Posts Tagged ‘Nachruf’

Persönlicher Nachruf auf Franz Josef Wagner

8. Oktober 2025

Nein, ich war nie ein Anhänger von ihm, aber er war ein Fels an dem man als Journalist nicht vorbeikam. Seine Kommentare erzeugten Reaktion und manches Mal auch Nachdenken. Nun ist der BILD-Kolumnist Franz Josef Wagner im Alter von 82. Jahre verstorben.

Ich hab mich über viele Kommentare von Wagner geärgert, aber man kam nicht an ihm vorbei. Er hat vielleicht dem Volk aufs Maul geschaut und dies in seine eigene Sprache transferiert. Oft habe ich seine Kolumne „Post von Wagner“ gelesen, mich aufgeregt, manchmal zugestimmt, manchmal einen dicken Hals bekommen. Ignorieren konnte ich Franz Josef Wagner nicht. In seiner letzten Kolumne widmete er sich Putin und endete: „Ein Mörder lacht uns aus.“ Da hatte Wagner recht.

Seine BILD-Kolumne endete immer versöhnlich mit: „Herzlichst. Ihr Franz Josef Wagner“.
Der Werdegang kann überall nachgelesen werden: Volontariat bei der Nürnberger Zeitung, später streitbarer Chefredakteur der Bunten. Ich hörte mal den Ausruf, der ihm wohl zugeschrieben wird, belegen kann ich es allerdings nicht: „Ich recherchiere mir doch meine Geschichte nicht kaputt“. Das ist gefährlich, aber Wagner war eine journalistische Trüffelsau, er roch die Geschichten, denn er war ein hervorragender Geschichtenerzähler. Gerne lese ich noch im Bild-Buch von Taschen.

In meinen Journalismus-Seminaren analysierte ich seine Sprache mit meinen Teilnehmern immer wieder: Franz Josef Wagners journalistische Sprache war unverkennbar und polarisiert bis zuletzt: Sie war geprägt von kurzen, oft abgehackten Sätzen, die eine enorme emotionale Wucht entfalten konnten. Seine Kolumnen waren ein Wechselspiel aus Anklage, Flehen, Dialog und oft ironischem Schmunzeln, immer im direkten, adressierenden Stil.

Wagner wurde häufig als „Gossen-Goethe“ bezeichnet, weil er einerseits gerne große Gefühle und existenzielle Themen behandelte, andererseits aber nie den Tonfall des Boulevardscheues: Einfachheit, Direktheit, sprachliche Provokation und bewusste Zuspitzung prägten seine Texte. Seine Sprache war poetisch wie drastisch zugleich – immer auf der Suche nach dem perfekten, einprägsamen Satz. Er stilisierte das Fragmentarische, verwendete viele rhetorische Fragen, spielte mit Sehnsucht, Melancholie und Nostalgie.

Sein Schreiben war dabei persönlich, subjektiv und stets auf das Lebensgefühl der Leserschaft gezielt. Wagner hatte keine Angst vor Pathos, konfrontierte sich und seine Leser mit den Abgründen des Alltags, war aber auch selbstironisch und stellte seine eigene Position immer wieder in Frage. Häufig wurde sein Stil als „bissig“, „impulsiv“, mitunter „hysterisch“ oder „zynisch“ beschrieben.

Während viele seine Kolumnen als „Gedichte für das Boulevardpublikum“ feierten, warf man ihm oft Übertreibung, gezielte Provokation und grobe Vereinfachungen vor. Er wurde gefeiert wie kritisiert und galt als Stimme des Volkes, als „Volksschriftsteller“ mit großer Leidenschaft für die Sprache, dabei aber immer auch als umstritten.

Persönlicher Nachruf auf Georg Stefan Troller

28. September 2025

Ich bin um Trauer um ein journalistisches Vorbild. Georg Stefan Troller ist im Alter von 103 Jahren in Paris gestorben – und mit ihm verlässt die Welt einen der eindringlichsten, neugierigsten und zugleich sensibelsten Journalisten ihrer Zeit. Ich durfte Troller im hohen Alter in München treffen und verneige mich vor seinem journallistischen Werk. Es hat mich inspiriert.

Trollers Leben war vom Fluch der Geschichte ebenso geprägt wie von einer fast trotzigen Hingabe zur Sprache: Geboren als jüdischer Pelzhändler-Sohn in Wien, vertrieben vom Nationalsozialismus, floh der Jugendliche 1938 mutterseelenallein über die Tschechoslowakei und Frankreich in die USA, bevor er als GI nach Deutschland zurückkehrte, das KZ Dachau miterlebte und Zeugnis ablegte für ein Jahrhundert voller Brüche.

Doch Trollers Antwort auf die Unwirklichkeit der Vertreibung war nie Resignation, sondern das Gespräch, die lebendige Begegnung, das behutsame Öffnen der Biografie des Gegenübers. Seine Fernseharbeit – legendär das „Pariser Journal“ und die „Personenbeschreibung“ im ZDF – wurde zur Schule der Empathie, zur Bühne des Menschlichen jenseits glänzender Oberflächen. Während andere am Sensationshunger der Medien rührten, suchte Troller nach den verborgenen Wunden, nach Absurdität und Wahrheit – immer mit der leisen Hoffnung, dass sich im Erzählen der Schmerz mildern lässt und Herkunft nicht mehr Fluch, sondern eigene Wahrheit sein darf. Dass er dabei strikt seine jüdische Herkunft jahrzehntelang verheimlichte – aus Furcht vor antisemitischer Ablehnung – macht seine Sendungen umso eindringlicher: denn seine Fragen galten nie nur dem Porträtierten, sie leuchteten stets in die Schatten der eigenen Geschichte. Troller starb in einer Zeit, in der der Antisemitismus in unserem Land wieder erwacht. Ich könnte kotzen.

Seine Interviewtechnik veränderte den deutschen Fernsehjournalismus nachhaltig. Er lehnte jede neutrale Distanz ab, bestand auf Subjektivität, auf der Aufrichtigkeit der eigenen Zweifel und Sehnsüchte. Der poetische Kommentar, die Montage von Bild, Wort und biografischer Erschütterung, machten seine Fernseharbeiten stilbildend – für Generationen von Kulturvermittlern, die ihm nachfolgen sollten. Vielleicht war Troller einer der ersten Blogger. Troller selbst bezeichnete den Journalismus als Mittel der Selbstrettung, der Begegnung mit Menschen als Versuch, Lebensberechtigung zu finden, dort, wo Sprache und Erinnerung ihre Heimat haben. Zu seinem 100. Geburtstag habe ich ein Video für ihn aufgenommen.

Sein Paris wurde ihm als Emigrant zum Symbol einer zweiten Geburt. Im Viertel Saint-Germain-des-Prés, im Herz der Geschichte, fand er Vergangenheit und Zukunft, die Brücken seiner eigenen Existenz. Der Verlust von 19 Angehörigen im Holocaust, die unablässige Fremdheit, wurden nie Schlusspunkt – sondern der Ausgang einer lebenslangen Reise, der Suche nach eigenen Leuten, nach dem, was Mensch-Sein jenseits aller historischen Verheerung bedeutet.

Was bleibt nach Trollers Tod, ist mehr als ein Nachruf. Es ist die Einladung, hinter Fassaden zu schauen, der Welt subtil und mitfühlend Fragen zu stellen. Sein Werk mahnt, die Verletzlichkeit in anderen zu sehen, das Gespräch zu suchen, selbst und immer wieder. Troller, der Zeitzeuge und Menschenfreund, hat mit seinen Fragen das Fernsehmedium in eine Schule der Sensibilität verwandelt und die Hoffnung hinterlassen, dass Verständigung möglich bleibt – solange Sprache, Erinnerung und Menschlichkeit nicht verstummen.

Gerne hätte ich ihn noch einmal getroffen und mit ihm über seinen Deutschland-Film gesprochen. In seinem Leben hat Troller mehr als 1.700 Interviews geführt, drehte rund 200 Filme und schrieb Drehbücher und Bücher, darunter 1988 die Autobiographie „Selbstbeschreibung“. Seine Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit mehreren Adolf-Grimme-Preisen, einer Oscar-Nominierung, Bambis und der Goldenen Kamera.

Die Stimme des Adels – Rolf Seelmann-Eggebert ist verstummt – mein persönlicher Nachruf

23. August 2025

Es gibt Stimmen, die man nicht nur hört, sondern fühlt. Stimmen, die einen in eine andere Welt entführen – in eine Welt voller Geschichte, Tradition und gelebter Kultur. Eine solche Stimme gehörte den großen Journalisten, Peter von Zahn. Eine weitere große Stimme ist gerade gestorben: Rolf Seelmann-Eggebert. Für Generationen von Fernsehzuschauern war er das vertraute Gesicht und die unverwechselbare Stimme, wenn es um Europas Königshäuser geht.

Rolf Seelmann-Eggebert Foto: NDR

Ich hab ihn leider nie kennengelernt, aber seine Stimme bedeutete für mich Seriosität, nicht Yellow-Press, sondern seriöse Adelsberichterstattung. Seelmann-Eggebert hat es geschafft, das Thema Adel aus dem Staub der Klischees zu holen und ihm jene Würde zu verleihen, die es verdient. Mit seinem unvergleichlichen Fachwissen, gepaart mit journalistischer Sorgfalt, öffnete er uns seinen Zuhörern und Zuschauern Türen zu Palästen und Geschichten, die sonst verborgen geblieben wären. Doch was ihn wirklich auszeichnet, ist nicht allein die Tiefe seines Wissens, sondern die Art, wie er es vermittelt.

Seine Stimme trug einen warmen, kultivierten Ton, der Vertrautheit schafft. Er sprach mit jener Mischung aus Respekt und kritischer Distanz, die leider selten geworden ist im Journalismus. Ich will keine Medienschelte betreiben, gehöre ich ja dazu, aber es war eine andere Zeit von Journalisten nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn er von den Windsors, den Grimaldis oder den Hohenzollern erzählt, geschah das nie reißerisch. Stattdessen ließ er die Geschichte atmen, führte sein Publikum mit leiser Eleganz an Intrigen, Tragödien und Triumphen vorbei – immer informativ, nie sensationslüstern. Die Queen durfte er zu Lebzeiten allerdings nie interviewen, vielleicht hat er jetzt die Chance.

Seelmann-Eggebert war kein bloßer Chronist, er war ein Erzähler, ein Geschichtenerzähler im besten Sinne des Wortes. Gute Journalisten erzählen Geschichten und das konnte er. Einer, der die Schicksale der Mächtigen keannte, ohne die Menschen dahinter aus den Augen zu verlieren. In Zeiten von schnellen Schlagzeilen und oberflächlichen Skandalen war er ein Gegenentwurf: ein Wissender, der zuhört, recherchiert und die Faszination am Adel verständlich machte. Gut, er war schon lange nicht mehr journalistisch tätig. Vielleicht wäre ein guter YouTuber aus ihm geworden. Im Jahr 2019 erschien die Biografie „In Hütten und Palästen. Ein Reporterleben“, die Rolf Seelmann-Eggebert gemeinsam mit seiner Tochter Adele Seelmann-Eggebert verfasst hatte. Ein gut geschriebenes Buch, das ich wieder hervorholen werde.

Sein Werk ist mehr als Berichterstattung; es ist gelebte Kulturgeschichte. Wer ihn einmal über das Protokoll am britischen Hof sprechen gehört hat oder seine Analysen zur europäischen Monarchie verfolgte, der versteht, warum er in Deutschland als „Königskenner“ galt, so erzählte es mir vor Jahren ein Verwandter von ihm.

Rolf Seelmann-Eggebert hatte es geschafft, mit Stimme, Stil und Substanz eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Und genau darin liegt sein Verdienst: Er ließ uns die Welt des Adels nicht nur sehen, sondern verstehen.

Nachfolgend die offizielle Pressemeldung des NDR: Rolf Seelmann-Eggebert ist tot. Der Journalist, der einem großen Publikum unter anderem durch seine kenntnisreichen Dokumentationen und Live-Sendungen über Europas Königshäuser bekannt wurde, starb im Alter von 88 Jahren am 22. August in Hamburg.

„NDR Intendant Joachim Knuth: „Rolf Seelmann-Eggebert hat unser Programm entscheidend geprägt – als Adelsexperte, aber auch in vielen anderen Bereichen. Über sechs Jahrzehnte hinweg machte er für den NDR Reportagen und Dokumentationen, war Moderator und Kommentator. Ob er aus Krisengebieten berichtete, die ungleiche Verteilung des globalen Reichtums thematisierte oder royale Großereignisse begleitete – immer überzeugte er die Zuschauerinnen und Zuschauer durch seine profunde Sachkenntnis und seinen taktvollen Umgang mit Themen und Menschen. Rolf Seelmann-Eggebert war ein vorbildlicher Journalist. Der NDR hat ihm viel zu verdanken.“

Rolf Seelmann-Eggebert, geboren in Berlin, absolvierte nach einem Soziologie-Studium 1956 ein Volontariat beim NDR in Hannover. 1964 wurde er dort Leiter der Reportageabteilung. Von 1968 bis 1971 arbeitete Seelmann-Eggebert als ARD-Hörfunk-Korrespondent für Westafrika mit Sitz in Abidjan. Anschließend war er bis 1976 ARD-Fernsehkorrespondent für Afrika mit Sitz in Nairobi. Weitere berufliche Stationen waren die Leitung des ARD-Studios London in den Jahren 1978 bis 1981 und 1994 bis 1996. 1982 wurde er Programmdirektor Fernsehen des NDR. Mit der Initiative „Ein Tag für Afrika“ sammelte Seelmann-Eggebert 1985 rund 100 Millionen Mark für die Menschen, die Äthiopien zu verhungern drohten.

1996 wurde er Chefkorrespondent Fernsehen des NDR. In dieser Funktion baute er u. a. die „One World Group of Broadcasters“ mit auf, einen internationalen Verbund von TV-Sendern für Programminitiativen zu Gunsten der Länder Afrikas, Asiens und Südamerikas.

Mit Erreichen der Altersgrenze wechselte Seelmann-Eggebert 2002 in den Ruhestand, machte aber weiter Filme und Live-Reportagen für den NDR. Zudem kümmerte er sich bis 2004 als Vorsitzender der NDR Volontärskommission um den journalistischen Nachwuchs.

Große Publikumserfolge waren u. a. seine Fernsehreihen „Europäische Königshäuser“, „Royalty“, „Königskinder“, „Deutsche Fürstenhäuser“ oder „Die Windsors – 100 turbulente Jahre“. Eine weitere Domäne Seelmann-Eggeberts waren Live-Reportagen von großen Ereignissen an Europas Höfen. Unvergesslich bleiben u. a. seine mehrstündigen Live-Kommentierungen der Hochzeiten von Prinz Charles und Lady Diana, Prinz William und Catherine „Kate“ Middleton sowie Prinz Harry und Meghan Markle.

Am Pfingstsonntag 2018 zeigte das Erste die letzte Fernseh-Reportage von Rolf Seelmann-Eggebert, „Ein Wiedersehen mit Kenia“. Dafür bereiste er als 81-Jähriger das ostafrikanische Land, um zu erleben, wie es sich verändert hat, seit er dort Korrespondent war.

Rolf Seelmann-Eggebert erhielt im Lauf seines Berufslebens zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Journalisten-Preis, das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das Bundesverdienstkreuz am Bande, den „Order of the British Empire“, den Journalistenpreis Entwicklungspolitik, den „Goldenen Gong“, die „Goldene Kamera“ und den „Bambi“. 2011 wurde er für seine Royalty-Berichterstattung in der Kategorie „Besondere Leistung Unterhaltung“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Seelmann-Eggebert nahm vielfältige Ehrenämter wahr, u. a. als Vorstandsmitglied des Deutschen Komitees für UNICEF und der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, als Mitglied des deutschen Kuratoriums der World Childhood Foundation und Ehrenmitglied der Deutsch-Britischen Gesellschaft.

Das Ende vom Filmtheater Sendlinger Tor – ein Nachruf

15. Januar 2025

Immer wenn ein Kino schließen muss, bin ich traurig. Beim Filmtheater Sendlinger Tor in München könnte ich heulen. Am 15. Januar 2025 ist Schluss. Das Filmtheater muss schließen. Man konnte sich mit dem Vermieter nicht über eine vertretbare Miete einigen.

Natürlich kommt wieder der Protest der Kulturbürger, die dieses Kino mit seiner gemalten Plakatwand liebten. Auch ich gehöre dazu. Das Kinosterben geht weiter. Es machen höchstens noch seelenlose Multiplex-Theater auf, an die ich mich noch gewöhnen muss. Aber ein Kino mit nur einem Saal ist wohl heute finanziell nicht mehr tragbar, sei das Kino auch noch so schön. Und das Filmtheater Sendlinger Tor war wirklich schön. Ich habe bei meinen Besuchen immer die wunderbare Architektur bewundert. Ich habe dort einst viel Zeit bei Pressevorführungen verbracht. Ab und zu habe ich als Privatperson das Kino besucht, zuletzt beim Sönke Wortmann-Film Der Spitzname. Der Film war Durchschnitt, aber es war eben mein Abschied von diesem großen Kino.

Gerne hätte ich als Freund des Filmfestes eine Stammhaus für das Kino gehabt. Im Moment ist das Filmfest München über viele Kinos verteilt, ein richtiges Zentrum gibt es nicht mehr, seitdem der Gasteig auch für lange Zeit umgebaut wird. Die Filmstadt München schafft sich immer mehr ab, nachdem auch die Bavaria auf absteigenden Ast ist.

Also es ist amtlich: Am 15. Januar 2025 schließt das Filmtheater Sendlinger Tor in München endgültig seine Pforten. Es ist ein Abschied, der weit über das Verschwinden eines weiteren Kinos hinausgeht – es ist das Ende einer Ära, ein Verlust für die Kultur und ein schwerer Schlag für alle, die den Charme und die Seele dieses traditionsreichen Hauses zu schätzen wussten.

Ein Ort voller Geschichte und Emotionen
Das Filmtheater Sendlinger Tor war weit mehr als nur ein Kino. Es war eine Institution, ein kultureller Leuchtturm, der Generationen von Münchnerinnen und Münchnern begleitet hat. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1913 stand das Kino für die Magie des Films und die einzigartige Erfahrung, Geschichten auf der großen Leinwand zu erleben.

In seinen über 110 Jahren Geschichte hat das Filmtheater unzählige Premieren, unvergessliche Filmnächte und Momente des Staunens, Lachens und Weinens geboten. Hier wurden Klassiker gezeigt, die zu Lebensbegleitern wurden, und hier fanden auch kleinere, unabhängigere Filme ein Zuhause – Filme, die ohne solche Häuser oft keinen Platz in der breiten Öffentlichkeit finden.

Ein Ort, der Herzen berührte
Es war nicht nur das Programm, das das Filmtheater Sendlinger Tor so besonders machte. Es war der Ort selbst, seine Atmosphäre, sein unvergleichlicher Charakter. Der altehrwürdige Saal mit seinem charmanten Retro-Flair, die bequemen Sitze, die das Gefühl von Geschichte atmeten, und der Duft von frischem Popcorn – all das machte einen Besuch zu etwas Einzigartigem.

Die Lage am Sendlinger Tor, mitten im Herzen Münchens, war ebenfalls Teil des Zaubers. Vor oder nach einem Film konnte man noch durch die Stadt schlendern, in ein Café gehen oder einfach nach Hause fahren, so wie ich es meist gemacht habe. Das Filmtheater war ein kultureller Anker in einer sich stetig wandelnden Stadt.

Warum musste es so enden?
Die Schließung des Filmtheaters ist ein trauriges Symptom unserer Zeit. Wie viele andere traditionsreiche Kinos musste auch das Sendlinger Tor den Herausforderungen einer sich verändernden Welt trotzen. Streaming-Dienste, steigende Mietpreise und eine veränderte Kinokultur haben es schwer gemacht, die Türen offen zu halten. Trotz aller Bemühungen und der Unterstützung treuer Kinogänger war es letztlich nicht möglich, das Filmtheater wirtschaftlich zu retten.

Es ist eine bittere Ironie, dass ein Ort, der so viele Jahre überdauert hat – durch Kriege, gesellschaftliche Umbrüche und technologische Revolutionen –, nun in einer Zeit des Überflusses und der Wahlmöglichkeiten verschwindet. Doch so groß die Liebe der Münchner zu diesem Ort auch ist, sie konnte die wirtschaftlichen Realitäten nicht aufhalten.

Was bleibt, wenn die Lichter erlöschen?
Mit der Schließung des Filmtheaters Sendlinger Tor verliert München nicht nur ein Kino, sondern einen Ort der Begegnung, der Inspiration und des gemeinschaftlichen Erlebens. Die Magie des Kinos lag immer darin, dass es Menschen zusammenbrachte, sie für ein paar Stunden in eine andere Welt entführte und dabei doch eine gemeinsame Erfahrung schuf.

Die Erinnerungen an das Sendlinger Tor werden jedoch bleiben. Es bleiben die Geschichten von ersten Dates, Familienausflügen, spontanen Besuchen und magischen Filmabenden. Es bleiben die Anekdoten von besonderen Filmen, die man hier gesehen hat, und von den Menschen, mit denen man diese Momente geteilt hat. Und es bleibt die Hoffnung, dass die Liebe zum Kino in München weiterlebt, auch wenn ein so bedeutender Teil davon verschwindet.

Ein Appell an die Stadt und ihre Menschen
Die Schließung des Filmtheaters Sendlinger Tor sollte nicht nur ein Grund zur Trauer sein, sondern auch ein Weckruf. München muss seine kulturellen Schätze schützen – nicht nur die großen Museen oder Opernhäuser, sondern auch die kleinen, charmanten Orte, die die Seele dieser Stadt ausmachen. Der Verlust des Sendlinger Tors sollte uns alle daran erinnern, wie wichtig es ist, solche Orte zu unterstützen, solange sie noch da sind.

Ein letzter Vorhang
Am 15. Januar 2025 wird das Filmtheater Sendlinger Tor zum letzten Mal seine Lichter einschalten. Der Vorhang wird ein letztes Mal zur Seite fahren, die Projektoren werden ein letztes Mal laufen, und dann wird Stille einkehren. Es wird ein emotionaler Abschied sein, für die Betreiber, die Mitarbeiter und die vielen Besucher, die diesen Ort geliebt haben. Was aus dem Gebäude wird, ist mir nicht bekannt.

Doch vielleicht liegt in diesem Abschied auch eine gewisse Schönheit – die Schönheit dessen, dass dieses Kino ein Jahrhundert überlebt hat und so vielen Menschen so viel gegeben hat. Die Seele des Filmtheaters Sendlinger Tor wird in den Herzen all jener weiterleben, die jemals in seinem Saal saßen und sich in die Magie des Films verliebt haben.

Ein Ort, den man nie vergisst
Das Filmtheater Sendlinger Tor mag bald der Vergangenheit angehören, aber seine Geschichte und sein Geist werden weiterleben. In den Straßen Münchens wird man sich immer an den Zauber dieses besonderen Kinos erinnern, an die Menschen, die es ausgemacht haben, und an die Filme, die dort unvergesslich wurden. Mach’s gut, Filmtheater Sendlinger Tor – du wirst fehlen.

Gedanken an Dame Maggie Smith

28. September 2024

Dame Maggie Smith ist im Alter von 89 Jahren verstorben. Die zweifache Oscar-Preisträgerin spielte sich in unser aller Herzen und war eine gefragte Schauspielerin. Als letztes spielte sie Brunhilde Pomsel, die Sekretärin von Joseph Goebbels. Ich habe das Stück nie gesehen.

Für meine Kinder war sie Professor Minerva McGonagall aus Harry Potter. Für meine Frau und mich war sie die Dowager Countess Violet Crawley in Downton Abbey.

Wir genossen ihre Interpretation der Aristokratin und sobald sie auf dem TV-Schirm auftauchte, zauberte sie uns ein Lächeln ins Gesicht. Natürlich war Maggie Smith mehr als die beiden populären Figuren – sie war für die Briten auch Shakespeare, für Spielberg die Wendy in Peter Pan und viele, viele Rollen mehr.

In Downton Abbey gibt es eine Szene, die ich besonders liebe. Es ist aus der Season 1, Episode 2 – The Great War. Die furchteinflößende, scharfzüngige und zugleich witzige Aristokratin fragt, was ein Wochenende ist, als Matthew es in einem Gespräch erwähnt. Köstlich und lehrreich zugleich. Bis in die 1950er Jahre war das, was die britische Mittelschicht ein „Wochenende“ nannte, für die Aristokratie „Samstag bis Montag“. Selten wurden Klassenunterschiede in Britannien so genial dargestellt.

Und ich liebe die Interpretation von Sir Ian McKellen über Maggie Smith über die Oscar-Verleihung von Herr der Ringe und der gemeinsame Besuch im Thronsaal von Buckingham Palace. Köstlich.

Persönlicher Nachruf auf Rainer Brandt

8. August 2024

Mit tiefem Bedauern nehmen wir Abschied von Rainer Brandt, einem der herausragendsten Synchronsprecher und Drehbuchautoren Deutschlands, der im Alter von 88 Jahren verstorben ist. Matthias J. Lange von redaktion42 und Markus Elfert von Filmreport sprechen im ICE über den Meister des Wortwitzes.

Rainer Brandt hinterlässt eine Lücke in der Welt der Synchronisation, die schwer zu füllen sein wird. Er war mehr als nur eine Stimme – er war ein kreatives Genie, das Filme und Serien mit seinem einzigartigen Humor und Charme bereicherte. Besonders bekannt wurde er durch seine Arbeit an der Serie „Die Zwei“, in der er den Charakteren von Roger Moore und Tony Curtis einen unverwechselbaren, deutschen Witz verlieh. Seine Adaptionen waren nicht nur Übersetzungen, sondern kulturelle Werke, die das Original in ein neues, humorvolles Licht tauchten.

Geboren am 19. Januar 1936 in Berlin, begann Rainer Brandt seine Karriere als Schauspieler, bevor er die Welt der Synchronisation für sich entdeckte. Mit einem untrüglichen Gespür für Timing und Wortwitz schuf er Dialoge, die im deutschen Sprachraum Kultstatus erlangten. Seine Fähigkeit, den Geist eines Films oder einer Serie einzufangen und dabei dennoch eigene, kreative Akzente zu setzen, machte ihn zu einem Pionier und Vorbild in der Branche.

Sein Stil, der sogenannte „Klamauk-Synchronisation“ oder „Schnodderdeutsch“, war revolutionär. Mit Wortspielen, Humor und einer einzigartigen Art, Dialoge anzupassen, schuf er eine ganz neue Art der Synchronisation, die sowohl den Geist des Originals einfing als auch eine neue, oft komödiantische Dimension hinzufügte. Diese Technik machte ihn zu einem der gefragtesten und respektiertesten Synchronsprecher und Dialogautoren seiner Zeit.

Rainer Brandt war eine Legende im Synchronbereich. Seine Stimme war die deutsche Stimme zahlreicher Hollywood-Ikonen, darunter Tony Curtis, Elvis Presley und Jean-Paul Belmondo. Doch es war nicht nur seine Fähigkeit, Charaktere lebendig und authentisch zu verkörpern, die ihn so besonders machte, sondern auch seine kreative und innovative Herangehensweise an die Synchronisation selbst. Durch seine originellen und humorvollen Dialoge verlieh er diesen Filmen eine ganz eigene Note, die sie zu Kultklassikern machten.

Sehr beeindruckt hatte mich Kommentar auf der Facebook-Seite von Filmreport von Synchronsprecher und Schauspieler Charles Rettinghaus: „Lieber Rainer, Du hast in den siebzigern eine eigene Sprache im Synchron erfunden,das sogenannte Schnodderdeutsch. Wurdest dafür mit zahlreichen Preisen wie z.b dem Bambi ausgezeichnet. Das hat nach dir und vor dir in unserem Gewerbe niemand geschafft.
Ich hatte das Glück dich erleben zu dürfen, und unter deiner Regie lernen zu dürfen Ein besonderer Abend war für mich, als du mit mir vor ein paar Jahren zu der Premiere eines Terence Hill Films gegangen bist, und dann auf Terence zugegangen bist und ihm mit deiner unvergleichlichen Sonoren und Markanten Stimme gesagt hast, Terence darf ich dir meinen Freund Charles vorstellen. Dieser Moment hat mich kurz in meine Jugend zurückgebeamt und strahlen lassen. Wir werden Dich und Deinen unvergleichlichen Humor nie vergessen. Danke dass du uns mit deinem einzigartigen Humor, das Fernsehen und das Kino zu einem Feuerwerk der Lachmuskeln gemacht hast. Mach’s gut Rainer , und um es mit deinen Worten zu sagen
“Sleep well in your Bettgestell““

Persönlicher Nachruf auf Gerhard Landgraf, Altbürgermeister von Maisach

8. Juli 2024

Wenn ich ehrlich bin, dann könnte ich Hunderte von Geschichten über unseren unlängst verstorbenen Altbürgermeister Gerhard Landgraf berichten. Der Franke war 36 Jahre Bürgermeister meiner Wohnortgemeinde Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck. Ein königlich bayerischer Sozialdemokrat, wie er sich selbst nannte und der am Ende seiner politischen Karriere den Glauben an seine politische Heimat verloren hatte und austrat. Landgraf wurde 84 Jahre alt.

Er war als Bürgermeister nicht unumstritten und ich erlebte ihn als aktiven Kommunalpolitiker als ich jahrelang mehrmals die Woche als Journalist über „meine“ Gemeinde Maisach berichtete: Gemeinderat, Ausschüsse, Kreistag, Bürgerversammlungen und zahlreiche Veranstaltungen am Ort. Seine Sitzungsleitung war streng. Die Rededuelle mit dem damaligen BBV-Senator Ludwig Dinkel und Eierbaron (CSU) waren nicht von schlechten Eltern. Die Ära Landgraf werden aber sicher andere politisch aufarbeiten.

Ich möchte eine persönliche Geschichte zum Besten geben. Ich habe in meiner Frau die Liebe meines Lebens gefunden und wir entschlossen uns standesamtlich zu heiraten. Aber ich wollte nicht den zuständigen Beamten als Standesbeamten, sondern den Bürgermeister. Aber der reisefreundliche Gerhard Landgraf war zu der Zeit am anderen Ende der Welt mit der örtlichen Blaskapelle in Brasilien. Die Verwaltung informierte ihn über meinen Wunsch und eines Abends rief Landgraf aus Südamerika an mit den Worten: „Du heiratest und ich bin dein Standesbeamter. Basta.“ Ich war damals nicht mehr bei der Lokalzeitung, sondern Pressereferent der Handwerkskammer und daher war das Du schon okay.

Und so kam es dann auch. Blaskapelle samt Bürgermeister kehrten zurück und wir fanden einen Trauungstermin. Am 7. Oktober 2000 gaben meine Frau und ich uns das Ja-Wort im Rathaus der Gemeinde Maisach. Bürgermeister Gerhard Landgraf verzichtete auf die feierliche Ansprache und sagte: „Heiraten ist wie Schlittenfahren. Das muss schnell gehen.“ Innerhalb von wenigen Minuten war die Zeremonie vorbei, wir waren verheiratet. So schnell wie er manche Gemeinderatssitzung führte, zog er die Trauung ohne viel Pathos durch. Für die anschließenden Familienfeierlichkeiten im kleinen Kreis waren wir viel zu früh fertig. So war er, der Gerhard Landgraf.

Wenn es an die Beerdigung geht, werde ich vielleicht noch ein paar Erinnerungen auspacken. Ich hab ihn nach dem Ausscheiden aus dem politischen Leben bei der Aktion PiT Togohilfe immer wieder getroffen. Er gehörte als Beisitzer dem Vorstand an. Seit 1987 hat unser Togoprojekt jede nur mögliche Unterstützung vom damaligen Bürgermeister Gerhard Landgraf bekommen, so die Vorsitzende Margret Kopp. Dass sich unser Verein zum heute größten Togohilfsverein in Deutschland entwickeln konnte, hat er ganz maßgeblich gefördert und aktiv mitgestaltet.

Gedanken zum Tode von Donald Sutherland

21. Juni 2024

Er war ein großer Schauspieler, der den Filmen seinen Stempel aufdrückte. Donald Sutherland starb mit 88 Jahren und die Medienseiten werden sich mit Nachrufen überschlagen. Ich hatte die Meldung seines Sohnes in X gesehen.

Ich mochte den Schauspieler wegen zwei Filmen sehr: Wenn die Gondeln Trauer tragen und die Körperfresser kommen. Zwei Vertreter des fantastischen Films, die jeder auf ihre Art Geschichte gemacht haben.

Körperfresser kommen
Körperfresser ist eine Neuinterpretation von Don Siegels Die Dämonischen. “Körperfresser kommen” (englischer Originaltitel: “Invasion of the Body Snatchers”) ist ein Science-Fiction-Klassiker, der erstmals 1956 erschien und auf dem Roman von Jack Finney basiert. Das Buch wurde mehrfach neu verfilmt, unter anderem 1978, 1993 und 2007.

In der Neuverfilmung von 1978, unter der Regie von Philip Kaufman, wird die Geschichte von außerirdischen Parasiten, die menschliche Körper übernehmen, in ein urbanes Umfeld von San Francisco verlegt. Die Hauptfiguren, darunter Gesundheitsinspektor Matthew Bennell (gespielt von Donald Sutherland) und seine Kollegin Elizabeth Driscoll (Brooke Adams), entdecken allmählich, dass Menschen durch gefühllose Doppelgänger ersetzt werden.

Die 1978er Version von “Die Körperfresser kommen” zeichnet sich durch eine intensivere und düstere Atmosphäre aus als das Original von 1956. Die Verwendung von Schatten, Spiegelungen und verzerrten Kameraeinstellungen verstärkt das Gefühl von Paranoia und Unbehagen. Die Stadt San Francisco dient als klaustrophobischer Schauplatz, der die Isolation der Charaktere verstärkt.

Donald Sutherland liefert eine herausragende Leistung als Matthew Bennell, wobei seine zunehmende Verzweiflung und das Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen eindrucksvoll dargestellt werden. Wie die Version von 1956 thematisiert auch dieser Film die Angst vor Verlust der Individualität und den Schrecken der Konformität. Die 1978er Adaption kann als Spiegelbild der sozialen und politischen Unsicherheiten der 1970er Jahre gesehen werden, einschließlich des Misstrauens gegenüber staatlichen Institutionen und der Angst vor Entfremdung in einer zunehmend anonymen Gesellschaft. Die düstere und pessimistische Stimmung sind wunderbar bedrückend.

Wenn die Gondeln Trauer tragen
Mein absoluter Liebling ist jedoch „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Über den Film habe ich eine Matinee gemacht. Hier die Aufzeichnung:

Donald Sutherland liefert in dem psychologischen Horrorfilm „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (Originaltitel: „Don’t Look Now“) aus dem Jahr 1973 eine beeindruckende und nuancierte Darstellung. Unter der Regie von Nicolas Roeg spielt Sutherland die Rolle des John Baxter, eines Architekten, der zusammen mit seiner Frau Laura (gespielt von Julie Christie) nach Venedig reist, um den Tod ihrer kleinen Tochter zu verarbeiten.

Sutherland bringt eine immense Tiefe und Authentizität in die Figur des John Baxter. Seine Darstellung eines Mannes, der unter dem Verlust seines Kindes leidet und gleichzeitig versucht, rational und pragmatisch zu bleiben, ist zutiefst bewegend. Sutherlands Fähigkeit, die inneren Qualen und die Verzweiflung seines Charakters subtil und glaubwürdig darzustellen, verleiht dem Film eine emotionale Intensität, die den Zuschauer nachhaltig beeindruckt.

Die Chemie zwischen Sutherland und Julie Christie ist bemerkenswert und trägt wesentlich zur Wirkung des Films bei. Ihre Darstellung eines trauernden Paares, das versucht, in ihrer Beziehung Halt zu finden, ist sowohl berührend als auch authentisch. Besonders hervorzuheben ist die berühmte Liebesszene, die durch ihre Intimität und Natürlichkeit beeindruckt und die tiefe Verbindung der Charaktere zeigt.
Sutherland glänzt in der Darstellung der verschiedenen Facetten seines Charakters. Er zeigt Johns berufliche Kompetenz und Entschlossenheit, seine Skepsis gegenüber dem Übernatürlichen und seine schmerzliche Trauer. Diese Vielschichtigkeit macht John Baxter zu einer komplexen und glaubwürdigen Figur, mit der sich das Publikum identifizieren kann.

Ein weiterer Aspekt von Sutherlands Leistung ist seine Reaktion auf die übernatürlichen Elemente des Films. Seine anfängliche Skepsis und später wachsende Verunsicherung und Angst spiegeln die zunehmende Bedrohung wider, die den Film durchzieht. Sutherland schafft es, die innere Zerrissenheit seines Charakters, der zwischen Rationalität und unheimlicher Realität hin- und hergerissen wird, eindrucksvoll darzustellen.

Paul Auster verstorben – Mein Buch- und Film-Tipp

2. Mai 2024

Der Schriftsteller Paul Auster ist am 30. April 2024 im Alter von 77 Jahren verstorben. Diese Meldung überraschte mich gestern abend. Ich mochte seine Bücher gerne, mir der Prosa konnte ich nicht soviel anfangen. Bevor ich das erste Mal nach New York flog, las ich seine New York Trilogie und auf dem Flug zu Big Apple beendete ich das über 400 seitige Buch. Die New York Trilogie ist für mich ein Buch, das man immer wieder lesen kann und das jedes Mal neue Einsichten und Erkenntnisse bietet. Und wer keine Lust auf einen fetten Schinken hat, dem empfehle den Film Smoke – Raucher unter sich aus dem Jahr 1995. Hier hat Paul Auster das Drehbuch geschrieben.

Ich wurde auf Paul Auster durch eine Bekannte aufmerksam. Die „New York Trilogie“ von Paul Auster ist für mich eine faszinierende literarische Reise durch das Labyrinth menschlicher Existenz, identitärer Verwirrung und die unergründlichen Geheimnisse der Metropole New York. All dies habe ich bei meinem ersten New York-Besuch nicht erlebt, aber im Kopf mit durch diese Stadt getragen. Bestehend aus den drei Romanen „Stadt aus Glas“, „Schlagschatten“ und „Hinter verschlossenen Türen“, ist diese Trilogie ein tolles Werk postmoderner Literatur, das mich in ein rätselhaftes Universum von Verschwommenheit und Bedeutung führte.

Stadt aus Glas
„Stadt aus Glas“, der erste Roman der Trilogie, ist eine subtile Reflexion über Identität und die Krise des Selbst. Der Schriftsteller Daniel Quinn wird fasziniert von einem Anruf, der ihn in die Rolle eines Privatdetektivs schlüpfen lässt. Doch je tiefer er in den Fall eintaucht, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Auster spielt meisterhaft mit den Konventionen des Detektivromans und führt den Leser in ein Labyrinth des Bewusstseins, in dem nichts ist, wie es scheint.

Schlagschatten
In „Schlagschatten“ wird die Geschichte des Privatdetektivs Blue fortgesetzt, der nun selbst zum Objekt der Ermittlung wird. Als er einen mysteriösen Auftrag annimmt, gerät er in ein Netz aus Intrigen und Verwirrungen. Die Grenzen zwischen Täter und Opfer verschwimmen, und die Suche nach Wahrheit wird zu einer existenziellen Reise in die Dunkelheit der menschlichen Seele.

Hinter verschlossenen Türen
Der dritte Roman, „Hinter verschlossenen Türen“, führt uns als Leser in die Welt des Schriftstellers Fanshawe, der scheinbar spurlos verschwindet und seine Identität einem anderen Mann überlässt. Doch auch dieser Mann, der Fanshawes Leben übernimmt, ist nicht immun gegen die Geister der Vergangenheit. Auster untersucht hier auf eindringliche Weise die Natur der Authentizität und die Fragilität menschlicher Bindungen.

Versuch einer Würdigung
Was diese Trilogie so beeindruckend macht, ist Austers meisterhafte Beherrschung der Sprache und seine Fähigkeit, komplexe philosophische Themen mit einer fesselnden Handlung zu verbinden. Sein Stil ist präzise und poetisch zugleich, und seine Charaktere sind so vielschichtig wie die Stadt, in der sie leben. Durch die Verflechtung von Realität und Fiktion, von Identität und Selbstentfremdung schafft Auster eine Welt, die mir noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis blieb.

Filmtipp Smoke
„Smoke“ aus dem Jahr 1995, unter der Regie von Wayne Wang und basierend auf einem Drehbuch von Paul Auster, ist ein Film, der subtil und einfühlsam die Geschichten von Menschen einfängt, die sich in den Straßen von Brooklyn kreuzen. Der Film ist eine Hommage an die Schönheit des Alltags und die unerwarteten Verbindungen, die zwischen den Menschen entstehen.

Die Handlung von „Smoke“ dreht sich um Auggie Wren, den sBesitzer eines kleinen Tabakladens in Brooklyn, gespielt von Harvey Keitel. Auggie hat eine tägliche Gewohnheit, bei der er um die gleiche Uhrzeit ein Foto von der Ecke seines Ladens schießt. Dieses einfache Ritual wird zum Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Geschichten, die sich um Auggie und die Menschen in seinem Umfeld entfalten. Eine tolle Idee und ein tolles Storytelling,

Der Film zeichnet sich durch seine liebevoll gezeichneten Charaktere aus, von Auggie selbst bis hin zu seinen Stammkunden und Freunden. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Träume, die auf berührende Weise miteinander verflochten sind. Die Schauspieler, darunter auch William Hurt, Forest Whitaker und Stockard Channing, liefern herausragende Leistungen und bringen ihre Charaktere mit Tiefe und Authentizität zum Leben.

Eine der Stärken von „Smoke“ liegt in seiner Fähigkeit, die kleinen Momente des Lebens einzufangen und zu feiern und das ist die Leistung des Drehbuchautors Paul Auster. Der Film findet Schönheit und Bedeutung in scheinbar banalen Ereignissen und zeigt, wie selbst die gewöhnlichsten Begegnungen das Potenzial haben, das Leben zu verändern. Die ruhige Inszenierung und die zurückhaltende Erzählweise ermöglichen es den Zuschauern, sich in die Welt des Films einzufühlen und sich mit den Charakteren zu identifizieren.

Persönliche Erinnerungen an Melanie

26. Januar 2024

Oftmals wurde ich enttäuscht, wenn ich einen Star aus Musik oder Film treffe, von dem ich ein gänzlich anderes Bild hatte, als es der Realität entspricht. So auch geschehen bei Melanie. Die Sängerin ist im Alter von 76 Jahren verstorben. Ich hatte bei unserer Begegnung noch das zarte Mädchen von Woodstock im Kopf.

Ich traf Melanie im Jahre 2012 bei der Veranstaltung Songs an einem Sommerabend in Oberfranken. Mein Freund und Kollege Hans-Peter Niedermeier hatte mich als Konzertfotigraf engagiert. In Gedanken hatte ich den Woodstock-Film und die Aufnahmen bei dem die Sängerin einen Auftritt hatte. Viele Frauen waren damals nicht auf der Bühne des großen Festivals. Solo traten damals noch Joan Baez und Janis Joplin auf, Grace Slick mit Jefferson Airplane war wie Rose von The Incredible String Band auch noch auf dem Männerdomonierenden Festival dabei.

Naja, ich hatte Melanie mit ihrem Folk-Gesang im Kopf, eine zarte, schüchterne Person mit unverwechselbarem Timbre. Sie sang zu dieser Zeit Ruby Tuesday, What Have They Done to My Song, Ma? Oder The Nickel Song, Lay Down (Candles in the Rain). In Woodstock stimmte sie ihre Lieder Beautiful People und Birthday of the Sun an. Schöne Hippie Musik. Insgesamt 31 Alben nahm sie auf, ich hatte allerdings nur mehrere Compilations.

Melanie heiratete ihren Produzenten Peter Schekeryk und wohnte auch mal in München, was ich allerdings jetzt erst erfahren habe. Sie betrat die Bühne vor Kloster Banz bei den Songs an einem Sommerabend mit ihrem Sohn Beau Jarred, der Gitarre spielte. Als dem zarten Woodstock-Mädchen war eine übergewichtige, gereifte Frau geworden. Das unverwechselbarem Timbre hatte sie noch immer. Sie spielte 20 Minuten auf dem Festival einige einige ihrer Hits und sie war absolut sympathisch. Sie tat sich sichtlich schwer mit dem Gehen, aber sie hatte Witz und war ein Profi – auf der Bühne und hinter den Kulissen. In ihren Hippie-Klamotten spannte sie das begeisterte Publikum auf der Wiese bei den Songs mit ein.

Bevor sie nach ihrem Gig gleich ins Hotel abfuhr, bat ich sie um Autogramme auf ein paar Singles von ihr. Sie war skeptisch, sie erwartete wohl, dass sie natürlich die Klassiker wie Ruby Tuesday unterschreiben sollte, aber ich überraschte sie mit Singles aus den 80ern wie Dance To The Music, Every Breath of the Way (beide 1983) und Who’s Been Sleeping in My Bed (1985). Darüber hat sie sich sichtlich gefreut, dass ich ihr eher unbekannte Scheiben vorlegte. Melanie, mögen Sie in Frieden ruhen und Woodstock im Himmel weiterspielen. Und grüß Janis von uns.