amerika Haus München am Karolinenplatz zu sehen.

Für mich war Elizabeth „Lee“ Miller (1907–1977) eine der faszinierendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Sie begann ihre Karriere als Model, wurde später eine gefeierte Fotografin und entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Kriegsberichterstatterinnen ihrer Zeit. Ihr Leben war geprägt von Kunst, Fotografie, Reisen und einem unermüdlichen Drang, die Welt mit der Kamera festzuhalten. Die Schrecken des Krieges und die Befreiung der Konzentrationslager konnte die Frau nicht verkraften und verfiel nach dem Krieg dem Alkohol. Ihr Sohn Anthony Penrose fand nach dem Tod ihre Bilder auf dem Dachboden und baute das Lee Miller Archiv auf. Hier die Ansprache von Anthony Penrose bei der extrem gutbesuchten Vernissage.

Frühe Jahre und Modelkarriere
Lee Miller wurde am 23. April 1907 in Poughkeepsie, New York, geboren. Schon früh kam sie mit der Fotografie in Berührung, da ihr Vater, ein Amateurfotograf, sie häufig als Modell für seine Porträts nutzte. Nach einer kurzen Zeit an der Kunstschule in New York begann Miller in den 1920er-Jahren eine vielversprechende Karriere als Model. Sie wurde von Condé Nast, dem Herausgeber der Vogue, entdeckt, nachdem sie zufällig auf der Straße beinahe von einem Auto überfahren worden war. Diese Begegnung führte zu einem Engagement als Covergirl für die Vogue, wodurch sie schnell zum gefragten Model in der Modewelt avancierte.

Doch die passive Rolle als Model genügte ihr nicht. Sie wollte hinter die Kamera wechseln, um selbst kreativ zu arbeiten. 1929 zog sie nach Paris – damals das Zentrum der künstlerischen Avantgarde – und suchte den Kontakt zu Künstlern und Fotografen. In der Ausstellung sind frühe Modefotos mit ihr zu sehen.

Paris und die Begegnung mit Man Ray
In Paris wurde Miller Schülerin, Assistentin und Muse des surrealistischen Fotografen Man Ray. Sie lernte nicht nur die technischen Grundlagen der Fotografie, sondern auch künstlerische Ausdrucksformen, insbesondere die experimentelle Dunkelkammertechnik Solarisation, die sie gemeinsam mit Man Ray weiterentwickelte. Neben der Modefotografie schuf Miller eindrucksvolle surrealistische Werke, die bis heute als Meisterwerke dieser Strömung gelten. Ich sah zum ersten Mal diese Bilder im Original in München.

Doch Miller war nicht nur Muse – sie wollte als eigenständige Künstlerin anerkannt werden. 1932 kehrte sie nach New York zurück und eröffnete ihr eigenes Fotostudio. Sie arbeitete als Porträt- und Werbefotografin, etablierte sich in der Kunstszene und fotografierte prominente Persönlichkeiten wie Charlie Chaplin.

Kriegsfotografin und Berichterstatterin
Der entscheidende Wendepunkt in Millers Karriere kam während des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde Kriegsfotografin für die Vogue und berichtete über die dramatischen Ereignisse in Europa. Anfangs dokumentierte sie das Kriegsgeschehen aus London, wo sie während der deutschen Luftangriffe das Leben der Bevölkerung und die Zerstörung durch die Bombenangriffe festhielt.

1944 begleitete sie die Alliierten nach Frankreich und fotografierte die Befreiung von Paris. Sie dokumentierte eindrucksvoll das Leiden der Zivilbevölkerung, das Elend der Kriegsgefangenen und das Grauen der Konzentrationslager. Ihre Bilder aus Dachau und Buchenwald zählen zu den erschütterndsten Fotografien dieser Zeit. Eine der bekanntesten Aufnahmen zeigt sie selbst in der Badewanne von Adolf Hitlers Münchner Wohnung, kurz nach der Befreiung der Stadt durch die Alliierten. Dieses Bild steht symbolisch für das Ende des Nationalsozialismus und Millers mutige Präsenz an den Brennpunkten der Geschichte. Das Bild ist natürlich zu sehen.

Ihre Kriegsfotografien waren bahnbrechend und schockierend zugleich. Sie zeigte die Realität des Krieges ungeschönt, ihre Bilder von befreiten Konzentrationslagern wurden weltweit veröffentlicht und dokumentierten die Schrecken des Holocausts in einer Weise, die nicht ignoriert werden konnte.

Nachkriegszeit und Rückzug aus der Fotografie
Nach dem Krieg zog Miller mit ihrem zweiten Ehemann, dem britischen Künstler Roland Penrose, nach England. Sie litt unter den psychischen Folgen ihrer Erlebnisse im Krieg, heute würde man es als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnen. Die Verarbeitung der Kriegsgräuel fiel ihr schwer, und sie zog sich zunehmend aus der Fotografie zurück. Stattdessen widmete sie sich der Kunst, kochte leidenschaftlich gerne und wurde eine bekannte Gastgeberin für die britische Bohème.

Erst in den 1970er-Jahren wurde ihr fotografisches Werk wiederentdeckt. Ihr Sohn Antony Penrose spielte eine entscheidende Rolle dabei, ihre Arbeiten zu archivieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich konnte ein kurzes Gespräch mit diesem Mann führen.

Vermächtnis und Bedeutung
Lee Millers Einfluss auf die Fotografie ist enorm. Sie war nicht nur eine herausragende Mode- und Porträtfotografin, sondern auch eine der ersten Frauen, die als Kriegsberichterstatterinnen an vorderster Front arbeiteten. Ihr Mut, ihre künstlerische Vision und ihr unbestechlicher Blick auf die Realität machten sie zu einer Pionierin der Fotojournalistik.

Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Ihre Arbeiten sind in renommierten Museen und Sammlungen weltweit zu sehen, und ihre Kriegsfotografien haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Lee Miller hat sich von einer Muse zur Meisterin der Fotografie entwickelt – und ihr Vermächtnis lebt weiter.

MB Spiel Reporter von 1976 – ein Spiel beeinflusst mein Leben

8. Februar 2025

Als Kind wollte ich das Spiel immer haben, aber meine Eltern haben mir es nie gekauft. Dabei hatte ich im Fernsehen meine Lieblingsserie Lou Grant verschlungen und wollte auch Reporter sein. Ich entdeckte damals im örtlichen Spielwarenladen Reindl das MB Spiel Reporter und musste es einfach haben.

Tja, ich bekam es damals nicht und als ich nun im hohen Alter mir das Spiel bei Ebay kaufte, muss ich mich noch heute bei meinen Eltern bedanken. Das Spiel aus dem Jahr 1976 hat zwar seinen nostalgischen Reiz, ist aber ziemlich öde.

Das Brettspiel Reporter von MB aus dem Jahr 1976 ist ein Gesellschaftsspiel, das die zwei bis vier Spieler in die Rolle von Journalisten versetzt, die spannende Geschichten für ihre Zeitung recherchieren müssen. Ich hab das Gefühl, dass das Spiel vom Springer-Verlag unterstützt wurde. Als Zeitungen gibt es Vorlagen für BILD, die Welt, Hamburger Abendblatt und BZ.

Ziel des Spiels ist es, durch geschickte Planung und strategisches Vorgehen exklusive Storys aufzuspüren und als erster Spieler vier komplette Artikel in die Zeitung zu bringen. Aber im Grunde war die ganze Sache ein Glücksspiel und weniger Planung. Als Kind reizte mich der Fernschreiber, der in der Packung war. Als ich später meine Ausbildung als Volontär machte, hatten wir in der Zentralredaktion noch Fernschreiber. Aber das ist dann doch ein paar Tage her.

Das Spielbrett zeigt eine Stadtkarte mit verschiedenen Schauplätzen, an denen die Spieler Informationen sammeln können, darunter Polizeistationen, Gerichtsgebäude und Orte des Geschehens. Die Spieler bewegen ihre Spielfiguren mit Würfeln über das Spielfeld und nutzen Karten, um Ereignisse auszulösen oder zusätzliche Hinweise zu erhalten. Ein besonderes Element ist das Wettrennen gegen die Mitspieler, die versuchen, dieselben Geschichten für ihre Zeitung zu sichern.

Reporter zeichnet sich durch einfache Regeln. Die Spieler müssen abwägen, welche Informationen sie priorisieren und welche Schauplätze sie zuerst ansteuern. Das Spiel richtet sich an 2 bis 4 Spieler ab etwa 8 Jahren und bietet eine Spieldauer von ca. 45 bis 60 Minuten.

Die Macht der Bilder – Politische Fotografien und ihre Fotografen – Gedanken zur Geschichte der Pressefotografie

23. Januar 2025

Im Moment arbeite ich an einer Seminarserie „Die Macht der Bilder – Politische Fotografien und ihre Fotografen“. Ich beginne mit Lee Miller, gefolgt von Robert Capa und weiteren. Wer eine Einladung zu den Seminaren braucht, bitte hier in meinem Newsletter. Die erste Veranstaltung ist am 27. Januar.

Politische Fotografien haben die Kraft, unsere Wahrnehmung der Welt zu formen, oft mehr als Worte es je könnten. Durch die Linse von Fotografen wurden Momente eingefangen, die nicht nur dokumentieren, sondern aufwühlen, zum Nachdenken anregen und ein tiefes Mitgefühl wecken. Diese Bilder sind Zeugnisse von Kriegen, Protesten, sozialer Ungerechtigkeit und Menschlichkeit in Extremsituationen – Momente, die sich in das kollektive Gedächtnis brennen. In einer Welt der Schnelllebigkeit bleiben politische Fotografien ein kraftvoller Appell für das Bewusstsein und die Erinnerung. Doch woher kommt diese Art der Fotografie?

dpa-Fotograf Anas Alkharboutli (32) in Syrien getötet / Weiterer Text über ots und http://www.presseportal.de/nr/8218 / Die Verwendung dieses Bildes für redaktionelle Zwecke ist unter Beachtung aller mitgeteilten Nutzungsbedingungen zulässig und dann auch honorarfrei. Veröffentlichung ausschließlich mit Bildrechte-Hinweis.

Und die Fotografie fordert Opfer. Vor kurzem wurde der dpa-Fotograf in Syrien getötet. Fotograf Anas Alkharboutli dokumentierte den Bürgerkrieg in Syrien in einer einzigartigen Bildsprache. Er wurde durch den Angriff eines Kampfflugzeugs in der Nähe der syrischen Stadt Hama getötet. Anas wurde nur 32 Jahre alt. Anas Alkharboutli kam 2017 als Fotograf zur dpa im Nahen Osten. Vor allem berichtete er aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet. Gerade in den vergangenen Monaten waren seine Fotos weltweit zu sehen, denn Anas berichtete über den wieder intensiv aufgeflammten Bürgerkrieg und den Vorstoß der Rebellenallianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS).

Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Die Pressefotografie ist ein wesentlicher Bestandteil des modernen Journalismus und hat sich seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert zu einem unverzichtbaren Instrument der Berichterstattung entwickelt. Die Entwicklung der Pressefotografie ist eng mit der technischen Evolution der Fotografie selbst verbunden, aber auch mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die das Bedürfnis nach visueller Dokumentation und Vermittlung von Nachrichten verstärkt haben.

Die frühen Anfänge: Daguerreotypie und erste Bildberichte
Die Geschichte der Pressefotografie beginnt in den 1830er Jahren mit der Erfindung der Daguerreotypie durch Louis Daguerre. Diese Technik ermöglichte es erstmals, Bilder dauerhaft festzuhalten, und fand schnell Anwendung in der Porträtfotografie. Die ersten Versuche, Fotografie im journalistischen Kontext zu nutzen, waren jedoch stark limitiert durch die langen Belichtungszeiten und die Schwierigkeit, diese Bilder zu vervielfältigen. In München wurde dieses Jahr das älteste Foto gefunden und der Öffentlichkeit präsentiert, es zeigt die Frauenkirche. Eine Münchner Wissenschaftlerin hat ein Lichtbild aus dem Jahr 1837 entdeckt. Zwei Jahre, bevor Louis Daguerre seine Erfindung öffentlich machte. Vier mal vier Zentimeter groß und ziemlich blass sieht die Aufnahme von der Münchner Frauenkirche mit ihren Zwiebeltürmen aus – und dennoch belegt sie, dass das Zeitalter der Fotografie in Deutschland zwei Jahre früher als bisher angenommen begonnen hat. Das folgende Foto ist ein Repro: Deutsches Museum

Ein bedeutender Schritt in Richtung moderner Pressefotografie erfolgte während des Krimkriegs (1853-1856). Der britische Fotograf Roger Fenton dokumentierte als einer der ersten Kriegskorrespondenten die Konflikte vor Ort. Seine Bilder, obwohl technisch anspruchsvoll und künstlerisch wertvoll, waren aufgrund der zeitaufwändigen Produktion und der begrenzten Reproduzierbarkeit nicht in der Lage, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Die Etablierung der Pressefotografie: Fortschritte im 19. Jahrhundert
Mit der Entwicklung der Fototechnik im späten 19. Jahrhundert, insbesondere der Erfindung des Gelatine-Trockenplattenverfahrens, wurde es möglich, Bilder schneller und effizienter aufzunehmen und zu verbreiten. Diese technische Innovation ermöglichte es, Fotografie als ein Mittel der Massenerzählung zu etablieren. Die erste massenhaft reproduzierbare Fotografie in einer Zeitung erschien 1880 in der New York Daily Graphic, was den Beginn der modernen Pressefotografie markierte.

Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) setzte der Fotograf Mathew Brady die Fotografie ein, um die Schrecken des Krieges zu dokumentieren. Seine Arbeiten gelten als ein Meilenstein, da sie die Macht der Fotografie zur Dokumentation von Ereignissen und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung demonstrierten. Diese Bilder, die erstmals das Ausmaß von Krieg und Zerstörung einem breiten Publikum zugänglich machten, legten den Grundstein für die Rolle der Fotografie im Journalismus.

Das goldene Zeitalter der Pressefotografie: 1920er bis 1950er Jahre
Die Zeit zwischen den 1920er und 1950er Jahren wird oft als das goldene Zeitalter der Pressefotografie bezeichnet. In dieser Epoche erlebte die Fotografie eine beispiellose Blütezeit, angetrieben durch technische Fortschritte wie die Erfindung der Kleinbildkamera, insbesondere der Leica in den 1920er Jahren. Diese Kameras ermöglichten es Fotografen, schneller und flexibler zu arbeiten und spontane, ungestellte Aufnahmen zu machen.

In den 1930er Jahren wurde die Fotografie durch Illustrierte wie Life und Picture Post weltweit populär. Diese Magazine setzten stark auf Fotoreportagen, die durch ihre visuelle Kraft ganze Geschichten erzählten. Fotografen wie Henri Cartier-Bresson, Robert Capa und Dorothea Lange wurden zu Ikonen der Pressefotografie, indem sie bedeutende historische Ereignisse und gesellschaftliche Realitäten mit ihren Bildern einfingen.

Besonders prägend war die Rolle der Fotografie während des Zweiten Weltkriegs. Robert Capas berühmtes Foto der Landung in der Normandie oder Joe Rosenthals Bild des Hissens der amerikanischen Flagge auf Iwo Jima wurden zu Symbolen des Krieges und prägten das kollektive Gedächtnis. Die Pressefotografie hatte sich als unverzichtbares Mittel der Kriegsberichterstattung etabliert, das die öffentliche Meinung maßgeblich beeinflusste.

Die Pressefotografie im digitalen Zeitalter
Mit dem Aufkommen des digitalen Zeitalters in den 1990er Jahren erlebte die Pressefotografie erneut eine tiefgreifende Transformation. Digitale Kameras revolutionierten die Art und Weise, wie Fotografen arbeiten, indem sie die Möglichkeit boten, Bilder sofort zu überprüfen und zu bearbeiten. Dies führte zu einer Beschleunigung des Nachrichtenzyklus und ermöglichte es, Bilder nahezu in Echtzeit zu verbreiten. Ich habe dazu ein Interview mit dem Leica-Fotografen Herbert Piel geführt.

Das Internet und soziale Medien haben die Verbreitung von Pressefotos weiter verändert. Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram haben es möglich gemacht, dass Fotografien global und ohne Verzögerung verbreitet werden. Gleichzeitig haben diese Entwicklungen die Rolle des professionellen Pressefotografen herausgefordert, da nun jeder mit einem Smartphone potenziell zum Bildberichterstatter werden kann.

Diese Demokratisierung der Fotografie hat jedoch auch ethische und qualitative Herausforderungen mit sich gebracht. Die Authentizität von Bildern ist zu einem zentralen Thema geworden, insbesondere in einer Zeit, in der digitale Bildbearbeitung leicht zugänglich ist und die Verbreitung von Fehlinformationen ein ernsthaftes Problem darstellt.

Die Zukunft der Pressefotografie
Die Pressefotografie steht heute vor neuen Herausforderungen und Chancen. Während technologische Fortschritte weiterhin die Arbeit von Fotografen verändern, bleibt die zentrale Aufgabe der Pressefotografie unverändert: die visuelle Dokumentation und Interpretation von Ereignissen, um die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren.

Die Rolle des Pressefotografen entwickelt sich weiter in einem Umfeld, das durch ständigen Wandel und technologische Innovationen geprägt ist. Doch trotz der Herausforderungen, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, bleibt die Kraft eines einzelnen Bildes, das eine Geschichte erzählt, ungebrochen. Die Zukunft der Pressefotografie wird weiterhin von ihrer Fähigkeit abhängen, in einer zunehmend visuellen Kultur relevant zu bleiben und gleichzeitig die ethischen Standards des Journalismus zu wahren.

Für mich bleibt die Pressefotografie ein unverzichtbares Element der modernen Berichterstattung, das durch seine einzigartige Fähigkeit, Momente einzufangen und Emotionen zu vermitteln, tief in das kollektive Bewusstsein eingreift und die Art und Weise prägt, wie wir die Welt um uns herum verstehen. Ich habe mir vorgenommen, mehr Schwarzweiß in diesem Jahr zu fotografieren. Mit SW habe ich angefangen und ich kann dir Wirkung meiner Bilder besser steuern. 2024 war ich in Prag und dieses Jahr in Estland und habe mit der Fujifilm X100VI meine Fotos in SW geschossen. Ein paar Farbbilder mit dem iPhone waren aber auch dabei.

Bücher über die Geschichte der Pressefotografie gibt es viele. Im Moment lese ich das Buch Die Erfindung der Pressefotografie aus der Sammlung Ullstein 1984-1945. Also ein klarer Tipp mit vielen Bildern deutscher Fotografen, von denen man etwas lernen kann.

Auch super interessant ist das Buch: Das Buch „Licht – Bild – Experiment“ von Cornelia Kemp enthüllt: Franz von Kobell machte die erste Aufnahme der Frauenkirche zwei Jahre früher als bisher angenommen. Als Geburtsjahr der Fotografie gilt das Jahr 1839, als Louis Jacques Mandé Daguerre seine Erfindung in Paris öffentlich machte. Die ältesten Aufnahmen aus Deutschland stammen von Franz von Kobell und werden in den Sammlungen des Deutschen Museums aufbewahrt. Cornelia Kemp hat die Bilder jetzt untersucht und herausgefunden, dass das älteste auf März 1837 datiert ist. Es zeigt die Frauenkirche in München. Mit ihrem neuen Buch „Licht – Bild – Experiment. Franz von Kobell, Carl August Steinheil und die Erfindung der Fotografie in München“ ergänzt die Wissenschaftlerin die Frühgeschichte dieser Bildtechnik um ein neues Kapitel.

Fotografen-Legende Herbert Piel

24. Dezember 2024

Die schlechten Fotos des Vaters waren der Grund, warum Herbert Piel im Alter von zehn Jahren zur Leica seines Vaters griff und sich im Laufe der Jahre zu einem der großen deutschen Leica-Fotografen mauserte.

Im Legenden-Interview von Markus Elfert von Filmreport und mir sprachen wir mit Herbert Piel über Pressefotografie, über analoge und digitale Zeiten und Konzertfotografie und vieles mehr rund um Fotografie. Piel ist ein Geschichtenerzähler. Dass er mit Fotos Geschichten erzählen kannst lange bekannt, dass er auch als Mensch Geschichten erzählen kann, wurde in diesem Zoom-Interview wieder bewusst.

„Als Lokalfotograf bist du Dienstleister“, berichtet er über seine Anfänge bei der Tageszeitung. Die Taktung der Termine ist im Lokalen enorm. Dort lernte er sich zu organisieren und alle Termine unter einen Hut zu bekommen. Daraus resultiert auch eine seiner schlechten Eigenschaften: „Ich bin furchtbar ungeduldig.“ Termine hält er auf die Minute ein und erwartet dies auch von seinem Gegenüber.

Piel spricht über das Verhältnis zu schreibenden Journalisten „Ich habe den Moment und diesen Moment muss ich umsetzen.“ Als schreibender Berichterstattung kann ich nachträglich eingreifen, als Bildberichterstatter ist der Moment vorbei. Er diskutiert auch das berühmte Robert Capa-Zitat „Es gibt keine schlechten Fotos, es gibt nur Fotos, wo du nicht nahe genug warst.“ Das war nicht nur räumlich gemeint, sondern emotional. Ich werde diesen Gedanken in einem meiner Seminare über berühmte Fotografen diskutieren lassen.

Auch ein anderer großer Fotograf kam zur Sprache: James Nachtwey „Er ist immer in Ländern, bei dem die Ländern noch nicht wissen, dass sie demnächst Krisengebiet sind.“ Nachtwey habe ein „unheimliches Gefühl für solche Situationen“, so Piel.

Und natürlich mussten wir die Frage nach Farbe oder SW stellen. „Die Dramatik in einem Schwarzweißfoto ist besser auf den Punkt zu bringen.“ Wir sprachen über den analogen Entwicklungsprozess von Bilder, vergrößern, abziehen, wässern und auch über seine interessanten Foto-Workshops im kommenden Jahr. Alle abgebildeten Bilder in diesem Blog und und im Video stammen von Herbert Piel.

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Pardon – ein Klassiker des deutschen Satire-Journalismus

2. Juni 2024

Ich hab mich geärgert, dass ich die Ausstellung in Regensburg zur Satire-Zeitschrift „Pardon“ verpasst habe. Ein lieber Kollege brachte mir den Flyer mit und ich bestellte daraufhin den Katalog. Interessant war, so berichtete er, dass junge Menschen mit den Zeichnungen nichts anfangen konnten, weil ihnen wohl der politische Hintergrund fehlte, von der Zeit in der die satirischen Zeichnungen entstanden sind.

Die Satire-Zeitschrift „Pardon“ war eine bedeutende deutsche Publikation, die von 1962 bis 1982 erschien und in dieser Zeit großen Einfluss auf die deutschsprachige Medienlandschaft hatte. Gegründet von Hans A. Nikel, Erich Bärmeier und Gerhard Kromschröder, positionierte sich „Pardon“ als humoristisches und zugleich kritisches Magazin, das politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen aufgriff. Das erste Titelbild schuf übrigens kein Geringerer als Loriot.

Gerne hätte ich die Ausstellung gesehen. So bleibt mir nur das Lesen im begleitenden Ausstellungskatalog Teuflische Jahre: Pardon: Die deutsche satirische Monatsschrift 1962–1982. Für mich ist „Pardon“ ein Beispiel dafür, wie Satire als Mittel zur Reflexion und Kritik gesellschaftlicher Zustände genutzt werden kann. Die Zeitschrift zeigte, dass Humor und Ernsthaftigkeit keine Gegensätze sein müssen, sondern sich ergänzen können, um wichtige Botschaften zu vermitteln und Veränderungen anzustoßen. Bis heute erinnert man sich an „Pardon“ als eine Pionierin des deutschen Satirejournalismus und als eine Zeitschrift, die den Mut hatte, unbequem zu sein und Tabus zu brechen.

Kein Blatt vor den Mund
„Pardon“ war bekannt für seinen bissigen Humor und seine scharfsinnigen Karikaturen, die oft kontroverse Themen behandelten. Die Zeitschrift nahm kein Blatt vor den Mund und kritisierte sowohl politische Entscheidungsträger als auch gesellschaftliche Missstände. Besonders in den 1960er und 1970er Jahren, einer Zeit großer politischer und sozialer Umbrüche in Deutschland, spielte „Pardon“ eine wichtige Rolle. Die Zeitschrift diente als Sprachrohr für eine Generation, die sich gegen das Establishment stellte und Reformen forderte.

Ein Markenzeichen von „Pardon“ war die enge Zusammenarbeit mit bekannten Künstlern und Schriftstellern. Zu den regelmäßigen Beiträgern gehörten prominente Persönlichkeiten wie Robert Gernhardt, F.W. Bernstein und F.K. Waechter. Diese Autoren und Illustratoren prägten den Stil und das Erscheinungsbild der Zeitschrift maßgeblich. Ihre Werke waren nicht nur humorvoll, sondern regten auch zum Nachdenken an und forderten die Leser heraus, bestehende Normen und Werte zu hinterfragen.

Kunst der Karikatur
Ein bemerkenswertes Element von „Pardon“ war die Kunst der Karikatur. Die Zeitschrift setzte diese Form der Illustration meisterhaft ein, um komplexe politische und soziale Themen auf eine leicht verständliche und zugängliche Weise darzustellen. Karikaturen von namhaften Künstlern wie Chlodwig Poth und Hans Traxler wurden zu einem integralen Bestandteil des Magazins und trugen erheblich zu dessen Popularität bei.

Das Ende
Trotz ihres Erfolgs und ihrer Bedeutung geriet „Pardon“ im Laufe der Zeit in finanzielle Schwierigkeiten. Der Wandel in der Medienlandschaft und das Aufkommen neuer Satireformate führten schließlich zur Einstellung der Zeitschrift im Jahr 1982. Dennoch bleibt „Pardon“ ein wichtiger Teil der deutschen Mediengeschichte. Ihre Rolle als kritisches und humorvolles Sprachrohr einer ganzen Generation hat nachhaltigen Einfluss auf nachfolgende Satiremagazine und die deutschsprachige Satirekultur insgesamt.