Kino muss sich neu erfinden. Kino darf nicht nur mehr ein Filmtheater sein, in dem mehr oder weniger erfolgreiche Filme abgespielt werden. Kino muss sich verändern.
Ich war neulich Moderator einer sehr interessanten Diskussion unter Filmfreunden. Dort erklärte ein geschätzter Kollege, dass ihm Kino einfach zu teuer ist, wenn er mit der ganzen Familie einen Film besucht und dann zudem Softgetränke und Knabberzeugs geordnet werden. Da wartet er lieber drei Monate auf die Bluray-Veröffentlichung und zieht sich den Film über den heimischen 4K-Beamer und Soundanlage zu Hause rein – zu deutlich geringeren Kosten. Da half es auch nicht, dass ich die Kosten des Kinobetreibers anführte, der einen Teil des Filmeintritts an den Verleih abdrücken muss, Arbeitsplätze vor Ort sichert und sein Überleben und das seiner Angestellten durch Getränke und Fastfood sichern muss. Zudem kommen hohe Energie- und Mietkosten, Investitionen in Technik und Ausstattung.
Aussage steht gegen Aussage und klar ist: Kino muss sich neu erfinden. Die Studios müssen endlich ihre Mutlosigkeit aufgeben und in neue Stoffe investieren. Ich will als Kinogänger endlich neue Stoffe sehen. Ich will den Reiz des Kinos spüren. Ich will in eine Traumwelt eintauchen.
Wobei natürlich die schrecklichen Fortsetzungen gut laufen und Geld in die Kasse spielen. Mission Impossible, Indy Jones, Fast and Furious, Gurdian of the Galaxy und die Eberhofer-Reihe beweisen, dass das Rezept der Fortsetzungen eine sichere Bank ist. Alter Wein in neuen Schläuchen. Aber das wird das Kino nicht retten, denn ich brauche nur drei Monate warten, dann ist der Stream oder die Bluray-Veröffentlichung da. Ich will wieder überrascht werden. Ich will wieder fasziniert werden. Ich will wieder gebannt werden.
Wie sehen die Zahlen aus? Die Kinobranche verkauft im 1. Halbjahr mit 45,2 Mio Tickets 36,2 % mehr als 2022 und 15,7 % weniger als im vor-pandemischen 2019. Der Umsatz liegt mit 455 Mio Euro 48,9 % höher als 2022 – und beinah auf dem Niveau von 2019. Durch Erfolge wie Barbie und Oppenheimer hofft die Branche, an 2019 anzuschließen. Für mich persönlich sind die Dune 2 und Napoleon die Highlights des zweiten Halbjahres, wobei der lang erwartete Dune 2 schon auf 2024 verschoben wurde. Grund ist der Streik in Hollywood.
Welche Möglichkeiten hat das Kino? Ein Weg für mich: Kino muss stärker Community-Hotspot werden, ein Treffpunkt von Gleichgesinnten. Ich versuche es einmal im Monat mit einer Matinee mit fantastischen Filmen. 25 Minuten Vortrag von mir und dann schauen wir gemeinsam einen Film. Die Resonanz des Publikums ermutigt, die Matineen fortzusetzen. Es ist ein kleiner Teil des Communitybuildings, das mehr mit zielgruppenspezifischen Mailings unterstützt werden muss. All das hängt mit Datenpflege zusammen. Wenn ich weiß, wer mein Publikum ist, dann kann ich mein Publikum pflegen – ob Blockbuster oder Arthouse oder Familienfilm oder gar alles zusammen.
Ich genieße es auf Festivals zu gehen, um ein gleichgesinntes Publikum zu treffen. Vor kurzem war ich auf dem Fünf Seen Festival im bayerischen Oberland eingeladen. Interessantes Publikum, interessante Filme, sicherlich eine Nische, aber eine treue Nische für ein Kino. Aber auch hier gilt: Die richtige Zielgruppe muss erreicht werden.
Vor kurzem war Kinotag. An zwei Tagen im September beteiligten sich viele Kinos daran und boten an beiden Tagen einen reduzierten Eintritt von 5 Euro an, um die Begeisterung des Publikums für das Kino neu zu entfachen. Ich selbst durfte eine Matinee durchführen und hielt an beiden Tagen Vorträge über die Kinogeschichte im Foyer des Kinos. So sind es viele kleine Mosaiksteine, um aus Kino eine Community zu machen. Dazu gehören auch Firmen- und Geburtstagsfeiern im Kino. Im Zentrum steht natürlich der Film und die damit verbundene Unterhaltung. Aber Kino muss sich weiterentwickeln und ein Teil eines Kulturgemeinschaft eines Ortes sein. Dazu gibt es für 18jährige auch Geld vom Bund.
Der Buchhandel profitiert bisher am stärksten vom Kulturpass für 18jährige. Über den Kulturpass wurden bislang fast 200.000 Bücher gekauft. Auf Platz 2 liegen demnach Kinobesuche. Sie machen rund 14 Prozent aller Umsätze über das Guthaben aus. Der Kulturpass soll 18jährigen nach der Corona-Pandemie kulturelle Erlebnisse finanziell erleichtern.