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Meine Vinyl im November: Danny Elfman, Propaganda, Kraftwerk, the Supremes, Kate Bush, Vangelis, the Grateful Dead

30. November 2025

Vinylplatten bedeuten für mich weit mehr als nur Musik. Beim Auflegen einer Platte entsteht ein Moment der Ruhe, fast ein Ritual – das Knistern, das sanfte Absetzen der Nadel, der warme Klang, der den Raum füllt. Jede Platte erzählt ihre eigene Geschichte, nicht nur über die Lieder, sondern auch über die Spuren der Vergangenheit auf ihrer Oberfläche. Ich liebe das Haptische, das Analoge, das bewusste Hören, fern vom hektischen Skippen digitaler Playlists. Eine Vinylplatte zwingt mich, Musik wieder mit Aufmerksamkeit und Gefühl zu erleben. Hier meine Vinyl-Scheiben vom November.

Sleepy Hollow von Danny Elfman

Der Soundtrack zu „Sleepy Hollow“ zählt zu den eindrucksvollsten Arbeiten von Danny Elfman und ist ein Musterbeispiel dafür, wie Filmmusik Atmosphäre erschafft. Elfman verbindet hier düstere, barock anmutende Orchesterpassagen mit bedrohlichen Chören und scharf gesetzten musikalischen Akzenten. Das Ergebnis ist ein Klangbild, das perfekt zur nebelverhangenen, gothic-haften Welt des Films passt.
Seine Musik trägt die Spannung, verstärkt das Unheimliche und schafft zugleich eine märchenhaft-melancholische Grundstimmung. Besonders hervorzuheben sind die leitmotivischen Themen, die Figuren und Motive des Films subtil charakterisieren. Der Sleepy Hollow-Score zeigt Elfman auf dem Höhepunkt seiner Kunst: opulent, unheimlich und emotional präzise – ein Soundtrack, der den Film nicht nur begleitet, sondern entscheidend prägt.

A Secret Wish von Propaganda

A Secret Wish gilt bis heute als eines der markantesten Synthpop- und Art-Pop-Alben der 80er-Jahre. Produziert von Trevor Horn und veröffentlicht auf ZTT, verbindet es kalte, präzise Elektronik mit dramatischem Bombast und einer ästhetischen Strenge, die ihrer Zeit weit voraus war. Tracks wie “Duel”, “Dr. Mabuse” oder “P-Machinery” zeigen eine Mischung aus düsterer Atmosphäre, technoidem Experiment und Pop-Eingängigkeit, die Propaganda zu etwas Einzigartigem machte.
Das Album beeindruckt durch seine filmische Breite, den ambitionierten Produktionsanspruch und die stilistische Konsequenz. Es klingt gleichzeitig nach 80er-Jahre-Avantgarde und erstaunlich zeitlos. Für viele gilt A Secret Wish als ein verborgenes Meisterwerk des Jahrzehnts – kühl, kraftvoll und voller ikonischer Momente.

Radio-Activity von Kraftwerk

Radioaktivität“ ist das erste Album, das Kraftwerk vollständig mit elektronischen Mitteln realisierte – ohne Gitarren oder akustische Drums. Es war der Übergang von der experimentellen Frühphase (Autobahn, Ralf & Florian) hin zum klar strukturierten, maschinell-präzisen Sound, der später mit Trans Europa Express und Die Mensch-Maschine vollendet wurde. Hier die englische Fassung.


Die Kombination aus Rhythmusmaschinen, Vocoder-Stimmen und minimalistischen Synthesizer-Loops wirkte damals visionär. Besonders beeindruckend war, wie das Album ein Gleichgewicht zwischen melodischer Eingängigkeit und konzeptueller Kühle herstellte.
Der Doppelsinn des Titels – Radioaktivität im physikalischen wie auch im medialen Sinn („Radio Activity“) – ist typisch für Kraftwerks ironisch-distanziertes Spiel mit Technik, Fortschritt und Gefahr.
Das Album schwankt zwischen Faszination und Warnung: Songs wie „Radioaktivität“ oder „Geigerzähler“ setzen sich mit der unsichtbaren, unkontrollierbaren Macht der Strahlung auseinander, ohne explizit moralisch zu urteilen. Später, in der überarbeiteten Fassung von 1991, fügten Kraftwerk allerdings eindeutige politische Bezüge hinzu („Stop Radioactivity“ mit Hinweisen auf Tschernobyl und Harrisburg).

Motown Number 1’s von The Supremes
The Supremes, die kommerziell erfolgreichste Girlgroup der Popgeschichte, gehörten zu den Glanzstücken im Künstlerrepertoire von Motown Records. Mit herausragendem Songmaterial aus der Feder der großartigen Motown-Songwriter landete die Gruppe zahlreiche Nummer-eins-Hits in den Popcharts – ebenso wie Sängerin Diana Ross, nachdem sie die Gruppe verlassen und eine Solokarriere begonnen hatte. Das strahlende, moderne und elegante Image des Labels Motown war eng mit der Art verbunden, wie diese Damen sich präsentierten und einen Song mit Anmut und Stil interpretierten. Zwei Dutzend dieser Nummer-eins-Hits – sowohl von The Supremes als auch von Diana Ross solo – sind hier versammelt, darunter zeitlose Klassiker wie „Come See About Me“, „You Can’t Hurry Love“, „You Keep Me Hangin’ On“ und „Stop! In the Name of Love“. Jetzt erhältlich auf limitiertem gelbem Vinyl. Hier mein Unboxing der Vinyl.

Never for Ever von Kate Bush

Mit Never for Ever (1980) veröffentlichte Kate Bush ihr drittes Studioalbum und schuf damit ein Werk, das ihre künstlerische Eigenständigkeit endgültig festigte. Nach den orchestralen und teilweise überproduzierten Vorgängern zeigt sie hier eine neue Balance zwischen Experiment und Struktur. Elektronische Klänge, erstmals mithilfe des Fairlight-Samplers, verbinden sich mit verspielten Melodien und erzählerischer Fantasie. Songs wie „Babooshka“ oder „Army Dreamers“ zeigen Bushs Fähigkeit, Pop mit theatralischem Ausdruck und erzählerischer Tiefe zu vereinen, während Stücke wie „Breathing“ eine emotionale und gesellschaftskritische Dimension hinzufügen. Never for Ever ist ein Album zwischen Märchen, Traum und Albtraum – zugleich zugänglicher als frühere Arbeiten, aber noch immer von eigenwilliger Kunstfertigkeit geprägt. Es markiert den Übergang von der jungen Pop-Sensation zur ernstzunehmenden Musikerin, die das Artpop-Genre nachhaltig prägen sollte.

1492: Conquest of Paradise von Vangelis

1492: Conquest of Paradise von Vangelis ist eines jener seltenen Soundtrack-Alben, die sich vom Film nahezu vollkommen emanzipieren und zu einem eigenen musikalischen Ereignis werden. Der Score, 1992 zum gleichnamigen Ridley-Scott-Film erschienen, entfaltet eine klangliche Monumentalität, die gleichermaßen erhaben, mystisch und emotional zugänglich wirkt. Vangelis arbeitet hier – wie so oft – mit einer Mischung aus warmen Synthesizerflächen, orchestralen Simulationen und groß angelegten Chorpassagen, die zusammen eine zeitlose, beinahe sakrale Atmosphäre erzeugen. Der berühmte Titelsong „Conquest of Paradise“, der später durch diverse kulturelle Kontexte einen eigenen, fast mythischen Status erreichte, ist das Herzstück des Albums: ein kraftvolles, hymnisches Motiv, getragen von donnernden Percussions und einem eindringlichen Chor, dessen pseudo-lateinische Textsilben eher als Klangfarbe denn als Botschaft funktionieren. Dieses Thema legt den emotionalen Maßstab fest, an dem sich der Rest des Albums orientiert.


Im weiteren Verlauf zeigt Vangelis seine Fähigkeit, Stimmungen zu modulieren, ohne den übergeordneten tonalen Bogen zu verlieren. Stücke wie „Monastery of La Rábida“ oder „Deliverance“ setzen auf introspektive, beinahe meditative Klangräume, die die spirituelle Dimension des Kolumbus-Stoffs hervorheben. Andere Tracks – etwa „Light and Shadow“ oder „Conquest of the Ocean“ – greifen die erzählerische Dynamik auf und verbinden pulsierende rhythmische Muster mit einer breiten, filmisch anmutenden Harmonik. Die Musik vermittelt weniger historische Authentizität als vielmehr einen emotionalen, idealisierten Blick auf die Epoche der Entdeckungen. Kritisch ließe sich anmerken, dass die majestätische Klangsprache eine gewisse romantisierende Glätte besitzt, die historische Ambivalenzen ausblendet. Doch gerade diese Mischung aus Pathos und zeitloser Klangästhetik macht den Score so wirkungsmächtig.
Insgesamt ist 1492: Conquest of Paradise ein typischer, aber zugleich herausragender Vangelis: atmosphärisch dicht, melodisch prägnant und geprägt von einer spirituell aufgeladenen Klangarchitektur, die sowohl cineastisch als auch als reines Album funktioniert. Es ist ein Werk, das weniger konkrete Bilder eines historischen Moments zeichnet, sondern vielmehr die Idee von Entdeckung, Weite und Utopie musikalisch übersetzt – und damit bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat.

The Man Machine von Kraftwerk
Kraftwerks Mensch Maschine, hier die englische Ausgabe, ist mehr als ein Album – es ist ein Meilenstein der Musikgeschichte, ein Manifest der Moderne, ein kalter, funkelnder Kristall im kulturellen Gedächtnis. Mit diesem Werk haben Ralf Hütter, Florian Schneider und ihre Mitstreiter nicht einfach elektronische Musik geprägt; sie haben die Zukunft geöffnet. Mensch Maschine klingt wie das, was Jahrzehnte später Realität wurde: eine Welt, in der Mensch und Technik ineinanderfließen, in der klare Linien, digitale Impulse und synthetische Stimmen unser Lebensgefühl formen.

Das Album ist von einer ästhetischen Strenge, die gleichzeitig poetisch wirkt. Jeder Ton sitzt, jede Sequenz erfüllt einen Zweck, jeder Klang hat einen eigenen Atem. „Die Roboter“ – mit seinem ikonischen Sprechgesang – ist nicht nur ein Song, sondern ein Bild: der Mensch als Maschine, die Maschine als Spiegel des Menschen. Es ist gleichzeitig ironisch und ernst, verspielt und prophetisch. Und gerade dadurch so zeitlos.

Die titelgebende „Mensch-Maschine“ fasst die Grundidee des Albums wie ein Gedankenkern zusammen: die Verschmelzung von Körper und Technik, Emotion und Algorithmus. Kraftwerk zeigen nicht die Angst vor der Zukunft, sondern ihre Faszination, ihre Schönheit, ihre Unerbittlichkeit. Das Album wirkt wie ein Blick durch ein Neonfenster in eine Welt, die damals noch Vision war – heute ist sie Gegenwart.

Und dann ist da „Neonlicht“ – ein Stück, das im Herzen warm glimmt, obwohl es aus elektronischen Bausteinen besteht. Es zeigt die melancholische, fast romantische Seite der Band. Ein Song, der im urbanen Nachtlicht schwebt, in dem sich Einsamkeit und Fortschritt treffen. Und natürlich „Das Model“, der unerwartete Pop-Hit, glasklar, minimalistisch, elegant – ein Lied, das die Ästhetik der späten 70er einfängt und gleichzeitig den Synth-Pop der 80er vorwegnimmt.



Mensch Maschine ist ein Album, das nicht altert. Es wirkt nicht nostalgisch, sondern seltsam aktuell – als hätte Kraftwerk schon damals gespürt, wie sehr die nächsten Jahrzehnte durch Digitalisierung, Automatisierung und ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Technik geprägt sein würden. Es ist Kunst ohne Überfluss, reduziert aufs Wesentliche, präzise wie ein Laserstrahl.

In diesem Werk zeigt sich Kraftwerks größte Leistung: Sie schufen Musik, die nicht nur gehört, sondern gedacht wird. Musik, die Konzepte öffnet, Räume schafft und Visionen formt. Mensch.Maschine ist einer der seltenen Momente, in denen ein Album den Takt der Zeit verändert. Und bis heute schlägt sein elektronisches Herz weiter – in Pop, Techno, Electropunk, Ambient, in all jenen Klängen, die sich trauen, nach vorne zu blicken. Es bleibt ein Monument – kühl, klar, schön. Ein Album wie eine architektonische Zeichnung: pur, präzise und voller Zukunft.

Blues for Allah von Grateful Dead
Blues for Allah von Grateful Dead, 1975 erschienen, markiert einen besonderen Moment im Schaffen der Band: ein zugleich experimentelles und spirituell durchdrungenes Album, das sich von den vorherigen, stärker folk- und countrygeprägten Werken deutlich abhebt. Nach einer schöpferischen Pause kehrten die Musiker mit einer beachtlichen kreativen Energie zurück und schufen ein Werk, das zwischen jazzigen Improvisationen, komplexen Arrangements und hypnotischen Klanglandschaften oszilliert. Besonders bemerkenswert ist die atmosphärische Titel-Suite, die mystische Motive mit einer für die Dead typischen improvisatorischen Freiheit verbindet. „Blues for Allah“ gilt nicht nur als künstlerisch ambitioniertes Statement, sondern auch als Beweis dafür, dass Grateful Dead bereit waren, Risiken einzugehen und ihren Sound neu zu definieren – ein Album, das bis heute eine faszinierende Ausstrahlung besitzt und die musikalische Vielseitigkeit der Band eindrucksvoll würdigt.

Persönlicher Nachruf: Vangelis ist tot – scheiß Corona

20. Mai 2022

Seine erste Schallplatte, die ich von ihm hörte war Heaven and Hell. Ich war als Jugendlicher vom Cover fasziniert. Die gläsernen Hände, die die Tasten spielen und dahinter Nebel mit Feuer. Die Musik klang wie ein Oratorium und schon vom ersten Lauschen hat mich die Musik gefangen. Ich kannte die Musik aus dem Fernsehen, denn sie war die Titelmusik der frühen Wissenschaftsserie Unser Kosmos von Carl Sagan.

Daran erinnerte ich mich wieder als ich vom Tode von Vangelis erfuhr. Er verstarb an Covid 19, das teuflische Virus, das noch immer nicht besiegt ist, obwohl alle so tun.
Meine Helden der elektronischen Musik sterben und immer wieder bricht mir es das Herz. Nach Edgar Froese, Richard Wright, Tomita, dem großen Keith Emerson und dem genialen Klaus Schulze nun auch Vangelis, wie der Künstlername von Evangelos Odysseas Papathanassiou war. Die Musik von Vangelis war immer ein Bestandteil meiner All Time Playlist, die ich immer hören kann, ohne dass sie mir zuviel wird.

Ich genoss freilich seine Soundtracks, allen voran habe ich mir alle Versionen von Blade Runner gekauft, die ich auftreiben konnte, 1492: Conquest of Paradise und natürlich Chariots of Fire. Aber Vangelis war mehr als ein Soundtrack-Komponist. Er schreib mit seiner Band Aphrodite’s Child und dem Album 666 sicherlich Progrockgeschichte. Gerne hätte ich ihn bei Yes gesehen, doch die Zusammenarbeit mit Jon Anderson lieferte uns schöne Popsongs.

Im Moment höre ich das Piano-Album Nocturne und Antarctica, dessen kaltes Thema ich rauf und runter im Sommer hören kann. Persönliches Highlight von Vangelis ist aber für mich das Stephen Hawking Tribute von 2018. Die Musik wurde beim Begräbnisgottesdienst in der Westminster Abbey aufgeführt und anschließend an die Gäste verteilt. Ich habe die CD Nummer 61 dieser Gottesdienst-Ausgabe, die auf 500 Exemplare limiert war. Das Stück selbst gibt es als Download und als Bootleg.

Es wird Frühling

20. Februar 2019

Es wird Frühling und ich erwache bei Sonnenaufgang. Cat Stevens kommt mir mit seinem „Morning has broken“ sofort in den Sinn. Nach all den Tagen des grauen Wetters scheint heute die Sonne in mein Zimmer. 

Ich bin zwar nicht zu Hause, sondern auf einem Seminar in Oberfranken. Mein Zimmer schaut in den Gottes Garten, wie die Gegend zwischen Vierzehnheiligen und Kloster Banz bei Lichtenfels heißt. Ich muss zwar arbeiten, doch ich gehe mein Seminarwerk mit guter Laune an. Grund: Es wird wieder Frühling. 

Ich habe den Sonnenaufgang aus meinem Zimmer mit der GoPro 7 als Zeitraffer gefilmt. Der Sonnenaufgang ist einfach magisch. Cat Stevens habe ich zwar nicht gehört, dafür die neue Vangelis Nocturne-the Piano Album.

Die Tage werden jetzt merklich länger und der Schnee ist bei mir zu Hause in Oberbayern und hier in Franken verschwunden. Die ersten Blumen kommen aus der Erde hervor und die Vögel musizieren. Ja, es geht mir gut. Die Erde erwacht nach einem kalten Winter und es wird merklich Frühling. Zwar ist es morgens noch kalt, aber Tag für Tag steigen die Temperaturen. Natürlich weiß ich auch, dass der Winter noch nicht vorbei ist. Schnee und Frost können natürlich noch mal kommen. Aber ich habe ein wichtiges liebgewonnenes Ritual hinter mich gebracht. Ich habe meine schwere Winter-Tweedjacke vom Herrenausstatter Felbinger aus Immenstadt abgelegt und die leichte Sommer-Tweedjacke vom gleichen Hersteller angezogen. Tweed muss bei mir sein, egal welche Jahreszeit. Ich mag Tweed einfach, die englische Landhausmode gefällt mir einfach. So leite ich den Jahreszeitenwechsel ein.

Meine Stimmung hellt sich auf und ich gehe frisch ans Tagwerk. Euch allen einen schönen Tag.

Filmkritik: Blade Runner 2049

17. Oktober 2017

Blade Runner zählt für mich zu den wichtigsten Filmen der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Und ich hatte Angst, nach 35 Jahren mir jetzt die Fortsetzung Blade Runner 2049 anzusehen. Freunde, ich kann euch sagen: Meine Angst war vollkommen unbegründet.

Blade Runner 2049 im Berliner Zoo Palast.

Blade Runner 2049 im Berliner Zoo Palast.

Blade Runner 2049 ist ein hervorragender Film geworden. Und es ist mehr als nur ein Unterhaltungsfilm, denn die religiösen und philosophischen Aspekte des Films von 1982 wurden aufgenommen und fortgesetzt. Damit werden einige Kinozuschauer überfordert sein, so bescheinige ich dem Film keinen übermäßigen finanziellen Erfolg. Der Film hat es verdient angeschaut zu werden und genießen Sie die über zwei Stunden an visuellen, musikalischen und gedanklichen Eindrücken. Dank an die wahnsinnig intensive Kameraarbeit von Roger Deakins. Ich werde den Film mir noch zwei-, dreimal ansehen, um das gesamte Spektrum an Gedanken zu erfassen, so wie ich es mit Blade Runner 1982 auch gemacht habe.
Der Film wagt sich an ganz große Themen: Was ist Menschlichkeit? Wann sind wir Menschen? Was definiert uns als Mensch? Entsteht durch unsere Geburt, unsere Erinnerungen der wahre Mensch? Was passiert, wenn Replikanten Kinder bekommen können? Wo beginnt und wo endet die Menschlichkeit? Solche philosophischen Fragen werden in einen Hollywood-Film gepackt. Der Kinozuschauer wird mit dieser Zukunftsvision konfrontiert, unterhalten und in meinem Falle zum Nachdenken gebracht. Immer wieder tauchen Details auf, wie DNA mit vier Sequenzen und Binärcode mit Null und Eins, um dann zu diskutieren, was ist Leben. Nicht ohne Humor ist die Diskussion mit dem Hologramm als Begleiter – einfach gesagt: Kann ich mit Alexa eine Beziehung eingehen? Damit wird ganz elegant das Thema Künstliche Intelligenz eingeführt und das Anwachsen der Daten. Joi, dargestellt von einer wunderbaren Ana de Armas, lernt und sammelt. Beeindruckend, wie Joi eine Nutte benutzt, um Bewegungen zu sammeln. Und dann sagt das Hologramm ganz selbstverständlich: „Ich liebe dich.“
Und da ist im letzten Drittel des Films ein absolut göttlicher Harrison Ford als Rick Deckard. Die Frage, ob Deckard ein Replikant ist, wird wieder offen gelassen. Für mich ist die Antwort nein, denn Deckard altert und Replikanten altern nicht, basta. Ryan Gosling als Officer K ist eindeutig ein Replikant mit überraschender Geschichte.
Nach dem Film bin ich nicht aus meinen Kinosessel aufgesprungen und hab mir überlegt, was ich als nächstes mache. Ich blieb im Sessel sitzen, streifte die schreckliche 3D-Brille ab und war sprachlos. Ich musste die Eindrücke der gesehenen Bilder und der gesprochenen Worte verarbeiten, die in meinem Kopf herumschwirrten. Regisseur Denis Villeneuve gehört für mich ab jetzt zu den ganz großen Künstlern auf dem Regiestuhl und hat mit seinen 164minütigen Film die Ideen von Ridley Scott von 1982 aufgenommen und weitergeführt.

Ich liebe Atari.

Ich liebe Atari.

Und ich liebe die Details: Zuerst natürlich die Werbung: Ich habe 1982 bei Atari gelacht und 2017 wieder. Als Retrogamer liebe ich Atari. Coca Cola war wieder in beiden Filmen dabei – und Sony auch. Absolut daneben fand ich dagegen die Werbung von Johnny Walker Black Label. Deckard meinte großspurig, dass er in Las Vegas Tausende Flaschen von Whisky habe und er greift dann zu Johnny Walker. Ich würde zu vielen Whiskys greifen, aber sicherlich nicht zu Johnny Walker – oder der Gag war einfach gut.
Meine Helden Frank Sinatra und Elvis Presley haben ihre Auftritte und ich meine sogar bei der Galerie der Replikanten rechts vorne die Figur aus Prometheus gesehen zu haben. Vielleicht eine kleine Verbeugung vor dem ausführenden Produzenten Ridley Scott.

Sehe ich da rechts vorne Prometheus?

Sehe ich da rechts vorne Prometheus?

Ich sag es ungern: Die Filmmusik von Benjamin Wallfisch und Hans Zimmer ist gut, sehr gut. Ich mag Zimmer nicht, aber hier hat er eine wunderbare Arbeit abgeliefert. Leider ist der Score nur als Download bisher erschienen und nicht als Datenträger – mir völlig unverständlich. Aber natürlich ist Zimmer nicht Vangelis und reicht auch an dessen Klasse nicht heran – (diese Bemerkung musste als Zimmer-Hasser und Vangelis-Fan sein). Hat Denis Villeneuve eigentlich Vangelis gefragt, ob er den Soundtrack beisteuern will?

 

 

Erinnerungen zum Tode von Demis Roussos

27. Januar 2015

Bei meinen Eltern hörte ich einst die Schlagersongs von Demis Roussos und ich mochte die Musik überhaupt nicht. Demis Roussos trällerte unter anderem mit Drafi Deutscher das Lied Young Love und es war absolut nicht mein Fall. Um ehrlich zu sein, ich finde auch seinen Song Goodbye, My Love, Goodbye immer noch schrecklich. Nun ist Demis Roussos im Alter von 68. Jahren gestorben und ich möchte an ihn erinnern.
Als mir als Jugendlicher eine rote Schallplatte in die Hände fiel, interessierte mich Demis Roussos nicht die Bohne. Ich hatte ihn als griechischen Schlageronkel abgetan – ich war so unwissend. Diese rote Schallplatte faszinierte mich. Als Progrock-Fan bekam ich die Scheibe 666 von Aphrodite’s Child in die Finger und war elektrisiert. Ein Synthi-Held mit Namen Vangelis spielte dort die Keyboards und nachdem mich die Musik von Vangelis in den Bann geschlagen hat und immernoch begeistert, schaute ich mir die Band genauer an. Das Cover von 666 war in Rot gehalten und die satanischen Zahlen 666 standen darauf. Das weckte mein Interesse und mit der Musik identifizierte ich mich. Ich erinnere mich: Bei einer Party hörte ich als Jugendlicher zum ersten Mal den Song „The Four Horsemen“. Und wie vom Blitz getroffen las ich den Namen des Sängers: Demis Roussos

666
Der gleiche Typ, der die Schlager in der Hitparade wie Schönes Mädchen aus Arcadia trällerte, brachte so eine Musik zustande? Ich konnte es nicht fassen. Es war wahnsinn. Ich kaufte drei Platten von Aphrodite’s Child, wobei ich heute immernoch 666 als die beste Aufnahme empfinde.
Wiederum Jahre später war ich noch immer Vangelis-Fan und der griechische Tastenkünstler komponierte den Soundtrack zum wichtigsten SF-Film der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts: Blade Runner. Und auch hier war Demis Roussos mit von der Partie und sang. Nun, die Schlagersachen von Roussos mag ich noch immer nicht, aber dennoch ist ein großer Künstler von uns gegangen.