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Näher dran am Leben – warum Lokaljournalismus mehr ist als nur Nachrichten

21. Mai 2025

Meine journalistische Laufbahn bei einer Tageszeitung begann beim Fürstenfeldbrucker Tagblatt/Münchner Merkur mit Stationen in Fürstenfeldbruck, München und Bonn. Und als unlängst mein alter Arbeitgeber den Tag des Lokaljournalismus zusammen mit der hauseigenen Boulevardzeitung tz ausrief, wollte ich dabei sein. Also auf nach München .

Im ehrwürdigen Pressehaus an der Bayerstraße in München gab es für die Leserinnen und Leser einen Blick hinter die Kulissen. Neben einer kurzen Führung gab es in der Eventarena, der ehemaligen Rotation, drei Podiumsdiskussionen.

Lokaljournalismus und Meinungsvielfalt – Ein Blick hinter die Kulissen beim Münchner Merkur
Dirk Ippen, Verleger und Herausgeber, zeigte sich stolz und dankbar gegenüber der Redaktion, die diesen Tag der offenen Tür organisiert hatte – mit dem Ziel, Leser, Werbekunden und Mitarbeitende miteinander in den Austausch zu bringen. „Sie sind unsere wichtigsten Menschen“, sagte Ippen, „und ich finde es großartig, dass Sie heute erleben können, wie eine Zeitung wirklich funktioniert.“

Im Zentrum seiner Ausführungen stand der Lokaljournalismus – die Herzkammer des Münchner Merkur und seiner angeschlossenen Heimatzeitungen. Viele dieser Titel wie das Tölzer Kurier, das Freisinger Tagblatt oder die Schongauer Nachrichten existieren seit dem 19. Jahrhundert. Ihr Fortbestehen sei einzig und allein der Arbeit engagierter Lokaljournalistinnen und -journalisten zu verdanken. „Guter Lokaljournalismus lebt von Neugier“, so Ippen. Die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und ihre Geschichten sichtbar zu machen, sei dabei wichtiger als jeder Zugang zu Bundespolitikern. „Jeder Mensch hat etwas Interessantes zu erzählen – und unsere Aufgabe ist es, das herauszufinden.“

Chefredakteur Georg Anastasiadis, ebenso wie seine Stellvertreter, blickte ebenfalls auf seine Anfänge im Lokalen zurück. Er erinnerte sich an das Jahr 1995, als durch eine vermeintliche Meteoritenexplosion in Andechs plötzlich Redaktionen weltweit – vom Wall Street Journal bis zur New York Times – anriefen. Später stellte sich heraus, dass es sich um eine illegale Sprengung handelte. Ein Beispiel dafür, wie Lokaljournalismus manchmal unverhofft ins Zentrum des Weltgeschehens rückt.

Auch Sebastian Arbinger, tz-Chefredakteur, berichtete von seinen Anfängen in der Lokalredaktion der Passauer Neuen Presse. Dort lernte er das journalistische Handwerk von Grund auf – etwa, wie man aus zwei handgeschriebenen A4-Seiten eines Vogelzuchtvereins einen spannenden Artikel macht.

Ein weiteres Thema des Gesprächs war der Unterschied zwischen Münchner Merkur und tz. Während der Merkur als überregionale Zeitung stärker auf Politik und umfassende Hintergrundberichterstattung setzt, versteht sich die tz als schnelle Stadtzeitung mit starkem Bezug zur Münchner Lebensrealität. Über 2.000 Zeitungskästen im Stadtgebiet unterstreichen diese Präsenz. Titelzeilen müssen pointiert und aktuell sein – manchmal auch provokant –, um im Alltag der Leser sichtbar zu bleiben.

Eine kritische Leserfrage griff die Rolle von Verleger Dirk Ippen als Kommentator auf. Ob es angemessen sei, dass sich ein Verleger so regelmäßig mit Meinungsbeiträgen zu Wort melde, wo dies bei anderen Häusern wie der Süddeutschen Zeitung unüblich sei? Ippen begegnete der Frage mit Offenheit: „Ich schreibe als Privatperson. Es ist meine Meinung – nicht die der Redaktion.“ Weder gebe es Druck noch Einflussnahme auf die Chefredaktion. Im Gegenteil: Die Redaktion verfüge über völlige Unabhängigkeit. Auch Georg Anastasiadis bestätigte: „Wir diskutieren durchaus leidenschaftlich. Unsere Zeitung ist nicht gleichgeschaltet.“

Anastasiadis ging auch auf die Kritik ein, die Kommentierung der Ampelregierung sei zu harsch. Rückblickend habe er die Koalition zum Start wohlwollend begleitet, doch zentrale politische Entscheidungen – etwa der Atomausstieg nach dem Ukraine-Krieg – hätten bei ihm Zweifel geweckt. „Da fehlte mir die ideologiefreie, pragmatische Herangehensweise“, so der Chefredakteur. Er betonte jedoch: „Wir wollen nicht belehren, sondern informieren. Unsere Leser sollen sich eine eigene Meinung bilden.“

Rolle der Leserbriefe
Der Diskurs zeigte, wie stark Lesermeinungen geschätzt und eingebunden werden. Leserbriefe und Hinweise spielen eine wichtige Rolle in der redaktionellen Arbeit. So wurde etwa die Enthüllung über mutmaßlich korrupte Vorgänge in der Münchner KVR der Ausländerbehörde durch einen anonymen Leserhinweis ausgelöst – innerhalb weniger Stunden konnte die Redaktion mit offiziellen Stellen sprechen und am nächsten Tag berichten.

Auch die Digitalisierung war Thema: Die gedruckten Ausgaben bleiben vorerst erhalten, werden aber technisch angepasst (kleineres Format), während parallel das ePaper und Online-Angebot weiter ausgebaut werden. So können Leser Inhalte auch unterwegs oder auf Reisen aktuell verfolgen – ein Service, den auch Ippen persönlich regelmäßig nutzt.

Zwischen Gemeinderat und Kanzleramt – Einblicke in den Politikjournalismus
Zwei erfahrene stellvertretende Chefredakteure Christian Deutschländer und Mike Schier erzählten offen über ihren Werdegang, den Alltag im politischen Journalismus und die Herausforderungen, die sich in Zeiten von Social Media und Künstlicher Intelligenz stellen.

Beide Journalisten starteten ihre Laufbahn über den Lokaljournalismus. Der eine begann mit 16 als Schülerpraktikant in der Lokalredaktion Wolfratshausen, der andere berichtete zunächst aus Gemeinderäten in kleinen oberbayerischen Gemeinden wie Kirchseeon und Glonn. Beide betonten, dass sie „Kinder des Merkur“ seien – geprägt von einer Redaktion, in der die Nähe zur Leserschaft und der direkte Kontakt zu kommunalen Akteuren von Anfang an eine große Rolle spielen. Diese Anfänge hätten ihnen ein tiefes Verständnis für politische Prozesse vermittelt – ein Wissen, das bis heute ihre Arbeit auf Landes- und Bundesebene prägt.

Interessant war die Reflexion darüber, wie ähnlich sich politische Berichterstattung auf kommunaler und nationaler Ebene tatsächlich gestaltet. Während sich große Politiker oft hinter Pressestäben und Protokoll verstecken, begegnet man auf kommunaler Ebene der unmittelbaren Reaktion: Ein Bürgermeister steht schon mal persönlich in der Redaktion – nicht selten mit scharfer Kritik an einem Artikel. Genau das macht Lokaljournalismus so herausfordernd und wertvoll: Er ist nah dran, spürbar, und oft emotional aufgeladen.

Beziehungsarbeit
Wie aber kommt man an die großen Namen der Politik heran? Hier zählt vor allem eins: langfristige Beziehungsarbeit. Wer früh Kontakte knüpft – etwa zu jungen Abgeordneten nach einer Landtagswahl –, hat später bessere Chancen, wenn diese Karrieren machen. Wer mit einem Ministerpräsidenten seit Jahren spricht, hat dessen Handynummer und kann auf einem Vertrauensverhältnis aufbauen. Diese Nähe ist entscheidend – nicht, um parteilich zu berichten, sondern um besser einordnen zu können, was hinter Entscheidungen steckt.

Braucht es noch Politikjournalismus?
Gerade in Zeiten von Social Media sehen sich viele Menschen täglich mit Informationen, Meinungen und Kommentaren überflutet. Wozu braucht es da noch den klassischen Politikjournalismus? Die Antwort der Merkur-Redakteure: mehr denn je. Ihre Aufgabe sei nicht nur, zu berichten, was gesagt wurde, sondern vor allem zu erklären, warum. Warum äußert sich ein Politiker auf eine bestimmte Weise? Welche Strategie steckt dahinter? Was bedeutet das für die politische Entwicklung? Diese Einordnung wird immer zentraler, während reine Nachrichtenschilderung an Bedeutung verliert.

Natürlich wurden auch strukturelle Fragen besprochen – etwa zur Größe der Redaktion: Die Politikredaktion zählt etwa 14 Personen, der Sportbereich ist ähnlich stark besetzt. Dabei sei die inhaltliche Gewichtung bei TZ und Merkur unterschiedlich – während bei der TZ der Sport eine größere Rolle spielt, ist es beim Merkur eher die Politik.

Ein Hoch auf die Pressefreiheit
Ein weiteres Thema: Pressefreiheit. Die Redakteure betonten, dass in Deutschland niemand vorgibt, was geschrieben wird. Es gebe keine Zensur, keine Vorabgenehmigungen – wohl aber die Pflicht zur Sorgfalt und gegebenenfalls zur juristischen Auseinandersetzung, falls Berichte falsch oder beleidigend seien. Interviews würden aus Transparenzgründen autorisiert, was manchmal zu Konflikten führe, wenn Politiker Aussagen nachträglich ändern wollten. In Extremfällen – wie einst beim SPD-Politiker Olaf Scholz – habe die taz Interviews sogar mit geschwärzten Antworten gedruckt, um den Zensurversuch offenzulegen.

Unabhängigkeit auf Reisen
Einen unterhaltsamen Einblick boten auch die Berichte über Reisen mit Politikern. Wenn Ministerpräsidenten oder Kanzler ins Ausland reisen, wird ein Pool an Journalisten eingeladen – allerdings auf eigene Kosten, was wiederum Unabhängigkeit garantiere. Die Plätze im Regierungsflieger sind hart umkämpft, der Zugang zu Hintergrundgesprächen wichtig. Dabei gebe es – je nach Politiker – sehr unterschiedliche Erfahrungen: Markus Söder etwa sei sehr kommunikativ, komme mit klaren Botschaften und wisse genau, was er in einem Gespräch vermitteln wolle.

Auch über das Verhältnis von Print- und Onlinejournalismus wurde gesprochen. Die Redaktionen arbeiten unabhängig, aber kooperativ. Print sei regional fokussiert, während online Reichweite über Themen mit bundesweitem Interesse erzeugt werde. Beide Seiten profitieren voneinander, agieren jedoch mit unterschiedlichen Zielsetzungen.

KI in der Redaktion
Künstliche Intelligenz spielt bislang nur eine untergeordnete Rolle im Politikjournalismus der Redaktion. Zwar werde sie vereinzelt zur Recherche genutzt, echte Texte schreibe aber niemand mit Hilfe von KI. Viel zu groß sei das Risiko von Fehlern und ungenauen Informationen.

Die Diskussion offenbarte auch die oft unterschätzte emotionale Komponente des Berufs: die Herausforderung, professionell zu bleiben, auch wenn man selbst eine politische Meinung hat. Viele Journalisten, so ein Redakteur, hätten im Laufe ihrer Karriere gemerkt, dass in allen Parteien kluge Köpfe wie auch Karrieristen zu finden seien – was die politische Einordnung oft komplexer, aber auch interessanter mache. Politikjournalismus ist kein Selbstzweck. Er lebt von Nähe, Vertrauen, Sorgfalt und der Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Situationen und Menschen einzulassen. Die Podiumsdiskussion zeigte, wie engagiert, reflektiert und verantwortungsvoll Journalistinnen und Journalisten beim Münchner Merkur diesem Anspruch gerecht werden.

Sportjournalismus hautnah
Für mich völlig unwichtig, aber für die Leser enorm wichtig ist der Sportjournalismus. Die Diskussionsrunde war hochkarätig besetzt: Mit dabei waren FC-Bayern-Reporterin Hannah Reif, Bayern-Reporter Manuel Bonke sowie 1860-München-Experte Marco Blanco-Ucles.

Ein zentrales Thema: Wie arbeitet eigentlich eine Sportreporterin? Hannah Reif schilderte anschaulich den Redaktionsalltag – vom morgendlichen Austausch im Team über spontane Themenänderungen durch aktuelle Ereignisse bis hin zur Arbeit am Spielfeldrand. Die Herausforderungen bei Champions-League-Spielen kamen ebenso zur Sprache. Bei Abpfiff muss der Text stehen, auch wenn man frierend im Stadion sitzt – „manchmal im Schneesturm mit der Kapuze über dem Kopf“. Fehler sollten trotzdem nicht passieren, doch das Umfeld ist oft alles andere als einfach.

Bei knappen Spielen müssen zwei Textversionen vorbereitet werden: Plan A bei Sieg, Plan B bei Niederlage – eine zusätzliche Stressquelle, wenn sich Spielverläufe in den letzten Sekunden dramatisch ändern.

Auch das Verhältnis der Reporter untereinander wurde thematisiert. Trotz aller Vereinsrivalität – zwischen Bayern und 1860 – herrscht in der Redaktion ein kollegialer Umgang. Blanco-Ucles berichtete mit einem Augenzwinkern von seiner Rolle als “Löwen-Reporter” in einem Team von Bayern-Journalisten.

Die Frage, ob man als Sportreporter Fan sein dürfe, wurde differenziert beantwortet. Natürlich gäbe es Sympathien – aber auf der Pressetribüne ist professionelle Distanz gefragt. Einblicke gab es auch in die Logistik: Bei Champions-League-Reisen reisen die Reporter gemeinsam mit dem Team – „ganz hinten, kurz vor der Bordtoilette“. Es wird überall gearbeitet: im Flugzeug, am Gate, in der S-Bahn. „Die Texte entstehen unterwegs – aber sie entstehen!“

Besonders interessant war der Blick hinter die Kulissen der sogenannten „Mixed Zone“ nach den Spielen. Dort, wo keine Kameras laufen, seien die Aussagen der Spieler oft offener und gehaltvoller. Thomas Müller, so wurde bedauert, werde der Redaktion mit seinen originellen Zitaten fehlen.

Der Mann, der Liberty Valanace erschoss – Western-Matinee am Sonntag, 16. März im Scala FFB

14. März 2025

Wenn es um Western geht, dann geht es bei mir immer um John Ford. In meiner Western-Matinee am Sonntag, 16.März im Scala Fürstenfeldbruck zeige ich den wegweisenden Film Der Mann, der Liberty Valanace erschoss. Karten gibt es hier.

John Fords Der Mann, der Liberty Valance erschoss (The Man Who Shot Liberty Valance) ist mehr als nur ein Western – er ist eine tiefgründige Reflexion über Mythos und Realität, das Ende des Wilden Westens und den Übergang in eine zivilisierte Gesellschaft. Mit John Wayne als rauem Cowboy Tom Doniphon, James Stewart als idealistischem Anwalt Ransom Stoddard und Lee Marvin als furchteinflößendem Outlaw Liberty Valance versammelt der Film einige der größten Stars seiner Zeit und inszeniert ein packendes Drama über Macht, Moral und den Einfluss der Medien.

Der Film beginnt mit einer Rahmenhandlung: Der angesehene Senator Ransom Stoddard (James Stewart) kehrt nach Jahren in den kleinen Ort Shinbone zurück, um an der Beerdigung eines alten Freundes teilzunehmen. In Rückblenden wird die Geschichte erzählt, wie der junge, idealistische Anwalt Stoddard in die Stadt kam und sich dort mit dem skrupellosen Banditen Liberty Valance (Lee Marvin) anlegte. Während Stoddard versucht, Recht und Gesetz mit friedlichen Mitteln durchzusetzen, hält Tom Doniphon (John Wayne) an der alten Ordnung fest, in der das Gesetz der Waffe zählt.

Der berühmteste Satz des Films lautet: “Wenn die Legende zur Tatsache wird, druckt die Legende.” Dies zeigt das zentrale Thema des Films: Die Legende von Stoddard als dem Mann, der Liberty Valance erschoss, hat ihm Ruhm, politische Macht und Einfluss gebracht. Der Film thematisiert damit, wie Geschichte oft durch Mythen geformt wird – besonders in der amerikanischen Kultur.

Für mich ist dieser Film einer meiner Lieblingswestern und zählt zu meinen Lieblingsfilmen überhaupt. Ich freue mich auf Ihren Besuch am 16. März um 10:45 Uhr Scala. Karten gibt es hier.

MB Spiel Reporter von 1976 – ein Spiel beeinflusst mein Leben

8. Februar 2025

Als Kind wollte ich das Spiel immer haben, aber meine Eltern haben mir es nie gekauft. Dabei hatte ich im Fernsehen meine Lieblingsserie Lou Grant verschlungen und wollte auch Reporter sein. Ich entdeckte damals im örtlichen Spielwarenladen Reindl das MB Spiel Reporter und musste es einfach haben.

Tja, ich bekam es damals nicht und als ich nun im hohen Alter mir das Spiel bei Ebay kaufte, muss ich mich noch heute bei meinen Eltern bedanken. Das Spiel aus dem Jahr 1976 hat zwar seinen nostalgischen Reiz, ist aber ziemlich öde.

Das Brettspiel Reporter von MB aus dem Jahr 1976 ist ein Gesellschaftsspiel, das die zwei bis vier Spieler in die Rolle von Journalisten versetzt, die spannende Geschichten für ihre Zeitung recherchieren müssen. Ich hab das Gefühl, dass das Spiel vom Springer-Verlag unterstützt wurde. Als Zeitungen gibt es Vorlagen für BILD, die Welt, Hamburger Abendblatt und BZ.

Ziel des Spiels ist es, durch geschickte Planung und strategisches Vorgehen exklusive Storys aufzuspüren und als erster Spieler vier komplette Artikel in die Zeitung zu bringen. Aber im Grunde war die ganze Sache ein Glücksspiel und weniger Planung. Als Kind reizte mich der Fernschreiber, der in der Packung war. Als ich später meine Ausbildung als Volontär machte, hatten wir in der Zentralredaktion noch Fernschreiber. Aber das ist dann doch ein paar Tage her.

Das Spielbrett zeigt eine Stadtkarte mit verschiedenen Schauplätzen, an denen die Spieler Informationen sammeln können, darunter Polizeistationen, Gerichtsgebäude und Orte des Geschehens. Die Spieler bewegen ihre Spielfiguren mit Würfeln über das Spielfeld und nutzen Karten, um Ereignisse auszulösen oder zusätzliche Hinweise zu erhalten. Ein besonderes Element ist das Wettrennen gegen die Mitspieler, die versuchen, dieselben Geschichten für ihre Zeitung zu sichern.

Reporter zeichnet sich durch einfache Regeln. Die Spieler müssen abwägen, welche Informationen sie priorisieren und welche Schauplätze sie zuerst ansteuern. Das Spiel richtet sich an 2 bis 4 Spieler ab etwa 8 Jahren und bietet eine Spieldauer von ca. 45 bis 60 Minuten.

Der Damm bricht: 20 Minuten setzt KI-Bilder ein

25. September 2024

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Als Fan von Künstlicher Intelligenz bin ich entsetzt, was Zeitungskollegen aus der Schweiz da angerichtet haben. Sie haben nicht nur die eigenen Leser belogen, sondern der gesamten Presse einen Bärendienst erwiesen.

In dem Boulevardblatt 20 Minuten wurde zum 25. Geburtstag der Zeitung Grußworte der Leser der Zeitung veröffentlicht. An sich ist der Einsatz von Testimonials eine gängige Praxis der Leser-Blatt-Bindung. Allerdings stammen zwei Fotos und Zitate der Seite von der Künstlichen Intelligenz und nicht vom menschlichen Leser. Und diese Maßnahme wurde nicht gekennzeichnet. Hier mal die ganze Seite vom 11. September zur Übersicht.

Und hier die von der KI generierten Fotos: „Ich schätze 20 Minuten, weil die Berichterstattung neutral und sachlich ist. Dadurch fühle ich mich gut informiert und kann mir meine eigene Meinung bilden, ohne das Gefühl zu haben, in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden“, erklärt uns Darrell (23) in der Mitte der Seite. Und dann, etwas kleiner, lässt uns Remo (28) wissen: „Mit 20 Minuten weiss ich immer, was los ist. Schnell und easy – danke!“

Als es zum Protest in der Schweiz kam, erklärte Chefredakteurin ­Désirée Pomper in der Zeitung und auf der Website, dass dies ein „fundamentalen Verstoß“ gegen die eigenen publizistischen Leit­linien sei: Zwei Mitglieder der Redaktion hätten „in Eigen­initiative zwei Fotos von vermeintlichen Lesern mit Künstlicher Intelligenz generiert“ und publiziert.

Das Kind ist in den Brunnen gefallen und die Glaubwürdigkeit der Presse hat gelitten. Die Büchse der KI-Pandora ist geöffnet, der Geist ist entwichen. Die Glaubwürdigkeit der Presse ist beschädigt, da wird 20 Minuten in den gleichen Topf mit der gesamten Presse geworfen. Die Büchse der KI-Pandora ist geöffnet. Klingt dramatisch, aber wenn wir ehrlich sind, sind es nicht die KI-Tools, die die Glaubwürdigkeit der Presse angreifen – es sind die Menschen, die sie missbrauchen. Und das Problem liegt darin, dass die Leute die Büchse der Pandora selbst geöffnet haben und dann schockiert sind, dass KI eben kein Zauberstab ist, sondern ein Werkzeug. Vielleicht sollten wir die Technik nicht verteufeln, nur weil wir zu faul oder inkompetent sind, sie richtig zu nutzen.

Der Anfang vom Ende: taz beendet unter der Woche das Drucken

17. September 2024

The End of Print hieß mal ein wichtiges Buch von Grafiker David Carson. Dabei ging es um Design und die Revolution von DTP. Dieser Titel kam mir in den Sinn als ich die Meldung von der linken Berliner Tageszeitung taz auf den Tisch bekam. Die letzte auf Papier gedruckte werktägliche Ausgabe der taz erscheint am 17.10.2025. Nur noch am Wochenende erscheint die Zeitung als Papier. Nun, das ist alles noch ein Jahr hin, aber immerhin. Der Medienwandel ist da und er ist brutal.

Das ist ein weiterer Einschnitt in die arg gebeutelte Print-Branche. Beispiele gibt es viele. Im Juni 2023 erschien nach 320 Jahren die letzte Print-Ausgabe der Wiener Zeitung erschienen. Es war die älteste gedruckte Zeitung auf diesem Planeten. Da war dann Schluss mit Papier.

Die Medienhäuser Funke und Madsack haben 2023 die Zustellung gedruckter Zeitungen in einzelnen unwirtschaftlichen ostdeutschen Erscheinungsgebieten eingestellt. Es gab den ersten Landkreis ohne gedruckte Zeitung in Prignitz (Brandenburg). Tablet sollte die Lösung für die „Märkische Allgemeine Zeitung“ sein, weil der Vertrieb sich einfach nicht mehr lohnt, steigende Energie­preise und steigender Mindestlohn sorgten für hohe Kosten, dazu ein rückläufiger Anzeigenmarkt. So richtig hat das Konzept die alten Abonnenten nur bedingt überzeugt.

Medienunternehmen kommen immer auf neue Ideen und testen den Markt aus. Zum Beispiel Der Spiegel, eine Zeitschrift, die bei mir noch eine starke Marke ist, bei meinen Kinder nur noch eine von vielen Medienmärkten ist. Der Spiegel will insge­samt 30.000 Menschen unter 30 Jahren mit einem kosten­freien Digital­abo beglücken. Das Blatt ver­schenkt dafür 15.000 Duo-Zugänge an junge Menschen. Wer die Kriterien erfülle und bereits ein Abo nutze, erhalte ein kosten­loses Upgrade. Die Abos seien ein Jahr lang gültig und endeten anschließend auto­matisch. Ich bin mir nicht sicher, ob die Aktion ein Erfolg wird und es zur Markenbildung bei den jungen Menschen dienst.

Das Vertrauen in Print ist angeschlagen. Eine neue Studie zeigt dies. 77 % der Befragten einer Allensbach-Studie für den MVFP halten die TV-Programme von ARD und ZDF für vertrauens­würdige Quellen, 65 % nennen die regionale Tages­zeitung. Über­regionale Titel liegen mit 57 % deutlich dahinter. In den ost­deutschen Bundes­ländern vertrauen über­regionalen Zeitungen nur 29 % der Befragten, auch „Spiegel“ und „Focus“ liegen mit 33 % deutlich unter dem gesamt­deutschen Wert von 48 %. Soziale Medien finden nur 12 % zuverlässig, 57 % halten „viele Informationen, die man dort findet, für unglaubwürdig“.

Immer wieder diskutiere ich mit Kollegen eine periodisches Neuigkkeitsmedium in Papierform herauszubringen und zwar mit flachen Hierarchien. Ich habe in so vielen Verlagen gearbeitet, die einen enormen Verwaltungsoverhead hatten: Büromieten, Dienstwägen, Privilegien, Pöstchen hier, Pöstchen da. Ich kenne Kollegen, die produzieren quasi am Küchentisch, sind vernetzt und bringen wohl finanziell überzeugende Publikationen auf den Mark. Vielleicht ist das ein Ausweg?
Vielleicht ist das Konzept der Zeitung aus Papier oder als eiaper nicht das ideale Konzept für die Massen. Ich habe als ehemaliger Zeitungswissenschaftler am Institut für Zeitungswissenschaften bei meinen alten Prof Hans Wagner gelernt, Zeitung bedeutet Neuigkeit. Damals hatte ich gegrinst als ich mich im Hörsaal quälte und dem alten Wagner (Jahrgang 1937) lauschte, der mit den anderen Professoren im Streit lag, die einen ,moderaten Ansatz vertraten. Aber der Wagner hatte recht. Gut recherchierte vertrauenswerte Neuigkeiten zählen, in welcher Form sie dargereicht werden, wird wohl weniger entscheidend sein.

Bei uns in der Familie wird immer wieder eine Flatrate für Zeitungen und Zeitschriften diskutiert. Plattformen wie Readly stehen im Moment bei uns hoch im Kurs. Für einen Preis viel Content, also Streaming für News so wie wir Streaming für Film und Musik nutzen.

Einen Ausweg aus der Misere habe ich auch nicht.

75 Jahre Deutsche Presse-Agentur: Am 1. September 1949 veröffentlichte die dpa ihre erste Meldung

1. September 2024

„Es steht ja überall das Gleiche in der Zeitung und im Radio und im Fernsehen!“ Diesen oder ähnlichen Ausruf höre ich in meinen Medienseminaren immer wieder. Seitdem jeder das Internet nutzt und die Seiten der Medienhäuser vergleicht, stellt der User verblüffende Ähnlichkeiten in der deutschen Medienwelt fest. Der Grund dafür ist nicht eine verschwörerische Absprache der Medienunternehmen, nein: Es ist die Deutsche Presseagentur dpa

„Die dpa meldet …“ heißt es immer wieder und die meisten deutschen Medienhäuser haben diesen Dienst für teures Geld abonniert. Als ich noch bei der Tageszeitung beschäftigt war, hatte ich und er Politikredaktion neben der dpa auch noch Reuters, afp und ap. Diese Zeiten sind längst vorbei.
Aber heute vor 75 Jahren am 1. September 1949 veröffentlichte die dpa ihre erste Meldung. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) wurde 1949 gegründet und gehört zu den weltweit führenden unabhängigen Nachrichtenagenturen. dpa beliefert Medien, Unternehmen und Organisationen mit redaktionellen Angeboten. Dazu zählen Texte, Fotos, Videos, Grafiken, Hörfunkbeiträge und andere Formate. Als international tätige Agentur berichtet dpa in sieben Sprachen. Rund 1000 Journalisten arbeiten von etwa 140 Standorten im In- und Ausland aus. Gesellschafter der dpa sind rund 170 deutsche Medienunternehmen.

Die dpa-Redaktion arbeitet nach den im dpa-Statut festgelegten Grundsätzen: unabhängig von Weltanschauungen, Wirtschaftsunternehmen oder Regierungen. Die Zentralredaktion unter der Leitung von Chefredakteur Sven Gösmann befindet sich in Berlin. Die Geschäftsführung um ihren Vorsitzenden Peter Kropsch ist am Unternehmenssitz in Hamburg tätig. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Daniel Schöningh (CEO Ippen-Mediengruppe, München).

Blick in die dpa-Zentralredaktion in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße.

Kernsatz der ersten Meldung
„Die Pflege der objektiven Nachricht und die Unabhängigkeit von jeder staatlichen, parteipolitischen und wirtschaftlichen Interessengruppe werden das Merkmal der neuen Agentur sein.“ So lautete der Kernsatz der ersten Meldung, die die dpa am 1. September 1949 an ihre Kunden geschickt hat. In diesem Jahr feiert die Deutsche Presse-Agentur mit zahlreichen Aktionen und Initiativen ihren 75. Geburtstag. „Das Kennzeichen dpa muss vom ersten Tage an das Vertrauen der deutschen Zeitungen, der deutschen Öffentlichkeit und der Welt haben“, hieß es in der Premieren-Meldung weiter.

Atlantiküberquerung
Mit diesen richtungweisenden Sätzen, basierend auf den Grundwerten Unabhängigkeit und Überparteilichkeit, nahm Deutschlands größte Nachrichtenagentur ihren Dienst auf. Während die Meldungen des ersten Tages als verschollen gelten, so zeigt das Archiv der Agentur, dass am 2. September 1949 unter anderem über den Versuch berichtet wurde, den Atlantik mit einem Amphibien-Jeep zu überqueren, sowie über die Anwendung der Sitzungsordnung des Reichstags für die ersten Bundestagssitzungen. Auch über drei Todesopfer bei der Explosion einer Kornbrennerei in Lippstadt wurde per Fernschreiner informiert. Außerdem wurden neben vielen weiteren Meldungen aus dem In- und Ausland auch französische Pressestimmen zum zehnten Jahrestag des Kriegsausbruchs dokumentiert.

Zusammenschluss
Das Unternehmen dpa war bereits am 18. August durch den Zusammenschluss des Deutschen Pressedienstes (dpd) und der Deutschen Nachrichtenagentur (DENA) in Goslar gegründet worden. Heute ist die dpa eine erfolgreiche Unternehmensgruppe mit gut 1.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 165 Millionen Euro. Die dpa berichtet in sieben Sprachen und betreibt weltweit rund 140 Büros.

Am 3. September 1949 hielt in Frankfurt am Main der Aufsichtsrat der Deutschen Presse-Agentur seine erste Sitzung ab: (l-r) Dr. Reinhold Heinen, Verleger der „Kölnischen Rundschau“, Dr. Anton Betz, Verleger der „Rhein-Post“ in Düsseldorf, Edmund Goldschagg, Chefredakteur und Herausgeber der „Süddeutschen Zeitung“ in München, Hans Heinrich, Herausgeber des „Münchner Merkur“, Walter Karsch, Chefredakteur und Herausgeber des „Tagesspiegel“ in Berlin, Dr. Karl Ackermann, Verleger des „Mannheimer Morgen“, Dr. Kurt Neuss, Geschäftsführer der dpa in Frankfurt am Main, Arno Rudert, Herausgeber der „Frankfurter Rundschau“, Wilhelm Grabbert, Verleger des „Hamburger Echo“ und Fritz Sänger, Chefredakteur der dpa.

Die dpa-Gruppe mit ihren mehr als zehn Tochtergesellschaften und Beteiligungen bietet heute Inhalte und Lösungen an für Medien, Institutionen und Unternehmen. Kernprodukte sind Basis- und Landesdienste sowie Bildfunk und die ready-to-publish Weblines, die direkt auf den Portalen der Kunden ausgespielt werden. Dazu kommen Infografik-Angebote, Radionachrichten, Faktencheck-Services und zunehmend Video-Inhalte. Die größten dpa-Töchter sind news aktuell mit den erfolgreichen PR-Services ots und zimpel, dpa-infocom, die unter anderem Live-Ticker und Datenpakete produziert, sowie der Foto-Marktplatz picture alliance. Die jüngste Tochter UseTheNews ist gemeinnützig und engagiert sich für Nachrichtenkompetenz und neue journalistische Angebote für junge Menschen.

Technischen Wandel offensiv anzunehmen
„Die dpa-Redaktion arbeitet seit 75 Jahren nach etablierten und bewährten Grundsätzen: unabhängig, überparteilich und verlässlich. Heute berichten wir selbstverständlich komplett multimedial und sind für die digitalen Märkte bestens aufgestellt“, sagt dpa-Chefredakteur Sven Gösmann. „Es war immer die Stärke der dpa, den technischen Wandel offensiv anzunehmen und das Nutzungsverhalten der Menschen zu verstehen.“

Im Dienst der Nachricht
Darüber hinaus ist im Frankfurter Societäts-Verlag das Buch „Im Dienst der Nachricht. Die Geschichte der dpa“ erschienen. Historiker Hans-Ulrich Wagner zeichnet darin den Weg der dpa von ihrer Gründung im Nachkriegsdeutschland bis hin zum modernen, breit aufgestellten Medienkonzern nach. Zudem startet am 10. Oktober im Berliner Museum für Kommunikation die Ausstellung „NACHRICHTEN – NEWS“, die zahlreiche Aspekte der Arbeit von Deutschlands größter Nachrichtenagentur aufzeigt.

Ich habe zur Feier des Tages noch die Jubiläumsschrift zum 50. Bestehen aus dem Archiv geholt. Es war ein langweiliges Sammelwerk von Fakten ohne großes Storytelling. Mal sehen, ob ich mir das neue Werk anschaffe. Die Ausstellung im Berlin werde ich mir auf jeden Fall ansehen.

The End of Print: Letzte Ausgabe der Wiener Zeitung erschienen

30. Juni 2023

Eine Ära geht zu Ende. Nach 320 Jahren ist nun die letzte Print-Ausgabe der Wiener Zeitung erschienen. Es war die älteste gedruckte Zeitung auf diesem Planeten. Nun ist Schluss mit Papier, es soll online weitergehen.

Erstmals kam Wiener Zeitung am 8. August 1703 – damals noch als „Wiennerisches Diarium“ – auf den Markt und galt damit als die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Nun ich gestehe, dass ich die Zeitung mal gekauft habe als ich in Wien war, aber persönlich gehörte ich nicht zu den Lesern der Publikation. Meiner Meinung lieferte das Blatt einen unaufgeregten Qualitätsjournalismus, und das ist selten in der Zeitungslandschaft. Dennoch schmerzt es mich natürlich als gelernten Zeitungsjournalisten, dass so ein Objekt in Print eingestellt wurde. Mit Ausnahme der Kriegsjahre 1940 bis 1945 erschien sie ohne Unterbrechung. Die Wiener Zeitung soll als Online-Medium weitergeführt werden, allerdings mit deutlich reduzierter Mannschaft. Dreiviertel der 80köpfen Mannschaft wurden gefeuert. Die letzte Print-Ausgabe gibt es kostenlos online zu lesen (Wortwitz) für alle, die sich über die älteste Zeitung der Welt nochmal informieren wollen. Es ist eine hervorragende Abschiedsausgabe geworden. Ich habe mir das PDF geladen.

Die Titelseite der letzten Print-Ausgabe ist minimalistisch und nostalgisch. Dort steht zu lesen: „116.840 Tage, 3839 Monate, 320 Jahre, zwölf Präsidenten, zehn Kaiser, zwei Republiken, eine Zeitung“. Ich finde, dieser Titel beschreibt hervorragend die lange Geschichte des Objekts.

Wie es von Kollegen aus Österreich heißt, habe man es versäumt, sich rechtzeitig um einen Käufer des Zeitungsobjekts zu kümmern. Eigentümer der Zeitung ist die Republik Österreich. Ich kann das nicht beurteilen, dazu bin ich von der österreichischen Zeitungsszene und -markt zu weit entfernt. Die amtlichen Verlautbarungen, die die Haupteinnahmequelle der Zeitung waren, sind ins Netz gewandert und keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten wurden gefunden. Und damit ist Schluss mit Papier.

Zeitungsleser sollen auf ePaper umsteigen – ob das klappt?

9. März 2023

Der Zeitungsbranche geht es schlecht, sehr schlecht. Und wenn ich in meinen Seminaren darüber berichte, kann es ein älteres Publikum nicht so richtig nachvollziehen. Die haptische Zeitung aus Papier samt Abo gehört für diese Generation einfach dazu. Das wird sich zumindest für Abonnenten der Ostthüringer Zeitung der Funke-Gruppe ändern. Die Zustellung der Ostthüringer Zeitung wird in unwirtschaftlichen Gebieten von Greiz eingestellt. Die Leser sollen auf ePaper umsteigen.

Hohe Energiekosten, hohe Papierpreise, fehlende Anzeigenerlöse, mangelndes Leserinteresse und auch der Mindestlohn für Zeitungsausträger machen dem System Papierzeitung in manchen Gebieten den Garaus. Im Falle der Ostthüringer Zeitung von Greiz sind es 300 Leser, die jetzt auf das Tablet umsteigen sollen. Das ist für eine digitale Generation kein Problem, wohl aber für eine analoge Generation, die sich an Papier gewöhnt hat. Ich bin gespannt, wie viele Leser umsteigen. Am Beispiel meiner eigenen Mutter sehe ich, wie schwer es der Dame fällt. Sie nutzt zwar das iPad für Kommunikation, aber nicht fürs Zeitungslesen.

Funke wirbt mit dem Umstieg mit deutlich geringen Abo-Kosten. Statt bisher 45,90 Euro zahlen Leser dann monatlich 29,99 Euro. Und Funke hat Großes vor in Sachen Medienkompetenz und verpackt es auch schön: „Um auch Menschen mit bislang wenig digitalen Berührungspunkten die Umstellung so einfach wie möglich zu gestalten, werden die betroffenen Leser*innen vor Ort geschult. Ziel ist es, den Thüringer Landkreis zu einer Modellregion für die Digitalisierung des ländlichen Raums zu machen. Denn die Digitalisierung kann das Leben auf dem Land auch über die Zeitung hinaus bereichern – seien es Lebensmittellieferungen, die Online-Apotheke oder auch der stets aktuelle Nahverkehrsplan.“

Ich kenne die Ostthüringer Zeitung nicht und weiß nicht, wie hoch der lokale und damit kostenintensive Teil der Zeitung ist. Der Mantel wird ja in der Regel von Agenturen wie dpa, afp oder ap geliefert. Da sind rund 30 Euro für ein Digitalabo schon ein stolzer Preis. Unsere Familie ist beispielsweise auf Readly umgestiegen und zahlt eine Flatrate von 10 Euro für einige Zeitungen und eine Ummenge von Zeitschriften. Die lokale Berichterstattung aus dem Dorf gibt es für die entsprechende Facebook-Gruppen und lokalen Blogger.

Jeder Haushalt, der eine OTZ geliefert bekommt, erhält ein Informationsschreiben mit den wichtigsten Punkten zur Nutzung des E-Papers sowie eine Info-Broschüre, die alle Vorteile der digitalen Zeitung aufzeigt. Zusätzlich werden kostenlos Tablet- und Smartphone-Schulungen angeboten, um das OTZ-E-Paper ohne technische Probleme lesen zu können. Ein Tablet gibt es nicht kostenlos dazu. Ich bin mal gespannt. Was denken Sie?

Update Mai 2023: Funke gewinnt im Land­kreis Greiz 30 % von ur­sprünglich rund 300 Abonnentinnen der „Ost­thüringer Zeitung“ für das E-Paper – die Print-Zustellung ist dort beendet. 70 % der Leserschaft verzichten künftig auf die Zeitung

Filmtipp: Die Verlegerin von Steven Spielberg

12. Juli 2018

Es ist ein leiser Film mit leisen Tönen, aber die Sprengkraft der Aussage ist gewaltig. „Wir müssen die Kontrollinstanz für ihre Taten sein!“ Diese Aussage von Ben Bradlee, Chefredakteur der Washington Post, bringt den Film Die Verlegerin auf den Punkt. Der Film von Steven Spielberg ist ein großes amerikanisches Epos, ein Loblied auf den Journalismus der siebziger Jahre, der heute im Zeitalter von Trump und Putin dringender denn je ist. 

Im Film ging es um die Veröffentlichung der Pentagon Papiere, die zeigten, wie alle US-Regierungen seit Truman im Krieg in Südostasien verwickelt waren. Die Pentagon Papiere, die von Daniel „Dan“ Ellsberg zusammengetragen und von der New York Times veröffentlicht wurden, waren ein Glanzstück des investigativen Journalismus und schufen die Grundlage des späteren Watergate-Skandals um Richard Nixon. Im Grunde war Dan Ellsberg einer der ersten Whistleblower und dafür hat er meinen Respekt. 

Der leise Film Die Verlegerin von Spielberg zeigt die Entwicklung des Provinzblatts Washington Post zu einer der wichtigsten Zeitungen der USA, die später dank der Recherchen von Bob Woodward und Carl Bernstein den Watergate-Skandal aufdeckten. Auch hier griffen sie auf einen Whistleblower zurück: Den stellvertretenden Direktor des FBI. 

Das ist die eine Seite des Films. Auf der anderen Seite ist der Film ein Plädoyer für die Emanzipation. Der Film zeigt auch, wie schwer es Frauen in Führungspositionen haben. Katharine „Kay“ Graham führte nach dem Selbstmord ihres Mannes die Zeitung Washington Post in ein neues Zeitalter. Die Millionärserbin ist auf dem gesellschaftlichen Parkett zuhause und muss nun in die Männerdomäne des Verlagsgeschäfts vordringen. Meryl Streep spielt die Verlegerin fantastisch und Tom Hanks als Chefredakteur Ben Bradlee ist nicht minder genial. Kein Wunder, dass US-Präsident Trump die Schauspielerin Streep nicht ausstehen kann.

Als der Film beginnt, im Dschungelkrieg von Vietnam 1968, war ich an Spielbergs Einstieg in Sergant Private Ryan erinnert. Das Abschlachten am D-Day bei der Landung in der Normandie. Aber wir sind bei der Verlegerin nicht in einem Kriegsfilm, sondern in einem Polit-Krimi, der auf wahren Begebenheiten beruht. Der Film beginnt mit einer Lüge. Der Krieg in Vietnam ist nicht zu gewinnen. Die US-Regierung weiß es, schickt die Soldaten aber dennoch in den sinnlosen Krieg. Kein Präsident will die Schmach eines verlorenen Krieges verantworten. Erst Richard Nixon beendete den verlorenen Krieg, hatte außenpolitische Erfolge und musste innenpolitisch 1974 wegen üblen Machenschaften zurücktreten. US-Verteidigungsminister Robert McNamara lässt eine Studie mit 47 Bänden anfertigen, die das Engagement und den Krieg in Vietnam dokumentieren – für spätere wissenschaftliche Zwecke. Diese Studie ist unter Verschluss, wird aber von Ellsberg kopiert und in der New York Times Zug um Zug veröffentlicht. Auch die Post bekommen von den Pentagon Papieren etwas ab und veröffentlichen sie. Als die Times gerichtlich von Nixon und seinem Justizminister Mitchell gestoppt wird, greift die Post ein und zusammen mit anderen Zeitungen verteidigen sie die Pressefreiheit als hohes Gut in der US-Gesellschaft. 

Sind die Pentagon Papiere Landesverrat? Steht die nationale Sicherheit der USA auf dem Spiel? Was bedeutet die Veröffentlichung für die Zeitung? Fragen, die die Verlegerin Katharine „Kay“ Graham beantworten muss. Es ist großes Schauspiel, wie sich Merly Sleep windet und mich sich kämpft – und sich von ihrer alten Rolle verabschiedet. Endlich und endlich kommt die die Aussage: „Wir drucken – wir drucken!“

Neben den dramatischen Szenen liebe ich Steven Spielberg vor allem für eine kleine Einstellung, die mir zeigt, wie gut Spielberg auf der Klaviatur der Gefühlen spielen kann. Als die Pentagon Papiere von der Redaktion geordnet werden, verkauft die kleine Tochter von Ben Bradlee selbstgemachte Limo für 25 Cent pro Glas. Dann sind es 50 Cent und am Ende des Tages wenn die Redakteure ihre Geschichte fertig haben, da hat die Tochter ein fettes Bündel Dollarscheine verdient – das hat mir gefallen. Und klarer Tipp für den Film Die Verlegerin.

Fotoreportage: Berliner Weihnachtsmarkt am Morgen

7. Dezember 2014

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Als Volontär – so bezeichnet man die Ausbildung zum Redakteur bei einer Zeitung – war zu Weihnachten ein Spruch sehr gefürchtet. Irgendwann hieß es vom Chef: Mach mal ein Feature vom Christkindl-Markt! Feature ist so eine Art Reportage mit Hintergrundinformationen. Also trottete man als junger Mensch los und schaute sich auf dem lokalen Weihnachtsmarkt um. Wenn man Glückskeks hatte, stand einem ein gestandener Fotograf zur Seite, der die Besucher in Weihnachtslaune kannte und als junger Reporter kam man zu seinen Interviews. Wer man alleine loszog, musste alleine Geschichten finden.

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Als ich durch den Lufthansa-Streik gezwungen war, frühmorgens von München nach Berlin zu fliegen und bei der Gedächtniskirche vom Taxi abgesetzt wurde, kamen mir die Gedanken aus meiner Volontärszeit wieder in den Sinn. Das Schlimmste für mich waren so manche stark akoholisierte Herrschaften, die einen zum Glühwein einluden und dann ihre Geschichten erzählten. Dabei mag ich doch keinen Glühwein und Punsch. Diese Gedanken waren auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wieder präsent. Und so entschloss ich mich, eine Fotoreportage von einem leern Weihnachtsmarkt am Morgen zu machen. Bilder sagen mehr als Tausend Worte, das hat schon der alte Kurt (Tucholsky nicht Schumacher) gesagt. Also streifte ich durch leere Gassen mit verschlossenen Ständen mit Namen wie Glühweinbrutze oder Sternenzauber. Sie boten am Abend Leckereien wie eine Meisterbratwurst, Wiener Mandeln, süße Spezialitäten, Schmalzgebäck, Zuckerwatte, Quarkkeulchen, frische Waffeln, französische Crêpes, Feuerzangenbowle, Reibekuchen, Kartoffelpuffer, frischgebackener Blumenkohl, Asiapfanne, Currywurst, Tee mit Rum Lumlumba und natürlich Nürnberger Lebkuchen. Als Zeitungsvolontär durfte ich so eine Bildreportage nicht machen, Jahrzehnte später mache ich es in einem Blog. Viel Spaß beim Klicken.