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Django (1966) – Rückblick auf meine Matinee

18. Dezember 2025

Sergio Corbuccis „Django“ von 1966 zählt zu den Filmen, die den Italo-Western nicht nur geprägt, sondern radikal erneuert haben. Mit Franco Nero in der Titelrolle entstand eine Figur von ikonischer Wucht: ein schweigsamer Antiheld, getrieben von Rache, gefangen zwischen Einsamkeit und moralischer Unschärfe – ein Mann, der mehr Abgrund als Hoffnung in sich trägt. Der nächste Film in meiner Western-Matinee am 28. Dezember 2025 im Scala-Kino Fürstenfeldbruck. Ich bespreche und zeige den Clint Eastwood-Western Erbarmungslos. Karten gibt es hier.

Schon die berühmte Anfangssequenz, in der Django einen Sarg durch den Schlamm einer trostlosen Grenzstadt zieht, entfaltet eine verstörende Symbolkraft. Sie steht für den Zerfall des amerikanischen Mythos, für eine Welt, in der Leben und Tod, Schuld und Erlösung untrennbar ineinander übergehen. Hier die Aufzeichnung meines Vortrags.

Corbucci entwirft ein Amerika, das mit den heroischen Bildern des klassischen Westerns nichts mehr gemein hat. Statt weiter Landschaften und klarer Ehrenkodizes herrschen Morast, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Die Stadt, in der Django ankommt, wird zum Sinnbild einer zerfallenen Ordnung. Zwei rivalisierende Gruppierungen bestimmen das Geschehen: auf der einen Seite brutale, rassistische Südstaatenmilizionäre, auf der anderen mexikanische Revolutionäre. Zwischen diesen Fronten bewegt sich Django als zynischer Einzelgänger, der weder Partei ergreift noch moralische Gewissheiten kennt – einzig sein persönlicher Rachefeldzug treibt ihn voran.

Die Darstellung von Gewalt war zur Entstehungszeit des Films revolutionär. „Django“ zeigt sie roh, überhöht und zugleich von eigentümlicher Ästhetik. Corbucci inszeniert das Töten als groteskes Ritual einer Welt, in der moralische Maßstäbe längst aufgehoben sind. Besonders eindringlich ist die Szene, in der Djangos Hände zertrümmert werden: ein Akt der Entmachtung, der den vermeintlichen Helden bricht und ihn zugleich zutiefst menschlich erscheinen lässt. Django ist kein unverwundbarer Revolvermann, sondern ein Verwundeter, der seinen letzten Kampf aus nackter Verzweiflung führt.

Über seine stilistische Radikalität hinaus ist der Film auch politisch lesbar. Geprägt von den gesellschaftlichen Spannungen der 1960er-Jahre nutzt Corbucci den Western als Allegorie auf Macht, Unterdrückung und Gewaltstrukturen. Die Südstaatenmilizionäre mit ihren roten Kapuzen erinnern unübersehbar an den Ku-Klux-Klan; ihre Brutalität ist ideologisch aufgeladen und zutiefst rassistisch. Djangos Widerstand wird so zum Kampf des Individuums gegen ein System – ein zentrales Motiv des politisch geprägten Italo-Westerns.

Untrennbar mit der Wirkung des Films verbunden ist die Musik von Luis Bacalov. Das Titellied „Django“, gesungen von Rocky Roberts, verleiht dem Film eine melancholische, beinahe sakrale Grundstimmung und bildet einen eindrucksvollen Kontrast zur schmutzigen, gnadenlosen Bildwelt.

Franco Nero prägt die Figur mit einer Mischung aus kühler Eleganz und stiller Verlorenheit. Sein Blick, seine sparsamen Gesten und die kontrollierte Körperhaltung machen Django zum Prototyp des einsamen Rächers – ein Archetyp, der spätere Westernfiguren ebenso beeinflusste wie Quentin Tarantinos moderne Neuinterpretation.

In der Rückschau steht „Django“ heute gleichberechtigt neben den Klassikern Sergio Leones – allerdings dunkler, kompromissloser und politischer. Corbuccis Film ist weniger Abenteuergeschichte als Abgesang auf die Mythen des Westens. Schlamm, Wind und Blut werden zur ästhetischen Sprache eines Genres, das Schönheit im Verfall sucht.

Verpassen Sie diesen Meilenstein des Italo-Westerns nicht. „Django“ ist ein visuell kraftvoller, moralisch vielschichtiger und bis heute verstörend aktueller Film. Trotz seines geringen Budgets entfaltet er eine enorme Wirkung und bleibt ein düsteres Gedicht über Rache, Schuld und Einsamkeit.

Der nächste Film in meiner Western-Matinee am 28. Dezember 2025 im Scala-Kino Fürstenfeldbruck. Ich bespreche und zeige den Clint Eastwood-Western Erbarmungslos. Karten gibt es hier.

Ein Leben für den Nervenkitzel – Alfred Hitchcock und die Macht der Emotionen Vortrag am Mittwoch, 3. Dezember

2. Dezember 2025

Ich freue mich auf mein anstehenden Vortrag im Rahmen der Maisacher Gespräche zur Popkultur (MGP) in der Gemeindebücherei Maisach. Am Mittwoch, 3. Dezember spreche ich um 18 Uhr zum Thema Ein Leben für den Nervenkitzel – Alfred Hitchcock und die Macht der Emotionen. Der Eintritt ist frei. im ganzen Gemeindegebiet wurde plakatiert.

Es gibt Filme, die man betrachtet – und es gibt Filme, die einen betrachten. Das Werk Alfred Hitchcocks gehört zweifellos zur zweiten Kategorie. Wer seine Filme sieht, wird nicht nur Zeuge einer Geschichte, sondern gerät unweigerlich in einen Sog, in eine psychologische Spirale, die sich unbemerkt um das eigene Bewusstsein legt. Hitchcock verstand das Kino nicht als Abfolge bewegter Bilder, sondern als gigantisches Nervensystem, das die Zuschauer direkt an ihre Gefühle anschloss. Er war Regisseur, Architekt und Psychologe zugleich, ein Meister, der nicht nur Geschichten erzählte, sondern die Seele seiner Betrachter sezierte. Seine Filme wirken wie Spiegel – sie zeigen uns weniger die Figuren auf der Leinwand als unsere eigenen Ängste, Begierden und Abgründe.

Hitchcock wusste, dass Angst nicht dort entsteht, wo das Monströse sichtbar wird, sondern dort, wo es sich im Schatten versteckt – im Erwarteten, im Unausgesprochenen, in der Stille vor dem Schrei. Die Spannung, die man heute „Hitchcock’s suspense“ nennt, ist kein technischer Trick, sondern eine existenzielle Erfahrung. Wenn in Psycho die Duschszene beginnt, wenn die Geige sticht wie ein Messer, dann lauscht der eigene Herzschlag plötzlich lauter als die Musik. Die Szene erschreckt uns nicht, weil sie brutal ist, sondern weil sie uralte Gefühle weckt: Verletzlichkeit, Einsamkeit, das Unbekannte, das uns in einem Moment der Intimität überfällt. Hitchcock zeigte, dass Horror nicht im Monster liegt, sondern in uns selbst. Der wahre Schock ist, dass wir uns in jedem Opfer, in jedem Täter wiedererkennen könnten.

In Vertigo führte er die Sehnsucht, die Obsession und das Scheitern an der eigenen Fantasie in neue Tiefen. Diese Liebesgeschichte, die sich als Alptraum tarnt, entfaltet eine beklemmende Wirkung: Man spürt die Verlorenheit des Protagonisten nicht intellektuell, sondern körperlich. Das Spiel mit Realität und Illusion, mit der Frage, wie weit wir für unsere Sehnsüchte gehen, trifft mitten ins Herz. Hitchcocks Filme sind nie nur Handlung – sie sind emotionale Zustände. Sie lassen uns taumeln, sie ziehen uns hinein in Räume, in denen logische Erklärungen verblassen. Kino, so scheint Hitchcock zu sagen, ist kein Fenster zur Welt. Es ist ein Fenster zu uns selbst.

Sein Einfluss geht weit über Genres und Jahrzehnte hinaus. Jeder Thriller, der mit dem Ungewissen spielt, jeder Film, der den Atem anhält, jeder Moment, in dem man im Kinosessel vergisst, wer man neben sich hat oder wie spät es ist – all das trägt Spuren von Hitchcock. Die Vögel, dieses verstörende Lehrstück über das Einbrechen des Unbegreiflichen in den Alltag, ist exemplarisch dafür: Die Angst entsteht nicht durch das Federn und Flattern, sondern durch das Ausbleiben einer Antwort. Warum greifen die Vögel an? Hitchcock verweigert die Erklärung. Er entreißt uns die schützende Ordnung und zwingt uns, mit unserer eigenen Hilflosigkeit zu leben. So entsteht ein Gefühl, das uns lange nach dem Film verfolgt – etwas, das man nicht abschütteln kann, weil es aus dem Inneren kommt.

Hitchcock gelang das Unglaubliche: Er machte aus Kino eine emotionale Versuchsanordnung. Er vertraute nicht auf spektakuläre Effekte, sondern auf die Macht des Blicks, die Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen, den Puls des Zuschauers. Seine Kamera ist kein neutraler Beobachter, sondern ein neugieriges Wesen, das uns dorthin führt, wo wir eigentlich nicht hinsehen wollen. Manchmal zeigt sie zu viel, manchmal zu wenig – immer aber zwingt sie uns, die Geschichte aktiv mitzuerleben. Darin liegt Hitchcocks Zauber: Seine Filme passieren nicht vor uns, sondern mit uns.

Noch heute, Jahrzehnte nach seinem Tod, haben Hitchcocks Werke nichts von ihrer Kraft eingebüßt. Sie lassen uns erschauern, staunen, schwitzen. Sie machen uns zu Komplizen, zu Zeugen, zu Opfern unserer eigenen Ängste. Hitchcock hat das Kino nicht nur geprägt – er hat ihm eine neue Sprache gegeben: die Sprache der Ungewissheit, der Obsession, des psychologischen Vibrierns, das uns Grenzen vergessen lässt. Seine Filme wirken nach, wie ein Traum, dessen Bedeutung wir ahnen, aber nie ganz verstehen. Und vielleicht ist genau das die größte Wirkung Alfred Hitchcocks: Er hat uns gelehrt, dass das wahre Grauen, die wahre Faszination und die wahre Spannung nicht im Außen liegen, sondern in jenem tiefen, geheimen Raum, den wir Seele nennen.

Alfred Hitchcock fasziniert uns bis heute, weil er wie kein anderer Regisseur die Tiefen unserer Seele kannte – unsere Ängste, unsere Sehnsüchte, unsere Schuldgefühle. Seine Filme sind mehr als bloße Spannung: Sie sind ein Spiegel unserer inneren Abgründe. Hitchcock verstand es meisterhaft, das Alltägliche in Bedrohung zu verwandeln – ein harmloser Zug, ein Motel am Straßenrand, ein Vogelschwarm am Himmel. In seiner Welt lauert das Unheimliche immer dort, wo wir uns sicher wähnen.

Doch was uns wirklich gefangen nimmt, ist die psychologische Präzision, mit der Hitchcock seine Figuren – und damit uns – seziert. Er zwang uns, hinzusehen, auch wenn wir uns abwenden wollten. Er ließ uns mitschuldig werden, ließ uns zittern, hoffen, atmen und zweifeln. Seine Filme sind Lektionen in Emotion, Spannung und Moral – und zugleich zeitlose Studien über das Menschsein selbst.

Dass wir uns seiner Faszination nicht entziehen können, liegt vielleicht daran, dass Hitchcock nie einfach Angst zeigen wollte. Er wollte sie fühlbar machen. Und das gelingt ihm bis heute – jedes Mal, wenn sich der Vorhang hebt und wir uns unweigerlich fragen: Was, wenn das Böse längst in uns wohnt?

Meine Vinyl im November: Danny Elfman, Propaganda, Kraftwerk, the Supremes, Kate Bush, Vangelis, the Grateful Dead

30. November 2025

Vinylplatten bedeuten für mich weit mehr als nur Musik. Beim Auflegen einer Platte entsteht ein Moment der Ruhe, fast ein Ritual – das Knistern, das sanfte Absetzen der Nadel, der warme Klang, der den Raum füllt. Jede Platte erzählt ihre eigene Geschichte, nicht nur über die Lieder, sondern auch über die Spuren der Vergangenheit auf ihrer Oberfläche. Ich liebe das Haptische, das Analoge, das bewusste Hören, fern vom hektischen Skippen digitaler Playlists. Eine Vinylplatte zwingt mich, Musik wieder mit Aufmerksamkeit und Gefühl zu erleben. Hier meine Vinyl-Scheiben vom November.

Sleepy Hollow von Danny Elfman

Der Soundtrack zu „Sleepy Hollow“ zählt zu den eindrucksvollsten Arbeiten von Danny Elfman und ist ein Musterbeispiel dafür, wie Filmmusik Atmosphäre erschafft. Elfman verbindet hier düstere, barock anmutende Orchesterpassagen mit bedrohlichen Chören und scharf gesetzten musikalischen Akzenten. Das Ergebnis ist ein Klangbild, das perfekt zur nebelverhangenen, gothic-haften Welt des Films passt.
Seine Musik trägt die Spannung, verstärkt das Unheimliche und schafft zugleich eine märchenhaft-melancholische Grundstimmung. Besonders hervorzuheben sind die leitmotivischen Themen, die Figuren und Motive des Films subtil charakterisieren. Der Sleepy Hollow-Score zeigt Elfman auf dem Höhepunkt seiner Kunst: opulent, unheimlich und emotional präzise – ein Soundtrack, der den Film nicht nur begleitet, sondern entscheidend prägt.

A Secret Wish von Propaganda

A Secret Wish gilt bis heute als eines der markantesten Synthpop- und Art-Pop-Alben der 80er-Jahre. Produziert von Trevor Horn und veröffentlicht auf ZTT, verbindet es kalte, präzise Elektronik mit dramatischem Bombast und einer ästhetischen Strenge, die ihrer Zeit weit voraus war. Tracks wie “Duel”, “Dr. Mabuse” oder “P-Machinery” zeigen eine Mischung aus düsterer Atmosphäre, technoidem Experiment und Pop-Eingängigkeit, die Propaganda zu etwas Einzigartigem machte.
Das Album beeindruckt durch seine filmische Breite, den ambitionierten Produktionsanspruch und die stilistische Konsequenz. Es klingt gleichzeitig nach 80er-Jahre-Avantgarde und erstaunlich zeitlos. Für viele gilt A Secret Wish als ein verborgenes Meisterwerk des Jahrzehnts – kühl, kraftvoll und voller ikonischer Momente.

Radio-Activity von Kraftwerk

Radioaktivität“ ist das erste Album, das Kraftwerk vollständig mit elektronischen Mitteln realisierte – ohne Gitarren oder akustische Drums. Es war der Übergang von der experimentellen Frühphase (Autobahn, Ralf & Florian) hin zum klar strukturierten, maschinell-präzisen Sound, der später mit Trans Europa Express und Die Mensch-Maschine vollendet wurde. Hier die englische Fassung.


Die Kombination aus Rhythmusmaschinen, Vocoder-Stimmen und minimalistischen Synthesizer-Loops wirkte damals visionär. Besonders beeindruckend war, wie das Album ein Gleichgewicht zwischen melodischer Eingängigkeit und konzeptueller Kühle herstellte.
Der Doppelsinn des Titels – Radioaktivität im physikalischen wie auch im medialen Sinn („Radio Activity“) – ist typisch für Kraftwerks ironisch-distanziertes Spiel mit Technik, Fortschritt und Gefahr.
Das Album schwankt zwischen Faszination und Warnung: Songs wie „Radioaktivität“ oder „Geigerzähler“ setzen sich mit der unsichtbaren, unkontrollierbaren Macht der Strahlung auseinander, ohne explizit moralisch zu urteilen. Später, in der überarbeiteten Fassung von 1991, fügten Kraftwerk allerdings eindeutige politische Bezüge hinzu („Stop Radioactivity“ mit Hinweisen auf Tschernobyl und Harrisburg).

Motown Number 1’s von The Supremes
The Supremes, die kommerziell erfolgreichste Girlgroup der Popgeschichte, gehörten zu den Glanzstücken im Künstlerrepertoire von Motown Records. Mit herausragendem Songmaterial aus der Feder der großartigen Motown-Songwriter landete die Gruppe zahlreiche Nummer-eins-Hits in den Popcharts – ebenso wie Sängerin Diana Ross, nachdem sie die Gruppe verlassen und eine Solokarriere begonnen hatte. Das strahlende, moderne und elegante Image des Labels Motown war eng mit der Art verbunden, wie diese Damen sich präsentierten und einen Song mit Anmut und Stil interpretierten. Zwei Dutzend dieser Nummer-eins-Hits – sowohl von The Supremes als auch von Diana Ross solo – sind hier versammelt, darunter zeitlose Klassiker wie „Come See About Me“, „You Can’t Hurry Love“, „You Keep Me Hangin’ On“ und „Stop! In the Name of Love“. Jetzt erhältlich auf limitiertem gelbem Vinyl. Hier mein Unboxing der Vinyl.

Never for Ever von Kate Bush

Mit Never for Ever (1980) veröffentlichte Kate Bush ihr drittes Studioalbum und schuf damit ein Werk, das ihre künstlerische Eigenständigkeit endgültig festigte. Nach den orchestralen und teilweise überproduzierten Vorgängern zeigt sie hier eine neue Balance zwischen Experiment und Struktur. Elektronische Klänge, erstmals mithilfe des Fairlight-Samplers, verbinden sich mit verspielten Melodien und erzählerischer Fantasie. Songs wie „Babooshka“ oder „Army Dreamers“ zeigen Bushs Fähigkeit, Pop mit theatralischem Ausdruck und erzählerischer Tiefe zu vereinen, während Stücke wie „Breathing“ eine emotionale und gesellschaftskritische Dimension hinzufügen. Never for Ever ist ein Album zwischen Märchen, Traum und Albtraum – zugleich zugänglicher als frühere Arbeiten, aber noch immer von eigenwilliger Kunstfertigkeit geprägt. Es markiert den Übergang von der jungen Pop-Sensation zur ernstzunehmenden Musikerin, die das Artpop-Genre nachhaltig prägen sollte.

1492: Conquest of Paradise von Vangelis

1492: Conquest of Paradise von Vangelis ist eines jener seltenen Soundtrack-Alben, die sich vom Film nahezu vollkommen emanzipieren und zu einem eigenen musikalischen Ereignis werden. Der Score, 1992 zum gleichnamigen Ridley-Scott-Film erschienen, entfaltet eine klangliche Monumentalität, die gleichermaßen erhaben, mystisch und emotional zugänglich wirkt. Vangelis arbeitet hier – wie so oft – mit einer Mischung aus warmen Synthesizerflächen, orchestralen Simulationen und groß angelegten Chorpassagen, die zusammen eine zeitlose, beinahe sakrale Atmosphäre erzeugen. Der berühmte Titelsong „Conquest of Paradise“, der später durch diverse kulturelle Kontexte einen eigenen, fast mythischen Status erreichte, ist das Herzstück des Albums: ein kraftvolles, hymnisches Motiv, getragen von donnernden Percussions und einem eindringlichen Chor, dessen pseudo-lateinische Textsilben eher als Klangfarbe denn als Botschaft funktionieren. Dieses Thema legt den emotionalen Maßstab fest, an dem sich der Rest des Albums orientiert.


Im weiteren Verlauf zeigt Vangelis seine Fähigkeit, Stimmungen zu modulieren, ohne den übergeordneten tonalen Bogen zu verlieren. Stücke wie „Monastery of La Rábida“ oder „Deliverance“ setzen auf introspektive, beinahe meditative Klangräume, die die spirituelle Dimension des Kolumbus-Stoffs hervorheben. Andere Tracks – etwa „Light and Shadow“ oder „Conquest of the Ocean“ – greifen die erzählerische Dynamik auf und verbinden pulsierende rhythmische Muster mit einer breiten, filmisch anmutenden Harmonik. Die Musik vermittelt weniger historische Authentizität als vielmehr einen emotionalen, idealisierten Blick auf die Epoche der Entdeckungen. Kritisch ließe sich anmerken, dass die majestätische Klangsprache eine gewisse romantisierende Glätte besitzt, die historische Ambivalenzen ausblendet. Doch gerade diese Mischung aus Pathos und zeitloser Klangästhetik macht den Score so wirkungsmächtig.
Insgesamt ist 1492: Conquest of Paradise ein typischer, aber zugleich herausragender Vangelis: atmosphärisch dicht, melodisch prägnant und geprägt von einer spirituell aufgeladenen Klangarchitektur, die sowohl cineastisch als auch als reines Album funktioniert. Es ist ein Werk, das weniger konkrete Bilder eines historischen Moments zeichnet, sondern vielmehr die Idee von Entdeckung, Weite und Utopie musikalisch übersetzt – und damit bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat.

The Man Machine von Kraftwerk
Kraftwerks Mensch Maschine, hier die englische Ausgabe, ist mehr als ein Album – es ist ein Meilenstein der Musikgeschichte, ein Manifest der Moderne, ein kalter, funkelnder Kristall im kulturellen Gedächtnis. Mit diesem Werk haben Ralf Hütter, Florian Schneider und ihre Mitstreiter nicht einfach elektronische Musik geprägt; sie haben die Zukunft geöffnet. Mensch Maschine klingt wie das, was Jahrzehnte später Realität wurde: eine Welt, in der Mensch und Technik ineinanderfließen, in der klare Linien, digitale Impulse und synthetische Stimmen unser Lebensgefühl formen.

Das Album ist von einer ästhetischen Strenge, die gleichzeitig poetisch wirkt. Jeder Ton sitzt, jede Sequenz erfüllt einen Zweck, jeder Klang hat einen eigenen Atem. „Die Roboter“ – mit seinem ikonischen Sprechgesang – ist nicht nur ein Song, sondern ein Bild: der Mensch als Maschine, die Maschine als Spiegel des Menschen. Es ist gleichzeitig ironisch und ernst, verspielt und prophetisch. Und gerade dadurch so zeitlos.

Die titelgebende „Mensch-Maschine“ fasst die Grundidee des Albums wie ein Gedankenkern zusammen: die Verschmelzung von Körper und Technik, Emotion und Algorithmus. Kraftwerk zeigen nicht die Angst vor der Zukunft, sondern ihre Faszination, ihre Schönheit, ihre Unerbittlichkeit. Das Album wirkt wie ein Blick durch ein Neonfenster in eine Welt, die damals noch Vision war – heute ist sie Gegenwart.

Und dann ist da „Neonlicht“ – ein Stück, das im Herzen warm glimmt, obwohl es aus elektronischen Bausteinen besteht. Es zeigt die melancholische, fast romantische Seite der Band. Ein Song, der im urbanen Nachtlicht schwebt, in dem sich Einsamkeit und Fortschritt treffen. Und natürlich „Das Model“, der unerwartete Pop-Hit, glasklar, minimalistisch, elegant – ein Lied, das die Ästhetik der späten 70er einfängt und gleichzeitig den Synth-Pop der 80er vorwegnimmt.



Mensch Maschine ist ein Album, das nicht altert. Es wirkt nicht nostalgisch, sondern seltsam aktuell – als hätte Kraftwerk schon damals gespürt, wie sehr die nächsten Jahrzehnte durch Digitalisierung, Automatisierung und ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Technik geprägt sein würden. Es ist Kunst ohne Überfluss, reduziert aufs Wesentliche, präzise wie ein Laserstrahl.

In diesem Werk zeigt sich Kraftwerks größte Leistung: Sie schufen Musik, die nicht nur gehört, sondern gedacht wird. Musik, die Konzepte öffnet, Räume schafft und Visionen formt. Mensch.Maschine ist einer der seltenen Momente, in denen ein Album den Takt der Zeit verändert. Und bis heute schlägt sein elektronisches Herz weiter – in Pop, Techno, Electropunk, Ambient, in all jenen Klängen, die sich trauen, nach vorne zu blicken. Es bleibt ein Monument – kühl, klar, schön. Ein Album wie eine architektonische Zeichnung: pur, präzise und voller Zukunft.

Blues for Allah von Grateful Dead
Blues for Allah von Grateful Dead, 1975 erschienen, markiert einen besonderen Moment im Schaffen der Band: ein zugleich experimentelles und spirituell durchdrungenes Album, das sich von den vorherigen, stärker folk- und countrygeprägten Werken deutlich abhebt. Nach einer schöpferischen Pause kehrten die Musiker mit einer beachtlichen kreativen Energie zurück und schufen ein Werk, das zwischen jazzigen Improvisationen, komplexen Arrangements und hypnotischen Klanglandschaften oszilliert. Besonders bemerkenswert ist die atmosphärische Titel-Suite, die mystische Motive mit einer für die Dead typischen improvisatorischen Freiheit verbindet. „Blues for Allah“ gilt nicht nur als künstlerisch ambitioniertes Statement, sondern auch als Beweis dafür, dass Grateful Dead bereit waren, Risiken einzugehen und ihren Sound neu zu definieren – ein Album, das bis heute eine faszinierende Ausstrahlung besitzt und die musikalische Vielseitigkeit der Band eindrucksvoll würdigt.

Dracula im Film (38): Luc Bessons Dracula – Die Auferstehung (2025)

17. November 2025

Ein neuer Dracula? Musste ich sehen und wenn er noch von Luc Besson ist, sollte ich besonders genau hinschauen. Luc Bessons Dracula – Die Auferstehung (Originaltitel Dracula: A Love Tale, 2025) ist eine Neuinterpretation des bekannten Vampirstoffs, die dessen Kern motivisch neu ausrichtet. Ich schaute mir den Film mit anderen Vampirfans in meinem Lieblingskino Scala Fürstenfeldbruck an. Der Film erscheint im Februar 2026 auf Bluray.

Statt primär auf Horror setzt Besson auf Romantik: Er erzählt die Geschichte als elegische Saga von Liebe und Sehnsucht . Besson selbst betonte, im Roman von Bram Stoker stecke „eine Liebesgeschichte über einen Mann, der 400 Jahre lang auf die Wiedergeburt seiner Frau wartet“ – das eigentliche Herz der Geschichte sei das Warten einer Ewigkeit auf die Rückkehr der geliebten Person . Entsprechend wollte er ausdrücklich eine „tragisch-romantische Liebesgeschichte statt eines Horrorfilms“ schaffen. Diese Fokussierung auf romantische und tragische Elemente prägt Dracula – Die Auferstehung und lädt zugleich zum Vergleich mit Francis Ford Coppolas Bram Stoker’s Dracula (1992) ein – jener opulenten Verfilmung, die Graf Dracula ebenfalls als getriebenen Liebenden inszenierte.

In Bessons Version steht Draculas jahrhundertelange Sehnsucht nach seiner verstorbenen Geliebten Elisabeta im Zentrum. Der Film beginnt im 15. Jahrhundert: Prinz Vlad (Caleb Landry Jones) verliert seine Frau Elisabeta (Zoë Bleu) und wird nach seinem zornigen Bruch mit Gott mit dem Fluch der Unsterblichkeit belegt. Fortan wandert Vlad als untoter Graf Dracula durch die Jahrhunderte – angetrieben von einem einzigen Hoffnungsschimmer: irgendwann seine verlorene Liebe wiederzufinden. Dieser unbedingte Wille durchzieht die Handlung. Dracula scheut weder zeitliche Distanz noch moralische Grenzen, um Elisabeta wiederzufinden: So verbringt er Jahrhunderte damit, den perfekten Duft zu kreieren, der alle Frauen in seinen Bann zieht – in der Hoffnung, darunter die Reinkarnation seiner Frau aufzuspüren. Tatsächlich glaubt er im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, am Vorabend der Hundertjahrfeier der Französischen Revolution, sein Ziel erreicht zu haben: Durch eine arrangierte Begegnung erkennt Dracula in Mina Murray (ebenfalls Zoë Bleu), der Verlobten des Anwalts Jonathan Harker, die wiedergeborene Elisabeta. Er verführt Mina behutsam, weckt in ihr Erinnerungen an ihr vergangenes Leben und entführt sie schließlich nach Transsylvanien, wo Mina ihn anfleht, sie zur Vampirin zu machen, um für immer an seiner Seite zu sein. Doch gerade als die uralte Sehnsucht des Grafen sich zu erfüllen scheint, nimmt die Tragödie ihren Lauf: Eine Gruppe von Vampirjägern unter Führung eines namenlosen Priesters (Christoph Waltz) stürmt Draculas Schloss. Angesichts Minas gefährdeter Seele trifft Dracula eine letzte, drastische Entscheidung aus Liebe – er opfert sich selbst. Reumütig lässt er sich vom Priester pfählen und stirbt in Minas Armen, um sie vor dem ewigen Fluch zu bewahren. Die finale Erklärung seiner Liebe, gefolgt von der erlösenden Auflösung seines Körpers, bildet den emotionalen Höhepunkt des Films und unterstreicht Bessons Leitmotiv: Liebe, die sogar den Tod überwindet, jedoch nur durch Selbstaufopferung Erlösung findet.

Diese romantisch-tragische Interpretation unterscheidet Bessons Dracula – Die Auferstehung deutlich von konventionellen Horrorverfilmungen – und doch weist sie Parallelen zu Coppolas Ansatz von 1992 auf. Auch Bram Stoker’s Dracula stellt die unsterbliche Liebe ins Zentrum: Hier wird Dracula (Gary Oldman) angetrieben von der Überzeugung, dass Mina Harker (Winona Ryder) die Wiedergeburt seiner vor Jahrhunderten verlorenen Fürstin ist. Coppola konzipierte den Film explizit als „gotische Romanze“ um einen verzweifelt liebenden, zugleich furchterregenden Grafen und seine wiedergeborene Seelengefährtin . Schon das Marketing betonte diesen Aspekt – das berühmte Motto lautete „Love Never Dies“. Entsprechend findet man in Coppolas Inszenierung zahlreiche Momente voller Leidenschaft und Wehmut: In einer ikonischen Szene flüstert Dracula Mina die Worte zu, er habe „Ozeane der Zeit durchquert“, um sie zu finden – ein Bekenntnis jahrhundertealter Sehnsucht, das zu den eindringlichsten Liebeserklärungen des Genres zählt. Coppolas Film beginnt mit einem Prolog, in dem Draculas Frau Elisabeta aus Kummer über falsche Todesnachrichten Selbstmord begeht, woraufhin Vlad vor Schmerz Gott verleugnet und zum Vampir wird. Dieser Auftakt gibt dem Geschehen von Anfang an eine opernhafte Tragik und Motivation ähnlich der Besson-Version (wenn auch durch einen anderen Auslöser). Im weiteren Verlauf inszeniert Coppola die Begegnung zwischen Dracula und Mina als schicksalhafte, sinnliche Liebesgeschichte. Ihre verbotene Romanze wird in traumgleichen Bildern, intensiven Dialogen und einem melancholischen Score von Wojciech Kilar zelebriert, sodass Draculas leidenschaftliches Werben um Mina zugleich verführerisch und düster erscheint. Anders als Besson verliert Coppola jedoch die Horroraspekte nicht aus den Augen: Die Nebenhandlung um Minas Freundin Lucy (Sadie Frost), die selbst Opfer von Draculas Biss und zur Vampirbraut wird, fügt eine zusätzliche tragische Note hinzu und bietet einige der gruseligsten Szenen des Films. Diese Balance aus Schrecken und Romantik macht Coppolas Werk zu einem vielschichtigen Erlebnis – das Grauen steigert hier die Tragik der Liebe, anstatt ihr entgegenzustehen.

Betrachtet man Regie und Drehbuch, zeigt sich, wie unterschiedlich Besson und Coppola die romantischen und tragischen Elemente inszenieren. Luc Besson drückt dem Dracula-Mythos seinen eigenen Stil auf: Seine Adaption präsentiert sich temporeich, fantasievoll und mitunter schillernd überzeichnet. Ein Kritiker beschrieb den Film treffend als „Fiebertraum“ aus Vampirlegenden, romantischem Melodram und Bessons charakteristischem filmischem Übermut. Tatsächlich scheut Besson nicht vor extravaganten Ideen zurück – etwa wenn er Handlungsorte verlegt (große Teile der Geschichte spielen nicht in London, sondern im Paris der Belle Époque) oder übernatürliche Einfälle einbaut wie einen betörenden Parfum-Zauber oder gar eine Armee von zum Leben erweckten steinernen Gargoyles als Diener Draculas. Seine Drehbuch-Entscheidungen weichen weit von Bram Stokers Roman ab und überführen die grobe Handlung in ein neues Gewand, das ganz auf die Liebesthematik zugeschnitten ist. So ändert Besson sogar Schlüsselmomente: Anders als bei Coppola (und anders als im Roman) nimmt sich Elisabeta nicht das Leben, sondern wird von Feinden getötet – ein bewusster Kunstgriff, mit dem Besson Draculas Motivation klar auf Liebe und Rache ausrichtet. Diese kreativen Freiheiten geben Dracula – Die Auferstehung eine eigenständige Note, führen aber stellenweise auch zu erzählerischen Ungereimtheiten und einer Überfrachtung mit Ideen. Bessons Interpretation gerät durch diese Überhöhung bisweilen ins Kitschige oder Klischeehafte, was im Kino von jugendlichen Damen mit Kichern quittiert wurde. Coppolas Drehbuch hingegen hielt sich – trotz der Hinzudichtung der Wiedergeburts-Liebesgeschichte – näher an der literarischen Vorlage. Sein Film integriert viele Figuren und Handlungsbrüche aus Stokers Roman und behält die Tagebuch-Struktur teilweise bei, was dem Werk ein festes Gerüst gibt. Coppolas Regiestil war gleichzeitig experimentell und altmodisch: Er verzichtete weitgehend auf moderne digitale Effekte und kreierte die fantastischen Szenerien durch klassische filmische Tricks (etwa doppelte Belichtungen, ungewöhnliche Kameraperspektiven, Schattenspiele) sowie durch kunstvolle Sets und Kostüme. Dadurch erhielt Bram Stoker’s Dracula einen singulären visuellen Stil, der an expressionistisches Kino erinnert und die romantisch-tragische Atmosphäre unterstreicht. Insgesamt wirkt Coppolas Inszenierung konsistenter und stringenter in der Balance von Horror und Romantik – das Liebesdrama und die Schauerelemente greifen ineinander, ohne tonal zu kollidieren. Bessons Film hingegen ordnet den Horror dem Liebesthema deutlich unter (passend dazu bekannte der Regisseur, kein großer Horrorfilm-Fan zu sein), was zwar einen kohärenten Ton als romantische Fantasy ergibt, jedoch gelegentlich die innere Logik strapaziert.

Großes Gewicht für eine Geschichte von Liebe und Sehnsucht tragen natürlich die Darsteller. Caleb Landry Jones interpretiert Bessons Dracula als zerrissenen Romantiker mit monströser Seite. Er verleiht dem Grafen eine spürbare innere Qual und Leidenschaft – man nimmt ihm sowohl die gefährliche, jahrhundertealte Macht als auch den schmachtenden Liebhaber ab. Kritiker lobten insbesondere Jones’ intensive, beinahe hypnotische Darstellung, die der tragischen Romanze emotionalen Nachdruck verleiht. Zoë Bleu bringt in der Doppelrolle als Elisabeta/Mina eine sanfte Unschuld und zugleich tiefe Empfindsamkeit zum Ausdruck, besonders als Mina sich zusehends an ihr vergangenes Leben erinnert und zwischen bürgerlicher Vernunft und übernatürlicher Anziehung hin- und hergerissen ist. Die Chemie zwischen Jones und Bleu trägt viele Schlüsselszenen – vom neckischen Glück im Prolog bis zur verzweifelten Vereinigung im dritten Akt – und macht Draculas Sehnsucht nachvollziehbar. Christoph Waltz steuert als namenloser Priester (eine Art Van-Helsing-Figur) seine charismatische Gravitas bei. Seine Figur fungiert als moralischer Gegenpol zu Dracula, und Waltz verkörpert den fanatischen Vampirjäger mit der ihm eigenen Intensität. Tatsächlich gehören die Ermittlungs- und Konfrontationsszenen mit Waltz zu den fesselndsten des Films – sie verleihen der romantischen Haupthandlung dramaturgische Spannung und einen geistlichen Ernst, der im Finale kulminiert. Die Nebenrollen (etwa Matilda De Angelis als vampirische Verbündete Maria oder Ewens Abid als Jonathan Harker) sind solide besetzt, treten aber gegenüber dem zentralen Dreieck Dracula–Mina–Priester deutlich in den Hintergrund.

Coppolas Film von 1992 zeichnet sich ebenfalls durch markante Schauspielerleistungen aus, die den romantisch-tragischen Kern der Geschichte transportieren. Allen voran prägte Gary Oldman die Rolle des Dracula nachhaltig: Er spielt den Vampirfürsten als vielschichtige Gestalt – zugleich verführerisch, gebrochen und furchteinflößend. Oldmans intensiver Vortrag (inklusive des berühmten Satzes „I have crossed oceans of time to find you“, mit dem er Minas Herz gewinnt) machte Draculas Sehnsucht und Schmerz förmlich greifbar. Winona Ryder gab Mina eine Mischung aus tugendhafter Viktorianischer Anmut und innerer Aufgewühltheit, sobald sie Draculas Bann verfällt. Durch Ryder wird Mina zur glaubhaften Wiedergeburt Elisabetas, hin- und hergerissen zwischen ihrer zukünftigen Ehe mit Harker und der mysteriösen Anziehung zu Dracula. Die Szenen zwischen Ryder und Oldman sind voller knisternder Spannung und emotionaler Tiefe, wodurch Coppolas Liebesgeschichte auf der Leinwand überzeugend zum Leben erweckt wird. Im Gegensatz zu Waltz’ ernstem Priester setzte Anthony Hopkins als Professor Van Helsing in Coppolas Film einen exzentrischen Kontrapunkt: Mit scharfem Humor, wildem Blick und unbändigem Eifer jagt er Dracula und dient dabei fast als ironischer Kommentator des Geschehens. Diese leicht überspitzte, energische Art Hopkins’ lockert die düstere Romanze auf und betont gleichzeitig den Ernst der Bedrohung – eine Gratwanderung, die Coppolas Ensemble eindrucksvoll bewältigt. Insgesamt erreicht das Schauspiel in Bram Stoker’s Dracula eine opernhafte Intensität, die die großen Gefühle – Liebe, Lust, Verzweiflung – mit Nachdruck vermittelt, während Bessons Darstellerriege zwar engagiert spielt, aber weniger ikonische Akzente setzen kann.

Auf der visuellen Ebene bieten beide Filme prachtvolle Schaubilder, setzen jedoch unterschiedliche Akzente. Dracula – Die Auferstehung besticht durch aufwändige Ausstattung, Kostüme und Effekte, die den Zuschauer ins 18./19. Jahrhundert eintauchen lassen. In jedem Bild, jedem Kronleuchter, jedem Korsett und jedem Blutstropfen ist die Sorgfalt der Macher erkennbar . Kameramann Colin Wandersman fängt sowohl die glanzvolle Atmosphäre des alten Paris als auch die rau-romantische Wald- und Schlosskulisse Transsylvaniens in eindrucksvollen Bildern ein . Tatsächlich wurde in französischen Studios wie auch in den winterlichen Wäldern Finnlands gedreht, um Bessons Vision einer neugotischen Welt zum Leben zu erwecken. Die visuelle Gestaltung ist üppig und fantasievoll: Dracula tritt mal als verfallener alter Graf mit schaurigem Make-up, mal als verjüngter Verführer in Erscheinung; es gibt klassische Horrorbilder (Kreuze, Gruften und Dekapitationen) ebenso wie computeranimierte Kreaturen. Dennoch bleibt die Bildsprache dem romantischen Kern treu – die Gewalt tritt zwar deutlich hervor, doch nicht Selbstzweck, sondern Hintergrund für die Liebeshandlung (selbst blutige Exzesse wie Draculas Kampf gegen Nonnen oder die von ihm geschaffenen Ungeheuer dienen letztlich dazu, seine Verlorenheit zu unterstreichen). Die musikalische Untermalung trägt wesentlich zur Stimmung bei: Danny Elfman komponierte einen gefühlvollen Score, der von vielen als einer seiner besten seit Jahren gelobt wird. Leider ist der Score bisher nicht auf Vinyl herausgekommen. Streicherklänge und Chöre untermalen die Sehnsucht und den Horror gleichermaßen. Unweigerlich drängt sich aber der Vergleich zum legendären Soundtrack von Wojciech Kilar in Coppolas Dracula auf – Kilars unverwechselbare musikalische Themen gaben der 1992er-Version viel von ihrer emotionalen Wucht, und Elfmans Musik zitiert diese gothische Romantik stellenweise, ohne deren Originalität ganz zu erreichen.

Coppolas Bram Stoker’s Dracula war visuell nicht minder opulent, jedoch in einer anderen Weise. Die Ausstattung und Kostüme (entworfen von Eiko Ishioka) zeichneten sich durch eine theatralische, preisgekrönte Pracht aus; jedes Bild wirkt wie ein kunstvolles Gemälde voller Symbolik. Coppola setzte auf altmodische Tricktechnik: Viele Effekte – von überdimensionalen Schatten bis zu surrealen Übergängen – wurden direkt bei den Dreharbeiten erzeugt, was dem Film einen handgemachten Charme und zeitlosen Look verleiht. Das Farbenspiel (tiefes Rot der Leidenschaft, kaltes Blau der Nacht), die Kameratricks und die Anleihen bei expressionistischen Stummfilmen ergaben eine einzigartige Ästhetik, die die Grenzen zwischen Realität und Alptraum verwischte. Auf diese Weise transportierte Coppola die tragische Liebesgeschichte auf einer visuell-metaphorischen Ebene: Draculas Schmerz und Begierde manifestieren sich buchstäblich in den Bildern (man denke an die ikonische Szene, in der sich Draculas Schatten verselbständigt, oder an die Verwandlung in einen gewaltigen Fledermaus-Dämon während Minas Versuchung). Bessons Film wiederum nutzt die modernen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts – aufwendige Computereffekte und dynamische Montagen – um sein Märchen von Liebe und Unsterblichkeit gefällig und zeitgemäß zu präsentieren. Beide Ansätze – der nostalgisch-künstlerische von 1992 und der high-end-gotische von 2025 – eint, dass sie ein visuelles Fest bieten, das die romantische Tragik der Geschichte eindrucksvoll unterstützt. Sie unterscheiden sich jedoch in der stilistischen Haltung: Coppolas Bilder sind oft metaphorisch überhöht und von subtiler Symbolik, während Besson direktere, bisweilen reißerische Tableaus bevorzugt, die den Zuschauer mit Sinneseindrücken überwältigen.

Letztlich stellt sich mir die Frage, wie wirkungsvoll die beiden Filme ihre romantisch-tragische Vision dem Publikum vermitteln. Dracula – Die Auferstehung bietet emotionales, pathetisches Kino – die aufrichtige Darstellung ewiger Liebe soll das Publikum berühren. Viele Momente – etwa wenn Mina am Ende den sterbenden Dracula hält – zielen unverhohlen aufs Herz und können durchaus Ergriffenheit auslösen. Unterstützt von der gefühlvollen Musik und der engagierten Darstellung wird die Verzweiflung der liebenden Figuren spürbar. Dennoch gingen die Meinungen auseinander: Ist vielleicht Bessons Spätwerk eine Kopie von Coppolas Meisterstück und ich bezweifelte den Mehrwert der erneuten Nacherzählung. Wer die romantische Seite des Dracula-Mythos schätzt, wird Bessons Ansatz einiges abgewinnen können, denn er nimmt das Motiv der ewig währenden Liebe ernst und gestaltet es mit großer Leidenschaft und visueller Fantasie aus. Coppolas Dracula wiederum gilt nicht ohne Grund als Klassiker: Durch die kohärente Verschmelzung von Schrecken und Schönheit, von Grauen und Gefühl erreicht dessen emotionale Wirkung eine intensive Dichte, die das Publikum bis heute fasziniert.

Der Vergleich der beiden Werke zeigt, wie unterschiedlich und doch vergleichbar der Dracula-Stoff interpretiert werden kann. Luc Besson und Francis Ford Coppola betonen jeweils die Aspekte von Liebe und Sehnsucht im Vampirmythos und machen aus Dracula eine tragische Figur, die über den Tod hinaus nach Erfüllung sucht. Besson entwirft in Dracula – Die Auferstehung ein leidenschaftliches, modernes Märchen voller Hingabe und Schmerz, das visuell beeindruckt und das Herz des Zuschauers direkt ansprechen will. Coppola inszenierte Bram Stoker’s Dracula als opulentes, nahezu opernhaftes Filmgedicht – eine Verschmelzung von Horror und Romantik, die stilistisch wie emotional Maßstäbe setzte. Beide Filme zeigen letztlich, dass unter der Schale des Vampir-Horrors eine zeitlose Geschichte schlägt: die Geschichte von unsterblicher Liebe und ewiger Sehnsucht, inszeniert mal auf neue, mal auf klassische Weise – doch in jedem Fall mit der tragischen Schönheit, die Draculas Schicksal so fesselnd macht.

Meine Vinyl des Monats: Bruce Springsteen, Kate Bush, John Lennon, The Yardbirds, Jean-Michel Jarre, Led Zeppelin, King Crimson, Howard Shore, Bernard Herrmann, Richard Wagner, Chuck Berry

29. Oktober 2025

Vinyl-Schallplatten üben bis heute eine besondere Faszination aus. Ihr warmer, voller Klang unterscheidet sich deutlich von der glatten Perfektion digitaler Formate und vermittelt ein Gefühl von Echtheit und Nähe zur Musik. Auch das haptische Erlebnis spielt eine große Rolle: Das Auflegen der Platte, das leise Knistern der Rille und das große, oft kunstvoll gestaltete Cover machen das Musikhören zu einem bewussten, beinahe rituellen Vorgang. Viele Liebhaber schätzen zudem den nostalgischen Charakter und die Handwerkskunst vergangener Jahrzehnte. In einer Zeit, in der Musik meist nur noch gestreamt wird, steht die Schallplatte für Entschleunigung, Wertschätzung und den besonderen Moment, wenn Musik wirklich greifbar wird. Und hier sind meine Anschaffungen im Monat Oktober.

Bruce Springsteen: Nebraska ’82 Expanded Edition
Über vierzig Jahre nach der Veröffentlichung seines wohl intimsten Albums gewährt uns Bruce Springsteen tiefe Einblicke in eine Schaffensphase, die längst Musikgeschichte geschrieben hat. Mit „Nebraska ’82: Expanded Edition“ und dem begleitenden Soundtrack zum Biopic „Deliver Me From Nowhere“ erscheinen gleich zwei Veröffentlichungen, die das Vermächtnis des 1982 entstandenen Kultalbums in neuem Licht zeigen. Und ich hatte das unglaubliche Glück, die Vinyl-Box in den Händen zu halten!
Als langjähriger Springsteen-Fan war der Moment, in dem das Paket ankam, schon etwas Besonderes. Nebraska war schon immer anders – rau, ehrlich, reduziert auf das Wesentliche. Während alle Welt den bombastischen Sound von „Born in the USA“ erwartete, lieferte Bruce damals diese kargen, auf einem Vierspur-Kassettendeck aufgenommenen Lieder ab. Geschichten von Menschen am Rand der Gesellschaft, erzählt mit einer Intensität, die einem unter die Haut geht.
Die Expanded Edition ist mehr als nur eine Neuauflage. Schon die Verpackung zeigt, mit wieviel Liebe zum Detail hier gearbeitet wurde. Das schwere Box-Set öffnet sich wie eine Schatztruhe, und drinnen wartet nicht nur das remastered Original-Album, sondern auch bisher unveröffentlichte Aufnahmen, alternative Versionen und Demos, die einen noch tieferen Blick in Bruces damalige Seelenlage gewähren. Die Liner Notes, vollgepackt mit Hintergrundinformationen und Fotografien aus jener Zeit, sind ein absolutes Highlight für jeden, der verstehen möchte, wie aus diesen einsamen Sessions in Bruces Schlafzimmer ein Meisterwerk entstand.
Das Vinyl selbst klingt fantastisch – warm, direkt, unmittelbar. Man hört jedes Knacken, jedes Atmen, jede Nuance von Bruces Stimme und seiner akustischen Gitarre. Genau so sollte Nebraska klingen. Die zusätzlichen Tracks offenbaren Songs, die es nicht aufs Original geschafft haben, aber genauso kraftvoll und berührend sind. Es ist, als würde man Bruce damals über die Schulter schauen, während er mit seinen Dämonen ringt und daraus Kunst erschafft.
Der Soundtrack zu „Deliver Me From Nowhere“ ergänzt das Erlebnis perfekt und macht die gesamte Ära noch greifbarer. Für mich als Fan ist diese Veröffentlichung ein Geschenk – eine Möglichkeit, ein Album, das ich schon hunderte Male gehört habe, noch einmal ganz neu zu entdecken. Nebraska war damals mutig, kompromisslos und seiner Zeit voraus. Heute, über vier Jahrzehnte später, hat es nichts von seiner Kraft verloren. Im Gegenteil: Es fühlt sich relevanter denn je an.

Kate Bush: The Kick Inide
Kate Bushs Debütalbum The Kick Inside, erschienen 1978, ist ein außergewöhnliches Werk voller künstlerischer Eigenwilligkeit und jugendlicher Genialität. Mit nur 19 Jahren schuf Bush ein Album, das sowohl lyrisch als auch musikalisch weit über das hinausging, was man damals von einer Newcomerin erwarten konnte. Ihre unverwechselbare Stimme, die zwischen ätherischer Zartheit und dramatischer Expressivität pendelt, prägt Songs wie Wuthering Heights, The Man with the Child in His Eyes oder Moving.

Stilistisch verbindet das Album Pop, Rock und Artrock-Elemente mit literarischen und mythologischen Anspielungen – ein Konzept, das Bush später zu einer der faszinierendsten Künstlerinnen der Popgeschichte machte. The Kick Inside wirkt auch heute noch frisch und originell – ein visionäres Debüt, das die Grenzen des Pop neu definierte.

John Lennon: Gimme Some Truth
Gimme Some Truth von John Lennon ist weniger ein klassisches Album als eine pointierte Werkschau seines Schaffens, die seine kompromisslose Haltung und sein Gespür für eingängige Melodien eindrucksvoll zusammenfasst.

Die Songs zeigen Lennon als politischen Idealisten, als scharfen Gesellschaftskritiker, aber auch als verletzlichen Menschen, der nach Wahrheit und Frieden sucht. Klassiker wie Imagine, Instant Karma! oder Working Class Hero stehen dabei exemplarisch für seine Mischung aus Aufrichtigkeit, Wut und Hoffnung. Gimme Some Truth ist damit nicht nur eine Zusammenstellung bekannter Stücke, sondern ein musikalisches Manifest für Authentizität und Menschlichkeit.

The Yardbirds: Roger the Engineer
Das Album „Roger the Engineer“ der britischen Band The Yardbirds erschien 1966 und gilt als ihr einziges Studioalbum mit komplett eigenem Songmaterial. Offiziell hieß es in Großbritannien Yardbirds, bekam aber aufgrund des Cover-Designs, das eine Karikatur des Tontechnikers Roger Cameron zeigt, schnell den Spitznamen „Roger the Engineer“.

Musikalisch markiert es eine Übergangsphase: Die Band entfernte sich von reinem Rhythm & Blues und experimentierte stärker mit Psychedelic-, Bluesrock- und Hardrock-Elementen. Mit Jeff Beck als Leadgitarrist enthält das Album einige wegweisende Riffs und Sounds, die später viele Musiker beeinflussten. Heute gilt es als ein Schlüsselwerk der 60er-Jahre-Rockmusik.

Jean-Michel Jarre: Zoolook
Jean-Michel Jarres Album Zoolook aus dem Jahr 1984 gilt als eines seiner experimentellsten Werke und markiert einen deutlichen Schritt weg von reiner Synthesizer-Musik hin zu einem stärker samplingsbasierten Klangbild. Charakteristisch ist der innovative Einsatz von Sprachaufnahmen aus rund 25 verschiedenen Sprachen, die verfremdet, rhythmisch eingebunden und so zu einem eigenständigen musikalischen Element werden. Dadurch entsteht eine außergewöhnliche Textur, die dem Album eine besondere Tiefe und Identität verleiht. Stücke wie Ethnicolor oder Diva erzeugen dichte, atmosphärische Klangräume, die teilweise fast beklemmend wirken, während andere Passagen mit spielerischen Fragmenten überraschen. Kritiker heben das Album häufig als wegweisend für die Verwendung von Sprachsamples im elektronischen Popkontext hervor.

Gleichzeitig ist Zoolook kein leicht konsumierbares Werk: Der Spannungsbogen wirkt stellenweise unausgeglichen, und wer Jarres melodischere Klassiker wie Oxygène oder Équinoxe bevorzugt, könnte den Zugang zu Zoolook als sperrig empfinden. Auch manche Produktionstechniken wirken aus heutiger Sicht etwas gealtert. Dennoch bleibt Zoolook ein ambitioniertes Album, das Mut zur Innovation beweist und als wichtiger Meilenstein in der Geschichte der elektronischen Musik gilt.

Led Zeppelin: III
Mit Led Zeppelin III schlug die Band 1970 neue Wege ein und überraschte Fans wie Kritiker gleichermaßen. Während die Vorgängeralben klar vom harten, elektrischen Bluesrock geprägt waren, zeigt sich hier ein deutlicher Fokus auf akustische Klänge und Folk-Einflüsse. Songs wie Gallows Pole oder Bron-Y-Aur Stomp schöpfen aus britischer und amerikanischer Folk-Tradition, während Stücke wie Immigrant Song oder Celebration Day die gewohnte Energie und Härte der Band transportieren.
Diese Mischung aus akustischer Intimität und elektrischer Wucht machte das Album zunächst zu einem Streitpunkt: Manche Hörer vermissten die durchgehende Wucht der ersten beiden Werke. Doch mit der Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass Led Zeppelin III ein mutiger Entwicklungsschritt war, der die Band musikalisch breiter aufstellte und ihren Sound erheblich erweiterte.
Besonders hervorgehoben wird heute die Vielseitigkeit des Albums: von hymnischen Riffs über filigrane Gitarrenarrangements bis hin zu sensiblen Akustikpassagen. Kritiker sehen darin einen wichtigen Grundstein für Led Zeppelins Fähigkeit, Hardrock, Blues, Folk und psychedelische Elemente zu einem unverwechselbaren Stil zu verschmelzen.
Im Rückblick gilt Led Zeppelin III nicht als das eingängigste, wohl aber als eines der einflussreichsten und künstlerisch spannendsten Werke der Band – ein Album, das zeigt, dass sich Led Zeppelin nicht auf ihre Erfolgsformel beschränkten, sondern den Mut hatten, neue Klangwelten zu erschließen.

King Crimson: Beat
Beat ist das neunte Studioalbum von King Crimson und erschien am 18. Juni 1982. Es war das zweite Album der „’80er-Formation“ mit Robert Fripp, Adrian Belew, Tony Levin und Bill Bruford, und erstmals blieb die Besetzung gegenüber dem Vorgängeralbum Discipline unverändert. Unter dem Einfluss der Beat-Generation (z. B. Jack Kerouac, Allen Ginsberg) konzipierte Belew die Texte, angeregt durch Fripp, der ihm Lesestoff aus der Beat-Literatur nahelegte. Der Name Beat verweist also nicht auf Rhythmus allein, sondern auf die literarische Bewegung, deren Geist (“On the Road”, “Howl” etc.) im Album mitschwingt.

Da Discipline 1981 als Comeback-Album gefeiert wurde, lagen die Erwartungen für Beat hoch: Könnte King Crimson die musikalische Neuausrichtung stabilisieren und weiterentwickeln? Viele Fans und Kritiker hofften auf eine Weiterentwicklung statt auf Wiederholung. Eines der stärksten Merkmale von Beat liegt in seiner instrumentalen Qualität und der Präzision, mit der die Musiker – insbesondere Fripp, Bruford und Levin – ihre Parts ineinander verschachteln. Selbst wenn der Pop- und New-Wave-Einfluss deutlich herauszuhören ist, bleibt die progressive DNA present. Die Technik, das Zusammenspiel und die Dichte mancher Arrangements erinnern an die besten Momente von Discipline, auch wenn Beat insgesamt zugänglicher klingt. Beat ist ein Album, das in King Crimsons Diskografie zwischen Experiment und Zugänglichkeit steht. In den besten Momenten – etwa mit Sartori in Tangier und Requiem – erinnert es daran, dass die Band immer noch bereit war, Grenzen zu verschieben. In anderen Momenten wendet es sich bewusst dem Pop-Songwriting zu, was manche Fans als Kompromiss ansehen.
Wenn man Beat mit seinem Vorgänger Discipline vergleicht, liegt es rückblickend oft etwas darunter: wohltuend solide, aber nicht so kraftvoll und einflussreich wie das Comeback-Album. Dennoch besitzt Beat genug individuell starke Stücke, um es auch heute noch wertvoll zu hören – vor allem für jene, die den Chinesen des 80er-Crimson-Sounds nachspüren wollen.

Howard Shore: Lord of the Rings
Die Musik von Howard Shore zu Der Herr der Ringe zählt zu den bedeutendsten Filmmusikwerken überhaupt und ist weit mehr als eine bloße Begleitung der Bilder. Shore erschuf ein eigenständiges musikalisches Universum, das die Tiefe und Vielfalt von Tolkiens Welt hörbar macht. Zentral ist dabei die konsequente Verwendung der Leitmotivtechnik: Mehr als neunzig verschiedene Themen und Motive ziehen sich durch die Trilogie, die Völker, Orte, Gegenstände oder auch abstrakte Ideen verkörpern und sich im Verlauf der Handlung weiterentwickeln. So wird die Musik des Auenlands von warmen, volksliedhaften Klängen mit Geige, Flöte und Klarinette bestimmt, während Rohan durch die rauen Töne der Hardangerfiedel charakterisiert wird. Gondor klingt majestätisch und feierlich mit Blechbläsern und Chor, während Mordor und Isengard von schweren, dissonanten Klangmassen aus Blech und Schlagwerk geprägt sind.

Einen besonderen Reiz verleihen die groß angelegten Chorpassagen, die in Tolkiens Sprachen wie Sindarin, Quenya oder Khuzdul gesungen werden und der Musik eine archaische, mythische Aura verleihen. Shore gelingt es, sowohl intime, zarte Momente voller Geborgenheit als auch monumentale Schlachtszenen von überwältigender Wucht zu gestalten und so die emotionale Bandbreite der Filme auf einzigartige Weise zu verstärken. Trotz der Vielfalt an Themen und Stilen wirkt die Komposition als geschlossenes Ganzes, das wie eine Oper ohne Bühne funktioniert und die epische Dimension der Geschichte hörbar macht.

Bernard Herrmann: Vertigo
Der Soundtrack zu Alfred Hitchcocks Vertigo (1958), komponiert von Bernard Herrmann, gilt als eines der eindrucksvollsten Beispiele für die enge Verbindung von Film und Musik. Herrmanns Komposition ist von einer hypnotischen, fast unheimlichen Qualität geprägt und spiegelt die psychologische Tiefe des Films ebenso wider wie dessen traumartige Atmosphäre. Zentral sind die schwebenden, kreisenden Motive, die musikalisch das titelgebende Schwindelgefühl nachzeichnen. Durch die geschickte Verwendung von sich aufbauenden und wiederholenden Figuren, schraubenartigen Tonbewegungen und dichten Orchesterfarben entsteht ein Klangbild, das sowohl Spannung als auch Obsession vermittelt.
Die Partitur arbeitet intensiv mit Streichern, die oft in breiten, wogenden Klangflächen eingesetzt werden und ein Gefühl von Sehnsucht, aber auch von Beklemmung erzeugen. Über diesen Teppichen legen sich unheilvolle Bläserakzente, die die Bedrohung und die innere Zerrissenheit der Hauptfigur unterstreichen. Besonders hervorzuheben ist das berühmte Liebesthema, das zugleich romantisch und beunruhigend wirkt – es steigert sich immer wieder in leidenschaftliche Höhepunkte, die jedoch abrupt abbrechen oder in Dissonanzen münden, was die unerfüllte, obsessive Natur der Liebe im Film reflektiert.
Herrmanns Musik für Vertigo ist weniger auf klassische Hollywood-Melodien ausgelegt, sondern auf eine durchgängige Klangdramaturgie, die den Zuschauer unweigerlich in die psychologische Abwärtsspirale der Figuren hineinzieht. Sie ist zugleich lyrisch und bedrohlich, schön und verstörend, und verstärkt so die traumwandlerische, beklemmende Stimmung des Films auf unverwechselbare Weise.

Richard Wagner: Lohengrin
Die Bayreuther Festspiele 1982 präsentierten mit Richard Wagners „Lohengrin“ eine Aufführung, die sowohl musikalisch als auch szenisch nachhaltigen Eindruck hinterließ. Im Zentrum stand der Tenor Peter Hofmann, der zu dieser Zeit bereits als charismatischer und moderner Wagner-Sänger galt. Seine Interpretation der Titelpartie zeichnete sich weniger durch ein heroisch stählernes Timbre aus, als vielmehr durch eine lyrische, fast schlanke Stimmführung, die dem geheimnisvollen Charakter des Schwanenritters eine besondere Verletzlichkeit und Menschlichkeit verlieh. Hofmanns heller Tenor, geprägt von klarem Höhenstrahl und nuancenreicher Phrasierung, traf den Ton eines „modernen Lohengrin“, der sich von den kraftvollen, manchmal schwergewichtigen Bayreuth-Traditionen unterschied. Kritiker bemerkten zwar eine gewisse vokale Fragilität in den dramatischeren Passagen, doch gerade die „Gralserzählung“ gewann durch seine fast introvertierte Gestaltung eine intime Intensität, die im Festspielhaus große Wirkung entfalten konnte.

An der Seite Hofmanns überzeugte die Sopranistin Katalin Komlósi (Elsa) mit lyrischer Innigkeit, auch wenn ihre Stimme nicht immer das durchschlagende Volumen für den großen Saal besaß. Die Gegenspieler, insbesondere Ortrud und Telramund, lieferten hingegen kraftvoll-dramatische Kontraste, die der Aufführung die nötige Spannung gaben. Dirigent Woldemar Nelsson entschied sich für ein transparentes, fließendes Klangbild, das weniger den monumentalen Wagner-Klang kultivierte, sondern eine fein austarierte Balance zwischen Orchester und Bühne herstellte. Die Bayreuther Akustik trug dazu bei, dass selbst die zarten Passagen Hofmanns klar verständlich blieben.

Auch die 1982 veröffentlichte Aufnahme dieser Produktion dokumentiert diese besondere Ära Bayreuths. Auf Schallplatte und später CD festgehalten, vermittelt das Album die Atmosphäre eines Ensembles, das nicht allein auf stimmliche Wucht setzte, sondern auf psychologische Zeichnung und klangliche Durchsichtigkeit. Hofmanns Lohengrin wirkt hier fast wie ein Gegenentwurf zum traditionellen „Helden“ – ein sensibler, geheimnisvoller Ritter, der in seiner Menschlichkeit greifbarer wird. Während manche Puristen den fehlenden „stahlblauen Heldentenor“ kritisierten, schätzten andere gerade den frischen Zugang, der Wagner näher an eine neue Generation von Opernfreunden brachte.

In der Rückschau lässt sich die Bayreuther „Lohengrin“-Produktion von 1982 als ein wichtiger Moment in der Rezeption des Werkes werten. Sie markierte eine Phase, in der die Festspiele begannen, sich von schwerfälligen Wagner-Klischees zu lösen und neue stimmliche und szenische Wege zu beschreiten. Das Album mit Peter Hofmann bleibt bis heute ein Dokument dieses Aufbruchs, das seine Hörer mit einer Mischung aus Spannung, Kontroverse und Faszination zurücklässt.

Chuck Berry: Ultimative Collection
Chuck Berry gilt als einer der entscheidenden Wegbereiter des Rock ’n’ Roll. Mit Songs wie Johnny B. Goode oder Roll Over Beethoven verband er treibende Rhythmik, eingängige Gitarrenriffs und jugendnahe Texte zu einer bis dahin unbekannten Mischung, die Generationen von Musikern beeinflusste. Berry prägte nicht nur den Sound, sondern auch die Bühnenästhetik des Rock: Seine energiegelbe Performance, der berühmte „Duckwalk“ und seine unverwechselbare Gitarrentechnik machten ihn zu einem Idol für Bands wie die Beatles, die Rolling Stones oder später auch Bruce Springsteen.

Er brachte das Lebensgefühl einer neuen, selbstbewussten Jugendkultur auf den Punkt und gilt bis heute als „Vater des Rock ’n’ Roll“, dessen musikalisches Erbe den Grundstein für nahezu alle späteren Spielarten der Rockmusik legte.

Django (1966) – Western-Matinee am 26. Oktober im Scala Fürstenfeldbruck

24. Oktober 2025

Sergio Corbuccis „Django“ aus dem Jahr 1966 gehört zu jenen Filmen, die das Genre des Italo-Westerns nicht nur geprägt, sondern neu definiert haben. In der Rolle des wortkargen Antihelden Django schuf Franco Nero eine ikonische Figur, die zwischen Einsamkeit, Rache und moralischer Ambivalenz pendelt – ein Mann, der mehr Schatten als Seele zu haben scheint. Bereits die Eröffnungsszene, in der er seinen Sarg durch den Schlamm einer verlassenen Grenzstadt zieht, ist von verstörender Wucht und symbolischer Dichte: Sie steht für die Verwesung des amerikanischen Traums, für die Vermischung von Leben und Tod, Schuld und Erlösung. Wir besprechen und zeigen den Film in unserer Western-Matinee im Scala Fürstenfeldbruck am Sonntag, 26. Oktober. Karten gibt es hier.

Corbucci präsentiert ein Amerika, das kaum mehr etwas mit der heroischen Welt des klassischen Westerns gemein hat. Statt weiter Himmel und ehrenvoller Duelle zeigt er ein Niemandsland aus Morast, Elend und Gewalt. Die Stadt, in der Django strandet, wird zum Mikrokosmos der Hoffnungslosigkeit – beherrscht von zwei rivalisierenden Banden: rassistische Südstaatenmilizionäre auf der einen, mexikanische Revolutionäre auf der anderen Seite. Zwischen ihnen bewegt sich Django als zynischer Mittler, der weder Gut noch Böse kennt, sondern nur sein eigenes, von Rache getriebenes Ziel verfolgt.

Die Brutalität des Films war für die damalige Zeit revolutionär. „Django“ zeigte eine neue Form von Gewalt – roh, überstilisiert, aber zugleich von seltsamer Schönheit. Corbucci inszeniert das Töten als groteskes Schauspiel, als Ausdruck einer Welt, in der Moral längst bedeutungslos geworden ist. Besonders berüchtigt ist die Szene, in der Djangos Hände zertrümmert werden – ein symbolischer Akt, der den Helden entmachtet und ihn zugleich menschlicher macht. Er wird nicht zum unbesiegbaren Westernhelden, sondern zu einem gebrochenen Menschen, der seinen letzten Kampf aus purer Verzweiflung führt.

Der Film ist dabei nicht nur ein Meisterwerk der Inszenierung, sondern auch eine Studie über politische und gesellschaftliche Spannungen. Corbucci, selbst geprägt von den Umbrüchen der 1960er-Jahre, versteht den Western als Allegorie auf Unterdrückung, Macht und Revolution. Die Südstaaten-Schergen tragen rote Kapuzen, die unübersehbar an den Ku-Klux-Klan erinnern; ihre Gewalt ist ideologisch, rassistisch und archaisch. Djangos Kampf gegen sie wird zum Kampf des Einzelnen gegen Systeme der Gewalt – ein Thema, das den Italo-Western zu einem politischen Kino der Verzweiflung machte.

Unvergesslich ist auch die Musik von Luis Bacalov, die den Film in eine eigentümliche Melancholie taucht. Das Titellied „Django“ – gesungen von Rocky Roberts – ist längst zum Klassiker geworden, seine schwermütige, fast sakrale Stimmung bildet einen Gegenpol zu der schmutzigen Brutalität des Films.

Franco Nero verleiht der Figur eine Mischung aus kalter Eleganz und stiller Verzweiflung. Mit seinem durchdringenden Blick, den wenigen Worten und der kontrollierten Körperlichkeit verkörpert er den Prototyp des einsamen Rächers, der später Figuren wie Clint Eastwoods „Man with No Name“ oder Tarantinos modernen Django inspirierte.

In der filmhistorischen Rückschau steht „Django“ heute auf einer Stufe mit Leone-Klassikern wie „Für eine Handvoll Dollar“ – nur düsterer, kompromissloser und politischer. Corbuccis Werk ist weniger ein Abenteuerfilm als ein Abgesang auf die Mythen des Westens. Der Dreck, der Wind, das Blut – sie sind Teil einer neuen Ästhetik, die Schönheit im Verfall sucht.

Verpassen Sie nicht diesen Klassiker des Italo-Westerns zwischen Dreck, Blut und Mythos. Sergio Corbuccis „Django“ ist ein bahnbrechender, visuell kraftvoller und moralisch vielschichtiger Film, der das Genre des Westerns in eine neue Ära führte. Trotz seines niedrigen Budgets entfaltet er eine beispiellose Wucht, die bis heute spürbar ist. Wer Western liebt, sollte ihn gesehen haben – nicht nur als Actionfilm, sondern als düsteres Gedicht über Rache, Schuld und Einsamkeit. Karten gibt es hier.

Zwölf Uhr mittags – Rückblick auf meine Western-Matinee

17. Oktober 2025

Zwölf Uhr mittags ist ohne Zweifel einer der Klassiker des Westerngenres. Hie passt einfach alles zusammen Regie, Kamera, Schnitt, Musik und Schauspiel – alles greift ineinander – entfaltet der Film eine zeitlose Wirkung.

Der nächste Film unserer Western-Matinee im Scala Fürstenfeldbruck ist am Sonntag, 26. Oktober um 10:45 Uhr der Italo-Klassiker Django mit Franco Nero. Karten gibt es hier.

„Zwölf Uhr mittags“ („High Noon“) ist weit mehr als nur ein Western. Es ist ein Kammerspiel über Ehre, Verantwortung und den Preis, den ein Mensch zahlt, wenn er das Richtige tut – auch dann, wenn niemand sonst an seiner Seite steht. Fred Zinnemanns Film aus dem Jahr 1952, mit Gary Cooper in der Hauptrolle des Marshal Will Kane, hat sich tief ins kollektive Gedächtnis des Kinos eingebrannt. Er erzählt keine Geschichte von Reitern und Schießereien, sondern eine über moralische Standhaftigkeit – und über die erdrückende Stille, die entsteht, wenn Mut zum Alleingang wird. Hier ist die Aufzeichnung meines Vortrags:

Der Film spielt in nahezu Echtzeit: Eine Stunde und 25 Minuten vor zwölf, dem Zeitpunkt, an dem der Bandit Frank Miller mit dem Zug in die Stadt zurückkehren wird. Miller wurde einst von Kane verhaftet und sinnt nun auf Rache. Statt zu fliehen, wie es alle von ihm erwarten, bleibt der Marshal – frisch verheiratet, eigentlich auf dem Weg in ein neues Leben – in der Stadt. Er will Verantwortung übernehmen, weil er weiß: Wenn er jetzt wegläuft, wird die Gewalt zurückkehren. Doch was wie eine Geschichte von Mut beginnt, wird zur schmerzhaften Studie über menschliche Feigheit. Einer nach dem anderen wendet sich von ihm ab: die Bürger, die Freunde, sogar sein Stellvertreter. Angst, Eigennutz und Gleichgültigkeit verwandeln die Stadt in eine moralische Wüste.

Gary Cooper verkörpert diesen einsamen Helden mit einer stillen, eindringlichen Intensität. Man sieht ihm den inneren Kampf an – die Verzweiflung, das Zögern, den Trotz. Sein Blick, wenn die Kirchenglocken läuten, während der Zeiger sich unaufhaltsam der Zwölf nähert, ist einer der großen Momente der Filmgeschichte. Die Zeit selbst wird zum Feind: Mit jedem Schlag der Uhr wächst die Spannung, das Gefühl der Ausweglosigkeit. Der berühmte Titelsong „Do Not Forsake Me, Oh My Darlin’“, gesungen von Tex Ritter, zieht sich wie ein melancholisches Gebet durch den Film – ein Lied über Pflicht, Liebe und Einsamkeit.

„Zwölf Uhr mittags“ ist ein Film über das Gewissen – über den Moment, in dem ein Mensch allein vor seiner Entscheidung steht. Zinnemann drehte ihn in einer Ära, in der Amerika selbst von moralischen Prüfungen erschüttert wurde: McCarthyismus, Angst, Konformismus. Kein Wunder also, dass viele den Film als Allegorie auf den Mut zur Wahrheit im Angesicht von Verfolgung lesen. Doch auch jenseits seiner politischen Bedeutung berührt er zeitlos: Jeder von uns kennt diese Stunde, in der es keinen Rückhalt gibt, nur das eigene Gewissen.

Am Ende, nach dem tödlichen Duell, steht Will Kane allein auf der Straße, der Staub legt sich, und niemand eilt herbei, um ihm zu danken. Schweigend nimmt er den Stern von der Brust, wirft ihn in den Sand und geht. Es ist ein stiller Triumph – und eine bittere Abrechnung mit einer Gesellschaft, die lieber zusieht, als Verantwortung zu tragen.

„Zwölf Uhr mittags“ bleibt ein Film über den Mut, der nicht laut ist, sondern still. Über Pflicht, die nicht gefeiert, sondern ertragen wird. Über einen Mann, der weiß: Es ist genau zwölf Uhr – und jetzt zählt nur noch das Richtige. Der nächste Film unserer Western-Matinee im Scala Fürstenfeldbruck ist am Sonntag, 26. Oktober um 10:45 Uhr der Italo-Klassiker Django mit Franco Nero. Karten gibt es hier.

Meine Vinyls des Monats: Grateful Dead, Supertramp, Jean-Michel Jarre, Tron: Ares Soundtrack und Frankensteins Sohn im Monster-Labor

27. September 2025

Wer das erste Mal eine Vinyl-Schallplatte aus der Hülle zieht, spürt sofort: Musik ist mehr als Sound aus dem Lautsprecher, sie ist greifbar, lebendig, voller Seele. Das sanfte Knistern, das Unikat im Cover und das bewusste Auflegen der Nadel – jede Bewegung ist Vorfreude, jeder Song eine kleine Zeremonie, die Herz und Sinne anspricht. Vinyl begeistert, weil es Musik einen Raum gibt, der zwischen Nostalgie und unmittelbarer Tiefe schwebt. Es ist, als würde die Zeit auf magische Weise anhalten: Jeder Ton erzählt Geschichten, jeder Knackser ist Erinnerung – und das Album wird zum persönlichen Schatz. Wer jemals diese Faszination gespürt hat, weiß: Schallplatten sind pures Glück, immer wieder neu und immer wieder einzigartig. Das sind meine Vinyl-Käufe des Monats.

Grateful Dead: „Workingman’s Dead“
Ich mag die Dead, würde es aber nie wagen, mich als Deadhead zu bezeichnen. Ihre Musik, vor allem die Live-Alben genieße ist. Aber ab und zu greife ich zu den Studioaufnahmen, wie bei „Workingman’s Dead“. Das Album gilt als Wendepunkt in der Geschichte der Band – ein Album, das mit seiner Wärme, Klarheit und stilistischen Erdung auch nach über fünf Jahrzehnten begeistert. Statt psychedelischer Jams dominieren hier kompakte Songs, inspiriert von Country, Folk und klassischer Americana. Schon der Opener „Uncle John’s Band“ vermittelt eine intime, fast familiäre Atmosphäre, die durch die gesamten acht Titel hindurch tragend bleibt.

Die instrumentale Disziplin und die harmonische Vielschichtigkeit heben das Album aus der Masse hervor: Die Musiker verstehen es, scheinbar einfache Songideen mit einer berührenden Tiefe zu versehen. „High Time“ brilliert mit fragilen Gitarren und sanften Stimmen, während der ironische „New Speedway Boogie“ mit zupackenden Blues-Elementen überraschen kann. Das berühmte Finale „Casey Jones“ bleibt dank seiner Eingängigkeit und witzigen Lyrics bis heute ein Klassiker.

Auffällig ist die Lebensfreude, die aus den Aufnahmen spricht. Die Dead spielen unverkennbar mit Lust und Hingabe – und das drückt sich in einer Offenheit aus, die das Album zur Inspirationsquelle für nachfolgende Musiker im Americana-Bereich macht. Zugleich ist „Workingman’s Dead“ ein Gegenbeweis zur häufig gehörten Behauptung, die Band könne ihre Magie nur live entfalten: Die schlichte, warme Produktion beweist hier das Gegenteil.

Viele Kritiker und Fans sehen „Workingman’s Dead“ als eines der besten und vor allem zugänglichsten Alben der Grateful Dead. Das mag für die Studio-Alben zutreffen. Es verbindet handwerkliches Können mit Authentizität und einem Gespür für das Wesentliche. Das Album wirkt weder schwülstig noch überladen, sondern erzählt auf musikalisch und textlich direkte Weise von Alltag, Hoffnung und der Kraft der Musik, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen.

Gerade heute lädt „Workingman’s Dead“ zum tieferen Hinhören ein – als audiophile Referenz dank neuer Remasterings ebenso wie als zeitloses Statement amerikanischer Songkultur. Wer Grateful Dead in ihrer konzentrierten, songorientierten Form erleben möchte, findet hier einen idealen Einstieg und ein Werk, das so frisch und lebendig klingt wie am ersten Tag.

Supertramp: „Breakfast in America“
„Breakfast in America“ von Supertramp ist eines dieser Alben, das im besten Sinne überwältigt: Schon mit den ersten Tönen von „Gone Hollywood“ öffnet sich eine Klangwelt, die voller Sehnsucht, Ironie und bittersüßer Melancholie steckt. Kaum eine andere Platte der späten Siebziger schafft es so nahtlos, große Popmomente mit persönlicher Zerbrechlichkeit zu verbinden. Die Songs glänzen, tanzen und schwanken zwischen Lebensfreude und Weltschmerz – jede Zeile scheint die Suche nach Sinn und das Staunen über das große Abenteuer Leben zu spiegeln.

Ich musste mir die Picture Disk kaufen, nachdem Rick Davies verstarb. “Breakfast in America” ist das sechste Studioalbum der britischen Band Supertramp und gilt als ihr kommerziell erfolgreichstes Werk. Es erschien am 29. März 1979 und wurde zum internationalen Durchbruch der Band. Supertramp bestand zu dieser Zeit aus Rick Davies (Keyboards, Gesang), Roger Hodgson (Gesang, Gitarre, Keyboards), John Helliwell (Saxofon, Klarinette), Dougie Thomson (Bass) und Bob Siebenberg (Schlagzeug). Der Albumtitel wurde von Roger Hodgson vorgeschlagen und spielt ironisch auf die amerikanische Lebensweise und deren Klischees an.

Unvergessen bleibt dieses kurze Innehalten bei „The Logical Song“, wenn die Frage nach Identität und Erwachsenwerden nachhallt und mit einem einzigen Chorus Erinnerungen an das eigene Suchen und Zweifeln heraufbeschworen werden. Die Arrangements, mal verspielt und leicht, mal druckvoll und hymnisch, machen das Album zu einem melancholischen Roadtrip durch Träume, Verluste und Hoffnung.

Bis heute versprüht „Breakfast in America“ eine ganz eigene Magie. Es ist ein Album voller herausragender Melodien, aber vor allem voller Gefühl – für all jene, die Musik nicht nur hören, sondern spüren wollen.

Jean-Michel Jarre: Live in Bratislava/Collector’s Ltd.
Es ist kein reines Vinyl-Album, sondern eine fette Box mit CD, Bluray, Vinyl und Buch. Jean-Michel Jarres „Live in Bratislava/Collector’s Ltd.“ ist mehr als nur ein Konzertmitschnitt – es ist ein emotionales Gesamtkunstwerk, das den Genius des Elektronik-Pioniers in unvergleichlicher Weise inszeniert. Dieser Livemitschnitt fängt die Magie eines historischen Abends ein, an dem über 100.000 Menschen entlang der Donau zu einer Symbiose aus Klang, Licht und technischen Visionen verschmolzen.

Die Musik trägt eine fast tranceartige Intensität, während die von Jarre selbst entworfene Bühne mit ihren 30 Meter hohen Türmen die ikonische UFO-Brücke umrahmt und das Publikum in eine futuristische Klanglandschaft entführt. Die Zusammenarbeit mit Sir Brian May sowie der slowakische Philharmonische Chor verleihen dieser Produktion eine monumentale Dimension, die zugleich berührend und episch wirkt.

In jedem Ton, jedem Lichtspiel spürt man die Hingabe, mit der Jarre seine jahrzehntelange künstlerische Vision lebt – eine Vision, die Grenzen sprengt und auf einzigartige Weise die Faszination für Technik, Natur und Musik vereint. Dieses Live-Album ist ein Erlebnis für alle Sinne, das einem die Zukunft der Musik im Hier und Jetzt begreifbar macht.

„Live in Bratislava“ ist somit nicht nur ein Album, sondern ein emotionaler Moment, der die Kraft der Musik in ihrer fulminantesten Form zeigt und jeden Hörer mit auf eine unvergessliche Reise nimmt.
Die blaue Vinyl-Platte in der Box ist die Musik, die vor dem Konzert gespielt wurde – fast meditativ und wunderschön.

Tron: Ares Soundtrack
Der Soundtrack zu „TRON: Ares“ von Nine Inch Nails – ein düsterer, kraftvoller Klangkosmos, der den Zuhörer regelrecht in die digitale Zukunft katapultiert. Mit jeder Note spürt man die Kälte und Spannung einer Welt, in der Technologie und Menschlichkeit auf unerbittliche Weise aufeinandertreffen. Trent Reznor und Atticus Ross erschaffen hier keine einfache Filmmusik, sondern ein audiovisuelles Erlebnis voller abstrakter, dröhnender Synthesizer, das zugleich verstört und fasziniert.

Die Musik ist wie eine verzerrte Reflexion unserer eigenen Ängste und Sehnsüchte im Angesicht künstlicher Intelligenz – bedrohlich, präzise und manchmal unangenehm. Doch genau darin liegt ihre Kraft: Sie lädt dazu ein, sich mit den großen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen, während die pulsierenden Beats und düsteren Klanglandschaften einen in einen tranceartigen Zustand versetzen. „TRON: Ares“ klingt nach Apokalypse und Neugeburt zugleich – ein episches, emotional aufwühlendes Meisterwerk elektronischer Klangkunst, das lange nach dem letzten Ton nachklingt.

Dieser Soundtrack ist kein Wohlfühlbegleiter, sondern ein emotionaler Schlag, der die Grenzen des Genres sprengt und den Hörer fordert und belohnt. Wer sich auf diese Klangreise einlässt, erlebt die Zukunft des Filmsounds in seiner intensivsten Form.

Ich habe die rot-schwarze Version des Soundtracks.

Europa Gruselserie: „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“
Ich erinnere mich gerne an die Zeiten als ein Freund in den achtziger Jahren die giftgrünen und pinken Hörspielcassetten von Europas Gruselserie hatte und wir sie nach der Schule hörten. Jetzt kam das Hörspiel „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ aus der legendären Gruselserie als limitiertes Vinyl auf den Markt. Es ist für mich ein Musterbeispiel für jene Mischung aus Schauer, Trash und überschäumender Kreativität, die die Reihe in den 1980er-Jahren so unverwechselbar gemacht hat. Das Werk entfaltet dabei seine Wirkung weniger durch fein ausbalancierte Dramaturgie oder psychologische Tiefe, sondern durch eine klischeebeladene, übersteigerte Inszenierung, die gerade dadurch ihren nostalgischen Reiz hat.

Die Handlung wirkt typisch für die Serie: Wissenschaft, Wahnsinn, künstliche Monster und ein allgegenwärtiges Gefühl von Bedrohung verschmelzen zu einer überdrehten Horrorvision. Dass die Figuren oft schablonenhaft gezeichnet sind und Dialoge nicht selten unfreiwillig komisch klingen, trägt paradoxerweise zum Charme bei. Gerade im Rückblick zeigt sich, wie stark die Reihe mit klassischen Versatzstücken des Horrorkinos spielte, ohne sich um Kohärenz oder Logik allzu viel zu kümmern. Stattdessen setzt sie auf schnelle Effekte, grelle Atmosphären und eine akustische Überwältigung.

Die Geräuschkulisse und Musikuntermalung sind, wie bei Europa üblich, das eigentliche Highlight: donnernde Orgelklänge, polternde Türen und verzerrte Schreie erzeugen Bilder im Kopf, die ungleich plastischer sind als es das Drehbuch vermag. Dass die Serie einem jüngeren Publikum von einst auch eine gesunde Dosis Kitsch zumutete, gehört zu den Gründen, warum sie heute Kultstatus genießt. „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ kann man kaum ernsthaft als gelungenes Hörspiel im klassischen Sinn bezeichnen – zu holzschnittartig sind Handlung und Figurenführung. Doch genau dieser naiv-theatralische Ton macht es heute zum nostalgischen Hörvergnügen, das mit seinem überzeichneten Grusel zu einer Zeitreise in die 80er Jahre einlädt.

Im Kontext der Gruselserie erweist sich diese Folge als repräsentativ für die Stärken wie auch die Schwächen des gesamten Konzepts: mangelnde Feinarbeit in Drehbuch und Dramaturgie, dafür aber eine unverwechselbare Stimmung, die von Heftroman-Atmosphäre bis zu B-Film-Versatzstücken reicht. Wer ein feines psychologisches Horrorhörspiel sucht, wird hier nicht fündig. Wer sich jedoch auf die Mischung aus Schauerklängen, wilden Effekten und übertriebenen Schurkenposen einlässt, entdeckt ein Stück kultigen Hörspiel-Horrors, das längst Teil popkultureller Kindheitserinnerungen geworden ist.

Die Vinyl ist durchsichtig und mit roter Farbe gefüllt, die sich beim Drehen bewegt – sehr originell.

Zwölf Uhr mittags – Western Matinee am Sonntag, 24. August im Scala FFB

22. August 2025

Zwölf Uhr mittags gilt nicht ohne Grund als Klassiker des Westerngenres und als filmisches Meisterwerk. Durch die besondere Verknüpfung formaler Mittel – Regie, Kamera, Schnitt, Musik und Schauspiel greifen ineinander – entfaltet der Film eine zeitlose Wirkung. In unserer Western-Matinee im Scala Fürstenfeldbruck zeigen wir diesen Klassiker am Sonntag, 24. August um 10:45 Uhr zusammen mit einer Einführung. Karten gibt es hier.

Fred Zinnemanns reduzierte Inszenierung und Crosbys prägnante Schwarzweiß-Bilder schaffen eine dichte Atmosphäre zwischen flirrender Hitze und eiskalter Angst. Die nahezu in Echtzeit erzählte Handlung baut eine unerträgliche Spannung auf, unterstützt vom taktgebenden Tick der Uhren und Tiomkins eindringlicher Musik.

Dabei bleibt der Film immer mehr als ein Thriller: In seinem Kern ist es eine moralische Fabel über Mut und Verantwortung. Der einsame Held, der im Stich gelassen wird, spricht universelle Gefühle an – sei es in Bezug auf politische Verfolgung im Kalten Krieg oder ganz allgemein auf die Einsamkeit desjenigen, der gegen den Strom schwimmt.

Trotz (oder gerade wegen) seiner Einfachheit erlaubt High Noon vielfältige Deutungen und behält eine aktuelle Relevanz: Themen wie Zivilcourage, Loyalität und Angst vor sozialer Ächtung sind zeitlos. Formal besticht der Film durch seinen konsequenten Bruch mit Western-Konventionen und die Konzentration auf Spannung durch Zeitdruck und Charakterzeichnung statt durch Action. Diese stilistische und inhaltliche Stringenz macht Zwölf Uhr mittags zu einem Paradebeispiel dafür, wie filmische Stilmittel – von der Bildkomposition über die Montage bis zur musikalischen Untermalung – gezielt eingesetzt werden können, um Spannung zu erzeugen und eine Aussage zu transportieren.

Nicht zuletzt dank der herausragenden schauspielerischen Darstellung Gary Coopers und seiner Kollegen wird der Zuschauer emotional mitgerissen und zum Nachdenken angeregt. Zwölf Uhr mittags ist somit weit mehr als ein Western: ein Stück Filmgeschichte, das Unterhaltung mit Tiefgang verbindet, und ein filmisches Lehrstück darüber, wie Form und Inhalt sich perfekt ergänzen können. Wir freuen uns, diesen Klassiker am Sonntag, 24. August um 10:45 Uhr zeigen zu können. Karten gibt es hier.

Warten auf Pink Floyd: Live at Pompeii – MCMLXXII

21. April 2025

Am 2. Mai 2025 hat das Warten ein Ende. Die neue Version des Konzerts „Pink Floyd: Live at Pompeii MCMLXXII“ aus dem Jahr 1971 erscheint in aufgepäppelter Form als CD-Album, Vinyl und Film.

Das Konzert von 4. bis 7. Oktober 1971 ist ein Höhepunkt der Musik- und Filmgeschichte. Es war nicht nur ein Musikerlebnis, sondern auch ein innovatives audiovisuelles Experiment, das die Grenzen traditioneller Konzertfilme sprengte. Gerade das gefällt mir an dem Film und im Grunde ist es ein frühes MTV-Video. Die Erstveröffentlichung war am 2. September 1972.

Unter der Regie von Adrian Maben wurde das Konzert ohne Publikum in den Ruinen des antiken römischen Amphitheaters von Pompeji aufgezeichnet – ein Schauplatz, der sowohl visuell als auch symbolisch eine einzigartige Atmosphäre schuf.

Ein Konzert ohne Publikum
Eines der interessantesten Elemente des Konzerts war das Fehlen eines Publikums. Pink Floyd spielte allein in der monumentalen Kulisse von Pompeji, wodurch die Musik und die Umgebung in den Vordergrund rückten. Diese Entscheidung hob sich deutlich von anderen Live-Aufnahmen ab, die oft auf die Energie und Interaktion mit einem Publikum setzten. Stattdessen entstand ein intimes und fast meditatives Erlebnis, bei dem die Klänge der Band mit der zeitlosen Stille der antiken Ruinen verschmolzen.

Technologische Innovation
Die Produktion des Films war für die damalige Zeit technisch anspruchsvoll. Pink Floyd bestand darauf, ausschließlich live zu spielen, ohne Playback. Dies erforderte den Einsatz leistungsstarker Aufnahmegeräte und Technik, darunter lange Stromkabel, die quer durch Pompeji verlegt wurden, um das Equipment zu versorgen. Natürlich gab es mit der Stromversorgung Pannen, aber zum Glück gelang es schließlich doch. Die Aufnahmen fanden sowohl bei Tageslicht als auch nachts statt, was visuell beeindruckende Kontraste schuf. Besonders möchte ich ist das Stück „Echoes“ hervorheben, das mit seinen hypnotischen Klängen und dynamischen Kamerafahrten eine perfekte Symbiose aus Bild und Ton darstellt.

Symbolik und Atmosphäre
Die Wahl von Pompeji als Ort des Konzerts war nicht zufällig. Die Ruinenstadt, die durch den Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. zerstört wurde, symbolisiert Vergänglichkeit und Ewigkeit zugleich. Diese Themen spiegeln sich auch in Pink Floyds Musik wider, die oft existenzielle Fragen und kosmische Dimensionen behandelt. Die leeren Tribünen des Amphitheaters und die monumentalen Steine verstärkten den Eindruck einer zeitlosen Performance, während die Band selbst wie eine Art musikalischer Chronist wirkte.

Musikalische Höhepunkte
Der Film enthält einige der bekanntesten Stücke der Band, darunter „Echoes“, „A Saucerful of Secrets“ und „Careful with That Axe, Eugene“. Diese Songs zeigen Pink Floyd auf dem Höhepunkt ihrer kreativen Phase, bevor sie mit „The Dark Side of the Moon“ weltweiten Ruhm erlangten. Besonders „Echoes“ wird oft als Meisterwerk betrachtet: Mit seiner Länge von über 20 Minuten entfaltet es eine epische Struktur, die perfekt zur majestätischen Kulisse passt. Eigentlich ist es ja ein Film über die Band, aber die meiste Screenzeit hat wohl Drummer Nick Mason, der mit langem Haar seine Schießbude bearbeitet und dabei auch mal den Drumstick verliert und ihn professionell durch einen neuen ersetzt ohne aus dem Rhythmus zu kommen.

Einfluss auf spätere Werke
„Live at Pompeii“ war nicht nur ein künstlerisches Experiment, sondern auch ein Vorbote für zukünftige audiovisuelle Produktionen. Der Film beeinflusste zahlreiche Künstler und setzte neue Maßstäbe für Konzertfilme. Jahrzehnte später kehrte David Gilmour, Gitarrist von Pink Floyd, nach Pompeji zurück und spielte dort allerdings vor Publikum – eine Hommage an das ursprüngliche Projekt.

Verschiedene Versionen
Meine erste Version des Konzerts hatte ich auf Laserdisc von 1982. Die PAL-Bildplatte hatte 58 Minuten und lief im Player früher rauf und runter.

Im Jahre 2003 kaufte ich mir den Directors Cut auf DVD, wobei das Konzert auch 58 Minuten Dauerte und mit einem Interview mit Regisseur Adrian Maben von 20 Minuten ergänzt wurde, der sich auch zu Dark Side äußerte.

Richtig überarbeitet wurde das Konzert dann für die Pink Floyd Box The early years 1965-1972. Hier gab es 2016 den Film mit fünf Songs überarbeitet und der Ton war ein 5.1 Audio Mix.

Auf die neue Version bin ich sehr gespannt, denn eigentlich war ich mit dem Klang der Version von 2016 sehr zufrieden. Die 5.1 Surround Sound Mischung für den Konzertfilm „Pink Floyd: Live at Pompeii“ wurde mit modernsten Techniken erstellt, um die ursprüngliche Atmosphäre des Films zu bewahren und gleichzeitig die Klangqualität erheblich zu verbessern. Ursprünglich wurde der Ton des Films mit einem 8-Kanal-Mischpult aufgenommen, was für die damalige Zeit eine fortschrittliche Methode darstellte. Die Mehrspurmischung wurde später im Studio de Boulogne in Paris überarbeitet, wobei zusätzliche Spuren hinzugefügt wurden, um die Klangtiefe zu erhöhen. Toningenieure wie Charles B. Raucher arbeiteten daran, die Musik und Soundeffekte auf der Original-Tonspur zu optimieren. Für die jüngste Restaurierung des Films wurde Steven Wilson beauftragt, den Soundtrack in 5.1 Surround Sound und Dolby Atmos neu zu mischen. Sein Ziel war es, den Klang so authentisch wie möglich zu gestalten und dabei die Tiefe und Klarheit der Aufnahme zu maximieren. Wilson nutzte fortschrittliche Technologien, um die räumliche Dimension der Musik hervorzuheben und eine immersive Hörerfahrung zu schaffen, die den Eindruck vermittelt, direkt bei der Aufnahme in Pompeji dabei zu sein. Der neue Mix kombiniert präzise direktionale Effekte mit einem kräftigen Bassfundament, wodurch die Musik lebendig und dynamisch wirkt.

Die restaurierte Version des Films „Pink Floyd: Live at Pompeii“ in 4K wurde durch eine hochpräzise Abtastung der originalen analogen Filmrollen erstellt. Dieser Prozess beginnt mit der Digitalisierung des Original-Kameranegativs, das die höchstmögliche Bildqualität und feine Details enthält. Mithilfe 4K-Scanner wird das Filmmaterial Bild für Bild mit extrem hoher Auflösung erfasst, wodurch die ursprünglichen Farben, Kontraste und Texturen erhalten bleiben und gleichzeitig digitale Artefakte vermieden werden. Im Netz gibt es bereits Farbvergleiche beispielsweise beim Keyboardspiel von Richard Wright.

Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass analoge Filmnegative oft mehr Details bieten, als frühere digitale Formate wie SD oder HD darstellen konnten. Durch die Abtastung in 4K wird die Qualität des Originalmaterials optimal genutzt, was zu einer deutlich verbesserten Bildschärfe und Farbgenauigkeit führt. Nach der Digitalisierung wird das Material sorgfältig restauriert, um Schäden wie Kratzer oder Verfärbungen zu beheben. Anschließend erfolgt die Farbkorrektur und das Mastering für moderne Wiedergabeformate wie Blu-ray oder Streaming-Plattformen.

Dieser Prozess stellt sicher, dass selbst ältere Filme wie „Live at Pompeii“ in einer Qualität präsentiert werden können, die den aktuellen Standards entspricht und die ursprüngliche visuelle Ästhetik bewahrt.