Posts Tagged ‘Big Data’

Digitalisierung im Einzelhandel: REWE Scan & Go in der Praxis

13. Dezember 2021

Digitalisierung im Einzelhandel muss nicht automatisch ein Online-Shop sein, es geht auch anders. Bei einem komplett umgebauten REWE-Markt in Geiselbullach im Landkreis Fürstenfeldbruck hatte ich erstmals die Gelegenheit das System REWE Scan & Go auszuprobieren. Das System beschleunigt den Wochenendeinkauf radikal, aber nicht ohne Folgen.

Am Eingangsbereich des REWE-Marktes ist ein Regal mit Scannern. Sie sehen ein wenig aus wie die Phaser aus Raumschiff Enterprise, dienen aber weniger dem Paralysieren von Aliens als vielmehr den Erfassen von Strichcodes auf den Waren des Supermarktes. Es wird zunächst die Payback-Karte des Kunden gescannt. Das Ganze ist ein exklusives Angebot für Kunden dieser Kundenkarte.

Es ist auch möglich sein eigenes Smartphone als Scanner zu verwenden, dazu muss aber die REWE Scan & Go-App installiert sein. Auf jeden Fall steht fest: Der Betreiber verfügt über das komplette Einkaufsverhalten des Kunden. Da das System mit der eineindeutigen Karte des Kunden gekoppelt ist, wandern die Daten automatisch in die Big Data-Analyse: Welcher Kunde leistet sich welche Waren zu welcher Zeit zu welchem Preis – ein wahrer Schatz für Datenfreaks und Unternehmen, die genau wissen wollen, wie ihre Kunden ticken.

Der Scanner wird am Einkaufswagen eingesteckt, damit der Kunde die Hand frei hat. Hat er sich für ein Produkt entschieden, dann scannt der den Strichcode und der interne Rechner zählt die Preise zusammen, so dass der Kunde immer weiß, wie teuer sein Einkauf gerade ist. Natürlich kann man ein Produkt auch zurücklegen und den Einkauf löschen bzw die Mengenanzahl erhöhen oder reduzieren. Das ist sehr bequem und als Kunde habe ich jederzeit den Überblick.

An der Kasse muss ich meine Waren nicht wieder aufs Kassenband legen, sondern checke bei der Expresskasse aus. Das spart enorm Zeit und dauert nur ein paar Sekunden. Das lästige „Storno an Kasse 3“ entfällt. Bezahlt wird mit Electronic Cash, also Plastikkarte oder mobiles Zahlen mit beispielsweise der AppleWatch. Die Waren bleiben im Einkaufswagen und müssen nicht wieder vom Wagen aufs Band und dann wieder in den Wagen gelegt werden.

Für den Supermarkt bedeutet es ein gewisses Risiko. Sind alle Kunden ehrlich? Haben alle die Produkte wirklich gescannt? Bei unserem Einkauf gab es Stichproben durch eine Aufsichtsperson. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist ab und zu besser. Der Betreiber erhält anhand seines Warenwirtschaftssystems die wirklichen Zahlen von Umsatz und Bestand.
Auch klar ist, dass durch so ein System weniger Kassenkräfte benötigt werden. Es bedeutet eine deutliche Reduzierung der Kosten, wenn weniger Personal benötigt wird. Im Gespräch mit einer Verkäuferin wurde gesagt, dass noch genügend zu tun sei. Zudem sei es immer schwieriger geneigtes Personal zu finden.

Ich finde es eine spannende Entwicklung. Amazon hat es mir seinen Stores und einem eigenen System vorgemacht. REWE und Payback ziehen hier nach. Ich bin gespannt, welche Ideen die anderen Supermarktketten in diesem Land haben. Ich stelle fest: Die Digitalisierung schreitet voran.

Was die Bienen mit KI zu tun haben?

14. Juli 2021

Ein Hightech-Bienenstock sammelt Umweltdaten auf dem Dach des bayerischen Digitalministeriums. In dem mit Sensoren vernetzten Bienenstock befinden sich rund 15.000 Insekten. Mittels künstlicher Intelligenz werden die hochsensiblen Biosensoren der kleinen Tiere unter anderem dazu genutzt, Vorhersagen über Unwetter, Trockenperioden oder andere Wetterextreme zu machen.

Ministerin Judith Gerlach (Mitte), Wolfgang Schwirz (r.) und ich links im Digitalministerium vor interessanter Tapete.

Die bayerische Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach stellte sich in einem Online-Seminar den Fragen von Wolfgang Schwirz, Referatsleiter Landwirtschaft, Umweltschutz, Energie, Verbraucherschutz bei der HSS und mir. Es war eine hybride Veranstaltung. Die Teilnehmer des Seminars waren online über ein iPad zugeschaltet.

„Klimaschutz ist eine Generationenfrage“, so Judith Gerlach. Das Bienenprojekt sei ein kleines Projekt und stehe symbolhaft für Nachhaltigkeit. Wichtig sei das Generieren der KI-Daten durch die Bienen. Bei dem vom Digitalministerium unterstützten Projekt des Unternehmens we4bee in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg werden mit Hilfe eines Netzwerks digital überwachter Bienenstöcke Informationen über die Bedürfnisse der Bienen zum Schutz unserer Umwelt gesammelt. Da Bienen außerdem hochsensible „Biosensoren“ sind, können Datenauswertungen mittels Künstlicher Intelligenz sogar für Vorhersagen über Unwetter, Trockenperioden und andere Naturkatastrophen genutzt werden. „Die digitale Beobachtung der Bienen und KI-gestützte Auswertung der Daten liefern wertvolle Erkenntnisse über Umweltereignisse.

Insgesamt erfasst das Projekt inzwischen Daten aus mehr als 100 Bienenstöcken weltweit, darunter Standorte in Österreich, Liechtenstein, Luxemburg, Italien, Ungarn und Mexiko. Mithilfe von Big-Data-Analysen und Prognosemethoden für maschinelles Lernen werden die Daten ausgewertet. Ziel sei es, Erkenntnisse über die Bienen und ihre jeweiligen Lebensbedingungen zu gewinnen, so Judith Gerlach. Mit Hilfe gleichzeitig erhobener Wetterdaten sollen künftig auch Umweltereignisse wie beispielsweise Unwetter oder Trockenperioden prognostiziert werden können.

Das zeigt einmal mehr: Digitalisierung ist eine große Chance für den Klima- und Umweltschutz.“ Es sei eine schöne Verbindung zwischen dem Umweltgedanken und den Gedanken der Digitalisierung. „Ich versuche immer das Technikthema in die Diskussion mitreinzunehmen“, so die Ministerin, die Werbung für die HighTech-Agenda machte. Sie sieht die die Chance durch Innovation den Klimaschutz vorantreiben und dadurch Wertschöpfung für die Wirtschaft zu genieren. „Da ist sehr viel Potenzial, das wir noch nicht abschöpfen.“
„Im Digitalbereich machen wir uns oft nicht Gedanken über Nachhaltigkeit und Energieverbrauch“, so Schwirz. „Wir haben einen Ressourcenverbrauch“ bei seltenen Erden und einen hohen Energieverbrauch von Rechenzentren. „Aber wir dürfen es nicht nur einseitig sehen, sondern müssen schauen, wo wir Digitalisierung nutzen können, um einen Vorteil für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu generieren“, so die Ministerin.

Die ganze Veranstaltung gibt es auch als VR 360 Video

Europäischer Datenschutztag: Nachdenken über Daten als Wirtschaftsgut

28. Januar 2019

Der Datenskandal vor wenigen Wochen hat gezeigt: Wir haben ein Problem. Teile der Gesellschaft sind noch nicht in der Digitalisierung angekommen, einige sträuben sich sogar mit Händen und Füßen gegen den Wandel der Zeit. 

Aber die neue Zeit kommt und wir sollten uns darauf vorbereiten. Für mich gilt der Ausspruch: Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts und die Wirtschaft wandelt sich von einer Dienstleistungsgesellschaft zu einer Informationsgesellschaft. Bürgerinnen und Bürger müssen erkennen, was ihre Daten wert sind. Aber noch zu viele füttern die Datenkrake mit dem wertvollsten was sie haben: Informationen. 

Für mich persönlich ist die größte Seuche WhatsApp. Bei meinen Vorträgen begegne ich oft unglaubliche Naivität und Unwissenheit über diesen Messenger. Ja, das Ding kostet kein Geld, aber es kostet eure Daten. Wie naiv kann man eigentlich sein und die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts nicht verstehen (wollen). Mark Zuckerberg ist für mich ein Genie. Ich denke, der Mann weiß genau was er tun und schafft seine Reichtümer durch das Verarbeiten von Daten. Die Kombination von Big Data, biometrische Scans und KI schafft perfekte Musteranalysen und künftig Mustervorhersagen. Dazu kommt das blöde Geschwätz wie: „Ich hab doch nichts zu verbergen!“ oder „Was interessiert denn den Zuckerberg, wohin ich in den Urlaub fahre!“ Blöder geht es wirklich nicht. 

Zum Tag des Europäische Datenschutzes, der heute stattfindet, wird es die WhatsApp-Alternative Threema zum reduzierten Preis geben. Das war zumindest in der Vergangenheit so. Der Europäische Datenschutztag wurde 2006 auf Initiative des Europarats ins Leben gerufen und wird seit 2007 jährlich begangen. 

Threema ist für mich DER Messenger schlechthin. Threema ist für mich DER Messenger schlechthin.

Threema ist für mich der Instant-Messaging-Dienst zur Nutzung auf Smartphones und Tablets. Im Jahr 2018 nutzen über 5 Millionen Privatnutzer Threema und 2 Millionen Nutzer „Threema Work“ in 3000 Firmen bzw. Institutionen. Die zugehörige Software ist für die Betriebssysteme Android (ab Version 4.1), iOS (ab Version 9.0) und Windows Phone (ab Version 8) kostenpflichtig verfügbar. Heute wird wohl Threema reduziert und damit für alle Schotten, Schwaben und Geizhälse ein Grund, Threema aus den jeweiligen Stores zu laden.

Digitalisierung und Medienkompetenz hängen zusammen

25. Oktober 2017

Vor kurzem habe ich über die Angst vor der Digitalisierung gebloggt und jetzt ist es mir wieder passiert: Fehlende Medienkompetenz gemischt mit Angst vor Digitalisierung.
Was ist passiert? Ich führte ein Schülerzeitungsseminar durch und wir erstellten eine Seminarzeitung zum Thema Social Media. Meine Schülerinnen und Schüler machten unter anderem eine Umfrage unter anderen Gästen des Bildungszentrums. Auf die Frage: „Was ist Ihre Meinung zu sozialen Netzwerken?“ wurden auch zwei Erwachsene befragt, deren Angst vor Social Media anzumerken war und aufgrund fehlendes Wissens in die WhatsApp-Falle liefen. „Ich lehne Facebook ab. Soziale Medien behindern die Privatsphäre und sie sind sehr gefährlich für die Jugend“, meine eine erwachsene Interview-Partnerin. Alles klar, mit dieser Meinung kann ich leben. Dann kommt aber am Ende des Interviews: „WhatsApp als Möglichkeit für schnelle Kommunikation dagegen empfinde ich als nützlich.“
Wie bitte? Facebook ablehnen und die Datenkrake WhatsApp als nützlich empfinden? Ein Netzwerk, dass die privatesten Daten – das Adressbuch ausliest, auf US-Server überspielt und für Big Data verwendet – als „nützlich“ zu empfinden, zeugt von fehlender Medienkompetenz. Bitte versteht mich richtig. Ich habe nichts gegen die Dame, aber ich habe etwas gegen die fehlende Medienkompetenz.
Auf der gedruckten Seite der Seminarzeitung kam auch noch ein kritischer Herr zu Wort: „Das ständige zur Schaustellen des eigenen Lebens finde ich gar nicht gut.“ Klare Aussage, die ich unterschreiben kann. Aber dann: „Als Vorteile sehe ich aber, dass man per WhatsApp schnell und großflächig Nachrichten verbreiten kann. Wir haben zum Beispiel eine Familiengruppe, die oft sehr nützlich ist.“ Auch hier wieder das Thema WhatsApp und damit fehlende Medienkompetenz.
Und hier bin ich wieder bei meinem Thema Digitalisierung. Nicht alles was digital daherkommt ist automatisch gut. Digitalisierung kann die Welt voranbringen, aber nur wenn sie mit Medienkompetenz verbunden ist. Für mich ist diese Medienkompetenz eines der Schlüsselqualifikationen des 21. Jahrhunderts. Dabei meine ich nicht die Fähigkeit des Wissens, welches Knöpfchen für was nützlich ist. Ich meine die Fähigkeit zu wissen, was und warum etwas so passiert. Die Wirtschaft im 21. Jahrhundert besteht schließlich auch aus Daten.

Digitalisierung – der Angst entgegenwirken

10. Oktober 2017

Wir müssen den Menschen die Angst vor der Digitalisierung nehmen. Immer wieder gebe ich Seminare rund um Big Data, IT-Sicherheit, Social Media oder Künstliche Intelligenz und ich stelle fest, viele Menschen haben Angst vor Veränderung. Angst ist aber immer ein schlechter Ratgeber. Daher ist Information angesagt. Nur Wissen und Information kann den Menschen die Angst nehmen und treibt sie nicht in die Arme von seltsamen Heilsversprechern. Natürlich gilt es die Digitalisierung zu hinterfragen und zu diskutieren. Aber dies kann man nur durch Information.
Mir begegnen als Referent immer wieder Menschen, die irre stolz sind, wenn sie ihren Mailaccount beim Smartphone einrichten können. Für diese Menschen ist dies bereits ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung. Da sind manche meiner Vorträge nahezu Science Fiction, wenn ich über KI oder Sprachassistenten spreche. Für uns IT-Fuzzis ist dies schon normal. Wir diskutieren die Feinheiten zwischen Siri, Alexa und Google Assistent. Die biometrische Gesichtserkennung beim kommenden iPhone X grenzt für diese Seminarteilnehmer nahezu an ein Wunder und von autonomem Fahren haben die Leute nur am Rande etwas gehört.

Die MS Hololens ist für viele Science Fiction.

Die MS Hololens ist für viele Science Fiction.

Hier greifen meine Vorträge zur Digitalisierung, denn ich will diese Leute mitnehmen in eine spannende technische Zukunft, die kritisch hinterfragt werden muss. Wenn ich im Spiegel lese, dass viele Wirtschaftslenker in Deutschland von Digitalisierung keine Ahnung haben, macht es mir um unser Land und unsere Wirtschaft Angst. Hier setze ich mit meinen Seminaren an – und sehe dies als Beitrag zur Medienkompetenz. Aber dazu braucht es auch aufgeschlossene, interessierte Zuhörer.
Vielen Menschen geht die technische Veränderung zu schnell. Sie fühlen sich überfahren, oft allein gelassen und von den Entwicklungen überfordert. Das darf aber in einem Bildungsland wie Deutschland meiner Meinung nach nicht sein.

Technische Neuerungen setzen sich langsam durch.

Technische Neuerungen setzen sich langsam durch.

Technische Neuerungen hatten früher lange gedauert. Ich erinnere mich als Kind, wie der erste Farbfernseher von Grundig die Schwarzweißröhre abgelöst hat, und dann veränderte sich jahrelang nichts mehr im elterlichen Wohnzimmer. Als der Videorekorder kam, musste ich ihn bedienen, meine Eltern waren überfordert. Von der Wählscheibe zum Tastentelefon war es auch ein langer Weg. Die Einführung von technischen Neuerungen beschleunigte sich und meine Eltern waren neugierig, geschockt und verharrten in ihrer alten, oftmals analogen Welt. Jetzt will ich die Erfahrungen mit meinen Eltern nicht auf die Gesellschaft übertragen und dennoch merke ich bei vielen Leuten eine Angst vor etwas Neuem.

Der Computer war eine Revolution.

Der Computer war eine Revolution.

Und im Vordergrund stehen auch immer Sicherheitsbedenken. Smart Home wird verteufelt, weil in irgendeiner Reportage gesagt wurde, wie leicht man ausspioniert werden kann. Ich will mich nicht über die Bedenken lustig machen, sondern wir müssen die Angst ernst nehmen und die Leute informieren. Nicht Panikmache ist wichtig, sondern Information. Information über die Chancen und Risiken, so dass ich am Ende ein Urteil fällen kann und die Digitalisierung in das Leben einbeziehen kann. Wir stehen erst am Anfang der Digitalisierung. Die digitale Welle ist schon am Horizont zu sehen und die Vogel-Strauß-Taktik ist sicher der falsche Weg.

Zutritt zur DB Lounge nur nach Nutzung des elektronischen Lesegeräts

1. August 2017

Nürnberg waren die erste DB-Lounge, dann folgten alle anderen. Seit kurzem muss der Bahnkunde seine BahnCard zücken und durch ein neues elektronische Lesegerät ziehen, um den heiligen Ort der DB Lounge zu betreten. Bisher reichte es aus, dem freundlichen DB-Mitarbeiter die Karte zu zeigen, jetzt muss es elektronisch erfolgen.

So sieht das neue Lesegerät in der DB Lounge aus.

So sieht das neue Lesegerät in der DB Lounge aus.

Als Verbraucherschützer klingeln bei mir die Alarmsirenen. Was macht die Bahn jetzt mit meinen Daten? In Gesprächen mit mir stellen die Mitarbeiter der Deutschen Bahn klar: „Wir speichern keine personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten.“ Gerade das letztere wäre im Hinblick auf Big Data interessant, aber die Bahn hat sich die Sache scheinbar gut überlegt. Es werden ausschließlich folgende Daten erfasst: Zutrittsdatum, Legitimationsberechtigung (BahnCard oder Ticket) und Klasse. Bei den Tickets werden zusätzlich erfasst, um welchen Tarif es sich handelt (Flexpreis, Sparpreis) und Start- sowie Zielbahnhof. Also dann doch wieder Big Data, oder was? Bei den BahnCards werden BahnCard Typ und Comfort-Status erfasst.

Und so funktioniert das neue Lesegerät.

Und so funktioniert das neue Lesegerät.

Die Bahn stellt klar: „Es erfolgt keine Weiterleitung der Daten, die Daten verbleiben bei der verantwortlichen Stelle der DB Fernverkehr AG!“ Sollte mich das jetzt beruhigen? Ich muss sagen, dass alte System, gefiel mir besser. Ich zeigte meine Karte dem freundlichen Bahnmitarbeiter, führte ein Schwätzchen und gut war es. Warum müssen die Daten jetzt elektronisch erfasst werden. Will die Bahn ihre Mitarbeiter einsparen? „Die Legitimationsprüfung erfolgt mittels des elektronischen Lesegeräts anstelle der bisherigen Sichtkontrolle durch unsere Mitarbeiter“, heißt es bei der Bahn. In den DB Lounges, die bereits mit einem elektronischen Lesegerät ausgestattet sind, also alle, sei ein Zutritt ohne Prüfung der Zugangsberechtigung per Scanner nicht mehr möglich. Hossa, das finde ich ganz schön heftig.
Die Bahn sagt: „Die automatische Datenerfassung dient allein der Prüfung der Zugangsberechtigung und der statistischen Auswertung der Besucherzahlen und Kundengruppen.“ Bislang wurden diese Informationen manuell erhoben, der Einsatz des Scanners gewährleiste eine zuverlässigere Erfassung. Jetzt muss der Scanner nur noch richtig funktionieren. Ich bin gespannt, wie sich das System in der Praxis bewährt und was die Bahn mit ihren Mitarbeitern in der DB Lounge vorhat.

Info-Flyer für die Kunden.

Info-Flyer für die Kunden.

Big Data – die Welle wird noch kommen

24. Oktober 2016

Seit einigen Jahren halte ich Vorträge zum Thema Big Data. Die Möglichkeit, alles mit allem zu kombinieren, finde ich faszinierend. Als positiver Mensch war für mich bisher immer das Glas halb voll statt halb leer. In meinem Seminaren stoße ich aber immer wieder Teilnehmer vor dem Kopf, die sie sich vor Big Data schützen wollen. Sie wollen nicht mitmachen. Da muss ich diese Teilnehmer restlos enttäuschen. Mein Credo: Sie haben nicht mehr die Entscheidung, ob Sie mitmachen oder nicht. Sie haben nur noch die Wahl, wie viel Sie mitmachen. Der Zug, ob Ja oder Nein, dieser Zug ist schon lange abgefahren.
Ich propagiere in meinem Seminaren die Datensparsamkeit. Nicht jede digitale Sau, die durchs digitale Dorf getrieben wird, macht das Lebens lebenswerter.
Aber auch mich holt die Realität ein. Die Seuche und Datenkrake WhatsApp ist allgegenwärtig. Die gleichen Leute, die nach Schutz ihrer Daten rufen, nutzen WhatsApp, weil man ja umsonst chatten kann. Gleichzeitig überspielen wir unsere Adressbücher zu Herrn Zuckerberg, der sich ins Fäustchen lacht. Der Typ hat 18 Miliarden US-Dollar dafür gezahlt, der will damit Geld machen. Wer WhatsApp nutzt, hat sich in Sachen Datenschutz disqualifiziert und hält bitte einfach mal den Mund. Ok, das war jetzt hart, aber es ist leider so.
Die Gier ist etwas Gutes, so sagte es Gordon Geko in Wallstreet. Und die Gier, etwas zu sparen, ist weit verbreitet. Geiz ist geil hat diese Gesellschaft durchsetzt. Haben eure Eltern euch nicht beigebracht, dass es nichts umsonst gibt? Wir bezahlen für alles. Nicht immer mit Geld, heute mehr und mehr mit Daten. Die Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts und ich ziehe vor Zuckerberg, Page und Brin meinen Hut.
Vor kurzem erreichte mich eine neue Umfrage. Deutschland bleibt ein Land der (Schnäppchen)-Jäger und (Treueherzen)-Sammler. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Cashback-Portals Shoop.de. So nutzen bereits 90 Prozent aller Deutschen immer bzw. gelegentlich Bonusprogramme beim Online- und Offlineshopping. Ganz vorne unter den beliebtesten Treueprogrammen liegt dabei Payback, das von rund 71 Prozent der Befragten bei jedem Einkauf bzw. gelegentlich genutzt wird. Bei jedem Besuch in meinem örtlichen Rewe die Frage: „Haben Sie eine Payback-Karte?“ Auf Platz zwei folgt dann die Deutschlandcard, die bei immerhin knapp 42 Prozent der Verbraucher zum Einsatz kommt.

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Weitere beliebte Bonus- und Rabattaktionen der Deutschen sind die Ikea Family Card (28 Prozent), kostenlose Kundenkarten (29 Prozent) sowie Treuepunkte-Aktionen (23 Prozent) und Treueprogramme (26 Prozent) verschiedener Einkaufs- und Handelsketten wie Kaisers, Kaufland, Rossmann und Co. Weniger genutzt werden hingegen kostenpflichtige Kundenkarten (13 Prozent) und Shoppingclubs (11 Prozent). Auch das Prinzip Cashback ist bislang bei Verbrauchern noch wenig bekannt. Hier geben lediglich 14 Prozent der Befragten an, dieses immer oder gelegentlich zu nutzen.
Der Fall Target in den USA müsste eigentlich ins jedes Schulbuch gehören. Die Drogeriekette hatte die Schwangerschaft einer minderjährigen Kundin via Datenanalyse herausgefunden und der jungen Frau Werbung für Babyartikel geschickt. Big Data macht es möglich. Und was machen wir mit den Treueprogrammen? Wir geben fleißig unsere Einkaufsdaten ab zur Profilerstellung, nur um ein paar Cent zu sparen.

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Interessant: Gefragt nach der generellen Nutzung von Bonus- und Rabattaktionen, fällt auf, dass speziell Einkommensstarke großen Gefallen an Treueprogrammen finden und sich als wahre Sparfüchse erweisen – ich würde sie eher als Datenschleudern bezeichnen. So nutzen knapp 94 Prozent der Befragten mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von mehr als 3.000 Euro meistens oder gelegentlich Bonusprogramme. Verbraucher mit einem Einkommen von 1.500 bis 3.000 Euro pro Monat greifen ebenfalls zu rund 92 Prozent auf eines der vielen Vorteilsangebote zurück. In der unteren Einkommensgruppe bis 1.500 Euro sind dagegen nur noch vier von fünf Befragten (83 Prozent) an Rabatten oder Boni interessiert. Kaum Unterschiede bei der Nutzung von Treueprogrammen sind hingegen zwischen den verschiedenen Geschlechtern festzustellen. Hier greifen knapp 91 Prozent der Frauen und mehr als 89 Prozent der Männer beim Einkauf meistens oder manchmal zu einem Rabattprogramm. Lediglich die Ikea Family Card (31 Prozent Frauen, 24 Prozent Männer) und die kostenlosen Kundenkarten (33 Prozent Frauen, 24 Prozent Männer) werden deutlich häufiger von Frauen als von Männern genutzt.

Viele Kunden bevorzugen Geld-zurück statt Sachprämien
Fragt man nach den konkreten Gründen für die Nutzung von Bonusprogrammen, geben knapp 82 Prozent der Befragten an, sich darüber zu freuen, bei jedem Einkauf Sofortrabatte zu bekommen. Vier von fünf Verbrauchern (79 Prozent) schätzen es außerdem, wenn sie sich bei einer Rabatt- oder Treueaktion Geld direkt auf das eigene Konto überweisen lassen können. Dass Cashback klare Vorteile im Vergleich zu anderen Programmen hat, wurde bereits von der Stiftung Warentest bestätigt (Finanztest Ausgabe 01/2016). Das Geld-zurück-Prinzip ist für Verbraucher deutlich lohnenswerter und sie müssen auch weniger persönliche Daten angeben als bei anderen Treueprogrammen. Email-Adresse und Passwort für die einmalige Registrierung reichen und schon kann man bequem in einem der vielen Partnershops einkaufen gehen, so die Erklärung von Shoop.de.
Im Gegensatz zu Programmen werden bei Cashbackportalen wie Shoop (www.shoop.de), keine Treueherzen geklebt und auch keine Punkte gesammelt. Der Kunde erhält bei jedem Einkauf einen festgelegten Prozentsatz des Nettowarenwerts in klaren Raten bzw. konkreten Eurobeträgen zurück. Cashback bietet somit transparente Vorteile und der Verbraucher weiß immer genau, wie viel er für seinen jeweiligen Einkauf zurückbekommt. Das hat auch schon über 500.000 Nutzer von Shoop.de überzeugt, so die Pressemitteilung.
Und ich werde nicht müde in meinem Seminaren das Thema Big Data zu thematisieren. Ich halte den Verbraucherschutz in unserem Lande für wichtig.

#rpTEN: Meine Eindrücke von Snowden, TTIP-Leaks und Lobo

3. Mai 2016

Held oder Verbrecher? Eduard Snowden live in Berlin.

Held oder Verbrecher? Eduard Snowden live in Berlin.

Für mich stand der erste Tag der zehnten re:publica #rpTEN im Zeichen der Extreme. Er stand zwischen kompletten Quatsch und hochbrisanter Politik. Ich beginne mal mit dem Quatsch.
Die Bloggerkonferenz ist voller geworden, 8000 Leute haben sich angemeldet. Warum wollen eigentlich alle Leute in die Sessions, in die ich auch hinein will. Die Konsequenz war, entweder am Boden sitzen oder vor der Tür bleiben. Die Räume sind eindeutig zu klein, die Menge zu groß. Vielleicht lasse ich aus diesen Gründen die nächste re:publica 2017 aus. Das Ding ist extrem erfolgreich, wächst und wächst und wird sogar am 20. Oktober 2016 noch eine Konferenz in Dublin durchführen. Aber ich wollte ja etwas humorvolles berichten.

Geburtstagsständchen für #rpTEN
Als mein Kollege Thomas Gerlach und ich mal wieder nicht in einen Vortrag wegen Überfüllung kamen, würden wir von jungen Leuten angesprochen, die ein Geburtstagsvideo zur #rpTEN drehen wollten. Klar machen wir da mit. Die jungen Kolleginnen und Kollegen hatten eine 360 Grad-Konstruktion von GoPro-Kameras, Funkmikros, Luftschlangen, Partyhüte und aufblasbarerer Torte dabei. Also bauten wir uns auf, wurden verkabelt und ausstaffiert und machten zwei Durchgänge mit Happy Birthday. Ich waren uns richtig zum Affen gemacht und schaurig gesungen. Die Sache war im Kasten, wir verließen die Szene und für das Filmteam begann der Ärger. Ein Techniker der rpTEN stürmte auf die Kameracrew zu und stauchte sie zusammen. Die jungen Menschen hatten sich nicht an die Frequenz der Funkmikros gehalten und fröhlich Frequenzen eingestellt. Blöderweise war das auch die Frequenz der Mikros bei den offiziellen Sessions. Unser schauriger Gesang wurde also zweimal in die volle Veranstaltung übertragen, in die wir wegen Überfüllung abgewiesen wurden. Rache ist eben Blutwurst.

TTIP-Leaks: Greenpeace veröffentlicht Dokumente
Ganz ohne Humor und ernsthaft lief die Veröffentlichung der TTIP-Leaks durch Greenpeace ab. Der Zulauf der klassischen Massenmedien war enorm, dazu noch eine Konferenz voller hervorragend vernetzter Blogger und Social Media-Fuzzis – da war Reichweite garantiert. Greenpeace Niederlande hat 13 Kapitel der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU veröffentlicht. Die Dokumente haben einen Umfang von 250 Seiten sowie Anhänge. Ein Verbund von Greenpeace, NDR, WDR und SZ haben die Dokumente analysiert. Die Texte zeigen, mit welchem Druck die USA ihre Interesse nachhaltig vertreten. Obwohl die Veröffentlichung illegal ist, erklärt Greenpeace: „Vielmehr geht es um die grundlegenden Fragen etwa des Umwelt- und Verbraucherschutzes, der Produktsicherheit und der Arbeitnehmerrechte. Die Antworten auf diese Fragen werden das Leben von einer halben Milliarde Europäer verändern. Deshalb sind wir der Auffassung, dass derart weitreichende Entscheidungen in transparenter Form und nach breiter gesellschaftlicher Debatte getroffen werden müssen.“

Snowden ist genervt
Für mich war sicherlich die Live-Schaltung zu Eduard Snowden nach Moskau ein HighlIght. Der Whistleblower wurde von den 800 Besuchern im Raum der #rpTEN gefeiert, beklatscht, bejubelt. Die Frage, die ich via Twitter und Facebook stellte, ob er ein Held oder ein Verbrecher sei, wurde in Berlin eindeutig mit Held beantwortet. Mein Eindruck war, dass Snowden trotz seines Heldenstatus von der Bundesregierung genervt ist. Sie haben ihn noch immer nicht ins Land gelassen. Wörtlich sagte er: „Wir haben jetzt 2016 und niemand ist wegen meiner Enthüllungen gestorben. Aber die deutsche Regierung lässt mich nicht einreisen.“ Snowden habe in 21 Ländern Asyl beantragt, aber noch nichts gehört. Das zerrt an den Nerven. Neue Aussagen kamen von ihm nicht: Er erinnerte an Datenschutz, wies auf die Gefährlichkeit von Metadaten hin, sah die Privatsphäre weiterhin gefährdet. Wenn ich in meine Seminarpraxis schaue, dann merke ich, wie wenig Snowden erreicht hat. Sätze wie „Ich hab doch nichts zu verbergen“, zeigen die Hilflosigkeit der Bürger und das fehlende Wissen um Big Data-Zusammenhänge.

Und trotzdem Sascha Lobo
Abends kam dann noch Sascha Lobo auf die Bühne und ließ sich feiern. Nachdem er 2015 nicht auf der re:publica dabei war, hielt er zu #rpTEN wieder eine launige Rede. So wie die Spiegel, die überall auf dem Gelände hängen und aus der TEN ein NET machen, so hielt er den Besuchern der Bloggerkonferenz den Spiegel vor. Und die Besucher seien in die Jahre gekommen, verstünden wie er auch Snapchat nicht. Dabei geht es nicht mehr um Tools, sondern um Konzepte und Einstellungen. Ach ja, Deutschland liegt beim Ausbau von Glasfaserkabeln auf dem drittletzten Platz, kurz vor Jordanien.
Lobo glaubt nicht mehr daran, dass die Verantwortlichen der NSA-Affäre bestraft würden. Schließlich sei die Gesamtzahl der entlassenen Mitarbeiter nach den Snowden-Enthüllungen in der vergangenen Woche auf zwei gestiegen: Gerhard Schindler, der bisherige Chef des Bundesnachrichtendienstes, und Edward Snowden selbst. Lobo machte den Zuhörern weiter Mut: „Trotzdem möchte ich versuchen, optimistisch zu bleiben.“ Trotzdem war das Wort des Abends, trotzdem werde man weiter kämpfen, trotzdem werde man sich nicht unterkriegen lassen. Er zeichnete ein düsteres Bild, die politische Rechte haben soziale Netzwerke für sich entdeckt und nutzen Facebook und Co. Mit 237000 Fans auf der AfD Facebook-Seite gebe es mehr Fans als bei SPD, CDU und FDP zusammen. Und trotzdem müsse es weitergeh, so Sascha Lobo in seinem Vortrag „The Age of Trotzdem.“

Reiseführer ins Neuland

25. Februar 2016

Seit mehreren Jahren gebe ich intensiv Seminare zum Thema Medienkompetenz. In Bayern und Deutschland bin ich mit meinen Vorträgen unterwegs und bin als digitaler Nomade eine Art Reiseführer ins Neuland. Ich habe Erfolg und es macht Spaß. Aber wenn ich mir die neuen Ergebnisse von TNS Infratest ansehen, komme ich zu zwei Ergebnissen:
1) Das negative Ergebnis: Meine Schulungen und Seminare sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie überzeugen zwar meine Kunden, aber gesamtgesellschaftlich gesehen, hat es kaum Impact.
2) Das positive Ergebnis: Es besteht ein großer Bedarf über meine Schulungen zur Medienkompetenz. Es gibt noch genügend Leute, für die technische Themen noch wirkliches Neuland sind und die einen Reiseführer wie mich benötigen.

neuland
Da für mich das Glas immer halb voll statt halb leer ist, nehme ich die zweite Schlussfolgerung. Der Realität muss ich ins Auge sehen und den Markt angehen. Digitale Begriffe wie Wearables, mCommerce oder auch das Internet der Dinge sind den Bundesbürgern weitgehend unbekannt. 80 Prozent und mehr wissen nicht, worum es sich bei diesen Begriffen handelt. Auch die häufiger im Sprachgebrauch oder in den Medien zu hörenden Begriffe wie Big Data oder Industrie 4.0 sind drei Viertel der Bundesbürger kein Begriff. Insgesamt 14 Begriffe aus der digitalen Welt haben die EMNIDbusse exklusiv für das Magazin für Media-, Markt- und Werbeforschung Research & Results bevölkerungsrepräsentativ telefonisch zwischen dem 14. und 16. Januar abgefragt. 1.003 Personen antworteten auf die Frage, welche der aus dem täglichen Sprachgebrauch ausgewählten Begriffe unbekannt, zumindest dem Namen nach bekannt sind oder kurz inhaltlich beschrieben werden können.
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung ab 14 Jahre – Onliner wie Offliner – gibt es keinen bei nahezu allen Bundesbürgern auch nur bekannten Begriff. Wenn es um die genauere Vorstellung geht, so trauen sich nur wenige zu, einzelne Begriffe zu beschreiben. Am ehesten ist dies noch bei Begriffen wie Social Media (38 Prozent), Smart Home (25 Prozent) und Mobile Payment (24 Prozent) der Fall. Für insgesamt sieben der 14 Begriffe liegen die Werte unter zehn Prozent.
Der „durchschnittliche Bundesbürger“ kann also nur zu zwei der 14 Begriffe eine nähere Beschreibung abgeben. Es überrascht nicht, dass dieser Wert bei den unter 30-Jährigen mit durchschnittlich 4,1 Begriffen deutlich höher ist und bei den über 60-Jährigen mit durchschnittlich 0,6 Begriffen sehr gering. Selbst für die „digitale Generation“ der unter 30-Jährigen haben 8 der 14 Begriffe 50 – zum Teil über 70 Prozent noch nie gehört. Mit einer Ausnahme: Social Media ist bekannt und beschreibbar.
Daher auf geht es zur nächsten Medienkompetenz-Schulung. Ich freue mich, meine Teilnehmer ins Neuland zu begleiten und sich zurecht zu finden.

ResearchKit: Apple positioniert sich im Gesundheitsmarkt

10. März 2015

ResearchKit ist Open Source

ResearchKit ist Open Source

Natürlich stand Hardware im Mittelpunkt des Apple Events vom März 2015: Apple Watch und MacBook wurden vorgestellt und beides werde ich mir als Fanboy wohl zulegen. Aber richtig interessant fand ich das Open Souce-Tool ResearchKit. Das Werkzeug soll Mediziniern medizinische Studien erleichtern. Die ersten Apps sind bereits in den USA erschienen und dienen der Erforschung von Asthma, Brustkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Parkinson.
Damit weitet Apple sein Geschäftsmodell vom klassischen Fitnessmarkt auf den Gesundheitsmarkt aus. Was deutschen Usern wohl wichtig ist: Apple erklärt eindeutig, dass man keinen Einblick in die Gesundheitsdaten seiner Nutzer hat. Es heißt: Anwender entscheiden selbst, ob sie an einer Studie teilnehmen möchten und wie ihre Daten geteilt werden.
Ich finde es interessant, wie sich Apple hier an einen neuen Markt herantastet. Die Mitbewerber am Markt stellen einfach neue Computer, Mobiltelefone oder jetzt neue Smartwatches her. Apple blickt über den Tellerrand hinaus und greift Google mit seinen Gesundheitsvorhersagen an.


Was kann ResearchKit? Es ist eine Open Source Softwareumgebung für Medizinier. ResearchKit hilft je nach programmierter App Gesundheitsdaten von Teilnehmern zu sammeln, die iPhone Apps nutzen. Forschungsinstitute haben bereits Apps mit ResearchKit entwickelt, um Studien über Asthma, Brustkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Parkinson durchzuführen.
„Mit Hunderten Millionen von iPhones im weltweiten Einsatz sahen wir eine Möglichkeit für Apple, eine sogar noch größere Wirkung zu erzielen, in dem wir Menschen befähigen sich an der medizinischen Forschung zu beteiligen und dazu beizutragen“, sagt Jeff Williams, Senior Vice President of Operations von Apple. „ResearchKit gibt der Gemeinschaft der Wissenschaftler Zugang zu einer vielschichtigen Bevölkerung auf der ganzen Welt und bietet mehr Möglichkeiten Daten zu erheben als jemals zuvor.“ Warum macht Apple das alles? Der Medizinmarkt ist einer der größten Märkte überhaupt. Das Zauberwort hinter den gesammelten Daten heißt schlichtweg Big Data und Apple hat mit den iPhones eine ungeheuere Marktmacht und weiß sie zu nutzen. Aber Tim Cook weiß hoffentlich, dass er diese Daten niemals missbrauchen darf. Hoffentlicht weiß das die NSA auch.

Apple zeigt Flagge im Gesundheitsmarkt.

Apple zeigt Flagge im Gesundheitsmarkt.

Klar ist: Laut Apple wird durch ResearchKit das iPhone zu einem starken Werkzeug für die medizinische Forschung. Wenn der Anwender die Erlaubnis gibt, können die Apps auf Daten der Health App zugreifen. Das sind beispielsweise Gewicht, Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder die Nutzung von Asthmasprays, die durch Geräte und Apps von Drittherstellern gemessen werden. Ich selbst habe die Withings-App am Laufen, um Daten der Waage und des Blutdruckmessgerätes einzulesen.
Mit der Apple Keynote wurde zeitgleich auch iOS 8.2 veröffentlicht. Hier wurde fleißig an der Health App optimiert. Neben zahlreichen Verbesserungen gibt es jetzt eine neue Datenschutz-Einstellung. Diese ermöglicht jetzt das Deaktivieren der Protokollierung von Schritten, Wegstrecken und erklommenen Stockwerken.
Software für Health entstammen der Softwareumgebung HealthKit. Diese wurde durch ResearchKit nochmals aufgewertet und mächtiger gemacht. ResearchKit kann von einem Anwender den Zugriff auf Beschleunigungssensor, Mikrofon, Gyroscope und GPS-Sensoren im iPhone anfragen, um Informationen über den Gang, die motorische Verfassung, seine Fitness, Sprache und den Gedächtniszustand des Patienten zu bekommen.
Eine Bekannte aus dem Medizinbereich begrüßte die Möglichkeiten von ResearchKit in Sachen Langzeitstudien. ResearchKit macht es einfacher für Mediziner, entsprechende Teilnehmer für Langzeitstudien zu rekrutieren, weil es eine breite Auswahl der Bevölkerung anspricht und nicht nur diejenigen, die in Reichweite zum Institut wohnen. Studienteilnehmer können Aufgaben erledigen oder Zugriffsrechte an der Studie über die App einräumen, so dass die Forscher weniger Zeit mit Datenverwaltung und mehr Zeit mit der Datenanalyse verbringen können. ResearchKit ermöglicht es Forschern zudem einen interaktiven Einwilligungsprozess anzubieten. Anwender können auswählen, an welcher Studie sie partizipieren und welche Daten sie bei welcher Studie zur Verfügung stellen möchten.
Das bestätigen laut einer Apple-Meldung auch die Partner von Apple, was freilich nicht verwundert. „Wir sind erfreut die neuen ResearchKit-Werkzeuge von Apple zu nutzen, um mehr potentielle Teilnehmer ansprechen zu können und noch mehr Daten durch die einfache Nutzung einer iPhone App zu erlangen. Die zur Verfügung gestellten Daten bringen uns bei der Entwicklung individuellerer Hilfe einen Schritt weiter“, sagt Patricia Ganz, MD, Professor an der Fielding School of Public Health der UCLA und Director of Cancer Prevention & Control Research im Jonsson Comprehensive Cancer Center der UCLA. „Zugang zu vielschichtigen, von den Patienten übermittelten Gesundheitsdaten, hilft uns, mehr über Langzeitnachwirkungen von Krebsbehandlungen zu erfahren und gibt uns ein besseres Verständnis der Erfahrungen von Brustkrebspatienten.“
Ich bin mal gespannt, wann sich deutsche Mediziner äußern und wann sie ResearchKit überhaupt mitbekommen. Allgemein stimmt es mich nachdenklich, warum solche Entwicklungen eigentlich in den USA stattfinden. Was macht unsere Medizinbranche eigentlich außer Geldverdienen?

US-Medizinier arbeiten mit Apple zusammen. Wo sind unsere?

US-Medizinier arbeiten mit Apple zusammen. Wo sind unsere?

Apple legt in den Lobpreisungen noch nach und betont das Thema Big Data indirekt. „Wenn es darum geht bei der Forschung bessere Diagnosen und Krankheitsvorbeugung zu erzielen, sind Zahlen alles. Durch den Einsatz von Apples neuer ResearchKit-Umgebung sind wir in der Lage, die Teilnahme über unseren lokalen Radius hinaus auszuweiten und signifikant mehr Daten zu erfassen, die uns dabei helfen zu verstehen, wie Asthma funktioniert“, sagt Eric Schadt, PhD, der Jean C. und James W. Crystal Professor of Genomics an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai und Gründungsdirektor des Icahn Institute for Genomics and Multiscale Biology. „Durch die Verwendung der fortschrittlichen iPhone-Sensoren sind wir in der Lage den Zustand des Asthmapatienten besser abzubilden und das ermöglicht es uns dann, eine persönlichere, noch präzisere Behandlung durchzuführen.“

Die Asthma Health App ist so konzipiert, dass sie Schulung und Selbstkontrolle von Asthmapatienten erleichtert.

Die Asthma Health App ist so konzipiert, dass sie Schulung und Selbstkontrolle von Asthmapatienten erleichtert.

Und die Forscher haben gleich eine eigene App dazu auf den Markt gebracht, derzeit nur für den US-Store. Entwickelt von der Icahn School of Medicine am Mount Sinai und LifeMap Solutions ist die Asthma Health App so konzipiert, dass sie Schulung und Selbstkontrolle von Asthmapatienten erleichtert, positive Veränderung am Zustand kommuniziert und an das Einhalten des Behandlungsplans nach aktuellen Asthmarichtlinien erinnert. Die Studie misst Symptome von individuellen und potentiellen Auslösern von Verschlimmerungen des Zustands, so dass Forscher neue Möglichkeiten bei der individuellen Asthmabehandlung erfahren können.
Die Share the Journey-App vom Dana Farber Cancer Institute, Penn Medicine, Sage Bionetworks und dem Jonsson Comprehensive Cancer Center der UCLA entwickelt, ist eine Forschungsstudie, dessen Ziel es ist herauszufinden, warum einige Patienten, die den Brustkrebs überlebt haben, sich schneller erholen als andere, warum ihre Symptome über die Zeit variieren und was getan werden kann, um die Symptome zu verbessern. Share the Journey wird Studien und über iPhone-Sensoren erfasste Daten verwenden, um Müdigkeit, Stimmungsbild, kognitive Veränderungen sowie Schlafstörungen und eine Verringerung der Anzahl an Übungen zu sammeln und zu beobachten.

Daten ist das Zauberwort in der medizinischen Forschung.

Daten ist das Zauberwort in der medizinischen Forschung.

Die MyHeart Counts-App, entwickelt von Stanford Medicine, misst die Aktivität und nutzt Risikofaktoren und Studienergebnisse, um Forscher dabei zu unterstützen genauer zu beurteilen, wie Aktivität und Lebensstil eines Patienten sich zum Herz-Kreislauf-Zustand verhalten. Dadurch, dass diese Verhältnisse auf einer breiten Basis verglichen werden können, sind Forscher besser in der Lage zu verstehen, wie man das Herz gesünder halten kann.
Das Massachusetts General Hospital hat die GlucoSuccess-App entwickelt, um zu verstehen, wie verschiedene Aspekte im Leben eines Menschen – sei es Diät, körperliche Anstrengung und Medikationen – den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Die App kann Teilnehmer auch bei der Erkenntnis unterstützen, wie sich ihr Essverhalten und ihre Aktivität in Relation zu ihren optimalen Zuckerwerten verhalten und sie somit in die Lage versetzen, Abhängigkeiten klar zu erkennen und eine aktivere Rolle für ihr eigenes Wohlbefinden einzunehmen.
Von Sage Bionetworks und der Rochester-Universität entwickelt, hilft die Parkinson mPower-App Menschen, die mit der Parkinsonkrankheit leben müssen, ihre Symptome durch die Aufnahme der Aktivitäten über die iPhone-Sensoren zu beobachten. Diese Aktivitäten beinhalten ein Gedächtnisspiel, Fingerübungen, Sprechen und Gehen. Die Aktivitäts- und Studiendaten vom Mobiltelefon werden mit Daten einer Vielzahl anderer Teilnehmer kombiniert, um die Forschung über Parkinson auf ein bisher noch nie erreichtes Niveau zu treiben und dies zur weltweit größten und umfangreichsten Studie über diese Krankheit macht.