Posts Tagged ‘Journalismus’

Erfahrungen aus der Mitarbeit an einem Digitalmagazin

16. Dezember 2023

Für mich war es eine Premiere. Als langjähriger Print-Journalist für Zeitungen und Zeitschriften mit Erfahrung in Web, Video und Audio kam jetzt etwas Neues hinzu: Meine Mitarbeit an einem Digitalmagazin des Verlags Nürnberger Presse VNP.

In meinem Fall handelt sich sich um die Mitarbeit bei einem Magazin über den neuen Nürnberger Stadtteil Lichtenreuth rund um die neue KI-Uni, die im Entstehen ist. Früher war das Gelände ein Umladebahnhof der Bahn, der so genannte Südbahnhof in Nürnberg. Nun ist das Digitalmagazin erschienen. Das Magazin gibt es hier zum Lesen, Anschauen und Anhören.

Mehr als ein interaktives PDF
Es handelt sich dabei nicht um den klassischen Blätterkatalog früherer Zeiten, wo PDFs wie eine Zeitschrift aneinander gereiht werden, um den Eindruck des Umblätterns bei einer Zeitschrift zu vermitteln, sondern es ist ein komplett anderes Konzept. Als ich noch festangestellt war, hatte ich an der Konzeptionierung eines ähnlichen Magazins auf PDF-Basis für meinen damaligen Verlag gearbeitet, also eine Art interaktives PDF. Aber der damalige Verlag hatte nicht den Mut weiterzumachen und so kamen wir über einen Dummy nicht heraus. Die Technik hat sich heute rasant weiterentwickelt und Digitalmagazine gehören heute zum Repertoire von Verlagen.

Konzeptionsphase
Mein Auftraggeber Thomas Gerlach vom VNP konzipierte das Produkt von A bis Z und ich gab meinen Senf dazu, einmal meine Erfahrungen als Journalist, einmal meine Erfahrungen aus einem früheren Studium der Stadtgeografie. Schließlich Handelt es sich um die Entwicklung eines komplett neuen Stadtteils. Wichtig war die richtige Gewichtung zwischen Artikeln, Fotos, Videos und Audiobeiträgen zu finden. Was in der Konzeption prima aussah, musste allerdings erst praktisch umgesetzt werden, so dass die eine oder andere Geschichte aus unterschiedlichen Gründen platzte. Was ist in der kurzen Zeit der Produktion überhaupt möglich? Welcher Aufwand ist gerechtfertigt und wirtschaftlich? Wie wird das ganze Material umgesetzt? Und natürlich, wie kommt das fertige Produkt beim Auftraggeber und bei den Lesern überhaupt an – was ja das Wichtigste überhaupt ist?

Andere Arbeitsweise
Das Produktionsteam aus Journalisten und Layoutern war bewusst klein gehalten und arbeitete über MS Teams zusammen. Die Mitarbeiter waren in Franken verstreut, ich kam aus Oberbayern hinzu. Regelmäßige Briefings mit Überprüfen des Konzepts, konsequentes Arbeiten mit der Cloud waren an der Tagesordnung. Ich durfte einige Artikel vorschlagen, recherchieren, schreiben und damit dem Projekt beisteuern, was mich an meine Zeit des Lokaljournalismus erinnerte. Aber das Ganze war eine Nummer größer. So war es Problem, die richtigen Ansprechpartner zu identifizieren. Hatte man sie endlich gefunden, galt es sie zu überzeugen nicht nur als Interviewpartner zur Verfügung zu stehen, sondern auch Audio-Interviews mit dem Tascam Mixcast 4 aufzunehmen, das natürlich nach einem Software-Update erst einmal den Dienst verweigerte. Statt der Tascam Software Podcast Editor verwendete ich genervt Audacity. So mancher Gesprächspartner war kein Medienprofi und mehrmaliges Einsprechen war die Folge.

3x Mark(c)us – König, Blume und Söder
Die Kommunikation der Stadt Nürnberg unterstützte mich, aber noch wichtiger war mein privates Netzwerk. Wir wollten was richtig Großes schaffen. Ich hatte meinen Auftraggeber versprochen, dass ich Videostatements den drei Markus bzw Marcus – vom Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König, dem Wissenschaftsminister Markus Blume und Ministerpräsident Markus Söder einholen werde. Nicht kleckern, sondern klotzen. Und sie sollten individuell sein, kein Stück von der Stange. Das Versprechen wollte ich unbedingt halten, stellte schriftliche und mündliche Anfragen, diskutierte, bettelte und siehe da, alle drei Promis lieferten individuelles Material. Darauf bin ich ziemlich stolz und meinem Auftraggeber gefiel es auch, solche Promis im Blatt, bzw im Digitalmagazin zu haben. Den Aufwand hatte ich am Anfang allerdings ein wenig unterschätzt, aber Ende gut, alles gut und ich danke den guten (Verwaltungs-)Geistern hinter den Kulissen, die mich hier unterstützt haben. Die Netzwerkpflege über Jahre hat sich bewährt.

Ausspielen für Endgeräte
Nach der Freigabe meines Materials durch meinen leitenden Redakteur baute die Layouterin Julia das Digitalmagazin und schuf allerhand Kartenmaterial via Illustrator, schmiss immer wieder die Seiten um, denn ein Digitalmagazin ist eben kein Printmagazin. Es gehorcht anderen Regeln, die wir alle erst einmal verinnerlichen mussten. Wie ist der Lesefluss? Wie muss die Navigation sein? Am Rechner sah das Produkt sehr gut aus. Ich hatte zunächst meine Zweifel, ob es auch am Smartphone wirkt, denn wir leben in einer mobilen Gesellschaft. Meine Zweifel waren unbegründet. Auch am kleineren Bildschirm funktioniert alles. Für mich die beste Nutzung des Digitalmagazins zu Lichtenreuth ist allerdings am Tablet, weil es meinen Lesegewohnheiten näher kommt. Ich lese viel am Tablet und habe es in der Regel auch griffbereit.

Jetzt bin ich natürlich gespannt, wie die ganze Sache beim Publikum ankommt. Wichtig ist, was hinten rauskommt, hat mal ein Kanzler gesagt. Mir persönlich gefällt das Produkt und ich bin sehr begeistert und auch stolz, dass ich hier mitarbeiten durfte und mich auch aktiv einbringen durfte. Kooperative Führung, Teamarbeit und Professionalität auf allen Seiten machen einfach Spaß.

Persönlich sehe ich eine große Chance für Digitalmagazine im Bereich Corporate Publishing. Das umschreibt einfach ausgedrückt alle Publikationen und Inhalte, die von einem Unternehmen veröffentlicht werden. Dazu zählen insbesondere die journalistische Unternehmenskommunikation in den eigenen Kanälen. Danke, dass ich hier dabei sein durfte und stehe natürlich als für weitere Aufträge zur Verfügung. Wie ist eure Meinung?

Buchtipp: „Bilderkrieger“ von Michael Kamber: Eine eindrucksvolle Dokumentation des Kriegsjournalismus

13. November 2023

Als Fan der Pressefotografie sauge ich alles auf, was die Kolleginnen und Kollegen auf Film oder Chip bannen. Eine Sonderform der Pressefotografie ist die Kriegsfotografie. Diese Kunstform ist erschreckend und die Fotografen hinter dem Auslöser sind eigenartige Vertreter der menschlichen Spezies.
Und hier steigt das Buch „Bilderkrieger“ von Michael Kamber ein. Er konzentriert sich auf die Kriegsberichterstatter des 21. Jahrhunderts.

Das Buch ist eine tiefgreifende und beeindruckende Darstellung des Kriegsjournalismus im 21. Jahrhundert. Das Buch wurde 2013 veröffentlicht und ist für mich ein wichtiges Werk, das die Erfahrungen und Herausforderungen der Journalisten während bewaffneter Konflikte beleuchtet.

Kamber, selbst ein erfahrener Fotojournalist, hat über ein Jahrzehnt in Konfliktgebieten auf der ganzen Welt gearbeitet. In „Bilderkrieger“ präsentiert er nicht nur seine eigenen Erfahrungen, sondern auch die Geschichten und Bilder von zahlreichen Kollegen, die sich in gefährlichen und oft lebensbedrohlichen Situationen befanden, um die Realität des Krieges der Öffentlichkeit näherzubringen. Der Schwerpunkt des Buches sind aber weniger die grausamen und bedrückenden Fotos, sondern vielmehr Interviews und Gespräche mit dem Fotografen.
Die Struktur des Buches ist gut durchdacht, mit Kapiteln, die verschiedene Aspekte des Kriegsjournalismus behandeln. Kamber beginnt mit einer Einführung in die Geschichte des Kriegsjournalismus und erläutert, wie sich die Rolle der Kriegsberichterstatter im Laufe der Zeit verändert hat. Er geht auf die technologischen Entwicklungen ein, die es Journalisten ermöglichen, immer näher am Geschehen zu sein, aber auch ihr Leben noch stärker zu gefährden.

Ethik des Kriegsjournalismus
Ein wichtiger Aspekt des Buches ist die Ethik des Kriegsjournalismus. Kamber spricht ehrlich über die moralischen Dilemmata, vor denen Kriegsberichterstatter stehen. Sie müssen entscheiden, wann sie eingreifen und Hilfe leisten sollen und wann sie als neutrale Beobachter agieren müssen. Dies ist eine zentrale Frage, da die Berichterstattung oft in extremen Notsituationen stattfindet.

Besonders faszinierend sind die Geschichten und Bilder, die im Buch präsentiert werden. Kamber und die von ihm interviewten Journalisten haben unermüdlich daran gearbeitet, die Grausamkeit des Krieges in Bildern und Worten festzuhalten. Die visuelle Darstellung der Konflikte, sei es im Irak, in Afghanistan oder anderswo, ist oft schockierend und bewegend. Die Bilder illustrieren nicht nur die Zerstörung und das Leiden, sondern auch den Mut und die Entschlossenheit der Kriegsberichterstatter, die sich trotz der Gefahren in die Frontlinien wagen.

Traumatische Auswirkungen
Das Buch wirft auch einen Blick auf die traumatischen Auswirkungen, die dieser Beruf auf die Journalisten hat. Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) ist in dieser Branche weit verbreitet, und Kamber geht einfühlsam auf die psychischen Belastungen ein, denen Kriegsberichterstatter ausgesetzt sind. Er zeigt, wie wichtig es ist, dass die Medienunternehmen und die Gesellschaft insgesamt die Unterstützung und Behandlung für diese Journalisten bereitstellen.

Unabhängiger Journalismus
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt des Buches ist die Betonung der Bedeutung von unabhängigem Journalismus in Zeiten des Krieges. Kamber argumentiert überzeugend, dass der Zugang zu unabhängigen Informationen in Konfliktsituationen von entscheidender Bedeutung ist, um die Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft über die Ereignisse auf dem Laufenden zu halten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Insgesamt ist „Bilderkrieger“ von Michael Kamber für mich eine bemerkenswerte und bewegende Auseinandersetzung mit dem Kriegsjournalismus im 21. Jahrhundert. Das Buch bietet einen Einblick in die Welt der Kriegsberichterstatter und in die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind. Es erinnert uns daran, wie wichtig unabhängiger Journalismus in Zeiten des Konflikts ist und verdeutlicht die Notwendigkeit, diejenigen zu unterstützen, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. „Bilderkrieger“ ist ein fesselndes und erhellendes Werk, das sowohl für Journalisten als auch für Leser, die sich für die Realität des Krieges interessieren, von großem Interesse ist.

Kein Buchtipp: Unter Bayern, Glossen der SZ von 2004 bis 2006

11. Januar 2023

Ich bereite mich gerade auf einen Kurs über Glossen als journalistische Darstellungsform vor. Glossen zu schreiben ist schwierig, sehr schwierig sogar. Denn anders als für die berichtende Form im Journalismus wie beispielsweise Nachricht, Bericht oder Interview brauche ich für die Glosse eines unbedingt: Talent. Was für den einen witzig ist, ist für den anderen kompletter Blödsinn.

Und da Glossen in der Zeitungswelt irgendwie selten geworden sind, habe ich zu einer alten Sammlung Streiflichter der Süddeutschen Zeitung gegriffen: Unter Bayern ist eine Sammlung von Glossen der SZ der Jahre 2004 bis 2006 mit dem Thema Bayern. Mit Bayern kenn ich mich aus und der politischen Lage der damaligen Zeit ebenso. Und was soll ich sagen? Diese Sammlung ist einfach nicht witzig, nicht humorvoll, vielleicht in Teilen satirisch, nicht allzusehr überspitzt – ich wage sogar zu sagen: Die meisten der Glossen langweilen mich. Und das liegt nicht an dem Alter der Geschichten der SZ-Edelfedern, sondern es ist wohl einfach nicht mein Humor.

Als Münchner amüsiere ich mich, wenn wir Bayern auf den Arm genommen werden und uns der Spiegel vorgehalten wird. Ich hab kein Problem, wenn die Bundesrepublik über uns lacht, denn ich weiß ja, dass viel Neid darin verborgen ist. Aber bitte nicht in so einem Oberlehrerton der SZ-Schreiber. Dass wir uns richtig verstehen: Ich mag die Süddeutsche für ihre Berichterstattung, vor allem für die investigativen Geschichten. Die SZ bereichert den sterbenden Blätterwald in Deutschland. Aber ich mag diesen Glossenstil einfach nicht, der so belehrend, so bildungsbürgerhaft ist, wenn nicht sogar etwas eingebildet daherkommt. Und das sage ich, obwohl ich für diesen süddeutschen Konzern gerne und gut gearbeitet habe. Aber wie heißt es bei uns: Leben und leben lassen.

Den Umschlag des Buch zieren Karikaturen von Dieter Hanitzsch („gut, besser Paulaner“), der seit 2018 bei der SZ aus gutem Grund in Ungnade gefallen ist und dann zur Abendzeitung wechselte. Ich habe einige Bücher von ihm über Franz Josef Strauß und konnte sehr lachen. Heute lache ich über Dieter Hanitzsch nicht mehr. Er leugnet jeglichen Einfluss des CO2 auf das Weltklima und diffamiert Greta Thunberg als „geistig gestörtes Kind“. Nein danke.

BAF: Medienbranche klagt über Fachkräftemangel

10. Oktober 2022

Als ich vor gefühlten hundert Jahren mich für den Beruf des Journalisten entschied, war dies für mich eine Berufung, eine Passion. „Irgendwas mit Medien“ lautete damals der Wunsch vieler junger Leute. Was bei vielen unklar war, war für mich konkret: Klassischer Print-Journalismus mit Fotografie. Und bei der jüngsten Festveranstaltung der BAF Bayerische Akademie für Fernsehen und Digitale Medien in Unterföhrung musste ich hören, dass genau diese Medienbranche auch an einem Fachkräftemangel leiden – unglaublich.

Die demographische Entwicklung holt auch die Medien ein. Viele Stellen werden in den nächsten Jahren frei. Medienunternehmen suchen nach Fachkräfte und seien auch bereit auf neue gesellschaftliche Entwicklungen Rücksicht zu nehmen: HomeOffice, remote Arbeiten, Vier-Tagewoche. Und dennoch, da kann ich Thomas Hinrichs vom BR nur beipflichten: Es geht ums harte Arbeiten und um solides Handwerkszeug, das anzuwenden ist. Technik kommt und geht, aber der Journalismus als Handwerkszeug bleibt.

Die BAF ist eine private Ausbildungseinrichtung nach dem Motto „Sowenig Theorie wie möglich, soviel Praxis wie möglich.“ Ich darf einmal im Jahr als Dozent für die BAF tätig sein. Leider bin ich gar nicht auf der Website als Dozent gelistet, wie ich bei dem Festakt in Unterföhring feststelle – schade. Mein Unterricht, der in den vergangenen zwei Jahren online stattfand, macht mir Spaß und hilft hoffentlich auch den jungen Studierenden. Das neue Vollzeitstudium hat gerade erst begonnen und ich wünsche den jungen Kolleginnen und Kollegen viel Erfolg in der schönen neuen Medienwelt, die scheinbar nur auf sie wartet.

Natürlich befinden sich Medien in der Krise. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage leiden unter dem ausbleibenden Anzeigengeschäft, die Öffentlich-Rechtlichen haben Finanzprobleme und machen sich durch Intendanten-Aktionen selbst das Leben schwer. Der Rubel rollt nicht mehr so wie früher und Plattformen wie Apple, Facebook und Google machen die große Kasse. Also sind neue Content-Modelle bei den Medien gefragt. Wer eine Idee hat, der ist Sieger.

Interessant ist, dass viele Festgäste beim BAF-Festakt immer noch von Fernsehen, im Sinne von klassischen Broadcast reden. Ich würde eher von Bewegtbildmedien sprechen, denn Geschichten in Form von bewegten Bildern ist längst das Kriterium im Internet. Die TikToks, Instas, YouTubes und wie sie alle heißen gieren nach bewegten Bildern – und die BAF hat diese Zielgruppe für die kostenpflichtige Ausbildung wohl richtig erkannt und ihre Lehrinhalte angepasst. Im Moment entwickle man sogar einen Studiengang GameDesign, den mein Kind K2 bei einer anderen privaten Hochschule gerade aufgenommen hat.

Es werden Zahlen präsentiert, dass Fernsehen noch riesige Zuschauerzahlen haben. Das mag sicher sein. Doch meine Familie gehört nicht dazu. Für uns ist lineares TV tot, mausetot. Aber jeder soll nach seiner Art glücklich werden und sein gutes Geld verdienen. Allerdings frage ich, warum ich die Rundfunkgebühren für Soaps und Fußball bezahlen soll. Mehr Information, weniger Entertainment für nicht bitte. Und bevor die Diskussion aufkommt: Ich bin ein Fan der Öffentlich-rechtlichen Medien, aber mit mehr Information und weniger Blabla.

Ich habe nun selbst zwei Revolutionen erlebt, die mein Berufsfeld auf den Kopf gestellt haben: DTP und Internet – bei beiden habe ich mich gut geschlagen und war bei den Innovativen mit dabei. Gleich war aber immer meine Rolle des Geschichtenerzählers. Und ich habe für mich entschieden, weiterhin Geschichten zu erzählen – heute heißt es wohl Storytelling. Ich vermute, dass die nächste technische Revolution AR und VR sein wird. Auch da brauchen wir neue Geschichtenerzähler, die das Medium kennen und die Story sehen und erzählen können.

Es tat gut, bei diesem BAF-Festakt in Unterföhring viele Kolleginnen und Kollegen aus vergangenen und aktuellen Zeiten zu sehen und auch zu sprechen: Hans-Peter Niedermeier (ehemals HSS), Uwe Brückner (PresseClub), der erste Akademieleiter Ulrich Berls (er saß damals im PresseClub-Vorstand neben mir oder besser ich neben ihm), Thomas Hinrichs (BR), BAF-Präsident Erwin Huber, Renate Hermann (Hochschule Ansbach), Christopher Tusch (BAF), Wolf-Dieter Ring (ehemals BLM) und viele viele mehr.

Es gab Ehrungen, die ich im verwackelten Video festgehalten habe – ich sollte einen Videokurs bei der BAF besuchen.

100. Geburtstag von Georg Stefan Troller

10. Dezember 2021

Es gibt Menschen, die bewundere ich wegen ihrer Haltung. Es gibt Menschen, die bewundere ich wegen ihrer Erfahrung. Und es gibt Menschen, die bewundere ich wegen ihres Könnens. Georg Stefan Troller ist so ein Mensch, den ich wegen all diesen Eigenschaften und noch mehr bewundere. Heute am 10. Dezember 2021 wird der große Geschichtenerzähler und Grandsenior des deutschen Nachkriegsjorunalismus 100. Jahre alt. Ich gratuliere von ganzem Herzen.

Der am 10. Dezember 1921 geborene Troller kam als junger GI zu Radio München, dem Vorläufer des Bayerischen Rundfunks, und begann hier seine Karriere als Reporter. In diesem kleinen Video erzählt er seine Geschichte: Es laufen den ganzen Tag Ehrungen und alte Reportagen von im Fernsehen.

Ich durfte Troller einmal treffen und diese Zusammenkunft hat mich menschlich (und auch fachlich) tief berührt. Es war im November 2019 als Georg Stefan Troller in München sein Buch 97 Begegnungen meines Lebens vorstellte. Ich habe über den Abend gebloggt. Ich konnte im Vorfeld mit ihm ein wenig plaudern und er signierte anschließend meine mitgebrachten Bücher Paris geheim und das legendäre Pariser Journal, ein Buch, das ich immer bewundert habe. Dieses Buch basiert auf einer Filmreihe, die Troller fürs Fernsehen drehte.

Wenn es mir vergönnt ist, Georg Stefan Troller noch einmal zu treffen, würde ich gerne mit ihm über einen Film sprechen, den ich neulich wieder entdeckt habe. Es ist die Dokumentation Deutschland, die er im Auftrag der Lufthansa gedreht hat. Es sind die 70er pur. Farben, Leben, Freude und ganz viel Charme sind zu sehen.


Ich habe noch eine Super 8-Kopie dieser aufwendigen Dokumentation, die vor allem Spaß und Lebensfreude ins Ausland vermittelte. Die Deutschen sind gar nicht so öde und streng, wie es immer gesagt wird. Die flotte Musik schuf übrigens Klaus Doldnger. Der Film wurde auf dem 14. Internationalen Film- und TV-Festival in New York mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Ich glaube nicht, dass es das Festival noch gibt, aber Preise klingen immer gut.


Der Film zeigt an verschiedenen Personen aus Ländern wie USA, Brasilien, Frankreich oder Japan wie sie Deutschland empfinden. Aus dem Off kommentiert Troller die handelnden Personen mit einem sehr schönen Humor in seiner einzigartigen Stimme. Genau diesen Humor habe ich kennenlernen dürfen bei der Veranstaltung in München.
Also nochmal: Alles, alles Gute zum 100. Geburtstag lieber Georg Stefan Troller.

Buchtipp: Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet

19. Oktober 2021

Morgens nach dem Aufwachen habe ich im Bett ein journalistisches Ritual: Ich scanne die sozialen Netzwerke, lese die Schlagzeilen der relevanten News-Website und schmökere in digitalen Zeitungen am iPad mini. Darunter ist auch die BILD, die ohne Zweifel Meinungsführer in Deutschland ist.

Ich bin gespannt, was und ob sich etwas in der Boulevard-Berichterstattung nach dem Rauswurf von Julian Reichelt vom Posten des Chefredakteurs ändert. In der BILD selbst stand auf Seite 3 eine Meldung dazu. Ich habe Reichelt selbst nur einmal bei einer Podiumsdiskussion in München kennengelernt als er über die Arbeit von Polizeipressesprecher Marcus da Gloria Martins im Rahmen des OEZ-Attentats mokierte. Ich war nicht Reichelts Meinung. Ich konnte aber sehen, wie streitbar Julian Reichelt argumentierte und wie sein Weltbild ist. Am Ende der Veranstaltung ließ ich mir sein Buch signieren und wechselte ein paar Worte, um mir ein Bild zu machen.

Und als Reichelt gestern bei Springer rausgeflogen ist – oder wie es diplomatischer bei Springer hieß: „Entbunden“ wurde, da griff ich zur Lektüre des Buches Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet spaltet. Ich habe immer wieder in einem Kapitel geschmökert und gestern habe ich das Buch aufgrund der aktuellen Ereignisse fertig gelesen. Erschreckend, wie das Geschäftsmodell des erfolgreichsten deutschen Medienhauses auf Angst basiert. Die Autoren Moritz Tschermak und Mats Schönauer haben eine beeindruckende Recherche vorgelegt. Sie liest sich zwar nicht so flüssig wie das Wallraff-Buch von 1977 Der Aufmacher: Der Mann, der bei Bild Hans Esser war, aber es ist auch eine andere Zeit heute: BILD ist komplexer als zu Wallraffs Zeiten.

Moritz Tschermak und Mats Schönauer betreiben seit 2004 den BILDblog und analysieren Tag für Tag den Medienkomplex BILD. Sie stellen fest: Unter Reichelt sei das Boulevard-Blatt noch brutaler, noch menschenverachtender, noch populistischer geworden. Jetzt muss Boulevard Position beziehen und zum Teil auch überspitzen, doch Reichelt hat den Bogen überspannt. Das wird in dem Buch eindrucksvoll belegt. In den Kapitel geht es unter anderem um BILD und die Justiz, Leser, Politik, Migration, Rechtspopulisten, Frauen und Hartz IV. Das Kapitel über Sport habe ich übersprungen, weil mich Sportberichterstattung null interessiert. Aber auch hier bezieht die Zeitung mit den vier Großbuchstaben wohl auch Position.

Julian Reichelt und sein Team waren erfindungsreich.Die Unsitte des Leserreporters schlug wie eine Bombe ein. Es gab sogar noch einen Presseausweis für diese Knipser. Die Leser-Blatt-Bindung war enorm. Als die Print-Auflage zusammenbrach, setzt man massiv auf Online, führte konsequent mit Bild Plus ein Bezahlabo ein und mit dem TV-Sender Bild TV wird der Verlag wohl den gleichen Weg gehen. Die Mannschaft um Reichelt nimmt es mit Persönlichkeitsrechten nicht so genau ist aus dem Buch ebenso zu lesen, wie die Redaktion Stimmung gegen Minderheiten macht.

Das Buch Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet ist ein wichtiges Buch zur Medienkultur. Das Buch zeigt, wie Journalismus funktioniert und wie er am Beispiel der BILD eben nicht funktionieren darf. Nach der Lektüre war ich erbost und erzürnt. BILD unter Reichelt machte sich seine eigenen Wahrheiten. Ich empfehle die Lektüre so manchen besorgten Bürger, der meint, die BILD sei die Zeitung des kleinen Mannes und ergreife seine Partei. Der kleine Mann irrt – er irrt gewaltig.

20. Jahre – Gedanken zum 11. September 2001

11. September 2021

Die Attentate zum 11. September 2001 jährigen sich heute zum 20. Mal. Viel, sehr viel ist in den vergangenen 20 Jahren geschrieben worden – auch von mir in diesem Blog.
Ich habe zwei Seminare zu diesem Thema gemacht, die mir wirklich wichtig waren. Für mich steht fest: Ich werde diese Momente niemals vergessen und wenn ich im Laufe der Jahre immer wieder Enyas Only Time hören, dann hat sie für mich den Soundtrack zum 11. September. Für mich als Social Media-Fuzzi zeigt sich hier die Macht des Netzes. Der New Yorker Finanzmakler Steve Golding schnitt ein Video „Tribute to the World Trade Center“, unterlegte es mit Enyas Musik und stellte es ins Netz. CNN übernahm als erster US-Sender das Video samt Musik und sorgte in der alten Welt des Fernsehens für eine weltweite Verbreitung. Eine weltweite Trauerhymne für den 11. September.
Zum Jahrestag der Attentate will ich zwei Buchempfehlungen abgeben:

Das Buch: 11. September 2001. 100 Seiten von Philipp Gassert.

Das Buch 11. September 2001. 100 Seiten ist im Mai 2021 erschienen und zieht Bilanz. Der Autor arbeitet auf 100 Seiten die Ursachen, Reaktionen und Folgen des 11. September auf. Und er stellt die Frage: Markiert 9/11 den Übergang in ein neues Zeitalter? Nicht berücksichtig werden natürlich die aktuellen Vorgänge in Afghanistan und das Wiedererstarken der Taliban. Philipp Gassert, geb. 1965, ist Amerikanist und Professor für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim. Das Buch ist weniger eine Auflistung der dramatischen Ereignisse, als vielmehr der Versuch eine Erklärung und Einordnung. Das macht gerade dieses Büchlein so spannend. Die wesentlichen Fakten wie die Bush-Doktrin werden im Wortlauf wiedergegeben, aber viel wichtiger war mir, was bedeuten diese Fakten. Die Terroristen wollten die Weltmacht USA in asymmetrische Kriege locken und der damalige US-Präsident Bush nimmt diesen Federhandschuh auf und gerät in die Falle der Terroristen weltweit. Bush reagiert mit militärischer Stärke, mit Eroberung, mit Regierungswechsel in Irak und Afghanistan. Doch ist die Welt dadurch eine bessere Welt geworden?
Ich empfehle die Lektüre ausdrücklich, denn der Autor stellt gute und wichtige Fragen ohne zu wissenschaftlich auszuufern. Auf 100 Seiten, die an einem Nachmittag gelesen werden können, ist kein Platz für wissenschaftlichen Diskurs, aber für gute und wichtige Fragen. Hier sind die 10 Euro gut investiertes Geld in 11. September 2001. 100 Seiten.

September 11: The 9/11 Story, Aftermath and Legacy von Associated Press

Das englischsprachige Buch September 11: The 9/11 Story, Aftermath and Legacy (English Edition) mit einem Vorwort von Robert De Niro ist Journalismus pur: Eine gewaltige Mischung von Texten und Fotos. Herausgeber ist die Presseagentur Associated Press, die über hervorragende Journalisten und Bildberichterstatter verfügt. Hier zeigt sich, dass Journalismus die Vorstufe der Geschichtsschreibung ist. Die kurzen Texte sind ein Vorbild für amerikanischen Journalismus und beim Lesen traf mit die optimale Auswahl der Bilder. Hier waren absolute Könner am Werk, die die Geschehnisse um die Attentate und die Folgen aus amerikanischer Sicht packend wieder aufleben lassen.

Persönliche Erinnerung an den großen Journalisten Peter von Zahn

26. Juli 2021

Die Reporterstimme, die mich als Kind geprägt hat, gehört ohne Zweifel dem großen Peter von Zahn. Am 26. Juli 2021 Heute vor 20 Jahren verstarb der große Hörfunk- und Fernsehjournalist in Hamburg. Und ich muss zugeben: Ich bin ein absoluter Fan von Peter von Zahn. Er hat mich sicherlich in meiner Berufswahl stark beeinflusst.

Als Kind saß ich gebannt vor dem Grundig-Fernseher meiner Eltern und sah mir Woche für Woche die Sendung „Bilder, die die Welt bewegten“ an. Die Serie brachten mir die großen Katastrophen näher, wie beispielsweise den Hindenburg-Absturz oder das Kennedy-Attentat. Die drei Staffeln mit insgesamt 34 Folgen liefen in den Jahren 1980 und 1983 im ZDF. Peter von Zahn moderierte sämtliche Sendungen mit seiner bemerkenswerten Stimme und eigentümlichen Betonung. Diese Stimme hab ich noch immer im Ohr.

Wenn der Vorspann der Serie auf der Mattscheibe erschien, lief es mir als junger Zuschauer kalt den Rücken herunter. Eine Tickermeldung zog sich in der Schrift American Typewriter über den Bildschirm, während Katastrophenbilder abliefen. Dazu eindringliche Musik. Das wirkt noch immer und war überzeugend. Fakten eindringlich präsentiert – das war ein Journalismus mit dem ich aufgewachsen bin.
Mein Papa berichtete mir von US-Sendungen von Zahn, die Papa als junger Mensch im Schwarzweiß-Fernseher sah. Als erster festangestellter deutscher Auslandskorrespondent nach dem Zweiten Weltkrieg ging Peter von Zahn von 1951 bis 1960 in die USA. ES gibt einige Sendungen von ihm bei YouTube. Das Tempo war anders, von Zahn brachte den Deutschen die unbekannte USA-Gesellschaft ins Wohnzimmer. Es war eine spannende Zeit für Reportagen, für Storytelling wie man heute es nennen würde.

Im Nachlass meines Vaters entdeckte ich Bücher von Peter von Zahn: Stimme der ersten Stunde: Erinnerungen 1913–1951 und Reporter der Windrose. Erinnerungen 1951–1964. Ja, es sind Reporterbücher aus einer anderen Zeit. Ich kaufte mir einige Bücher nach wie Fremde Freunde. Bericht aus der Neuen Welt (1953) und verschiedene Dokumentarspiele auf DVD wie Kuba-Krise. Peter von Zahn gehörte eine großen Generation von Journalisten an. Dazu zähle ich Persönlichkeiten wie Peter Scholl-Latour, Gerd Ruge, Dieter Kronzucker und noch ein paar mehr. Ich erinnere mich als ich mit einem Podcaster mit umgedrehter Mütze in Diskussion geriet. Der Kollege, der sonst zu allem seinen Senf dazu gibt, kannte Peter von Zahn nicht. Das tat weh – eine große Stimme des Radios ist bei der neuen Generation nicht bekannt.

Als Erinnerung an Peter von Zahn hängt in meinem Arbeitszimmmer ein Foto mit Autogramm. „Eines ist genug“ steht da zu lesen. Das kommt davon, wenn man um zwei Autogramme bittet. Immer wieder stehe ich davor und denke mir: Was für ein großartiger Geschichtenerzähler.

Buchtipp: Ich lass mir den Mund nicht verbieten von Michael Haller und Walter Hömberg

6. Mai 2021

Am Tag der Pressefreiheit am 3. Mai erscheinen unzählige Artikel und Blogposts, wie wichtig und schützenswert die Pressefreiheit ist. Ich kann mich dem als gelernter Journalist nur anschließen. Aus diesem Grund werde ich auch ein Online-Seminar durchführen und erklären, wie Presse bei uns funktioniert. Denn ich stellte erschreckt fest: Viele Mitbürger haben von den Begriffen Pressekodex, Presserat und Audiatur et altera pars nichts gehört und das ist ungut.

Und ich daher gebe gerne einen Buchtipp zum Thema ab: »Ich lass mir den Mund nicht verbieten!«:, herausgegeben von Michael Haller und Walter Hömberg.

Das bei Reclam erschienene Buch, das mir der Verlag zur Verfügung stellte, ist eine Streitschrift und Geschichtsbuch für Journalisten als Wegbereiter der Pressefreiheit und Demokratie. Es umfasst Beiträge zur Entwicklung des Journalismus von den Anfängen bis in die Gegenwart und sind verfasst von Stefan Aust, Holger Böning, Günter Müchler, Jürgen Wilke, Ulla Wischermann und vielen weiteren Autoren.

Die Beiträge sind nicht allzulang und können wunderbar zwischendurch gelesen werden. Sie zeichnen die historische Entwicklung des Journalismus seit dem 17. Jahrhundert nach als sich Meinungsfreiheit ihren Weg bannte. Für mich persönlich waren die journalistischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts am interessantesten an der vorliegenden Mediengeschichte, weil ich wohl am stärksten von ihnen beeinflusst wurde. Watergate und die mediale Berichterstattung sowie Verfilmungen des Themas waren der Grund für meine Berufswahl. Ich habe aus dem Buch viel gelernt über Team-Journalismus, Foto-Journalismus und investigativen Journalismus – und ich habe gelernt, wie wichtig es ist, eine Geschichte zu erzählen.

Mein Kritikpunkt an diesem Buch »Ich lass mir den Mund nicht verbieten!«:: Es ist rückwärtsgewandt und geht nicht auf neue Medien ein, muss ein Geschichtsbuch vielleicht auch nicht, obwohl hier viel passiert ist: Datenjournalismus, Kollaboration von Redaktionsnetzwerken, Webjournalismus und Blogs sind hier nicht zu finden. Das liegt wohl daran, dass das Buch auf eine Rubrik der Printzeitschrift Message beruht. Diese hat Herausgeber Michael Haller einstmals mitbegründet und ist schon lange am Markt verschwunden, die Käufer blieben aus. Rund ein Drittel der Beiträge des Haller-Buches stammen aus dem Haller-Ressort „Highlights des Journalismus“. So geht sinnvolle Zweitverwertung.

Persönlicher Nachruf auf das journalistische Urgestein Mainhardt Graf von Nayhauß

5. Februar 2021

Ich war ein Feigling. Als ich für kurze Zeit Journalist als junger Mann in der damaligen Hauptstadt Bonn tätig war, begegnete ich immer wieder Mainhardt Graf von Nayhauß. Aber ich war zu feige, den großen Mann der spitzen Feder anzusprechen. Nun werde ich ihn nicht mehr ansprechen können.

Absolut lesenswert.

Mainhardt Graf von Nayhauß ist vor ein paar Tagen im Alter von 94 Jahren gestorben, wie ich jetzt erst lese.
Ich traf ihn in den Gängen des Langen Eugen, das Abgeordnetenhaus in Bonn. Er war im Gespräch mit Kollegen und Politikern und ich stand am Rande, hörte mit einem Ohr ein wenig mit und hatte nicht den Mut, mich einzubringen. Wahrscheinlich hat mich Mainhardt Graf von Nayhauß auch gar nicht bemerkt, obwohl vielleicht doch: Der Mann hat eine enorme Beobachtungsgabe, einen Sinn für Details – das kommt in seinen Geschichten immer wieder durch.

Ich habe seine Kommentare und Eindrücke auf jeden Fall gerne gelesen – allen voran Bonn vertraulich, die er für die BILD von 1981 bis 1999 verfasst hatte. Und er brachte die Politikprominenz zu mir nach Hause durch Homestorys, eine Stilform der Reportage, bei der er seine Beobachtungsgabe wunderbar einbringen konnte.

2014 erschien seine lesenswerte Autobiografie „Chronist der Macht“, in der es nicht nur um seine Arbeit als Kolumnist ging, sondern auch erschreckendes aus seiner Familie berichtete. Sein Vater wurde von den Nazis umgebracht, ertränkt an Händen und Füßen gefesselt.

Der deutsche Journalismus und die deutsche Demokratie haben dem journalistischen Urgestein Mainhardt Graf von Nayhauß viel zu verdanken. Auf der Rückseite seiner Autobiografie stand zu lesen“ Ich habe nur die Macht zu ärgern.“ – Recht hat er. Und ich ärgere mich über mich selbst, dass ich ihn damals nicht angesprochen habe.