Posts Tagged ‘Dokumentation’

Verlassene Orte, lebendige Geschichten – Agnes und ihre Faszination für Lost Places

15. Mai 2025

Im idyllischen Kreuzgang des Augsburger Doms treffe ich auf Agnes Hörter, eine passionierte Fotografin und Autorin, die sich auf eine besondere Nische spezialisiert hat: Lost Places – vergessene, verlassene Orte, die sie mit ihrer Kamera dokumentiert und in ihren Büchern lebendig werden lässt. Mit ihrem dritten Werk Lost Places in Bayern widmet sich Agnes erneut dieser Thematik, die für sie weit mehr als bloße Fotografie ist: Es ist eine Reise in vergangene Zeiten, in verfallene Gebäude, die Geschichten erzählen, ohne ein einziges Wort zu sagen.

Die Magie des Verfalls
Was fasziniert Agnes an Lost Places? Es sind die einzigartigen Atmosphären, die jeder dieser Orte ausstrahlt – kein verlassener Ort gleicht dem anderen. Ob alte Industrieruinen, verlassene Bauernhöfe oder ehemalige Gaststätten: Sie alle erzählen stille Geschichten. Besonders beeindruckt ist Agnes von großen Industrieanlagen wie der Maxhütte oder der Völklinger Hütte. Die imposante Architektur, alte Maschinen, Rohre und rostige Schornsteine – das ist für sie eine ganz eigene Welt voller Ästhetik und Geschichte. Doch auch kleine, private Orte wie ein verlassener Märchenhof mit zurückgelassener Brille, Zeitung und Wasserflasche berühren sie tief – dort spürt man noch das Leben, das einst dort stattfand.

Dokumentation trifft Emotion
Agnes’ Zugang zu den Lost Places ist geprägt von Respekt und Neugier. Sie dokumentiert die Orte, wie sie sind, ohne große Inszenierungen. Nur selten räumt sie störenden Müll weg oder rückt ein Objekt leicht zur Seite. Ihre Aufnahmen entstehen mit einfachen, aber verlässlichen Kamera – eine Sony Alpha 6000 mit Weitwinkelobjektiv und Stativ für größere Anlagen. Eine Drohne ergänzt ihr Equipment, um beeindruckende Luftaufnahmen zu machen.

Zwischen rechtlicher Grauzone und Abenteuerlust
Der Zugang zu Lost Places ist nicht immer legal. Agnes betritt nur Orte, die offen zugänglich sind, und achtet darauf, nichts zu beschädigen. Dennoch bewegt sie sich in einer rechtlichen Grauzone, da viele Gebäude keine klaren Eigentümer mehr haben. „Zu ist zu“, ist ihr Grundsatz – abgeschlossen bedeutet: Kein Zutritt. Einmal geriet sie dennoch in eine brenzlige Situation, als sie in einem leerstehenden Krankenhaus unversehens in eine verdeckte Ermittlung der Kriminalpolizei platzte – man hielt sie irrtümlich für eine Kabeldiebin.

Verlust durch Vandalismus
Ein großes Problem der Szene ist Vandalismus. Immer häufiger werden Lost Places verwüstet oder gar geplündert. Für Agnes, die mit viel Gefühl und Respekt an die Orte herangeht, ist das besonders schmerzlich. Ein Hotel im Schwarzwald, das bei ihrem ersten Besuch noch vollständig eingerichtet war, wurde kurze Zeit später völlig zerstört. Besonders tragisch ist der Fall des „Rosenhofs“, den sie noch vollständig dokumentieren konnte, bevor er von Dieben ausgeräumt wurde – samt schwerem Mobiliar.

Vernetzte Szene, aber mit Kodex
In der Lost-Place-Community gibt es einen unausgesprochenen Ehrenkodex. Adressen werden nur vertrauensvoll weitergegeben, oft mit dem Hinweis, diese nicht weiterzuleiten. Der Schutz der Orte steht im Vordergrund. Dennoch hat sich durch Social Media die Szene stark gewandelt – aus einem einst stillen Hobby ist ein öffentlicher Trend geworden. YouTube-Videos mit reißerischen Titeln sorgen für eine Massenbewegung, die Orte schnell zerstört. Seiten, auf denen Koordinaten verkauft werden, tun ihr Übriges.

Vom Buch zur Ausstellung
Agnes plant nicht nur weitere Bücher, sondern auch eine Ausstellung: Im Frühjahr 2026 wird im Kulturhaus Abraxas in Augsburg ihre Ausstellung „Vergessene Welten“ zu sehen sein. Neben klassischen Fotografien wird sie auch Kunstobjekte zeigen – etwa Fotos, die auf Fundstücke wie Ziegel oder alte Teller aufgebracht sind. Ein kreativer Weg, um die Seele der Orte greifbar zu machen.

Technik als Mittel zum Zweck
Obwohl sie sich selbst nicht als technikaffin bezeichnet, weiß Agnes ihre Ausrüstung effektiv zu nutzen. RAW-Dateien bearbeitet sie nicht – ihre ältere Software lässt es nicht zu. Stattdessen konzentriert sie sich auf eine natürliche, aber stimmungsvolle Bearbeitung. Ihr Ziel: Die Atmosphäre, die sie selbst vor Ort gespürt hat, im Bild transportieren.

Keine Inszenierung, sondern Bewahrung
Agnes versteht sich nicht als Künstlerin, die inszeniert – vielmehr als Dokumentarin, die bewahrt. Ihre Bücher sollen keine Emotionen vorschreiben, sondern Raum lassen für eigene Gedanken. Die Bilder sprechen für sich. Ihre Texte enthalten oft historische Details oder Gedanken, die während der Recherche entstanden sind – manchmal auch mit einem humorvollen Augenzwinkern.

Zukunftsprojekte und Träume
Mit dem vierten Buch ist sie bereits gedanklich beschäftigt. Es trägt den Titel „Bunte Ruinen“ und widmet sich der Verbindung von Lost Places und Street Art. Ein spannender Themenkomplex, der erneut aufzeigt, wie kreativ sich verlassene Orte weiterentwickeln können. Und ein Traum bleibt: Lost Places unter Wasser – etwa Wracks oder überflutete Städte. Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen bleibt es aktuell nur ein Wunschtraum, aber: „Man muss ja noch was zum Träumen haben“, sagt Agnes.

Leidenschaft für Vergänglichkeit
Agnes lebt ihre Leidenschaft für vergessene Orte mit Herz, Verstand und einem unerschütterlichen Sinn für Authentizität. Sie ist keine Abenteurerin im klassischen Sinn, keine Influencerin mit Effekthascherei – sondern eine sensible Beobachterin und Geschichtenerzählerin. Wer ihre Bücher liest, begibt sich auf eine Reise in die stille Magie des Verfalls und entdeckt dabei nicht nur verlassene Gebäude, sondern auch die Geschichten, die sie bewahren. Also unbedingt in ihr Buch Lost Places in Bayern reinschauen.

Die Macht der Bilder – Politische Fotografien und ihre Fotografen – Gedanken zur Geschichte der Pressefotografie

23. Januar 2025

Im Moment arbeite ich an einer Seminarserie „Die Macht der Bilder – Politische Fotografien und ihre Fotografen“. Ich beginne mit Lee Miller, gefolgt von Robert Capa und weiteren. Wer eine Einladung zu den Seminaren braucht, bitte hier in meinem Newsletter. Die erste Veranstaltung ist am 27. Januar.

Politische Fotografien haben die Kraft, unsere Wahrnehmung der Welt zu formen, oft mehr als Worte es je könnten. Durch die Linse von Fotografen wurden Momente eingefangen, die nicht nur dokumentieren, sondern aufwühlen, zum Nachdenken anregen und ein tiefes Mitgefühl wecken. Diese Bilder sind Zeugnisse von Kriegen, Protesten, sozialer Ungerechtigkeit und Menschlichkeit in Extremsituationen – Momente, die sich in das kollektive Gedächtnis brennen. In einer Welt der Schnelllebigkeit bleiben politische Fotografien ein kraftvoller Appell für das Bewusstsein und die Erinnerung. Doch woher kommt diese Art der Fotografie?

dpa-Fotograf Anas Alkharboutli (32) in Syrien getötet / Weiterer Text über ots und http://www.presseportal.de/nr/8218 / Die Verwendung dieses Bildes für redaktionelle Zwecke ist unter Beachtung aller mitgeteilten Nutzungsbedingungen zulässig und dann auch honorarfrei. Veröffentlichung ausschließlich mit Bildrechte-Hinweis.

Und die Fotografie fordert Opfer. Vor kurzem wurde der dpa-Fotograf in Syrien getötet. Fotograf Anas Alkharboutli dokumentierte den Bürgerkrieg in Syrien in einer einzigartigen Bildsprache. Er wurde durch den Angriff eines Kampfflugzeugs in der Nähe der syrischen Stadt Hama getötet. Anas wurde nur 32 Jahre alt. Anas Alkharboutli kam 2017 als Fotograf zur dpa im Nahen Osten. Vor allem berichtete er aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet. Gerade in den vergangenen Monaten waren seine Fotos weltweit zu sehen, denn Anas berichtete über den wieder intensiv aufgeflammten Bürgerkrieg und den Vorstoß der Rebellenallianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS).

Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Die Pressefotografie ist ein wesentlicher Bestandteil des modernen Journalismus und hat sich seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert zu einem unverzichtbaren Instrument der Berichterstattung entwickelt. Die Entwicklung der Pressefotografie ist eng mit der technischen Evolution der Fotografie selbst verbunden, aber auch mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die das Bedürfnis nach visueller Dokumentation und Vermittlung von Nachrichten verstärkt haben.

Die frühen Anfänge: Daguerreotypie und erste Bildberichte
Die Geschichte der Pressefotografie beginnt in den 1830er Jahren mit der Erfindung der Daguerreotypie durch Louis Daguerre. Diese Technik ermöglichte es erstmals, Bilder dauerhaft festzuhalten, und fand schnell Anwendung in der Porträtfotografie. Die ersten Versuche, Fotografie im journalistischen Kontext zu nutzen, waren jedoch stark limitiert durch die langen Belichtungszeiten und die Schwierigkeit, diese Bilder zu vervielfältigen. In München wurde dieses Jahr das älteste Foto gefunden und der Öffentlichkeit präsentiert, es zeigt die Frauenkirche. Eine Münchner Wissenschaftlerin hat ein Lichtbild aus dem Jahr 1837 entdeckt. Zwei Jahre, bevor Louis Daguerre seine Erfindung öffentlich machte. Vier mal vier Zentimeter groß und ziemlich blass sieht die Aufnahme von der Münchner Frauenkirche mit ihren Zwiebeltürmen aus – und dennoch belegt sie, dass das Zeitalter der Fotografie in Deutschland zwei Jahre früher als bisher angenommen begonnen hat. Das folgende Foto ist ein Repro: Deutsches Museum

Ein bedeutender Schritt in Richtung moderner Pressefotografie erfolgte während des Krimkriegs (1853-1856). Der britische Fotograf Roger Fenton dokumentierte als einer der ersten Kriegskorrespondenten die Konflikte vor Ort. Seine Bilder, obwohl technisch anspruchsvoll und künstlerisch wertvoll, waren aufgrund der zeitaufwändigen Produktion und der begrenzten Reproduzierbarkeit nicht in der Lage, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Die Etablierung der Pressefotografie: Fortschritte im 19. Jahrhundert
Mit der Entwicklung der Fototechnik im späten 19. Jahrhundert, insbesondere der Erfindung des Gelatine-Trockenplattenverfahrens, wurde es möglich, Bilder schneller und effizienter aufzunehmen und zu verbreiten. Diese technische Innovation ermöglichte es, Fotografie als ein Mittel der Massenerzählung zu etablieren. Die erste massenhaft reproduzierbare Fotografie in einer Zeitung erschien 1880 in der New York Daily Graphic, was den Beginn der modernen Pressefotografie markierte.

Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) setzte der Fotograf Mathew Brady die Fotografie ein, um die Schrecken des Krieges zu dokumentieren. Seine Arbeiten gelten als ein Meilenstein, da sie die Macht der Fotografie zur Dokumentation von Ereignissen und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung demonstrierten. Diese Bilder, die erstmals das Ausmaß von Krieg und Zerstörung einem breiten Publikum zugänglich machten, legten den Grundstein für die Rolle der Fotografie im Journalismus.

Das goldene Zeitalter der Pressefotografie: 1920er bis 1950er Jahre
Die Zeit zwischen den 1920er und 1950er Jahren wird oft als das goldene Zeitalter der Pressefotografie bezeichnet. In dieser Epoche erlebte die Fotografie eine beispiellose Blütezeit, angetrieben durch technische Fortschritte wie die Erfindung der Kleinbildkamera, insbesondere der Leica in den 1920er Jahren. Diese Kameras ermöglichten es Fotografen, schneller und flexibler zu arbeiten und spontane, ungestellte Aufnahmen zu machen.

In den 1930er Jahren wurde die Fotografie durch Illustrierte wie Life und Picture Post weltweit populär. Diese Magazine setzten stark auf Fotoreportagen, die durch ihre visuelle Kraft ganze Geschichten erzählten. Fotografen wie Henri Cartier-Bresson, Robert Capa und Dorothea Lange wurden zu Ikonen der Pressefotografie, indem sie bedeutende historische Ereignisse und gesellschaftliche Realitäten mit ihren Bildern einfingen.

Besonders prägend war die Rolle der Fotografie während des Zweiten Weltkriegs. Robert Capas berühmtes Foto der Landung in der Normandie oder Joe Rosenthals Bild des Hissens der amerikanischen Flagge auf Iwo Jima wurden zu Symbolen des Krieges und prägten das kollektive Gedächtnis. Die Pressefotografie hatte sich als unverzichtbares Mittel der Kriegsberichterstattung etabliert, das die öffentliche Meinung maßgeblich beeinflusste.

Die Pressefotografie im digitalen Zeitalter
Mit dem Aufkommen des digitalen Zeitalters in den 1990er Jahren erlebte die Pressefotografie erneut eine tiefgreifende Transformation. Digitale Kameras revolutionierten die Art und Weise, wie Fotografen arbeiten, indem sie die Möglichkeit boten, Bilder sofort zu überprüfen und zu bearbeiten. Dies führte zu einer Beschleunigung des Nachrichtenzyklus und ermöglichte es, Bilder nahezu in Echtzeit zu verbreiten. Ich habe dazu ein Interview mit dem Leica-Fotografen Herbert Piel geführt.

Das Internet und soziale Medien haben die Verbreitung von Pressefotos weiter verändert. Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram haben es möglich gemacht, dass Fotografien global und ohne Verzögerung verbreitet werden. Gleichzeitig haben diese Entwicklungen die Rolle des professionellen Pressefotografen herausgefordert, da nun jeder mit einem Smartphone potenziell zum Bildberichterstatter werden kann.

Diese Demokratisierung der Fotografie hat jedoch auch ethische und qualitative Herausforderungen mit sich gebracht. Die Authentizität von Bildern ist zu einem zentralen Thema geworden, insbesondere in einer Zeit, in der digitale Bildbearbeitung leicht zugänglich ist und die Verbreitung von Fehlinformationen ein ernsthaftes Problem darstellt.

Die Zukunft der Pressefotografie
Die Pressefotografie steht heute vor neuen Herausforderungen und Chancen. Während technologische Fortschritte weiterhin die Arbeit von Fotografen verändern, bleibt die zentrale Aufgabe der Pressefotografie unverändert: die visuelle Dokumentation und Interpretation von Ereignissen, um die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren.

Die Rolle des Pressefotografen entwickelt sich weiter in einem Umfeld, das durch ständigen Wandel und technologische Innovationen geprägt ist. Doch trotz der Herausforderungen, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, bleibt die Kraft eines einzelnen Bildes, das eine Geschichte erzählt, ungebrochen. Die Zukunft der Pressefotografie wird weiterhin von ihrer Fähigkeit abhängen, in einer zunehmend visuellen Kultur relevant zu bleiben und gleichzeitig die ethischen Standards des Journalismus zu wahren.

Für mich bleibt die Pressefotografie ein unverzichtbares Element der modernen Berichterstattung, das durch seine einzigartige Fähigkeit, Momente einzufangen und Emotionen zu vermitteln, tief in das kollektive Bewusstsein eingreift und die Art und Weise prägt, wie wir die Welt um uns herum verstehen. Ich habe mir vorgenommen, mehr Schwarzweiß in diesem Jahr zu fotografieren. Mit SW habe ich angefangen und ich kann dir Wirkung meiner Bilder besser steuern. 2024 war ich in Prag und dieses Jahr in Estland und habe mit der Fujifilm X100VI meine Fotos in SW geschossen. Ein paar Farbbilder mit dem iPhone waren aber auch dabei.

Bücher über die Geschichte der Pressefotografie gibt es viele. Im Moment lese ich das Buch Die Erfindung der Pressefotografie aus der Sammlung Ullstein 1984-1945. Also ein klarer Tipp mit vielen Bildern deutscher Fotografen, von denen man etwas lernen kann.

Auch super interessant ist das Buch: Das Buch „Licht – Bild – Experiment“ von Cornelia Kemp enthüllt: Franz von Kobell machte die erste Aufnahme der Frauenkirche zwei Jahre früher als bisher angenommen. Als Geburtsjahr der Fotografie gilt das Jahr 1839, als Louis Jacques Mandé Daguerre seine Erfindung in Paris öffentlich machte. Die ältesten Aufnahmen aus Deutschland stammen von Franz von Kobell und werden in den Sammlungen des Deutschen Museums aufbewahrt. Cornelia Kemp hat die Bilder jetzt untersucht und herausgefunden, dass das älteste auf März 1837 datiert ist. Es zeigt die Frauenkirche in München. Mit ihrem neuen Buch „Licht – Bild – Experiment. Franz von Kobell, Carl August Steinheil und die Erfindung der Fotografie in München“ ergänzt die Wissenschaftlerin die Frühgeschichte dieser Bildtechnik um ein neues Kapitel.

Netflix-Dou The Greatest Night in Pop – Rückblick auf den Song Song „We Are the World“

4. März 2024

Ich mag ja Musikdokumentationen. Sie erklären und Glorifizieren ein musikalisches Ereignis oder einen Künstler. Sie sind Seelenbalsam für den Fan. Und daher machte ich mich daran, die Doku „The Greatest Night in Pop“ anzusehen, die auf Netflix veröffentlicht wurde. Es ist ein Blick hinter die Kulissen, wie im Januar 1985 über Nacht der Song „We Are the World“ aufgenommen. Damals schlossen sich Musiker unter der Leitung von Produzent Quincy Jones um eine Single zu produzieren, deren Erlös den Hungernden in Äthiopien zugute kam.

Nun, es wurden Unmengen an Kohle durch das seichte Liedchen eingespielt. Auch ich habe mir die Single damals gekauft, die in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1985 eingespielt wurde. 45 Musiker waren dabei und es war ein Who-is-Who der damaligen Pop-und Rockbranche, die dann unter den Namen USA for Africa firmierte. Lionel Richie und Michael Jackson hatten den Song „We Are the World“ komponiert, kein wirkliches Meisterwerk, aber eine eingängige Melodie. Eigentlich sollte Stevie Wonder auch mitschreiben, der war aber nicht erreichbar und dann sauer, dass er nicht mitgeschrieben hatte. Die Netflix-Doku „The Greatest Night in Pop“ von Regisseur Bao Nguyen zeigt etwas pathetisch den Blick hinter die Kulissen.

Um alle Künstler unter einen Hut zu bringen, wurde als Aufnahmetermin die Nacht des American Music Awards gewählt, weil zu diesem Zeitpunkt viele der Stars in LA anwesend waren. Sehr gut dokumentiert, wie sich der Druck aufbaute. Und wie relativ gut die Geheimhaltung war, denn soviel Stars auf einen Haufen wären ein Fressen für die Presse gewesen. Aber das Ereignis wurde gut dokumentiert und Teile des Materials kursierten schon lange im Netz. Die Doku ordnete sie, ergänzte sie und kommentierte sie.

Ich mag ja einige der Stars, die hier zusammenkamen, aber am meisten interessierte mich – wie könnte es anders sein – der Part von Bob Dylan. Die Legende hatte in den achtziger Jahren nicht seine beste Zeit und ist es absolut nicht gewohnt zu arbeiten, wenn andere zusehen.

Aber als Dylan-Fan interessierte mich vor allem, wie His Bobness die Nacht verbrachte und ihn war anzusehen, dass er zwar dabei war, aber der Kopf und die Gedanken des Musikers waren wohl woanders. Im Grunde sah er aus wie wie Sturmkrähe. Er konnte oder wollte sich die simple Textzeile nicht merken und interpretierte seinen Part immer wieder auf andere Weise, brach ab, bat Stevie Wonder um Unterstützung. Wonder spielte Dylans Part am Klavier und imitierte den Gesang der Musikikone. Das brach wohl das Eis. Dylan bekam eine Extrawurst und die meisten Musiker mussten das Studio verlassen als Dylan seinen Part einsang. Produzent Quincy Jones blieb ruhig und konzentriert, war aber wohl froh, als der Gesangspart von Bob Dylan vorbei war. Während die anderen Musiker und Sänger sich in Szene setzen und Vollprofis waren, hatte Dylan wohl etwas eingenommen, war sichtlich nervös und das Unbehagen war ihm ins Gesicht geschrieben. Der Kopfhörer hing schief und die ganze Sache schien ihn keinen rechten Spaß zu machen.

„Lasst euer Ego vor der Tür“ hatte Quincy Jones die Stars gebeten und es hat scheinbar funktioniert. Nun Stevie Wonder schoß quer, weil er meinte, dass eine Songzeile in Kiswahili besungen werden sollte. Allerdings spricht man in Äthiopien kein Kiswahili. Country-Outlaw Waylon Jennings warf das Handtuch und ging mit den Worten „Die guten alten Jungs haben nie Kiswahili gesungen.“

Vielleicht hätten die Musikmillionäre nicht ein Lied für Äthiopien singen sollen, sondern vielleicht hätte man zusammenlegen sollen und hätte Äthiopien gekauft. Mir hat die Doku einen Spaß bereitet und nah Band Aid und später Live Aid war klar: Auch Musiker konnten sich für etwas engagieren.

100. Geburtstag von Georg Stefan Troller

10. Dezember 2021

Es gibt Menschen, die bewundere ich wegen ihrer Haltung. Es gibt Menschen, die bewundere ich wegen ihrer Erfahrung. Und es gibt Menschen, die bewundere ich wegen ihres Könnens. Georg Stefan Troller ist so ein Mensch, den ich wegen all diesen Eigenschaften und noch mehr bewundere. Heute am 10. Dezember 2021 wird der große Geschichtenerzähler und Grandsenior des deutschen Nachkriegsjorunalismus 100. Jahre alt. Ich gratuliere von ganzem Herzen.

Der am 10. Dezember 1921 geborene Troller kam als junger GI zu Radio München, dem Vorläufer des Bayerischen Rundfunks, und begann hier seine Karriere als Reporter. In diesem kleinen Video erzählt er seine Geschichte: Es laufen den ganzen Tag Ehrungen und alte Reportagen von im Fernsehen.

Ich durfte Troller einmal treffen und diese Zusammenkunft hat mich menschlich (und auch fachlich) tief berührt. Es war im November 2019 als Georg Stefan Troller in München sein Buch 97 Begegnungen meines Lebens vorstellte. Ich habe über den Abend gebloggt. Ich konnte im Vorfeld mit ihm ein wenig plaudern und er signierte anschließend meine mitgebrachten Bücher Paris geheim und das legendäre Pariser Journal, ein Buch, das ich immer bewundert habe. Dieses Buch basiert auf einer Filmreihe, die Troller fürs Fernsehen drehte.

Wenn es mir vergönnt ist, Georg Stefan Troller noch einmal zu treffen, würde ich gerne mit ihm über einen Film sprechen, den ich neulich wieder entdeckt habe. Es ist die Dokumentation Deutschland, die er im Auftrag der Lufthansa gedreht hat. Es sind die 70er pur. Farben, Leben, Freude und ganz viel Charme sind zu sehen.


Ich habe noch eine Super 8-Kopie dieser aufwendigen Dokumentation, die vor allem Spaß und Lebensfreude ins Ausland vermittelte. Die Deutschen sind gar nicht so öde und streng, wie es immer gesagt wird. Die flotte Musik schuf übrigens Klaus Doldnger. Der Film wurde auf dem 14. Internationalen Film- und TV-Festival in New York mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Ich glaube nicht, dass es das Festival noch gibt, aber Preise klingen immer gut.


Der Film zeigt an verschiedenen Personen aus Ländern wie USA, Brasilien, Frankreich oder Japan wie sie Deutschland empfinden. Aus dem Off kommentiert Troller die handelnden Personen mit einem sehr schönen Humor in seiner einzigartigen Stimme. Genau diesen Humor habe ich kennenlernen dürfen bei der Veranstaltung in München.
Also nochmal: Alles, alles Gute zum 100. Geburtstag lieber Georg Stefan Troller.

Ein Film für jeden Wahlkämpfer: Herr Wichmann von der CDU

11. Januar 2013

Herr Wichmann von der CDU - ein Lehrstück über Politik.

Herr Wichmann von der CDU – ein Lehrstück über Politik.

Dieses Jahr stehen bei uns in Bayern wieder Wahlkämpfe an: Einmal für die Wahlen zum Bayerischen Landtag und dann zum Deutschen Bundestag. Mit dem Film Herr Wichmann von der CDU stimme ich mich auf die Phase des Stimmenfangs ein, schließlich gehört zu meinen Berufsfeld auch die Politikberatung. Mein jüngster Kommunalwahlkampf führte zu einem Bürgermeisteramt für meinen Kandidaten.

Herr Wichmann ist eine 75minütige Dokumentation über einen wackeren 25jährigen Wahlkämpfer aus Henryk Wichmann aus der Uckermark. Er trat 2002 als Direktkandidat für die CDU an, unterlag aber schließlich gegen Markus Meckel von der SPD. Der Film zeigt die mühevolle Kleinarbeit des jungen Kandidaten, der sich für sein Land und seine Mitbürger einsetzen will. Der Film ist ein wunderbares Lehrstück für alle Kommunalpolitiker. Dabei kommentiert der Film nicht mit Worten, sondern zeigt nur Bilder, schafft Atmosphäre. Kein Sprecher aus dem Off kommentiert die Szenen und interpretiert. Die Handlungen von Herrn Wichmann stehen für sich selbst. Daher ist der Dokumentarfilm von Andreas Dresen filmtechnisch eine sehr interessante Form der Dokumentation.

Für mich ist es ein interessanter Blick hinter die Kulissen eines Wahlkampfs in Deutschland, ohne Spin-Docter. Henryk Wichmann hat eine Vision und will diese verwirklichen. Er setzt sich für seinen Landstrich ein. Dabei kommt der (ungewollte) Humor im Film nicht zu kurz. Teilweise tragisch-komisch, teilweise leise-komisch wirkt das Vorgehen des CDU-Mannes. Das Ritual mit dem Aufstellen des CDU-Sonnenschirms und die zum Teil vergeblichen Versuche mit dem Wähler ins Gespräch zu kommen, haben etwas von Fremdschämen. Das Singen des Deutschlandliedes kam auch schon besser. Der Sonnenschirm wird immer wieder vom Wind umgekippt. Dabei lautet der Spruch von Wichmann doch: Frischer Wind bringt Bewegung in die Politik. Allein mit seinen Prospekten und Kugelschreibern steht Wichmann in leeren Fußgängerzonen oder Ausfallstraßen. Wenn er dann mit Bürgern ins Gespräch kommt, werden im Grunde nur Plattitüden ausgetauscht. „Die Grünen sind schuld, wenn keine Arbeitsplätze entstehen.“ Ist das die politische Auseinandersetzung, wie wir sie wollen? Teilweise aber auch erschreckend, wie frustriert die Wähler sind und zu welchen Äußerungen sie sich hinreißen lassen.

Hart ist der Job des Wahlkämpfers, der keinen großen Stab hinter sich hat und im Grunde ein Einzelkämpfer ist. Er ist Mädchen für alles, fährt mit seinem Mercedes zu den Auftritten, druckt Plakate selbst, plakatiert selbst, sucht das Gespräch auf Volksfesten, in Fußgängerzonen. Krasser Gegensatz dazu ein Unterstützungsauftritt von Angela Merkel, die auf eine perfekt eingespielte Wahlkampfmaschinerie zurückgreifen kann. Während bei Wichmann alles improvisiert ist, greift bei Merkel das Räderwerk ineinander.

Der Film zeigt Henryk Wichmann in der politischen Auseinandersetzung mit dem Gegner in Turnhalle und Gemeindezentren. Als Wichmann ein Altenheim besucht, zeigt der Film deutlich, was Stimmenfang heißt. Zwar scheint sich Wichmann für die Senioren zu interessieren, dennoch hatte ich das Gefühl, dass hier bei Kaffee und Kuchen nur nach Stimmen gefischt wird.

Ich empfehle den Film Herr Wichmann von der CDU jedem Wahlkämpfer, der sich die politische Ochsentour antun will. Der Film zeigt eindrucksvoll den mühsamen Kampf und auch das Scheitern. Weder Edmund Stoiber ist damals Kanzler geworden, noch Herr Wichmann hat sein Direktmandat erhalten. Der Film wurde 2012 fortgesetzt mit „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“. Er zeigt die Arbeit des Abgeordneten im brandenburgischen Landtag.

Stativ im Bärentest

30. Juli 2010

Wer den Eisbär vor der Kamera hat, sollte gutes Material haben.

Wer den Eisbär vor der Kamera hat, sollte gutes Material haben.

Bei den sommerlichen Temperaturen über Eisbären zu schreiben ist wohl etwas daneben, aber dennoch mache ich es. Als digitaler Journalist bin ich natürlich oft mit der Videokamera unterwegs und ich nutze als Ausrüstung (Stativ und Kopf) die Sachen von Manfrotto. Für den Semi-Pro-Bereich reicht die Ausrüstung aus, doch wenn die Produktion größer wird, dann ist wohl die Ausrüstumng von Sachler angebracht. Vor kurzem bin ich auf eine schöne Userstory gestoßen. Der Kameramann, Tierfilmer und Abenteurer Andreas Kieling drehte wochenlang auf Spitzbergen Eisbären in ihrer natürlichen Umgebung. Dabei gelangen ihm einmalige und außergewöhnliche Aufnahmen. Der Dreh der Dokumentation nördlich des Polarkreises stellte hohe Ansprüche an Mensch und Technik.

Andreas Kieling aus Deutschland ist Förster, Fotograf und Kameramann. Vor allem aber ist er eines: Abenteurer. Fasziniert von Tieren, reist er an die entlegensten Orte der Welt, um bedrohte Arten aufzuspüren. Seine Auftraggeber, wie der National Geographic Channel, BBC, ARD oder ZDF, danken es ihm, denn Andreas Kieling ist mit seiner Kamera immer ganz nah dran. Er ist schon zusammen mit einem Grizzlybären getaucht und hat als Erster Eisbären bei der Paarung gefilmt. „Die Eisbären haben mir ganz wesentlich dabei geholfen, mich als Tierfilmer zu etablieren. Ich bekam Szenen vor die Kamera, wie sie bis dato noch nie gedreht geworden waren, zum Beispiel Interaktionen zwischen Schlittenhunden und Eisbären. Eisbären, die im Eiswasser schwimmen, die Eisdecke durchbrechen und auftauchen. Die Redakteure waren schwer beeindruckt, als sie das Material sahen, so Andreas Kieling.

Der Dokumentarfilmer liefert lebendige Bilder, die eine besondere Geschichte erzählen. Ein Gefühl für draußen und der unbedingte Wille, sich den Tieren anzunähern – was mitunter Monate in Anspruch nimmt – sind entscheidende Eigenschaften von Andreas Kieling. Immer auf der Suche nach neuen Perspektiven für die Zuschauer fängt er außergewöhnliche Szenen ein, die überraschen und mitreißen. Beim Dreh an abgelegenen Orten muss er sich auf seine Ausrüstung zu 100 Prozent verlassen können: „In der Wildnis kann ich mir keinen Ausfall leisten. Es gibt mir Sicherheit, wenn ich weiß, auf das Equipment ist Verlass. Ob die Tiere mitspielen, ist ein anderes Thema, meint der Naturfilmer. Sein Handwerkszeug darf auch nicht zu viel wiegen: „Ich muss Gewicht sparen, also ein kompaktes Stativ und eine kleine Kamera einpacken – sonst komme ich gar nicht auf den Berg, wo der Gorilla zu Hause ist. Das Speedlock Stativ von Sachtler ist super: schnell drehfertig und sehr präzise. Alles in allem trage ich ungefähr 35 Kilo.“

Andreas Kieling ist ein harter Brocken und Kameramann.

Andreas Kieling ist ein harter Brocken und Kameramann.

Andreas Kieling ist bei den meisten seiner Expeditionen mit einem nur dreiköpfigen Team unterwegs – einem zweiten Kameramann, der ihn selbst beim Filmen der Tiere aufnimmt und einem Crewmitglied für den Ton. „Ich möchte das Interesse für die Natur wecken, den Zuschauer an die Hand nehmen und dafür interessieren, dass sie schützenswert ist“, erklärt der Kameramann seine Motivation. Für seine Dokumentationen arbeitet er unter Extrembedingungen, Sandstürme, Raureif, starke Hitze oder klirrende Kälte sind keine Seltenheit. „Sachtler Köpfe sind sehr robust, auch in extremen Temperaturbereichen. Bei Minus 52 Grad Celsius ist der Mensch am Limit.“ Respekt an Andreas Kieling, aber bei Minus 52 Grad Celsius kann mir der Eisbär gestohlen bleiben.