Posts Tagged ‘Lokaljournalismus’

Zeitungsleser sollen auf ePaper umsteigen – ob das klappt?

9. März 2023

Der Zeitungsbranche geht es schlecht, sehr schlecht. Und wenn ich in meinen Seminaren darüber berichte, kann es ein älteres Publikum nicht so richtig nachvollziehen. Die haptische Zeitung aus Papier samt Abo gehört für diese Generation einfach dazu. Das wird sich zumindest für Abonnenten der Ostthüringer Zeitung der Funke-Gruppe ändern. Die Zustellung der Ostthüringer Zeitung wird in unwirtschaftlichen Gebieten von Greiz eingestellt. Die Leser sollen auf ePaper umsteigen.

Hohe Energiekosten, hohe Papierpreise, fehlende Anzeigenerlöse, mangelndes Leserinteresse und auch der Mindestlohn für Zeitungsausträger machen dem System Papierzeitung in manchen Gebieten den Garaus. Im Falle der Ostthüringer Zeitung von Greiz sind es 300 Leser, die jetzt auf das Tablet umsteigen sollen. Das ist für eine digitale Generation kein Problem, wohl aber für eine analoge Generation, die sich an Papier gewöhnt hat. Ich bin gespannt, wie viele Leser umsteigen. Am Beispiel meiner eigenen Mutter sehe ich, wie schwer es der Dame fällt. Sie nutzt zwar das iPad für Kommunikation, aber nicht fürs Zeitungslesen.

Funke wirbt mit dem Umstieg mit deutlich geringen Abo-Kosten. Statt bisher 45,90 Euro zahlen Leser dann monatlich 29,99 Euro. Und Funke hat Großes vor in Sachen Medienkompetenz und verpackt es auch schön: „Um auch Menschen mit bislang wenig digitalen Berührungspunkten die Umstellung so einfach wie möglich zu gestalten, werden die betroffenen Leser*innen vor Ort geschult. Ziel ist es, den Thüringer Landkreis zu einer Modellregion für die Digitalisierung des ländlichen Raums zu machen. Denn die Digitalisierung kann das Leben auf dem Land auch über die Zeitung hinaus bereichern – seien es Lebensmittellieferungen, die Online-Apotheke oder auch der stets aktuelle Nahverkehrsplan.“

Ich kenne die Ostthüringer Zeitung nicht und weiß nicht, wie hoch der lokale und damit kostenintensive Teil der Zeitung ist. Der Mantel wird ja in der Regel von Agenturen wie dpa, afp oder ap geliefert. Da sind rund 30 Euro für ein Digitalabo schon ein stolzer Preis. Unsere Familie ist beispielsweise auf Readly umgestiegen und zahlt eine Flatrate von 10 Euro für einige Zeitungen und eine Ummenge von Zeitschriften. Die lokale Berichterstattung aus dem Dorf gibt es für die entsprechende Facebook-Gruppen und lokalen Blogger.

Jeder Haushalt, der eine OTZ geliefert bekommt, erhält ein Informationsschreiben mit den wichtigsten Punkten zur Nutzung des E-Papers sowie eine Info-Broschüre, die alle Vorteile der digitalen Zeitung aufzeigt. Zusätzlich werden kostenlos Tablet- und Smartphone-Schulungen angeboten, um das OTZ-E-Paper ohne technische Probleme lesen zu können. Ein Tablet gibt es nicht kostenlos dazu. Ich bin mal gespannt. Was denken Sie?

Müde Wahlparty im Landratsamt – Europa zündet nicht

26. Mai 2019

Wenig Besucher im Foyer des Landratsamtes Fürstenfeldbruck zur Wahlparty.

Wenig Besucher im Foyer des Landratsamtes Fürstenfeldbruck zur Wahlparty.

Von der Europa-Begeisterung, die im Vorfeld der Europawahl zu verspüren war, kam nichts bei der Wahlparty im Landratsamt Fürstenfeldbruck an. Es kam so gut wie überhaupt keine Stimmung auf. 

Ich will mich an meine alte Zeiten des Tageszeitungsjournalismus erinnern und verfolge den wichtigen Wahlabend im Landratsamt. Hier kommen zum einen die Wahlergebnisse aus den Gemeinden des bayerischen Landkreises zusammen, zum anderen treffen Kommunal- und Bundespolitiker ein. Hier haben Bürger durchaus die Chance mit ihren Mandatsträgern ins Gespräch zu kommen. Diese Chance wird nicht wahrgenommen.

Als ich gegen 17:45 Uhr im Foyer des Landratsamtes Fürstenfeldbruck eintreffe, stoße ich auf die üblichen Verdächtigen. Ich treffe auf meine ehemaligen Kollegen der lokalen Tageszeitungen, Fürstenfeldbrucker Tagblatt/Münchner Merkur und Fürstenfeldbrucker Neueste Nachrichten/Süddeutsche Zeitung. Ich selbst war vor der Jahrtausendwende lange Zeit Tageszeitungsjournalist und habe etliche Wahlen begleitet. Zudem sind einige Fotografen angerückt, um die Europaeuphorie bildlich festzuhalten. Aber es gibt kaum etwas zu fotografieren, denn der Bürger fehlt größtenteils. 

Das geschmückte Foyer des Landratsamtes bietet alles für eine Party, aber wenn die Gäste ausbleiben, dann hilft auch die beste Deko nichts. Es gibt eine kleine Ausstellung mit Stelltafeln über Europa, darüber ein paar Europa-Luftballons. Auf einer großen Leinwand werden die einzelnen Ergebnisse aus den Landkreiskommunen per Beamer geworfen. Blöd, dass man dabei in die untergehende Sonne schauen muss. An grauen Stellwänden werden die Ergebnisse nochmals in Papierform aufgehängt. Ein paar Stehtische mit Salzstangen, die relativ schnell von allen verspeist wurden. 

Landrat Karmasin informiert sich.

Landrat Karmasin informiert sich.

In der Kinderspielecke des Landratsamtes haben Mitarbeiter drei Stuhlreihen zu je sechs Stühlen aufgestellt. Hier kann man Platz nehmen und die Wahlergebnisse aus Deutschland und Bremen anschauen. Bremen interessiert nur am Rande, wenn überhaupt. Auf dem TV läuft die ARD. Die Plätze davor sind kaum belegt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) hat in der vorderen rechten Reihe Platz genommen und wartet auf die erste Prognose und dann die Hochrechnungen. Als er das Ergebnis für die CSU feststellt, nickt er anerkennend und wendet sich der Lokalpresse zu. Michael Schrodi, SPD-Mitglied des Deutschen Bundestages, ist eher nicht so gut gelaunt. Seine Partei ist massiv im Stinkflug. „Schlechte Zahlen, keine Frage“, sagt er. 

Europäische Schinkensemmel.

Europäische Schinkensemmel.

Ich hole mir derweil eine Schinkensemmel. Hier kommt ein wenig Europa-Feeling auf. In die Semmel ist eine kleine Europa-Fahne gesteckt, die ich herausnehme als ich in die Semmel hineinbeiße. Das Fähnchen hänge ich ins Knopfloch. Ja zu Europa. Derweil fotografiert ein Pressefotograf einen Bürger, der herzhaft in seine Europasemmel beißt. Seine Fahne steckt noch in der Backware. Wenn man sonst keine Motive hat, dann macht man sich eben welche.

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler ist derweil gut drauf, keine Frage bei dem Ergebnis ihrer Partei. Sie gibt den Vertretern der Lokalpresse ihre Statements und Einschätzungen ab. Und der Reporterin der Süddeutschen erzählt sie, wo sie ihren Manfred Weber-Pappaufsteller stehen hat. Ich will es nicht verraten, denn die nette Geschichte gehört der Kollegin von der Süddeutschen. Ich bin mir sicher, dass sie die Story für die Zeitung aufgreift.

MdB Katrin Staffler ist gut drauf und spricht mit der Presse.

MdB Katrin Staffler ist gut drauf und spricht mit der Presse.

Die erste Gemeinde des Landkreises ist ausgezählt. Es ist 18:42 Uhr und die Zahlen von Oberschweinbach kommen herein. 43,06 Prozent CSU, 5,58 Prozent SPD, 17,51 Grüne, 10,71 AfD. 

18:48 Uhr der Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister Erich Raff schaut herein, schüttelt Hände und orientiert sich. Derweil meint Landrat Karmasin: „Solange sie antreten, habe ich Mitleid.“ Gemeint hat er wohl die SPD. 

Drei Schwarze im Gespräch.

Drei Schwarze im Gespräch.

Gegen 20 Uhr verlasse ich den Wahlabend. Ich hatte ihn mir anders vorgestellt. Zu meiner aktiven Zeit als Lokalreporter war irgendwie mehr los. Europa zündet wohl nicht so recht bei den Leuten. Aber im Jahr 2020 ist Kommunalwahl, dann geht die Party richtig los. 

WM-Buch One Night in Rio von Paul Ripke gibt Inspiration für Reportagefotos

30. Mai 2018

Ich bin wahrlich kein Fußballanhänger, aber selbst so ein Banause wie ich hat mitbekommen, dass dieses Jahr wieder eine Fußballweltmeisterschaft stattfindet. Und daher möchte ich an das unheimlich eindrucksvolle Buch One Night in Rio von 2014 erinnern. Es ist ein Fotobuch von Paul Ripke und auch wenn mich Fußball nicht die Bohne interessiert, so ist das Buch eine wahre Inspiration für alle Fotofreunde. Hier wird Reportagefotografie pur abgebildet: Einzig und alleine der Moment zählt. Keine Bilder sind gestellt, sondern der Fotograf ist nah dran und auch mitten drin.

Tolle Inspiration für Reportagefotos: One Night in Rio von Paul Ripke

Tolle Inspiration für Reportagefotos: One Night in Rio von Paul Ripke

Die Fußball-WM in Russland steht vor der Tür und der Einzelhandel präpariert sich mit entsprechenden Fan-Utensilien vor: Flagge, Schminke, Halsketten und was der Fan so braucht. Ich gestehe, ich brauche als Spielverderber mal wieder nichts, aber ich habe das Buch von Paul Ripke aus dem Archiv geholt. Ich habe es mir damals für meine Frau signieren lassen. Das Buch dient als Inspiration für Reportage-Fotografie. Als die Ausstellung von Paul Ripke zu diesem Fotobuch in München lief, habe ich sie natürlich besucht und darüber gebloggt. Die Bilder haben mich damals umgehauen und sie tun es heute noch. Und ich habe meiner Frau das exklusive Fotobuch One Night in Rio zu Weihnachten geschenkt – freilich mit Widmung von Paul Ripke.


Ripke hat es geschafft, eine perfekte Fotoreportage zu schaffen und diese Reportage ein ganzes Buch lang durchzuhalten. Er schafft es in seinen Bildern die Begeisterung, die Erschöpfung, den Kampfgeist und die Kameradschaft festzuhalten. Vielleicht sind die Bilder technisch nicht immer perfekt, egal: Sie sind absolut emotional und erzählen eine wunderbare Geschichte. Und genau das muss Reportage-Fotografie tun.
Leider gibt es in den klassischen Massenmedien keine Reportage-Fotografie mehr. Die Zeiten von Life oder bei uns Stern und Geo sind im Großen und Ganzen abgelaufen. Aber gerade im Lokaljournalismus wäre Reportage eine wunderbare journalistische Darstellungsform – oder man zieht komplett ins Netz um, Platz gibt es da ja genug. Fotos sollten nicht nur eine Illustration zu einem Artikels sein, sondern sie sind ein selbstständiges Medium. Als Schreiber habe ich gerne mit Fotografen gearbeitet, die eine Geschichte erzählen wollen. Und als Fotograf habe ich meine Geschichten selbst fotografiert und geschrieben.

Paul Ripke hat diese Begeisterung für Reportagefotos mit seinem Buch One Night in Rio absolut bekräftigt und es tut gut, so ein Buch in die Hand zu nehmen und die Erfahrungen der damaligen Fußballweltmeisterschaft wieder in Erinnerung zu rufen. Vielleicht haben unsere Jungs bei der WM wieder eine Chance, ich kann es nicht beurteilen.
Aber beim Durchblättern habe ich bemerkt, was ich alles vergessen hatte – was sicherlich daran liegt, dass ich kein Fußballfan bin. Aber Paul Ripke hat es geschafft, selbst in mir als nicht Fußballfan Emotionen zu entlocken. Was war das für eine tolle Fußball-WM! Und vielleicht wird es wieder eine tolle WM werden.

Und was kommt dieses Jahr zur Fußball-Weltmeisterschaft?
Ich bin gespannt auf die Ideen der Kreativen: Einst im Jahre 2006 hatten wir das Sommermärchen von Sönke Wortmann, dass die deutsche Nationalmannschaft auf dem Weg zur und bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zeigt. Ich habe diese emotionale Doku auf DVD und finde diesen Blick hinter die Kulissen interessant.
Und dann Paul Ripke 2014 mit One Night in Rio: Ich habe die Ausgabe mit goldenen Leinenhardcover mit goldener Prägung und Goldschnitt im schwarzen Leinenschuber mit goldener Prägung.
Inhalt sind Portraits der Weltmeister auf 72 Seiten Design Offset, 160 g/m², Reportage „Von Rio nach Berlin“ auf 264 Seiten LuxoArt Samt, 170 g/m² und Pokalportraits der Weltmeister auf 72 Seiten Profibulk, 150 g/m². Es gibt auch noch die preiswertere Die Nationalmannschaft – One Night in Rio (Fan-Edition) Und was kommt eigentlich dieses Jahr?

 

Hier das Video zur Ausstellung im Deutschen Museum München:

Bürgerjournalismus: Hat Qualität hier eine Chance?

18. Februar 2011

Neuer stummer Zeitungsverkäufer von MyHeimat.

Neuer stummer Zeitungsverkäufer von MyHeimat.

Meine journalistische Karriere startete ich in einer Lokalredaktion. Ich lernte das Handwerkszeug von der Pike auf. Die Schule war hart, aber abwechslungsreich. Die Ochsentour im Lokalen hatte dafür gesorgt, dass ich keine Angst vor weißen Seiten habe. Vielleicht bin ich keine Edelfeder geworden, aber schnell produzieren kann ich.

Wo würde ich starten, wenn ich heute nochmals im Journalismus Fuß fassen sollte? Beim Spaziergang durch meine alte Heimat stand ich vor einer Reihe stummer Verkäufer. Neben den etablierten Verlagshäuser macht sich dort auch eine kostenlose Zeitschrift breit: MyHeimat. Eigentlich ist es eine Online-Plattform für Bürgerjournalismus – die Papierausgabe ist die Line-Extension des Online-Projekts. Ist das die Zukunft für Lokaljournalismus?

Als ich ein bisschen recherchierte, stellte ich fest, dass MyHeimat und ähnliche Plattformen bereits Kooperationen mit Verlagen geschlossen haben. Der Vorteil: Die Verlage bekommen billigen Content und die Online-Plattform bekommt mehr Klicks und ggf mehr Anzeigen. Das ist ein gefährliches Spiel, das die Verlage da treiben, wenn nur kostenorientiert gedacht wird.

Wo bleibt der Qualitätsjournalismus? Wo bleibt der gute Content? Der Vorwurf, die Online-Portale veröffentlichen Pressemeldungen, kann ich nur bedingt gelten lassen. Auch Lokalzeitungen sind auf Pressemitteilungen angewiesen und je weniger Redakteure die Meldungen redigieren, desto unbearbeiteter kommen sie ins Blatt. Aber Lokalzeitungen haben Mitarbeiter, die zumindest journalistisch ausgebildet sind. Das haben die Portale für Bürgerjournalismus nur bedingt. Hier schreiben Mitbürger, weil ihnen etwas aufgefallen ist. Hier droht die Gefahr des Meinungsjournalismus im Gewand der Berichterstattung

Qualitätsjournalismus kann nur mit qualifizierten Leuten geschehen und die müssen bezahlt werden. Muss dadurch die Zeitung nicht zwangsläufig teurer werden?  Oder die Plattformen gehen daran und qualifizieren ihre Bürgerjournalisten. Aber warum eigentlich? Das bisherige System läuft doch hervorragend – allerdings zum Schaden der Zeitungsverlage.