#rpTEN: Meine Eindrücke von Snowden, TTIP-Leaks und Lobo

Held oder Verbrecher? Eduard Snowden live in Berlin.

Held oder Verbrecher? Eduard Snowden live in Berlin.

Für mich stand der erste Tag der zehnten re:publica #rpTEN im Zeichen der Extreme. Er stand zwischen kompletten Quatsch und hochbrisanter Politik. Ich beginne mal mit dem Quatsch.
Die Bloggerkonferenz ist voller geworden, 8000 Leute haben sich angemeldet. Warum wollen eigentlich alle Leute in die Sessions, in die ich auch hinein will. Die Konsequenz war, entweder am Boden sitzen oder vor der Tür bleiben. Die Räume sind eindeutig zu klein, die Menge zu groß. Vielleicht lasse ich aus diesen Gründen die nächste re:publica 2017 aus. Das Ding ist extrem erfolgreich, wächst und wächst und wird sogar am 20. Oktober 2016 noch eine Konferenz in Dublin durchführen. Aber ich wollte ja etwas humorvolles berichten.

Geburtstagsständchen für #rpTEN
Als mein Kollege Thomas Gerlach und ich mal wieder nicht in einen Vortrag wegen Überfüllung kamen, würden wir von jungen Leuten angesprochen, die ein Geburtstagsvideo zur #rpTEN drehen wollten. Klar machen wir da mit. Die jungen Kolleginnen und Kollegen hatten eine 360 Grad-Konstruktion von GoPro-Kameras, Funkmikros, Luftschlangen, Partyhüte und aufblasbarerer Torte dabei. Also bauten wir uns auf, wurden verkabelt und ausstaffiert und machten zwei Durchgänge mit Happy Birthday. Ich waren uns richtig zum Affen gemacht und schaurig gesungen. Die Sache war im Kasten, wir verließen die Szene und für das Filmteam begann der Ärger. Ein Techniker der rpTEN stürmte auf die Kameracrew zu und stauchte sie zusammen. Die jungen Menschen hatten sich nicht an die Frequenz der Funkmikros gehalten und fröhlich Frequenzen eingestellt. Blöderweise war das auch die Frequenz der Mikros bei den offiziellen Sessions. Unser schauriger Gesang wurde also zweimal in die volle Veranstaltung übertragen, in die wir wegen Überfüllung abgewiesen wurden. Rache ist eben Blutwurst.

TTIP-Leaks: Greenpeace veröffentlicht Dokumente
Ganz ohne Humor und ernsthaft lief die Veröffentlichung der TTIP-Leaks durch Greenpeace ab. Der Zulauf der klassischen Massenmedien war enorm, dazu noch eine Konferenz voller hervorragend vernetzter Blogger und Social Media-Fuzzis – da war Reichweite garantiert. Greenpeace Niederlande hat 13 Kapitel der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU veröffentlicht. Die Dokumente haben einen Umfang von 250 Seiten sowie Anhänge. Ein Verbund von Greenpeace, NDR, WDR und SZ haben die Dokumente analysiert. Die Texte zeigen, mit welchem Druck die USA ihre Interesse nachhaltig vertreten. Obwohl die Veröffentlichung illegal ist, erklärt Greenpeace: „Vielmehr geht es um die grundlegenden Fragen etwa des Umwelt- und Verbraucherschutzes, der Produktsicherheit und der Arbeitnehmerrechte. Die Antworten auf diese Fragen werden das Leben von einer halben Milliarde Europäer verändern. Deshalb sind wir der Auffassung, dass derart weitreichende Entscheidungen in transparenter Form und nach breiter gesellschaftlicher Debatte getroffen werden müssen.“

Snowden ist genervt
Für mich war sicherlich die Live-Schaltung zu Eduard Snowden nach Moskau ein HighlIght. Der Whistleblower wurde von den 800 Besuchern im Raum der #rpTEN gefeiert, beklatscht, bejubelt. Die Frage, die ich via Twitter und Facebook stellte, ob er ein Held oder ein Verbrecher sei, wurde in Berlin eindeutig mit Held beantwortet. Mein Eindruck war, dass Snowden trotz seines Heldenstatus von der Bundesregierung genervt ist. Sie haben ihn noch immer nicht ins Land gelassen. Wörtlich sagte er: „Wir haben jetzt 2016 und niemand ist wegen meiner Enthüllungen gestorben. Aber die deutsche Regierung lässt mich nicht einreisen.“ Snowden habe in 21 Ländern Asyl beantragt, aber noch nichts gehört. Das zerrt an den Nerven. Neue Aussagen kamen von ihm nicht: Er erinnerte an Datenschutz, wies auf die Gefährlichkeit von Metadaten hin, sah die Privatsphäre weiterhin gefährdet. Wenn ich in meine Seminarpraxis schaue, dann merke ich, wie wenig Snowden erreicht hat. Sätze wie „Ich hab doch nichts zu verbergen“, zeigen die Hilflosigkeit der Bürger und das fehlende Wissen um Big Data-Zusammenhänge.

Und trotzdem Sascha Lobo
Abends kam dann noch Sascha Lobo auf die Bühne und ließ sich feiern. Nachdem er 2015 nicht auf der re:publica dabei war, hielt er zu #rpTEN wieder eine launige Rede. So wie die Spiegel, die überall auf dem Gelände hängen und aus der TEN ein NET machen, so hielt er den Besuchern der Bloggerkonferenz den Spiegel vor. Und die Besucher seien in die Jahre gekommen, verstünden wie er auch Snapchat nicht. Dabei geht es nicht mehr um Tools, sondern um Konzepte und Einstellungen. Ach ja, Deutschland liegt beim Ausbau von Glasfaserkabeln auf dem drittletzten Platz, kurz vor Jordanien.
Lobo glaubt nicht mehr daran, dass die Verantwortlichen der NSA-Affäre bestraft würden. Schließlich sei die Gesamtzahl der entlassenen Mitarbeiter nach den Snowden-Enthüllungen in der vergangenen Woche auf zwei gestiegen: Gerhard Schindler, der bisherige Chef des Bundesnachrichtendienstes, und Edward Snowden selbst. Lobo machte den Zuhörern weiter Mut: „Trotzdem möchte ich versuchen, optimistisch zu bleiben.“ Trotzdem war das Wort des Abends, trotzdem werde man weiter kämpfen, trotzdem werde man sich nicht unterkriegen lassen. Er zeichnete ein düsteres Bild, die politische Rechte haben soziale Netzwerke für sich entdeckt und nutzen Facebook und Co. Mit 237000 Fans auf der AfD Facebook-Seite gebe es mehr Fans als bei SPD, CDU und FDP zusammen. Und trotzdem müsse es weitergeh, so Sascha Lobo in seinem Vortrag „The Age of Trotzdem.“

Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , ,

Kommentar verfassen - Achtung das System speichert Namen und IP-Adresse

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..