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Dracula im Film (38): Luc Bessons Dracula – Die Auferstehung (2025)

17. November 2025

Ein neuer Dracula? Musste ich sehen und wenn er noch von Luc Besson ist, sollte ich besonders genau hinschauen. Luc Bessons Dracula – Die Auferstehung (Originaltitel Dracula: A Love Tale, 2025) ist eine Neuinterpretation des bekannten Vampirstoffs, die dessen Kern motivisch neu ausrichtet. Ich schaute mir den Film mit anderen Vampirfans in meinem Lieblingskino Scala Fürstenfeldbruck an. Der Film erscheint im Februar 2026 auf Bluray.

Statt primär auf Horror setzt Besson auf Romantik: Er erzählt die Geschichte als elegische Saga von Liebe und Sehnsucht . Besson selbst betonte, im Roman von Bram Stoker stecke „eine Liebesgeschichte über einen Mann, der 400 Jahre lang auf die Wiedergeburt seiner Frau wartet“ – das eigentliche Herz der Geschichte sei das Warten einer Ewigkeit auf die Rückkehr der geliebten Person . Entsprechend wollte er ausdrücklich eine „tragisch-romantische Liebesgeschichte statt eines Horrorfilms“ schaffen. Diese Fokussierung auf romantische und tragische Elemente prägt Dracula – Die Auferstehung und lädt zugleich zum Vergleich mit Francis Ford Coppolas Bram Stoker’s Dracula (1992) ein – jener opulenten Verfilmung, die Graf Dracula ebenfalls als getriebenen Liebenden inszenierte.

In Bessons Version steht Draculas jahrhundertelange Sehnsucht nach seiner verstorbenen Geliebten Elisabeta im Zentrum. Der Film beginnt im 15. Jahrhundert: Prinz Vlad (Caleb Landry Jones) verliert seine Frau Elisabeta (Zoë Bleu) und wird nach seinem zornigen Bruch mit Gott mit dem Fluch der Unsterblichkeit belegt. Fortan wandert Vlad als untoter Graf Dracula durch die Jahrhunderte – angetrieben von einem einzigen Hoffnungsschimmer: irgendwann seine verlorene Liebe wiederzufinden. Dieser unbedingte Wille durchzieht die Handlung. Dracula scheut weder zeitliche Distanz noch moralische Grenzen, um Elisabeta wiederzufinden: So verbringt er Jahrhunderte damit, den perfekten Duft zu kreieren, der alle Frauen in seinen Bann zieht – in der Hoffnung, darunter die Reinkarnation seiner Frau aufzuspüren. Tatsächlich glaubt er im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, am Vorabend der Hundertjahrfeier der Französischen Revolution, sein Ziel erreicht zu haben: Durch eine arrangierte Begegnung erkennt Dracula in Mina Murray (ebenfalls Zoë Bleu), der Verlobten des Anwalts Jonathan Harker, die wiedergeborene Elisabeta. Er verführt Mina behutsam, weckt in ihr Erinnerungen an ihr vergangenes Leben und entführt sie schließlich nach Transsylvanien, wo Mina ihn anfleht, sie zur Vampirin zu machen, um für immer an seiner Seite zu sein. Doch gerade als die uralte Sehnsucht des Grafen sich zu erfüllen scheint, nimmt die Tragödie ihren Lauf: Eine Gruppe von Vampirjägern unter Führung eines namenlosen Priesters (Christoph Waltz) stürmt Draculas Schloss. Angesichts Minas gefährdeter Seele trifft Dracula eine letzte, drastische Entscheidung aus Liebe – er opfert sich selbst. Reumütig lässt er sich vom Priester pfählen und stirbt in Minas Armen, um sie vor dem ewigen Fluch zu bewahren. Die finale Erklärung seiner Liebe, gefolgt von der erlösenden Auflösung seines Körpers, bildet den emotionalen Höhepunkt des Films und unterstreicht Bessons Leitmotiv: Liebe, die sogar den Tod überwindet, jedoch nur durch Selbstaufopferung Erlösung findet.

Diese romantisch-tragische Interpretation unterscheidet Bessons Dracula – Die Auferstehung deutlich von konventionellen Horrorverfilmungen – und doch weist sie Parallelen zu Coppolas Ansatz von 1992 auf. Auch Bram Stoker’s Dracula stellt die unsterbliche Liebe ins Zentrum: Hier wird Dracula (Gary Oldman) angetrieben von der Überzeugung, dass Mina Harker (Winona Ryder) die Wiedergeburt seiner vor Jahrhunderten verlorenen Fürstin ist. Coppola konzipierte den Film explizit als „gotische Romanze“ um einen verzweifelt liebenden, zugleich furchterregenden Grafen und seine wiedergeborene Seelengefährtin . Schon das Marketing betonte diesen Aspekt – das berühmte Motto lautete „Love Never Dies“. Entsprechend findet man in Coppolas Inszenierung zahlreiche Momente voller Leidenschaft und Wehmut: In einer ikonischen Szene flüstert Dracula Mina die Worte zu, er habe „Ozeane der Zeit durchquert“, um sie zu finden – ein Bekenntnis jahrhundertealter Sehnsucht, das zu den eindringlichsten Liebeserklärungen des Genres zählt. Coppolas Film beginnt mit einem Prolog, in dem Draculas Frau Elisabeta aus Kummer über falsche Todesnachrichten Selbstmord begeht, woraufhin Vlad vor Schmerz Gott verleugnet und zum Vampir wird. Dieser Auftakt gibt dem Geschehen von Anfang an eine opernhafte Tragik und Motivation ähnlich der Besson-Version (wenn auch durch einen anderen Auslöser). Im weiteren Verlauf inszeniert Coppola die Begegnung zwischen Dracula und Mina als schicksalhafte, sinnliche Liebesgeschichte. Ihre verbotene Romanze wird in traumgleichen Bildern, intensiven Dialogen und einem melancholischen Score von Wojciech Kilar zelebriert, sodass Draculas leidenschaftliches Werben um Mina zugleich verführerisch und düster erscheint. Anders als Besson verliert Coppola jedoch die Horroraspekte nicht aus den Augen: Die Nebenhandlung um Minas Freundin Lucy (Sadie Frost), die selbst Opfer von Draculas Biss und zur Vampirbraut wird, fügt eine zusätzliche tragische Note hinzu und bietet einige der gruseligsten Szenen des Films. Diese Balance aus Schrecken und Romantik macht Coppolas Werk zu einem vielschichtigen Erlebnis – das Grauen steigert hier die Tragik der Liebe, anstatt ihr entgegenzustehen.

Betrachtet man Regie und Drehbuch, zeigt sich, wie unterschiedlich Besson und Coppola die romantischen und tragischen Elemente inszenieren. Luc Besson drückt dem Dracula-Mythos seinen eigenen Stil auf: Seine Adaption präsentiert sich temporeich, fantasievoll und mitunter schillernd überzeichnet. Ein Kritiker beschrieb den Film treffend als „Fiebertraum“ aus Vampirlegenden, romantischem Melodram und Bessons charakteristischem filmischem Übermut. Tatsächlich scheut Besson nicht vor extravaganten Ideen zurück – etwa wenn er Handlungsorte verlegt (große Teile der Geschichte spielen nicht in London, sondern im Paris der Belle Époque) oder übernatürliche Einfälle einbaut wie einen betörenden Parfum-Zauber oder gar eine Armee von zum Leben erweckten steinernen Gargoyles als Diener Draculas. Seine Drehbuch-Entscheidungen weichen weit von Bram Stokers Roman ab und überführen die grobe Handlung in ein neues Gewand, das ganz auf die Liebesthematik zugeschnitten ist. So ändert Besson sogar Schlüsselmomente: Anders als bei Coppola (und anders als im Roman) nimmt sich Elisabeta nicht das Leben, sondern wird von Feinden getötet – ein bewusster Kunstgriff, mit dem Besson Draculas Motivation klar auf Liebe und Rache ausrichtet. Diese kreativen Freiheiten geben Dracula – Die Auferstehung eine eigenständige Note, führen aber stellenweise auch zu erzählerischen Ungereimtheiten und einer Überfrachtung mit Ideen. Bessons Interpretation gerät durch diese Überhöhung bisweilen ins Kitschige oder Klischeehafte, was im Kino von jugendlichen Damen mit Kichern quittiert wurde. Coppolas Drehbuch hingegen hielt sich – trotz der Hinzudichtung der Wiedergeburts-Liebesgeschichte – näher an der literarischen Vorlage. Sein Film integriert viele Figuren und Handlungsbrüche aus Stokers Roman und behält die Tagebuch-Struktur teilweise bei, was dem Werk ein festes Gerüst gibt. Coppolas Regiestil war gleichzeitig experimentell und altmodisch: Er verzichtete weitgehend auf moderne digitale Effekte und kreierte die fantastischen Szenerien durch klassische filmische Tricks (etwa doppelte Belichtungen, ungewöhnliche Kameraperspektiven, Schattenspiele) sowie durch kunstvolle Sets und Kostüme. Dadurch erhielt Bram Stoker’s Dracula einen singulären visuellen Stil, der an expressionistisches Kino erinnert und die romantisch-tragische Atmosphäre unterstreicht. Insgesamt wirkt Coppolas Inszenierung konsistenter und stringenter in der Balance von Horror und Romantik – das Liebesdrama und die Schauerelemente greifen ineinander, ohne tonal zu kollidieren. Bessons Film hingegen ordnet den Horror dem Liebesthema deutlich unter (passend dazu bekannte der Regisseur, kein großer Horrorfilm-Fan zu sein), was zwar einen kohärenten Ton als romantische Fantasy ergibt, jedoch gelegentlich die innere Logik strapaziert.

Großes Gewicht für eine Geschichte von Liebe und Sehnsucht tragen natürlich die Darsteller. Caleb Landry Jones interpretiert Bessons Dracula als zerrissenen Romantiker mit monströser Seite. Er verleiht dem Grafen eine spürbare innere Qual und Leidenschaft – man nimmt ihm sowohl die gefährliche, jahrhundertealte Macht als auch den schmachtenden Liebhaber ab. Kritiker lobten insbesondere Jones’ intensive, beinahe hypnotische Darstellung, die der tragischen Romanze emotionalen Nachdruck verleiht. Zoë Bleu bringt in der Doppelrolle als Elisabeta/Mina eine sanfte Unschuld und zugleich tiefe Empfindsamkeit zum Ausdruck, besonders als Mina sich zusehends an ihr vergangenes Leben erinnert und zwischen bürgerlicher Vernunft und übernatürlicher Anziehung hin- und hergerissen ist. Die Chemie zwischen Jones und Bleu trägt viele Schlüsselszenen – vom neckischen Glück im Prolog bis zur verzweifelten Vereinigung im dritten Akt – und macht Draculas Sehnsucht nachvollziehbar. Christoph Waltz steuert als namenloser Priester (eine Art Van-Helsing-Figur) seine charismatische Gravitas bei. Seine Figur fungiert als moralischer Gegenpol zu Dracula, und Waltz verkörpert den fanatischen Vampirjäger mit der ihm eigenen Intensität. Tatsächlich gehören die Ermittlungs- und Konfrontationsszenen mit Waltz zu den fesselndsten des Films – sie verleihen der romantischen Haupthandlung dramaturgische Spannung und einen geistlichen Ernst, der im Finale kulminiert. Die Nebenrollen (etwa Matilda De Angelis als vampirische Verbündete Maria oder Ewens Abid als Jonathan Harker) sind solide besetzt, treten aber gegenüber dem zentralen Dreieck Dracula–Mina–Priester deutlich in den Hintergrund.

Coppolas Film von 1992 zeichnet sich ebenfalls durch markante Schauspielerleistungen aus, die den romantisch-tragischen Kern der Geschichte transportieren. Allen voran prägte Gary Oldman die Rolle des Dracula nachhaltig: Er spielt den Vampirfürsten als vielschichtige Gestalt – zugleich verführerisch, gebrochen und furchteinflößend. Oldmans intensiver Vortrag (inklusive des berühmten Satzes „I have crossed oceans of time to find you“, mit dem er Minas Herz gewinnt) machte Draculas Sehnsucht und Schmerz förmlich greifbar. Winona Ryder gab Mina eine Mischung aus tugendhafter Viktorianischer Anmut und innerer Aufgewühltheit, sobald sie Draculas Bann verfällt. Durch Ryder wird Mina zur glaubhaften Wiedergeburt Elisabetas, hin- und hergerissen zwischen ihrer zukünftigen Ehe mit Harker und der mysteriösen Anziehung zu Dracula. Die Szenen zwischen Ryder und Oldman sind voller knisternder Spannung und emotionaler Tiefe, wodurch Coppolas Liebesgeschichte auf der Leinwand überzeugend zum Leben erweckt wird. Im Gegensatz zu Waltz’ ernstem Priester setzte Anthony Hopkins als Professor Van Helsing in Coppolas Film einen exzentrischen Kontrapunkt: Mit scharfem Humor, wildem Blick und unbändigem Eifer jagt er Dracula und dient dabei fast als ironischer Kommentator des Geschehens. Diese leicht überspitzte, energische Art Hopkins’ lockert die düstere Romanze auf und betont gleichzeitig den Ernst der Bedrohung – eine Gratwanderung, die Coppolas Ensemble eindrucksvoll bewältigt. Insgesamt erreicht das Schauspiel in Bram Stoker’s Dracula eine opernhafte Intensität, die die großen Gefühle – Liebe, Lust, Verzweiflung – mit Nachdruck vermittelt, während Bessons Darstellerriege zwar engagiert spielt, aber weniger ikonische Akzente setzen kann.

Auf der visuellen Ebene bieten beide Filme prachtvolle Schaubilder, setzen jedoch unterschiedliche Akzente. Dracula – Die Auferstehung besticht durch aufwändige Ausstattung, Kostüme und Effekte, die den Zuschauer ins 18./19. Jahrhundert eintauchen lassen. In jedem Bild, jedem Kronleuchter, jedem Korsett und jedem Blutstropfen ist die Sorgfalt der Macher erkennbar . Kameramann Colin Wandersman fängt sowohl die glanzvolle Atmosphäre des alten Paris als auch die rau-romantische Wald- und Schlosskulisse Transsylvaniens in eindrucksvollen Bildern ein . Tatsächlich wurde in französischen Studios wie auch in den winterlichen Wäldern Finnlands gedreht, um Bessons Vision einer neugotischen Welt zum Leben zu erwecken. Die visuelle Gestaltung ist üppig und fantasievoll: Dracula tritt mal als verfallener alter Graf mit schaurigem Make-up, mal als verjüngter Verführer in Erscheinung; es gibt klassische Horrorbilder (Kreuze, Gruften und Dekapitationen) ebenso wie computeranimierte Kreaturen. Dennoch bleibt die Bildsprache dem romantischen Kern treu – die Gewalt tritt zwar deutlich hervor, doch nicht Selbstzweck, sondern Hintergrund für die Liebeshandlung (selbst blutige Exzesse wie Draculas Kampf gegen Nonnen oder die von ihm geschaffenen Ungeheuer dienen letztlich dazu, seine Verlorenheit zu unterstreichen). Die musikalische Untermalung trägt wesentlich zur Stimmung bei: Danny Elfman komponierte einen gefühlvollen Score, der von vielen als einer seiner besten seit Jahren gelobt wird. Leider ist der Score bisher nicht auf Vinyl herausgekommen. Streicherklänge und Chöre untermalen die Sehnsucht und den Horror gleichermaßen. Unweigerlich drängt sich aber der Vergleich zum legendären Soundtrack von Wojciech Kilar in Coppolas Dracula auf – Kilars unverwechselbare musikalische Themen gaben der 1992er-Version viel von ihrer emotionalen Wucht, und Elfmans Musik zitiert diese gothische Romantik stellenweise, ohne deren Originalität ganz zu erreichen.

Coppolas Bram Stoker’s Dracula war visuell nicht minder opulent, jedoch in einer anderen Weise. Die Ausstattung und Kostüme (entworfen von Eiko Ishioka) zeichneten sich durch eine theatralische, preisgekrönte Pracht aus; jedes Bild wirkt wie ein kunstvolles Gemälde voller Symbolik. Coppola setzte auf altmodische Tricktechnik: Viele Effekte – von überdimensionalen Schatten bis zu surrealen Übergängen – wurden direkt bei den Dreharbeiten erzeugt, was dem Film einen handgemachten Charme und zeitlosen Look verleiht. Das Farbenspiel (tiefes Rot der Leidenschaft, kaltes Blau der Nacht), die Kameratricks und die Anleihen bei expressionistischen Stummfilmen ergaben eine einzigartige Ästhetik, die die Grenzen zwischen Realität und Alptraum verwischte. Auf diese Weise transportierte Coppola die tragische Liebesgeschichte auf einer visuell-metaphorischen Ebene: Draculas Schmerz und Begierde manifestieren sich buchstäblich in den Bildern (man denke an die ikonische Szene, in der sich Draculas Schatten verselbständigt, oder an die Verwandlung in einen gewaltigen Fledermaus-Dämon während Minas Versuchung). Bessons Film wiederum nutzt die modernen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts – aufwendige Computereffekte und dynamische Montagen – um sein Märchen von Liebe und Unsterblichkeit gefällig und zeitgemäß zu präsentieren. Beide Ansätze – der nostalgisch-künstlerische von 1992 und der high-end-gotische von 2025 – eint, dass sie ein visuelles Fest bieten, das die romantische Tragik der Geschichte eindrucksvoll unterstützt. Sie unterscheiden sich jedoch in der stilistischen Haltung: Coppolas Bilder sind oft metaphorisch überhöht und von subtiler Symbolik, während Besson direktere, bisweilen reißerische Tableaus bevorzugt, die den Zuschauer mit Sinneseindrücken überwältigen.

Letztlich stellt sich mir die Frage, wie wirkungsvoll die beiden Filme ihre romantisch-tragische Vision dem Publikum vermitteln. Dracula – Die Auferstehung bietet emotionales, pathetisches Kino – die aufrichtige Darstellung ewiger Liebe soll das Publikum berühren. Viele Momente – etwa wenn Mina am Ende den sterbenden Dracula hält – zielen unverhohlen aufs Herz und können durchaus Ergriffenheit auslösen. Unterstützt von der gefühlvollen Musik und der engagierten Darstellung wird die Verzweiflung der liebenden Figuren spürbar. Dennoch gingen die Meinungen auseinander: Ist vielleicht Bessons Spätwerk eine Kopie von Coppolas Meisterstück und ich bezweifelte den Mehrwert der erneuten Nacherzählung. Wer die romantische Seite des Dracula-Mythos schätzt, wird Bessons Ansatz einiges abgewinnen können, denn er nimmt das Motiv der ewig währenden Liebe ernst und gestaltet es mit großer Leidenschaft und visueller Fantasie aus. Coppolas Dracula wiederum gilt nicht ohne Grund als Klassiker: Durch die kohärente Verschmelzung von Schrecken und Schönheit, von Grauen und Gefühl erreicht dessen emotionale Wirkung eine intensive Dichte, die das Publikum bis heute fasziniert.

Der Vergleich der beiden Werke zeigt, wie unterschiedlich und doch vergleichbar der Dracula-Stoff interpretiert werden kann. Luc Besson und Francis Ford Coppola betonen jeweils die Aspekte von Liebe und Sehnsucht im Vampirmythos und machen aus Dracula eine tragische Figur, die über den Tod hinaus nach Erfüllung sucht. Besson entwirft in Dracula – Die Auferstehung ein leidenschaftliches, modernes Märchen voller Hingabe und Schmerz, das visuell beeindruckt und das Herz des Zuschauers direkt ansprechen will. Coppola inszenierte Bram Stoker’s Dracula als opulentes, nahezu opernhaftes Filmgedicht – eine Verschmelzung von Horror und Romantik, die stilistisch wie emotional Maßstäbe setzte. Beide Filme zeigen letztlich, dass unter der Schale des Vampir-Horrors eine zeitlose Geschichte schlägt: die Geschichte von unsterblicher Liebe und ewiger Sehnsucht, inszeniert mal auf neue, mal auf klassische Weise – doch in jedem Fall mit der tragischen Schönheit, die Draculas Schicksal so fesselnd macht.

Buchkritik: Unlocking Dracula A.D. 1972: A Classic Horror Film in Context von David Huckvale

19. Oktober 2025

Dracula jagt Mini-Mädchen oder Dracula A.D. 1972 war einer meiner ersten Dracula-Filme, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Natürlich hat dieser Hammer-Film Schwächen, aber aus nostalgischen und modischen Gründen hat dieser Film einen besonderen Platz in meinem Herzen.
Jetzt hat mir mein geschätzter Kollege Markus vom Filmreport das neue Buch Unlocking Dracula A.D. 1972: A Classic Horror Film in Context von David Huckvale empfohlen, das ich als Fan des Grafen verschlungen habe.

Das Buch ist das erste ausschließlich Dracula A.D. 1972 gewidmete Werk – also eine Monographie über diesen Hammer-Vampirfilm. Ziel des Buches ist es, den Film nicht nur narrativ zu analysieren, sondern ihn in seinen politischen, sozialen und filmhistorischen Kontext einzubetten.

Für mich besonders war an dem Film, wie es gelungen ist, den viktorianischen Vampir in die Zeit der 1970er-Jahre zu übertragen, und welche Probleme oder Möglichkeiten damit verbunden sind. Für Horrorfans und Filmwissenschaftler bietet das Buch eine tiefgehende Lektüre von Dracula A.D. 1972, weit über eine bloße Inhaltsanalyse hinaus.
Der Film wird in Beziehung gesetzt zu den gesellschaftlichen Strömungen der frühen 1970er-Jahre – u. a. ein Wiederaufleben des Okkulten, jugendliche Subkulturen, Mode, Protestbewegungen. Okkult als gesellschaftliche Fantasie: Huckvale würde diese Szene vermutlich analysieren als Schnittstelle zwischen dem historischen Vampirmotiv und dem damaligen Revival des Okkulten (1970er Jahre). Die schwarze Messe wird nicht nur als Horrorritual gezeigt, sondern als Ausfluss einer jugendlichen Suche nach Rebellion, Überschreitung und dunkler Mystik.

Interessant finde ich die Bedeutung der konkreten Orte, Straßen und Stadtteile (Chelsea, London) für die narrative und symbolische Dimension des Films. Die Wahl von Chelsea als Schauplatz ist kein dekoratives Detail, sondern eine bewusste Entscheidung: Huckvale sieht in der psychogeografischen Gestaltung (Stadtstruktur, urbane Orte) eine symbolische Bedeutung für die Handlung und Spannung.

Wir sind ja in den frühen Siebzigern und daher enthält der Film Elemente, die bewusst stilisiert wirken – Huckvale untersucht, wie und warum bestimmte Gestaltungen (Kostüme, Dekor, Ausstattung) eher an Kitsch oder Kult als an „ernsten Horror“ erinnern.

Neben der filmtechnische Analyse von Kamera, Schnitt, Choreographie, Setdesign geht der Autor auch auf den Soundtrack von Mike Vickers ein, dem eine Schlüsselfunktion zugeschrieben wird, da er den Film gerade in seiner modernen (für 1972) Umsetzung trägt und die Verbindung zwischen Horrortradition und Zeitgeist verstärkt.

Sehr sympathisch ist mir die positive Besprechung der Films. Obwohl Dracula A.D. 1972 bei erstem Erscheinen schlecht rezipiert wurde, gilt er heute als kontroverser Kultklassiker. Obwohl Dracula A.D. 1972 bei seiner Veröffentlichung finanziell und kritisch wenig Erfolg hatte, sieht Huckvale ihn als wichtigen Vertreter eines „modernisierten“ Horrorfilms mit Kultpotenzial. Huckvale untersucht, wie sich diese Rezeption gewandelt hat und warum der Film heute besondere Aufmerksamkeit verdient.

Für mich eröffnete das Buch neue Perspektiven auf einen oft als „nicht klassisch“ angesehenen Film, indem es zeigt, wie stark historische, soziale und ästhetische Faktoren in der Entstehung wirken. Wer den Film bisher nur oberflächlich kannte, kann durch Huckvales Arbeit verstehen, wieso bestimmte Entscheidungen getroffen wurden und wie sie die Wirkung beeinflussen.

Der Herr der denkenden Horrorfilme: Val Lewton

30. April 2025

Als Fan des klassischen Horrorfilms habe ich wieder Val Lewton für mich entdeckt. Der breiten Masse wird der Name wohl nicht so bekannt sein, aber die Insider werden nun bestätigend nicken.

Val Lewton war Produzent in den vierziger Jahren und schuf wegweisende Filme, die als denkende Horrorfilme bezeichnet wurden. Ich selbst mag die drei Klassiker Katzenmenschen (Cat People) von 1942, Ich folgte einem Zombie (I walked with a zombie) von 1943 und Der Leichendieb (The Body Snatcher) von 1945. Val Lewton hat noch mehr Filme produziert, aber diese drei sind meine Highlights von ihm.

In der Reihe Filmjuwelen sind diese Streifen restauriert vor längerer Zeit auf Bluray erschienen und ich habe mir diese Filme angeschafft, die ich bisher nur als schlechte englische DVD hatte.

Anders als sein Kollege Carl Lämmle jun, der bei Universal den Horrorfilm mit Dracula und Frankenstein einführte, setzte Val Lewton bei RKO auf leisen Horror. Seine Filme waren preiswert produziert und blieben unter 80 Minuten Spielfilmlänge, um eine bessere Kinoauswertung zu bekommen, damit die Filmtheater sie öfters spielen konnten. Das Grauen kam nicht durch Schocks wie bei Frankenstein, sondern der Schrecken entwickelte sich eher in der Vorstellung des Zuschauers.

Ich folgte einem Zombie sah ich als Jugendlicher zum ersten Mal im Deutschen Fernsehen und erwischte mich komplett auf den falschen Fuß. Ich erwarte brutale Zombie-Filme in der Tradition von Romero und Fulchi, bekam aber einen düsteren Schwarzweiß-Film vorgesetzt ohne Gore und Blut. So kann man sich irren. Die italienischen Zombies hatte ich längst vergessen, der Lewton-Zombie auf Haiti blieb mir im Gedächtnis. Meine Liebe zum klassischen Horrorfilm wuchs je älter ich wurde.

Katzenmenschen hatte ein tolles Thema und die Umsetzung Lewtons war grandios. Das war Body Horror der frühen Zeit und David Cronenberg muss Val Lewton geliebt und ihn geprägt haben. Das Verhältnis von Zärtlichkeit und Sex und das Tier im Menschen kennen wir auch aus der Werwolf-Thematik. In Katzenmenschen kommt der Horror auf leisen Pfoten daher. Viele meiner Freunde finden diese Filme langatmig. Ich mag sie und auch die Neuverfilmung 1982 von Regisseur Paul Schrader mit Nastassja Kinski finde ich gelungen.

Der Leichendieb als dritter Film im Bunde zeigt für mich die Verantwortung des Arztes und die Experimente von Medizinern. Die literarische Vorlage stammt von Robert Louis Stevenson und der Film hat mich gefesselt, sicherlich auch, weil es das letzte Zusammentreffen von Boris Karloff und Bela Lugosi war. Karloff spielte den Leichenräuber Gray absolut meisterlich, Lugosi war dagegen schon ein gebrochener, drogenabhängiger Darsteller in einer Nebenrolle, die er gut gemeistert hat, aber zu mehr in seinem Zustand wohl auch nicht fähig war. Regisseur Robert Wise (Der Tag, an dem die Erde stillstand) war ein Spezialist für fantastische Themen und inszenierte mit viel Gefühl. Ich mag Robert Wise, der die Klassiker des Sci-Fi-Films Andromeda und den Spuk-Klassiker Bis das Blut gefriert schuf.

Dracula im Film (37): Vampyr (1932)

6. März 2025

Nein, Dracula taucht in diesem Klassiker nicht auf. Der Vampir ist auch kein Mann im Umhang, sondern eine alte Frau. Für mich ist dieser Film einer der besten Vampir-Filme überhaupt und er ist schwere Kost.

Carl Theodor Dreyers Vampyr aus dem Jahr 1932 ist ein bedeutender Filmklassiker des frühen Tonkinos, der zwischen Stummfilm-Ästhetik und experimentellen Tonsequenzen changiert. Obwohl der Film seinerzeit bei Kritik und Publikum eher verhalten aufgenommen wurde, gilt er heute als wegweisendes Werk des Horror- und Fantasy-Genres. Im Folgenden sollen Entstehung, Inhalt, formale Merkmale, thematische Schwerpunkte und der Einfluss des Films auf das spätere Kino beleuchtet werden. Hier ein Vortrag von mir zum Film:

Übergang vom Stumm- zum Tonfilm
Vampyr entstand in einer Phase des Umbruchs in der Filmindustrie. Der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm war Ende der 1920er-Jahre bereits in vollem Gange. Viele Regisseure, die sich künstlerisch im Stummfilm etabliert hatten, standen nun vor der Herausforderung, die Möglichkeiten des Tons entweder behutsam oder radikal einzusetzen. Carl Theodor Dreyer, der bereits mit Werken wie Die Passion der Jungfrau von Orléans (1928) großes Ansehen erlangt hatte, musste nun neue Wege der filmischen Erzählung beschreiten.

Ermöglicht wurde die Realisierung von Vampyr unter anderem durch die finanzielle Unterstützung des Aristokraten Nicolas de Gunzberg, der unter dem Pseudonym „Julian West“ auch die Hauptrolle in dem Film übernahm. Gedreht wurde in Frankreich (unter anderem in Courtempierre) und in Deutschland, was für eine internationale Koproduktion typisch war. Auch bei der Besetzung griff Dreyer auf ein größtenteils europäisches Ensemble zurück, darunter professionelle Schauspieler und Laien.

Literarische Vorlage
Der Film orientiert sich lose an den Erzählungen von Sheridan Le Fanu, insbesondere an der Sammlung In a Glass Darkly (1872). Dreyer nutzte die Motive des Vampir-Mythos’, um weniger eine stringente Narration zu entwickeln, als vielmehr eine rätselhafte, traumartige Atmosphäre zu erzeugen. Dadurch unterscheidet sich Vampyr deutlich von anderen Vampirfilmen seiner Zeit (etwa Murnaus Nosferatu, 1922 oder Tod Brownings Dracula, 1931).

Zusammenfassung der Handlung
Die Geschichte kreist um den Protagonisten Allan Gray (gespielt von Julian West), einen jungen Reisenden mit einer Vorliebe für Okkultes. Gray quartiert sich in einem abgelegenen Gasthof ein, wo er sogleich von unheimlichen Begebenheiten heimgesucht wird: Schatten bewegen sich scheinbar verselbstständigt, gespenstische Gestalten huschen durch die Flure. Eines Nachts taucht ein alter Mann in Grays Zimmer auf, der ihm ein Paket mit der Aufschrift „Öffnen Sie nach meinem Tod“ übergibt und verschwindet.

Als Gray dem Geheimnis auf den Grund gehen möchte, trifft er auf das nahegelegene Schloss, in dem der alte Mann scheinbar lebte. Dort findet er den Schlossherrn tödlich verletzt vor. Dessen Töchter, Léone und Gisèle, sind in Gefahr. Die mysteriöse Krankheit von Léone deutet bald auf eine vampirische Ursache hin: Eine alte Frau namens Marguerite Chopin und ein unheimlicher Arzt scheinen ein Komplott zu schmieden, um die Familie mit vampirischer Präsenz zu bedrohen. Im weiteren Verlauf muss Gray nicht nur dem Vampir zur Strecke helfen, sondern sich auch selbst in einem labyrinthischen Spiel aus Traum und Wirklichkeit zurechtfinden.

Traumlogik und zerrissene Erzählstränge
Typisch für den Film ist eine episodische, fast bruchstückhaft wirkende Erzählweise. Viele Szenen wirken wie ein Zustand zwischen Wachen und Schlafen, was durch ungewöhnliche Montagen und Bildkompositionen unterstrichen wird. Die Figur Allan Gray gerät ständig in Situationen, in denen nicht klar ist, ob er träumt oder ob das Gezeigte real ist. Diese Ambivalenz verstärkt den Eindruck eines unentrinnbaren Albtraums.

Wichtige Schlüsselmomente
Das Paket des alten Mannes: Hier legt Dreyer früh den Grundstein für das Motiv von Vorbestimmung und Schicksal; Gray erhält ein Buch über Vampirismus, das eine Art Leitfaden durch die Ereignisse wird.

Grays Nahtoderfahrung: In einer der berühmtesten Sequenzen des Films verlässt Gray scheinbar seinen Körper und beobachtet sein eigenes Begräbnis aus einer sargartigen Perspektive. Diese Szene spiegelt Dreyers Interesse an spirituellen, metaphysischen Themen und macht den Film zu einem Pionierwerk surreale Traumsequenzen betreffend.

Der Tod des Arztes: Gegen Ende wird der bösartige Arzt, der mit der Vampirin zusammenarbeitet, von einer Mühle erdrückt. Dreyer inszeniert diesen Tod als klaustrophobisches Ersticken in einem Mahlwerk, was stark kontrastiert zu den zuvor eher schwebend-entrückten Bildern.

Kameraarbeit
Die Kameraarbeit (u. a. durch den Kameramann Rudolph Maté) ist ein zentrales Element für die eigenwillige Atmosphäre des Films. Dreyer setzt eine Vielzahl visueller Effekte ein, um den Zuschauenden in einen traumartigen Zustand zu versetzen:

Weichzeichner und Nebel: Viele Außenszenen spielen in einem dunstigen Halbdunkel oder Morgengrauen. Durch geschickte Belichtung und Nebeleinsatz entstehen surreale Landschaften, die die Grenzen zwischen Realität und Irrealität verwischen.

Doppelte Belichtungen und Überblendungen: Um die Präsenz der Schatten und Gespenster zu verstärken, kommen gelegentlich Mehrfachbelichtungen zum Einsatz. Diese Techniken betonen die Spukhaftigkeit und Verunsicherung der Wahrnehmung.

Subjektive Kamera: Mehrfach wechselt Dreyer in Grays subjektive Perspektive, insbesondere in den traumartigen Sequenzen. Diese Ich-Perspektive lässt das Publikum die Geschehnisse aus Grays Blickwinkel erleben und unterstreicht das Gefühl, in einen Albtraum einzutauchen.

Montage
Während Dreyers Die Passion der Jungfrau von Orléans für seine radikalen Close-ups und das klare Kontinuum der Handlung bekannt ist, zeigt sich in Vampyr eine Vorliebe für abrupte, teils desorientierende Schnitte. Der Erzählfluss wird durch Einschübe von symbolträchtigen, rätselhaften Bildern immer wieder unterbrochen. Diese Form des Erzählens gleicht eher einer inneren Assoziationskette als einem linearen Plot.

Ton und Musik
Obwohl Vampyr ein Tonfilm ist, kommt die Tonspur eher spärlich und experimentell zum Einsatz. Längere Strecken des Films wirken beinahe stumm, was die unheimliche Grundstimmung verstärkt. Stimmen sind oft verzerrt oder wirken gedämpft, während Musik hauptsächlich als atmosphärisches Element fungiert. Die Musik stammt in weiten Teilen von Wolfgang Zeller und unterstreicht mit dissonanten Klängen und leisen Schwelgerien die surreale Qualität der Bilder.

Darstellerische Leistung
Julian West (Nicolas de Gunzberg) als Allan Gray agiert eher zurückgenommen und rätselhaft. Seine beinahe lethargische Spielweise unterstreicht den Charakter der traumhaften Orientierungslosigkeit. Auch die weiteren Darsteller – viele von ihnen waren nicht hochprofessionelle Filmschauspieler – verleihen dem Film eine eigenwillige Stimmung. Dreyers Fokus lag weniger auf einer prägnanten psychologischen Führung der Schauspieler als auf dem Gesamtbild der Szenen, sodass die Figuren oft wie Fremdkörper in einer irrealen Kulisse wirken.

Der Vampirmythos als Metapher
Obwohl Vampyr formal als Vampirfilm gelistet wird, nutzt Dreyer das Motiv des Vampirs weniger als Schocker, sondern eher als Symbol für eine metaphysische Bedrohung. Diese Bedrohung kann für Themen wie Angst vor dem Unbekannten, Seelenraub oder Schuld und Sühne stehen. In der Figur der Marguerite Chopin zeigt sich ein altes, verbittertes Wesen, das sich von Lebenskraft nährt – ein Bild, das sowohl für Unterdrückung als auch für die Zersetzung der menschlichen Existenz stehen kann.

Traum, Tod und Transzendenz
Zentral ist die wiederkehrende Frage, ob Allan Gray die Ereignisse tatsächlich erlebt oder ob er sich in einem (Todes-)Traum befindet. Die berühmte Sargszene spiegelt ein zentrales Motiv: das Bewusstsein des eigenen Todes und den Versuch, diesem Schicksal zu entkommen. Dreyer zeigt hier eine unscharfe Linie zwischen Leben und Tod, zwischen Realität und Halluzination, die sich durch den gesamten Film zieht.

Einsamkeit und Entfremdung
Allan Gray ist als ruheloser Wanderer gezeichnet, der rastlos durch fremde Gefilde streift. Seine Isolation spiegelt sich nicht nur in der kaum vorhandenen Interaktion mit anderen Figuren, sondern auch in der Inszenierung der Schauplätze: menschenleere Korridore, verwilderte Gärten, stille Nebellandschaften. Die Vampirthematik wird so auch zu einer Geschichte über Vereinsamung und das Gefühl, die eigene geistige und körperliche Gesundheit zu verlieren.

Religiöser und spiritueller Subtext
Carl Theodor Dreyer war bekannt für seine tiefgründigen, oft religiösen Themen, am prominentesten in Die Passion der Jungfrau von Orléans. Auch Vampyr lässt sich in eine spirituelle Dimension rücken: Die Konfrontation mit dem Vampir kann analog zur Konfrontation mit dem Bösen oder dem Dämonischen gelesen werden. Die Rettung der leidenden Figur (Léone) und die Bestrafung des korrupten Arztes weisen auf die Möglichkeit einer moralischen Erlösung hin. Dreyers Stil, der oft an mittelalterliche Mystik und protestantische Strenge erinnert, verleiht dem Film eine zeitlose, sakrale Aura.

Zeitgenössische Kritik
Bei seiner Premiere im Mai 1932 stieß Vampyr auf gemischte Reaktionen. Viele Zuschauer fanden die Erzählstruktur zu verwirrend, die Tonspur zu unkonventionell und das Spiel der Schauspieler zu minimalistisch. Auch das Werbekonzept des Films (die Vermarktung als Schauerfilm) stand in einem gewissen Missverhältnis zu Dreyers künstlerischer Ambition, wodurch das Publikum andere Erwartungen mitbrachte.

Spätere Anerkennung
In den folgenden Jahrzehnten wurde Vampyr von Filmhistorikern, Cineasten und Regisseuren neu entdeckt und als visionäres Werk gewürdigt. Insbesondere in der europäischen Filmliteratur gilt der Film als frühes Beispiel eines „poetischen Horrors“, der weniger auf Schockeffekte als auf Stimmungen und Andeutungen setzt. Regisseure wie Jean Cocteau (Orphée, 1950) oder David Lynch (Eraserhead, 1977) wurden später für ihre surreale Filmsprache mit Vampyr verglichen.

Einfluss auf das Horrorkino
Die experimentellen Bild- und Tonmischungen, das Spiel mit Schatten, Spiegelungen und dem Ungewissen machten Vampyr zu einem Vorläufer zahlreicher späterer Horrorwerke. Filme, die Horror ins Artifizielle, Traumartige überführten – etwa Die Stunde, wenn Dracula kommt (1960) von Mario Bava oder manche Werke des europäischen Horror-Avantgardefilms der 1970er-Jahre – stehen in der Tradition von Dreyers Herangehensweise. Auch in den modernen, eher psychologisch konnotierten Horrorfilmen (z. B. bei Regisseuren wie Roman Polanski oder Ingmar Bergman in Schreie und Flüstern) ist eine gewisse Nähe zu Dreyers introspektivem, albtraumhaften Stil festzustellen.

Filmkritik: Nosferatu – der Untote

3. Dezember 2024

Nein, ein Murnau ist und kann es nicht geworden sein, dazu war die Sinfonie des Grauens für die Filmgeschichte einfach zu wichtig. Aber Robert Eggers hat aus dem Thema einen angsteinflößenden, obzessiven Vampirfilms gemacht, der mich auf vielfältige Weise intellektuell und emotional berührt hat. Eggers Nosferatu – der Untote ist ein eindringlicher Film nach den Motiven Bram Stokers geworden, der sexualisierter als Murnnau oder Herzog das Drama in Szene setzt. Premiere fand übrigens in Berlin statt, wie zuvor Murnaus Film vor 102 Jahren. Leider hab ich keinen Interviewslot bekommen.

Die Kamera von Jarin Blaschke setzt konsequent auf eine Zentralperspektive und fängt so das Schauspielkino in faden, fast schwarzweißen Bilder ein. Color Grading macht es möglich. Oft werden Bilder der Romantik gezeigt, ein Kamerabild des Expressionismus wie in der Vorlage wird nicht angestrebt. Die Optiken haben sich in den vergangenen Hundert Jahren verbessert. Bis der Graf zu erkennen ist, wird viel auf eine geringe Tiefenschärfe eingesetzt, bei dem einzig die langen Finger mit alten Nägeln fokussiert sind. Das Symbol der Hände zieht sich durch ganzen Film, suchende Hände, verlangende Hände, grausame Hände, oft in Begleitung der mahnenden Worte „er wird kommen“.

Von Beginn an verbreitet der Film eine depressive Stimmung der Angst und der Hoffnungslosigkeit. Obwohl der Stoff ja allbekannt ist, gelingt es Eggers immer wieder neue Szenen des Grauens zu erzeugen. Wer sich wirklich Zeit nimmt für die Geschichte, wer sich die Zeit nimmt, sich auf die Bilder, die Musik einlässt, wird einen Schauerfilm mit gotischen Elementen entdecken und eine besondere Faszination zum Film entwickeln. Und es werden Motive verwendet, die wir Fans des Schauerfilms so lieben. So beginnt und endet der Film mit der schwarzen Katze Greta und wird auch bei dem Besuch beim okkulten Wissenschaftler Prof Albin (!) Eberhart von Franz (hervorragend Willem Dafoe) wieder aufgenommen. Albin Grau lässt grüßen.

Eggers ist ja Vertreter des Folk-Horrors und so dürfen die folkloristischen Elemente nicht fehlen, wie die Suche nach einem Vampir auf einem Friedhof durch eine nackte Schönheit auf dem Pferde. Das Pferd kann nicht über das Grab eines Untoten steigen und so wird ein begrabener Vampir entdeckt und gepfählt – eine schöne Interpretation des Themas durch Eggers,

Natürlich interessiert den Fan die Rolle des Vampirs, des Untoten. Hier muss sich Bill Skarsgárd mit Max Schreck und Klaus Kinski als Orloks Namensvetter messen lassen. Skarsgárd macht nicht mit Eggers den Fehler und versucht eine Kopie dieser Darstellungen zu erreichen, sondern er bringt eine tierische, brutale, untote Version des Vampirs auf die Leinwand. Im englischen Original kommt die Stimme Skarsgárd aus den tiefen eines Grabes, die deutsche Version habe ich (noch) nicht gehört. Es ist ein grausamer, unbarmherziger Ton mit schweren Atmen. Der Vampir wird nicht edel dargestellt wie in den Dracula-Versionen von Bela Lugosi, Christopher Lee oder Frank Langella oder Gary Oldman. Von deren Eleganz ist bei Bill Skarsgárd keine Spur zu sehen und auch das Leiden von Kinski weicht dem brutalen Terror und dem Wahn der Worte „du kannst nicht lieben.“ Der Vampir wird hier zum Tier und nicht zum Gentleman. Das zeigt sich auch in der Opferszene. Der Vampir beißt nicht in den Hals, wie seine filmischen Vorgänger, sondern saugt das Blut, die Energie aus der Brust der Schönheit. Dabei wird der Körper aufgerissen, wie bei der Attacke eines Tieres.

Ellen Hutter, dargestellt von Lily-Rose Deep, ist Opfer und Heldin zugleich. Verletzlich und schockiert erkennt sie das Schicksal ihrer Mission der Opferung und lockt den Grafen bis zum Hahnenschrei in ihr Bett. Sie gibt sich hin und rettet dadurch ihre rattenverseuchte Heimatstadt Wisbourg. Versteckt und offen wird hier eine Sexualität gezeigt, wie sie ins viktorianische Zeitalter nur schwerlich vorstellbar war, Hier schafft es Eggers die verklemmte Sexualmoral von Bram Stokers in den Fokus zu stellen, die in Wahrheit eine triebgesteuerte Obsession ist, obwohl von Liebe gesprochen wird.

Auf der anderen Seite verbeugt sich Eggers vor den großen Bildern der Vorgänger. Wir finden Motive von Murnau und Herzog. Der Spaziergang durch die mit Kreuzen versetzten Dünen sind das eine, die Fahrt mit der Kutsche am Borgo-Pass ist die erste Schlossszene bei Tod Browning. Das Motiv der Ratten erschreckt heute keinen mehr, wie noch zu Murnaus Zeiten als Symbol der Wirren von Weimar oder bei Herzog als Zeichen des kalten Kriegs. Das ist vielleicht ein Manko des Films, dass die Symbole der Vergangenheit in dieser Neuinterpretation nicht mehr funktionieren, trotz der Analogien Spanische Grippe oder Aids mit Corona oder Inflation des Geldes. Daher legt Eggers wohl eher seinen Schwerpunkt auf den inneren Kampf der Darsteller mit Besessenheit, Liebe und schlechter Träume.
Das Betreten des Schlosses, das erste Mahl mit dem Grafen, überall zitiert Eggers ohne zu kopieren. Der Fan sitzt im Kinosessel, erkennt, nickt und genießt. Eggers hätte so gerne seinen Film im Zeitalter des Expressionismus gedreht, aber dafür kommt er 102 Jahre zu spät, obwohl er seine Bilder in Szene zu setzen weiß.

Die Motive der Hand, die nach der Weiblichkeit sucht, waren bei Murnau, bei Herzog und nun auch bei Eggers zu sehen und zu genießen. So macht Kino Spaß, wenn Vorgängerfilme zitiert und interpretiert werden. Eggers ist ein Könner seines Genres.

Persönlich war mir die Interpretation von Exozist, auch schon 50 Jahre alt, zu weit gegangen. Wenn Art Professor von Franz die besessen Ellen untersucht und sich der Dämon zeigt, sehe ich in erster Linie Linda Blair und Max von Sydow und nicht Lily-Rose Deep und Willem Dafoe.

Also Nosferatu – der Untote kommt nicht an Friedrich Wilhelm Murnaus Vorbild Nosferatu – eine Sinfonie des Grauens heran, steht mindestens gleichberechtigt neben Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht. Es ist eine schaurige Verbeugung vor der Kathedrale des deutschen Films, wie Herzog einsmals Murnaus Meisterwerk bezeichnet hat. Und es ist endlich wieder ein Vampirfilms, der richtig Angst macht. Mein Tipp: Lasst euch auf Nosferatu – der Untote ein, lasst euch nicht ablenken vom Popcorn und vom Smartphone und genießt einen grauenhaften Kinofilm (und das meine ich positiv)

Orlok, Dracula und Frankenstein samt Braut von Funko

18. September 2024

Gut, dass ich kein wirklicher Sammler von Funko Figuren bin. Funko Figuren sind Sammlerstücke, die von der US-amerikanischen Firma Funko Inc. produziert werden. Besonders bekannt sind sie für ihre Pop! Vinyl-Linie, die charakteristische Figuren mit übergroßen Köpfen und großen schwarzen Knopfaugen umfasst. Diese Designs sollen den Figuren einen charmanten und erkennbaren Stil verleihen, der sie von anderen Sammlerobjekten abhebt. Ich bin wie gesagt ein wirklicher Fan der Figuren, geschweige denn ein Sammler.

Aber natürlich bin ich schwach geworden als es zum 100. Geburtstag eines meiner Lieblingsfilme Nosferatu – eine Symphonie des Grauens den Grafen Orlok 1267 als Figur gibt. Den musste ich mir für kleines Geld einfach anschaffen. Und weil ich schon dabei war, wanderte Dracula 1634 in der Version von Belga Lugosi als Universal Monster gleich hinterher. Und weil ich gerade einen Vortrag über Frankenstein gehalten habe, kaufte ich auch Frankenstein 1630 und Frankensteins Braut 1631– und nun ist Schluss.

Ein Hauptgrund für die Beliebtheit von Funko Figuren ist die enorme Bandbreite an lizenzierten Charakteren. Funko hat Partnerschaften mit zahlreichen Franchises aus Film, Fernsehen, Comics, Videospielen, Sport und Musik. Ob Superhelden aus dem Marvel-Universum, Charaktere aus Harry Potter, Figuren aus Star Wars oder Ikonen der Popmusik – die Auswahl ist ziemlich groß. Diese Vielfalt ermöglicht es Fans, ihre Lieblingscharaktere in einer einheitlichen und sammelbaren Form zu besitzen. Ich hab noch ein paar Figuren, vor allem aus den Filmen von Stanley Kubrick, meinen Regie-Gott.

Im Vergleich zu anderen Sammelfiguren sind Funko Pops relativ erschwinglich. Sie bieten Fans die Möglichkeit, hochwertige Sammlerstücke zu erwerben, ohne ein Vermögen ausgeben zu müssen. Dies senkt die Einstiegshürde für neue Sammler und macht das Hobby für ein breites Publikum attraktiv. Ich habe meiner Frau versprochen, keine teueren Figuren grundsätzlich mehr anzuschaffen. Die 2001-Serie von Exekutive Replica liebe ich, sie waren auch teuer genug.

Limitierte Auflagen und Exklusivität
Funko veröffentlicht regelmäßig limitierte Auflagen, Sondereditionen und exklusive Figuren, die nur auf bestimmten Veranstaltungen oder in ausgewählten Geschäften erhältlich sind. Diese Seltenheit steigert den Reiz und den Wert der Figuren für Sammler. Aus dieser Reihe stammen meine Kubrick-Figuren, denn hier bin ich ein wirklicher Sammler. Natürlich sind die Figuren komplett verpackt und haben nie Luft zum Atmen bekommen. Mein Sammeln wird so zu einer persönlichen Reise durch die eigene Popkulturgeschichte.

Kellerfund: Meine Dracula-Comics von Marvel: Die Gruft von Dracula

3. September 2024

In einem Karton habe ich einen Teil meiner alten Comic-Liebe wieder entdeckt: Die Gruft von Dracula. Was habe ich diese Marvel-Comics geliebt und wenn ich mir die Bände so durchblättere, dann weiß ich warum. Ich habe mir gleich noch drei dicke Sammelbände Band 1, Band 2 und Band 3 bei Panini geordert. Leider habe ich keine einzelnen Hefte mehr oder ich finde sie im Moment nicht mehr.

Der Panini Verlag brachte im Jahr 2003 unter dem Namen „Marvel Horror“ eine Wiederauflage heraus, die als Softcover und als limitierte Hardcover-Ausgabe erschien. Diese Werke habe ich nun im Keller wiederentdeckt.

Die Comicreihe Die Gruft von Dracula (im Original: The Tomb of Dracula) gilt als eine der bekanntesten Horror-Comicserien von Marvel Comics und wurde in den 1970er Jahren veröffentlicht. Die Serie startete im Jahr 1972 und lief bis 1979 mit insgesamt 70 Ausgaben. Zusätzlich gab es Sonderausgaben wie „Giant-Size“ und Annuals.

Die Serie wurde vor allem von Marv Wolfman geschrieben, der auch als eine der wichtigsten Stimmen der Reihe gilt. Andere Autoren waren Gerry Conway und Archie Goodwin, bevor Wolfman die Zügel übernahm.

Der Hauptzeichner war Gene Colan, dessen düsterer, atmosphärischer Stil entscheidend zum Erfolg der Serie beitrug. Das faszinierte mich damals auch, nachdem ich nur Yps, Mickey Mouse und Asterix gewohnt war. Colans Schattenspiel und detailreiche Illustrationen machten die Comics zu etwas Besonderem. Der berühmte Marvel-Inker Tom Palmer arbeitete ebenfalls oft an der Serie.

Und was geht es?
Die Serie drehte sich um den klassischen Vampir Dracula, basierend auf Bram Stokers literarischer Vorlage. Im Marvel-Universum wurde Dracula jedoch als eine sehr komplexe Figur interpretiert, die in der modernen Zeit überlebt hat und weiterhin Menschen terrorisiert.

Die Comic-Serie vermischt klassischen Horror mit Abenteuergeschichten. Sie folgt Draculas Machenschaften in der modernen Welt, seiner Wiederauferstehung und seinen Konflikten mit verschiedenen Vampirjägern, insbesondere mit der Familie Harker (Nachfahren von Jonathan Harker aus dem ursprünglichen Stoker-Roman). Einer der Hauptgegner Draculas ist Blade, der Vampirjäger, der in dieser Comicreihe seinen ersten Auftritt hat in The Tomb of Dracula #10. Blade wurde ja später auch verfilmt mit mehreren Teilen.

Gothic-Horror-Themen
Die Serie ist stark von den klassischen Gothic-Horror-Themen geprägt, wie der ewigen Schlacht zwischen Gut und Böse, dem Verfall der Menschheit, und der Bedrohung durch das Übernatürliche. Sie reflektiert oft über Macht, Unsterblichkeit und die menschliche Natur.

„Die Gruft von Dracula“ war eine der erfolgreichsten und langlebigsten Horror-Comicserien ihrer Zeit. Sie half, den klassischen Horror in die Comics der 70er Jahre zurückzubringen und prägte das Genre des Vampir-Comics stark.

Neben den Comics hatte Dracula auch Auftritte in anderen Marvel-Medien. Die Figur trat in verschiedenen animierten Serien und Videospielen auf, meistens als Antagonist für Helden wie Blade, Doctor Strange oder die X-Men. Auch wenn die Serie selbst endete, lebt der Einfluss von „The Tomb of Dracula“ in Marvels Geschichten bis heute weiter.

Nachdem ja Marvel alles verfilmt, was nicht bei drei auf dem Baum ist, wie wäre denn eine Realverfilmung von Dracula oder ein klassischer Zeichentrick?

Dracula im Film (36): Dracula im Schloss des Schreckens

29. Oktober 2023

Gegen Ende des Film bringt es der Hauptdarsteller auf den Punkt mit der Aussage: „Ich verstehe es nicht“. Dracula im Schloss des Schreckens ist ein interessantes, aber die meiste Zeit stink langweiliges Gruselfilmen, der beim unser Graf nicht auftaucht und nur benannt wird. „Wir brauchen dein Blut so wie Dracula zum Leben“, dient als Rechtfertigung, um den Namen Dracula im deutschen Verleihtitel zu tragen. Web of the spider hieß der Film in den USA, also nix Dracula.

Innerhalb der Dialoge der deutschen Synchronfassung kommen Vampire vor. Im Original ist es ein klassischer Gothic-/Haunted-House-Streifen. Jünger des Grafen haben sich dieses Werk angeschaut und immer wieder auf die Uhr geschaut, wann die 114 Minuten vorbei sind. Die Handlung ist eine Art Geistergeschichte bei der sogar Edgar Allan Poe mitmischen darf. Der brillante Autor in der Gestalt von Klaus Kinski kann sich nicht wehren und muss für hanebüchenen Geschichten herhalten. Das hat der gute Poe nicht verdient und der irre Kinski macht die ganze Sache nicht wirklich besser.

Also wir haben schöne Bestandteile: Geister, ein altes Schloss, Träume, ein bisschen Softsex mit nackten Brüsten, etwas Blut und viele Särge samt Bodennebel und Atmosphäre. Und trotzdem ist der Film für mich beim ersten Mal Grütze und eine Qual. Allerdings wurde er beim zweiten Anschauen besser. Zwar gab es keine versteckte Geschichte zu entdecken, aber ich konzentrierte mich weniger auf die Geschichte als um das Drumherum.

Dracula im Schloß des Schreckens stammt aus dem Jahre 1971 und das macht sicherlich den Charme des Films aus. Darsteller, Set, Farben, Kamera, Musik – alles Beispiele der Zeit der frühen Siebziger. Antonio Margheriti hat bei dieser deutsch-italienischen-französischen Produktion Regie geführt. Fein ist die Musik von Riz Ortolani, der ja einiges an italienischen Horrorfilmen und Italowestern vertont hat, wobei die Doku Mondo Cane sicherlich sein berühmtestes Werk ist. Nella stretta morsa del ragno, so der Originaltitel, erschien auf limitierter Vinyl, die ich mir besorgen muss.

Ich muss meinen Hut vor der Bluray Veröffentlichung ziehen. Die Herrschaften von digidreams haben sich alle Mühe gegeben, den Film gut darstehen zu lassen. Weil nicht alle Originalkopien greifbar waren, wechselt das Bild zwischen verschiedenen Kopien samt Tonspuren hin und her, sogar die Super-8-Kopie wurde herangezogen, damit 2021 eine ungeschnittene Version in Deutschland erscheinen konnte. 1972 lief der Film in den deutschen Kinos in geschnittener Version. Auch die Extra können sich sehen lassen, hier waren Liebhaber am Werk. Ich mag vor allem die beiden Teile der Super 8-Kopie des Films.

Der Film bleibt bei all seinen Fehlern ein Liebhaberprodukt. „Es ist lächerlich: Gespenster, die Blut saugen“, so spricht unser Hauptdarsteller Anthony Franciosa als Alan Foster. Nehmen wir es mal als gegeben hin, schalten das Hirn aus, vergessen wir Dracula und saugen wir Atmosphäre der siebziger Jahre.
Aber – und nun kommt das große Aber, weshalb ich diesen Film bei all meiner Sympathie für Gruselfilme ablehne: Der Film enthält Tier-Snuff. In dem Film wird eine echte Schlange getötet und der Zuschauer sieht diese Tötung und das Leid des Tieres. Das geht nicht. Das ist verabscheuungswürdig. Das ist abzulehnen.

Dracula im Film (35): Die letzte Fahrt der Demeter

11. August 2023

Endlich, endlich wieder ein Dracula, den wir als Fan ernst nehmen können: atmosphärisch dicht, schonungslos brutal – ein Film, der den Fürst der Finsternis viel Ehre macht. Die letzte Fahrt der Demeter ist ein gelungenes Kammerspiel, ein Spiel mit Beklemmung und Angst. Vielleicht eine Art Alien auf einem Segelschiff, nur dass das Alien Dracula ist und das Schiff Demeter statt Nostromo heißt.

Und ab jetzt kommen Spoiler.
Der Film von André Øvredal hält sich im großen und ganzen an die literarische Vorlage von Bram Stoker. Er beschreibt die Reise Draculas von Transsilvanien nach London. 24 Kisten mit Erde werden im Bauch der Demeter verladen, darunter auch eine Kiste mit dem Drachen-Symbol des Grafen. Das Schiff nimmt die Reise auf und die Besatzung wird Zug um Zug dezimiert. Das Logbuch des Captains zeugt vom verzweifelten Kampf gegen das blutrünstige Monster, gegen die Vorurteile der Seemänner und deren Ängste. Es ist auch ein Kampf der Wissenschaft in Person des Arztes mit dem religiösen Glauben und Aberglaube – wunderbar eingefangen, ohne dass eine Partei bloßgestellt oder gar lächerlich gemacht wird.

Es ist ein ernsthafter Film ohne den üblichen überflüssigen Comic-Relief-Jokes. Vielleicht ein wenig zuviel Jump Scares zu Beginn, aber erträglich um die Atmosphäre nicht zu zerstören. Bei Erfolg des Films wird eine Fortsetzung in der Carfax Abbey angedeutet- zu wünschen wäre es der Produktion. Der Graf mit Wolfstock und Fledermaus-Ohren.

Dracula selbst ist kein Gentleman wie Bela Lugosi, Christopher Lee oder gar Frank Lagalla. Dracula ist eine erschreckende Hommage an die Nosferatu-Darstellungen von Friedrich Wilhelm Murnau oder Werner Herzog – Max Schreck und Klaus Kinski sind gegenwärtig, aber ohne deren romantischen Leidenschaft.

Vielleicht zeigt sich hier mehr der erbarmungslose Vampir aus Brennen muss Salem gemischt mit einer Fledermaus. Der Spanier Javier Botet spielt Dracula. Auch die Opfer des Grafen werden zu Dienern gemacht. Ihre Vernichtung durch die Sonne tut dem Zuschauer richtig weh und ist eindrucksvoll gemacht.

Interessant ist, dass der Film die Regel bringt, dass sympathische Kinder und treue Tiere in einem Film immer davonkommen. Da hilft ihnen auch ein Kreuz als christliches Symbol gegen Vampire nichts. Sehr schön ist die Szene als ein Diener des Grafen die Tür zur Kabine des Kapitäns mit dem Kopf einschlägt und den Kopf hereinsteckt. Hier habe ich nur noch den Ausruf „Here’s Johnny“ erwartet, dann wäre die Hommage an Shining perfekt gewesen. Solche Anspielungen finden sich im ganzen Film, der meines Erachtens zu sehr mit der geringen Tiefenschärfe spielt, so dass der Hintergrund unscharf wird und Dracula dort herumwandern kann. Toll ist aber die expressionistische Atmosphäre, der Einsatz von Schatten und Wolken. Hier kommt ganz der alte Murnau durch und ich hab es genossen. 1922 noch in schwarzweiß, heute in blassen Farben, als ob Herzog daran beteiligt war.

Aus der literarischen Vorlage, Diener ein paar Seiten umfasst, wurde ein ganzer Spielfilm. Ich hab mir die Geschichte vor dem Filmbesuch noch einmal in der Coppenrath-Schmuckausgabe nachgelesen. Hier das Video zu dieser Dracula-Ausgabe.

Da haben Drehbuchautor Bragi F. Schut und Regisseur André Øvredal noch einiges an Stoff gebraucht, um die Geschichte aufzublasen. Neu hinzu kommen beispielsweise der Held des Films, der Schiffsarzt Clemens (Corey Hawkins) sowie die Frau Anna (Aisling Franciosi) an seiner Seite. Sie ist eine Art Reiseproviant für Dracula, der gleich mal in die Kisten von Dracula dazu gepackt wurde.

Der Score wurde von Bear McCreary beigesteuert. Er ersetzte Thomas Newman, aus welchem Grund auch immer. Ich bin kein so richtiger Fan von McCreary, der sich einen Namen durch TV-Produktionen gemacht hat. Aber vielleicht muss ich mich noch reinhören. Den Score habe ich bisher nur als Stream entdeckt ud hoffe auf eine Vinyl-Veröffentlichung.

Für mich ist der Film ein absoluter Muss für Fans des Grafens. Endlich mal ein Horrorfilm, der ernsthaft daherkommt.

Dracula im Film (34): Renfield (2023)

12. Juni 2023

Selten hat mich ein Dracula-Film so hin und her gerissen, wie Renfield, die Horror-Splatter-Komödie um den Diener unseren Lieblingsgrafen. Die Idee der Abhängigkeit ist eine gute Idee und viele kleinen Anspielungen in dem Film habe ich in meinem Lieblingskino Scala Fürstenfeldbruck absolut genossen.

Ich muss zugeben, dass ich absolut kein Fan von Nicolas Cage bin. Es gibt kaum Filme, die ich mit ihm mag. Und jetzt spielt Cage den Grafen sehr theatralisch, arrogant und ich gebe ungern zu: Er hat mir als aufbrausender Dracula gefallen.

Der Film beginnt mit den Schwarzweißaufnahmen im Stile von Tod Browing und eine Verbeugung von dem großen Bela Lugosi. Nikolas Cage in der Rolle Dracula spielt die Schlüsselszenen des 1930 Draculas gekonnt und sie machen viel Lust auf mehr. „Ich trinke niemals Wein“ kommt einfach gut. Und auch die Beleuchtung der Augenpartie macht einfach Spaß. Cage hat seine Vorbilder Bela Lugosi (Dracula), Frank Langella (Dracula) und Gary Oldman (Bram Stoker’s Dracula) gut studiert – an Max Schreck und Klaus Kinski wäre er gescheitert und Christopher Lee hat er gleich übersprungen.

Als einziger habe ich im Kino gelacht als ich den Fußabstreifer mit Willkommen und Tritt ein gesehen habe, der Dracula den Zutritt zum kritischen Apartment Renfield gewährt. Dracula darf ja nur eine Wohnung betreten, wenn er eingeladen wird. Ich fans gut, die restlichen Zuschauer im Kino haben den Hinweis wohl nicht verstanden.

Und es sind weitere Details wie der Abspann mit dem Titel Renfield in Stil und Farben des 1930 Kino-Plakats. Aber bis es zum Abspann kam, musste ich eine ganze Menge an wirren Drehbuch aushalten. Regisseur Chris McKay kann zwar Splatter, aber ein schlechtes Drehbuch bleibt ein schlechtes Drehbuch. Chris McKay bemüht sich sehr zwischen Horror und Humor zu wechseln, aber für mich ist es ein weiterer Beweis, dass das Dark Universe von Universal wohl in der frühen Phase von Hollywood erfolgreich war und eine Wiederbelebung Konsequent scheitert.

Und dieses Drehbuch macht den Genuss des Films den Garaus. Die Verbraucherstory ist so konstruiert, so schwach, wenn nicht gar schwachsinnig. Das Drehbuch zerstört die meiste Atmosphäre, wenn Dracula mal nicht zu sehen. Nicholas Hoult als Renfield hat seine gute Seiten, empfinde ich aber als zu blass.

Draculas Gehilfe Renfield hat die Arbeit für seinen narzisstischen Meister satt. Nach Jahrhunderten der entwürdigenden Knechtschaft will er herausfinden, ob es für ihn auch ein Leben ohne den Fürsten der Finsternis geben kann und schließt sich dafür einer Selbsthilfegruppe an. Dort lernt er Rebecca Quincy (Awkwafina) kennen, die ihn bei seinem emanzipatorischen Projekt unterstützt, das sich jedoch bald als ziemlich gefährliches Mafia-Unterfangen erweist.