Mit The Shining schuf Stanley Kubrick 1980 einen der stilprägendsten Horrorfilme der Kinogeschichte – ein Meisterwerk, das bis heute nichts von seiner verstörenden Faszination verloren hat. Ich bespreche und zeige den Film in meiner phantastischen Matinee am Sonntag, 16. November, um 10:45 Uhr im Scala Fürstenfeldbruck. Karten gibt es hier.
In der atemberaubenden Kulisse des abgelegenen Overlook Hotels entfaltet sich ein psychologischer Albtraum, der mit seiner beklemmenden Atmosphäre und ikonischen Bildern Kinogeschichte schrieb. Jack Nicholson liefert in seiner Paraderolle als Jack Torrance eine unvergessliche Darstellung zwischen Wahnsinn, Isolation und unheimlicher Gewalt, während Shelley Duvall und Danny Lloyd als Familie am Rand des Zusammenbruchs brillieren. Kubricks präzise Kameraarbeit, die hypnotische Musik und die meisterhafte Inszenierung erzeugen eine Spannung, die unter die Haut geht – subtil, elegant und unerbittlich. The Shining ist mehr als ein Horrorfilm: ein visuelles Erlebnis, ein psychologischer Trip und ein zeitloser Klassiker, der Zuschauerinnen und Zuschauer immer wieder in seinen Bann zieht – “for ever and ever and ever.”
Mein persönlicher Abschluss des diesjährigen Oktoberfestes war am Tag der Deutschen Einheit und mein Besuch des Innungsschießens im Armbrustschützenzelt.
Ich arbeite als PR-Fuzzi für Handwerksorganisationen und konnte gleich zwei Kunden zum Highlight begleiten. Das Innungsschießen auf dem Münchner Oktoberfest gehört zu den traditionsreichsten Wettbewerben, die sich mitten im bunten Festbetrieb erhalten haben. Während ringsum Maßkrüge klingen, Kapellen aufspielen und die Wiesn von Volksfeststimmung erfüllt ist, herrscht im großen Holzbau der Schützenarena konzentrierte Ruhe und sportliche Spannung.
Organisiert wird dieses Ereignis vom traditionsreichen Schützenverein Finzerer Fändl, einer Münchner Institution, die seit Jahrhunderten eng mit der Pflege des Armbrustschützensports verbunden ist. Das Fändl, dessen Wurzeln bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, hält mit dem Innungsschießen einen lebendigen Bezug zu seiner historischen Bedeutung: Damals wie heute steht hier Kameradschaft, Präzision und Traditionspflege im Mittelpunkt. Seit 57 Jahren findet dieser Wettbewerb mit dem Schlachtruf „Gut Bolz“ statt.
Das Innungsschießen selbst versammelt alljährlich Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Münchner Handwerks-Innungen, die sich im Armbrustschützenzelt miteinander messen. Dieses Jahr waren es über 200 Handwerker. Es ist weit mehr als ein reiner Sportwettbewerb: Der Wettstreit spiegelt die Verbundenheit zwischen Handwerk, Brauchtum und der Münchner Stadtkultur wider. Jede Innung tritt mit eigenen Mannschaften an, deren Mitglieder nicht selten Schützen in mehreren Generationen stellen. Mit großer Ernsthaftigkeit wird dabei um Ringe und Plätze geschossen, doch der gesellige Austausch, die Pflege der Freundschaften zwischen den Innungen und die gemeinsame Feier im Anschluss machen mindestens genauso viel vom Reiz dieses besonderen Ereignisses aus.
Das Armbrustschützenzelt bietet dafür die perfekte Kulisse. In dem festlich geschmückten Zelt herrscht eine einzigartige Doppelatmosphäre: Auf der einen Seite der Trubel des Festzelts mit Musik, Bier und bayerischer Küche, auf der anderen Seite der Bereich, in dem Wettkampfordnung, absolute Ruhe und Konzentration gelten.
Besucher können so die besondere Spannung miterleben, die entsteht, wenn mitten auf der größten Volkswiese der Welt auf höchstem Niveau geschossen wird.
Dass das Finzerer Fändl Ausrichter des Innungsschießens ist, verleiht der Veranstaltung noch eine tiefere historische Dimension. Der Verein, dessen Mitglieder in kunstvoller historischer Tracht auftreten und der selbst noch immer eng mit Münchner Stadtgeschichte verbunden ist, versteht es, das Innungsschießen zwischen Sport und historischer Erinnerung zu verankern. Für viele Schützen ist es eine Ehre, im Oktoberfesttrubel um die begehrten Innungs-Ehrenpreise anzutreten.
Auf diese Weise hat sich das Innungsschießen zu einem festen Baustein im vielschichtigen Geflecht der „Wiesn“ entwickelt. Es steht für eine eher stille, traditionsbewusste Facette des Oktoberfestes, die im Schatten der großen Fahrgeschäfte und Bierpaläste oftmals leicht übersehen wird, aber zu den tiefsten Schichten des Münchner Brauchtums gehört. Wer im Armbrustschützenzelt beim Innungsschießen verweilt, spürt, dass das Oktoberfest eben nicht nur ausgelassene Feier, sondern immer auch Spiegel der kulturellen Wurzeln Münchens ist – und dass es gerade diese lebendigen Traditionen sind, die das Fest so unverwechselbar machen.
Meine Kunden und ich hatten ihren Spaß, kamen aber nicht unter den Siegern. Aber nach dem olympischen Motto war die Teilnahme schon eine Ehre. Übrigens, da ich kein Handwerker bin, habe ich natürlich nicht mitgeschossen.
Damit endet für mich das Oktoberfest 2025, das auch von einem möglichen Attentat und von einer überfüllten Theresienwiese geprägt war. Ich erinnerte mich immer an das schreckliche Wiesn-Attentat von 1980 und werde dieses Jahr dazu ein Seminar dazu machen. Infos über meinen Newsletter. Während das Oktoberfest noch zwei Tage weitergeht, widme ich mich anderen Dingen, sortiere die Wiesnfotos und schwöre dem Alkohol ab.
Wer das erste Mal eine Vinyl-Schallplatte aus der Hülle zieht, spürt sofort: Musik ist mehr als Sound aus dem Lautsprecher, sie ist greifbar, lebendig, voller Seele. Das sanfte Knistern, das Unikat im Cover und das bewusste Auflegen der Nadel – jede Bewegung ist Vorfreude, jeder Song eine kleine Zeremonie, die Herz und Sinne anspricht. Vinyl begeistert, weil es Musik einen Raum gibt, der zwischen Nostalgie und unmittelbarer Tiefe schwebt. Es ist, als würde die Zeit auf magische Weise anhalten: Jeder Ton erzählt Geschichten, jeder Knackser ist Erinnerung – und das Album wird zum persönlichen Schatz. Wer jemals diese Faszination gespürt hat, weiß: Schallplatten sind pures Glück, immer wieder neu und immer wieder einzigartig. Das sind meine Vinyl-Käufe des Monats.
Grateful Dead: „Workingman’s Dead“ Ich mag die Dead, würde es aber nie wagen, mich als Deadhead zu bezeichnen. Ihre Musik, vor allem die Live-Alben genieße ist. Aber ab und zu greife ich zu den Studioaufnahmen, wie bei „Workingman’s Dead“. Das Album gilt als Wendepunkt in der Geschichte der Band – ein Album, das mit seiner Wärme, Klarheit und stilistischen Erdung auch nach über fünf Jahrzehnten begeistert. Statt psychedelischer Jams dominieren hier kompakte Songs, inspiriert von Country, Folk und klassischer Americana. Schon der Opener „Uncle John’s Band“ vermittelt eine intime, fast familiäre Atmosphäre, die durch die gesamten acht Titel hindurch tragend bleibt.
Die instrumentale Disziplin und die harmonische Vielschichtigkeit heben das Album aus der Masse hervor: Die Musiker verstehen es, scheinbar einfache Songideen mit einer berührenden Tiefe zu versehen. „High Time“ brilliert mit fragilen Gitarren und sanften Stimmen, während der ironische „New Speedway Boogie“ mit zupackenden Blues-Elementen überraschen kann. Das berühmte Finale „Casey Jones“ bleibt dank seiner Eingängigkeit und witzigen Lyrics bis heute ein Klassiker.
Auffällig ist die Lebensfreude, die aus den Aufnahmen spricht. Die Dead spielen unverkennbar mit Lust und Hingabe – und das drückt sich in einer Offenheit aus, die das Album zur Inspirationsquelle für nachfolgende Musiker im Americana-Bereich macht. Zugleich ist „Workingman’s Dead“ ein Gegenbeweis zur häufig gehörten Behauptung, die Band könne ihre Magie nur live entfalten: Die schlichte, warme Produktion beweist hier das Gegenteil.
Viele Kritiker und Fans sehen „Workingman’s Dead“ als eines der besten und vor allem zugänglichsten Alben der Grateful Dead. Das mag für die Studio-Alben zutreffen. Es verbindet handwerkliches Können mit Authentizität und einem Gespür für das Wesentliche. Das Album wirkt weder schwülstig noch überladen, sondern erzählt auf musikalisch und textlich direkte Weise von Alltag, Hoffnung und der Kraft der Musik, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen.
Gerade heute lädt „Workingman’s Dead“ zum tieferen Hinhören ein – als audiophile Referenz dank neuer Remasterings ebenso wie als zeitloses Statement amerikanischer Songkultur. Wer Grateful Dead in ihrer konzentrierten, songorientierten Form erleben möchte, findet hier einen idealen Einstieg und ein Werk, das so frisch und lebendig klingt wie am ersten Tag.
Supertramp: „Breakfast in America“ „Breakfast in America“ von Supertramp ist eines dieser Alben, das im besten Sinne überwältigt: Schon mit den ersten Tönen von „Gone Hollywood“ öffnet sich eine Klangwelt, die voller Sehnsucht, Ironie und bittersüßer Melancholie steckt. Kaum eine andere Platte der späten Siebziger schafft es so nahtlos, große Popmomente mit persönlicher Zerbrechlichkeit zu verbinden. Die Songs glänzen, tanzen und schwanken zwischen Lebensfreude und Weltschmerz – jede Zeile scheint die Suche nach Sinn und das Staunen über das große Abenteuer Leben zu spiegeln.
Ich musste mir die Picture Disk kaufen, nachdem Rick Davies verstarb. “Breakfast in America” ist das sechste Studioalbum der britischen Band Supertramp und gilt als ihr kommerziell erfolgreichstes Werk. Es erschien am 29. März 1979 und wurde zum internationalen Durchbruch der Band. Supertramp bestand zu dieser Zeit aus Rick Davies (Keyboards, Gesang), Roger Hodgson (Gesang, Gitarre, Keyboards), John Helliwell (Saxofon, Klarinette), Dougie Thomson (Bass) und Bob Siebenberg (Schlagzeug). Der Albumtitel wurde von Roger Hodgson vorgeschlagen und spielt ironisch auf die amerikanische Lebensweise und deren Klischees an.
Unvergessen bleibt dieses kurze Innehalten bei „The Logical Song“, wenn die Frage nach Identität und Erwachsenwerden nachhallt und mit einem einzigen Chorus Erinnerungen an das eigene Suchen und Zweifeln heraufbeschworen werden. Die Arrangements, mal verspielt und leicht, mal druckvoll und hymnisch, machen das Album zu einem melancholischen Roadtrip durch Träume, Verluste und Hoffnung.
Bis heute versprüht „Breakfast in America“ eine ganz eigene Magie. Es ist ein Album voller herausragender Melodien, aber vor allem voller Gefühl – für all jene, die Musik nicht nur hören, sondern spüren wollen.
Jean-Michel Jarre: Live in Bratislava/Collector’s Ltd. Es ist kein reines Vinyl-Album, sondern eine fette Box mit CD, Bluray, Vinyl und Buch. Jean-Michel Jarres „Live in Bratislava/Collector’s Ltd.“ ist mehr als nur ein Konzertmitschnitt – es ist ein emotionales Gesamtkunstwerk, das den Genius des Elektronik-Pioniers in unvergleichlicher Weise inszeniert. Dieser Livemitschnitt fängt die Magie eines historischen Abends ein, an dem über 100.000 Menschen entlang der Donau zu einer Symbiose aus Klang, Licht und technischen Visionen verschmolzen.
Die Musik trägt eine fast tranceartige Intensität, während die von Jarre selbst entworfene Bühne mit ihren 30 Meter hohen Türmen die ikonische UFO-Brücke umrahmt und das Publikum in eine futuristische Klanglandschaft entführt. Die Zusammenarbeit mit Sir Brian May sowie der slowakische Philharmonische Chor verleihen dieser Produktion eine monumentale Dimension, die zugleich berührend und episch wirkt.
In jedem Ton, jedem Lichtspiel spürt man die Hingabe, mit der Jarre seine jahrzehntelange künstlerische Vision lebt – eine Vision, die Grenzen sprengt und auf einzigartige Weise die Faszination für Technik, Natur und Musik vereint. Dieses Live-Album ist ein Erlebnis für alle Sinne, das einem die Zukunft der Musik im Hier und Jetzt begreifbar macht.
„Live in Bratislava“ ist somit nicht nur ein Album, sondern ein emotionaler Moment, der die Kraft der Musik in ihrer fulminantesten Form zeigt und jeden Hörer mit auf eine unvergessliche Reise nimmt. Die blaue Vinyl-Platte in der Box ist die Musik, die vor dem Konzert gespielt wurde – fast meditativ und wunderschön.
Tron: Ares Soundtrack Der Soundtrack zu „TRON: Ares“ von Nine Inch Nails – ein düsterer, kraftvoller Klangkosmos, der den Zuhörer regelrecht in die digitale Zukunft katapultiert. Mit jeder Note spürt man die Kälte und Spannung einer Welt, in der Technologie und Menschlichkeit auf unerbittliche Weise aufeinandertreffen. Trent Reznor und Atticus Ross erschaffen hier keine einfache Filmmusik, sondern ein audiovisuelles Erlebnis voller abstrakter, dröhnender Synthesizer, das zugleich verstört und fasziniert.
Die Musik ist wie eine verzerrte Reflexion unserer eigenen Ängste und Sehnsüchte im Angesicht künstlicher Intelligenz – bedrohlich, präzise und manchmal unangenehm. Doch genau darin liegt ihre Kraft: Sie lädt dazu ein, sich mit den großen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen, während die pulsierenden Beats und düsteren Klanglandschaften einen in einen tranceartigen Zustand versetzen. „TRON: Ares“ klingt nach Apokalypse und Neugeburt zugleich – ein episches, emotional aufwühlendes Meisterwerk elektronischer Klangkunst, das lange nach dem letzten Ton nachklingt.
Dieser Soundtrack ist kein Wohlfühlbegleiter, sondern ein emotionaler Schlag, der die Grenzen des Genres sprengt und den Hörer fordert und belohnt. Wer sich auf diese Klangreise einlässt, erlebt die Zukunft des Filmsounds in seiner intensivsten Form.
Ich habe die rot-schwarze Version des Soundtracks.
Europa Gruselserie: „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ Ich erinnere mich gerne an die Zeiten als ein Freund in den achtziger Jahren die giftgrünen und pinken Hörspielcassetten von Europas Gruselserie hatte und wir sie nach der Schule hörten. Jetzt kam das Hörspiel „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ aus der legendären Gruselserie als limitiertes Vinyl auf den Markt. Es ist für mich ein Musterbeispiel für jene Mischung aus Schauer, Trash und überschäumender Kreativität, die die Reihe in den 1980er-Jahren so unverwechselbar gemacht hat. Das Werk entfaltet dabei seine Wirkung weniger durch fein ausbalancierte Dramaturgie oder psychologische Tiefe, sondern durch eine klischeebeladene, übersteigerte Inszenierung, die gerade dadurch ihren nostalgischen Reiz hat.
Die Handlung wirkt typisch für die Serie: Wissenschaft, Wahnsinn, künstliche Monster und ein allgegenwärtiges Gefühl von Bedrohung verschmelzen zu einer überdrehten Horrorvision. Dass die Figuren oft schablonenhaft gezeichnet sind und Dialoge nicht selten unfreiwillig komisch klingen, trägt paradoxerweise zum Charme bei. Gerade im Rückblick zeigt sich, wie stark die Reihe mit klassischen Versatzstücken des Horrorkinos spielte, ohne sich um Kohärenz oder Logik allzu viel zu kümmern. Stattdessen setzt sie auf schnelle Effekte, grelle Atmosphären und eine akustische Überwältigung.
Die Geräuschkulisse und Musikuntermalung sind, wie bei Europa üblich, das eigentliche Highlight: donnernde Orgelklänge, polternde Türen und verzerrte Schreie erzeugen Bilder im Kopf, die ungleich plastischer sind als es das Drehbuch vermag. Dass die Serie einem jüngeren Publikum von einst auch eine gesunde Dosis Kitsch zumutete, gehört zu den Gründen, warum sie heute Kultstatus genießt. „Frankensteins Sohn im Monster-Labor“ kann man kaum ernsthaft als gelungenes Hörspiel im klassischen Sinn bezeichnen – zu holzschnittartig sind Handlung und Figurenführung. Doch genau dieser naiv-theatralische Ton macht es heute zum nostalgischen Hörvergnügen, das mit seinem überzeichneten Grusel zu einer Zeitreise in die 80er Jahre einlädt.
Im Kontext der Gruselserie erweist sich diese Folge als repräsentativ für die Stärken wie auch die Schwächen des gesamten Konzepts: mangelnde Feinarbeit in Drehbuch und Dramaturgie, dafür aber eine unverwechselbare Stimmung, die von Heftroman-Atmosphäre bis zu B-Film-Versatzstücken reicht. Wer ein feines psychologisches Horrorhörspiel sucht, wird hier nicht fündig. Wer sich jedoch auf die Mischung aus Schauerklängen, wilden Effekten und übertriebenen Schurkenposen einlässt, entdeckt ein Stück kultigen Hörspiel-Horrors, das längst Teil popkultureller Kindheitserinnerungen geworden ist.
Die Vinyl ist durchsichtig und mit roter Farbe gefüllt, die sich beim Drehen bewegt – sehr originell.
Das Stehlen von Maßkrügen aus den Zelten beim Oktoberfest wirkt auf den ersten Blick wie ein harmloser Spaß – ein originelles Andenken, das den besonderen Tag festhalten soll. Doch diese vermeintlich lustige Aktion hat Folgen, die weit über den flüchtigen Moment hinaus reichen. Ein Maßkrug ist mehr als ein souvernirträchtiges Stück Glas: Er gehört dem Veranstalter, und das Mitnehmen ohne Erlaubnis ist schlicht und einfach Diebstahl – mit allen rechtlichen Konsequenzen. Bei meinem bevorstehenden Besuch im Hofbräu-Zelt auf der Wiesn, wartete ich auf Bekannte und konnte das Herausschmuggeln der Glas-Maßkrüge beobachten.
Die Versuchung ist groß, gerade wenn das Bier die Hemmungen senkt und viele sich dazu hinreißen lassen – doch jedes Jahr werden Hunderttausende Krüge eingesammelt, weil sie auf krummen Wegen ins Freie gelangt sind. Wer erwischt wird, dem drohen empfindliche Strafen: Es können Geldstrafen von bis zu 360 Tagessätzen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt werden – vor allem bei Wiederholungstätern. Auch wenn das Verfahren bei Ersttätern oft eingestellt wird, ein „blauer Fleck“ für die eigene Akte bleibt und die Personalien werden aufgenommen. Die Lebensfreude des Oktoberfests endet dann abrupt mit bürokratischem Ärger und einem schlechten Gefühl.
Die Maßkrug-Diebstähle belasten zudem die Festwirte und das Sicherheitspersonal, verschärfen die Kontrollen und stören das friedliche Miteinander. Wer einen echten Wiesn-Maßkrug als Andenken mit nach Hause nehmen möchte, kann ihn ganz legal am Souvenirstand kaufen – oft mit künstlerischer Plakette und Kaufbeleg, der vor peinlichen Missverständnissen schützt. So bleibt die Erinnerung an das Oktoberfest ungetrübt, und das Gewissen sauber.
Beim Hofbräu waren die Sicherheitsleute und Ordner sehr scharf und erwischten einige vermeintliche Spaßvögel beim Herausschmuggeln der Krüge.
Das Oktoberfest lebt von seiner Gemeinschaft, von Respekt und der Lust am gemeinsamen Feiern. Das Stehlen eines Maßkrugs mag wie ein Kavaliersdelikt erscheinen, ist aber eine schlechte Idee – und kann richtig teuer werden. Wer ehrlich bleibt, feiert nicht nur besser, sondern trägt auch dazu bei, dass das Volksfest für alle in schöner Erinnerung bleibt.
Die Sache mit der Musik In den großen Festzelten auf der Wiesn hat sich Partymusik mit bekannten Wiesnhits, Schlagern und internationalen Klassikern längst zur Norm entwickelt. Die Stimmung ist ausgelassen, die Gäste stehen auf und grölen die berühmten Hits mit – ein Spektakel, das für viele Besucher mittlerweile zum Oktoberfest dazugehört und die Umsätze der Festwirte spürbar steigert. Denn je stimmungsreicher, lauter und mitreißender die Musik, desto öfter wird nachbestellt, desto länger feiern die Gäste im Zelt, und desto mehr fließt das Bier in den Umsatzbericht. Die Wirte wissen: Mit nonstop Partymusik steigt nicht nur die Laune, sondern auch das Geschäft, das Oktoberfest ist für sie ein Milliardengeschäft. Für die Bands ist es harte Arbeit. Bei meinem Besuch im Hofbräuzelt konnte ich vom Balkon beobachten, wie die Stimmung mit zunehmenden Alkoholkonsum hochkochte.
Doch das Oktoberfest wäre nicht das Oktoberfest, wenn es nicht auch Orte gäbe, an denen noch traditionelle bayerische Blasmusik den Ton angibt. Besonders auf der Oidn Wiesn. Dort wird noch auf echte Blasmusik gesetzt. Hier spielen Kapellen, treten Trachtenvereine und Volkssänger auf – und statt des Partyrummels herrscht eine gemütliche, familiäre Atmosphäre. Auch in einigen klassischen Festzelten ertönt ab Mittag bis zum frühen Abend noch bayerische Musik, bevor später die Stimmung mit internationalen Hits angeheizt wird.
Die Entscheidung, auf Partyhits statt Blasmusik zu setzen, ist also eine finanzielle Frage – je mehr Partymusik, desto größer oft der Umsatz. Wer die ruhigen, traditionelleren Seiten des Oktoberfests sucht, findet sie jedoch auch heute noch in speziellen Zelten und einzelnen Tageszeiten. Die Frage bleibt, wie lange die Blasmusik gegen den kommerziellen Partytrend bestehen kann – im Herzen der Wiesn lebt sie jedenfalls weiter, auch wenn sie manchmal hinter dem ohrenbetäubenden Partyhits untergeht.
Werner Herzog wurde mit Preisen überhäuft und feierte seinen 80. Geburtstag. Noch vor dem ganzen Trubel widmete ich ihm eine phantastische Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck mit seinem Film Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht. Die nächste phantastische Matinee ist am Sonntag, 21. September um 10:45 mit dem Film Shaun of the Dead. Karten gibt es hier.
Aber zurück zu Werner Herzogs Film. Die 1979 entstandene Hommage an F. W. Murnaus Stummfilmklassiker Nosferatu (1922) stellt eine atmosphärisch dichte Neuinterpretation dar, in der der Vampirmythos als kulturelles, psychologisches und existenzielles Motiv neu verhandelt wird. Hier die Aufzeichnung meines Vortrags.
Der Film verbindet expressionistische Bildsprache mit einer tiefen Melancholie und schafft dadurch ein Werk, das Fragen nach Tod, Zeit, Isolation und gesellschaftlichem Verfall stellt.
Zentral ist dabei die Figur des Vampirs, gespielt von Klaus Kinski. Anders als bei Murnau oder in späteren Dracula-Adaptionen ist dieser Nosferatu kein rein dämonisches Wesen, sondern eine tieftraurige, gequälte Kreatur, die unter ihrer Unsterblichkeit leidet. Er ist ein Außenseiter, der Nähe sucht, aber nur Tod bringt. Diese Ambivalenz macht ihn zur Projektionsfläche existenzieller Fragen: Was bedeutet es, ewig zu leben, aber von der Welt ausgeschlossen zu sein? Welche Form nimmt das Böse an, wenn es selbst leidet?
Herzogs filmische Gestaltung ist von großer formaler Strenge und visueller Kraft. Die Kameraführung von Jörg Schmidt-Reitwein setzt auf langsame Bewegungen, lange Einstellungen und eine fast meditative Ruhe. Die Musik von Popol Vuh verstärkt diesen Eindruck durch sphärische, sakral anmutende Klänge, die eine fast religiöse Tiefe evozieren.
Ein zentrales Thema des Films ist der bürgerliche Verfall. Herzog zeigt, wie eine scheinbar geordnete, wohlhabende Gesellschaft durch eine unsichtbare Bedrohung – die Pest – in kürzester Zeit zusammenbricht. Die Reaktion der Bürger auf das sich ausbreitende Grauen ist nicht Widerstand oder Rationalität, sondern Resignation, Wahnsinn oder blinder Hedonismus. So tanzen Menschen auf dem Marktplatz zwischen Särgen, essen noch einmal üppig und lassen alle sozialen Normen fallen. Diese Bilder sind nicht karikaturhaft überzeichnet, sondern erschütternd ruhig und nüchtern. Sie machen deutlich, dass die Ordnung der Gesellschaft eine dünne Fassade ist – und dass das Chaos jederzeit zurückkehren kann.
Die nächste phantastische Matinee im Scala Kino ist am Sonntag, 21. September um 10:45 mit dem Film Shaun of the Dead. Karten gibt es hier.
Da steh ich in Stirling im Paradies und kann nicht vom Apfel abbeißen. Bei meiner Rundreise durch Schottland machte ich auch in Stirling Station und entdeckte einen Schallplattenladen, ach was schreibe ich: Den Schallplattenladen schlechthin.
Europa Music heißt das Geschäft und ist in der 10 Friars Street, Stirling, FK8 1HA. Es gibt dort mindestens 20.000 7′′-Singles, 10.000 12′′-Singles und mindestens 20.000 LP-Schallplatten. Und nun der Nachteil: Ich war mit dem Rucksack unterwegs und konnte keine Vinyl-Platten transportieren. Also blieben die Schätze erst einmal da.
Die jungen Menschen im Geschäft erklärten mir, dass jeden Tag neue Platten eintreffen und daher lohnt sich der tägliche Besuch, man wisse ja nie, welches Juwel gefunden werden könnte. Für mich natürlich Salz in der Wunde, denn ich hatte nur zwei Tage Zeit in Stirling.
Europa Music ist der größte Schallplattenladen in Schottland. Er wurde 1976 in Alloa gegründet und zog 1992 nach Stirling um. Mitten im Herzen der schottischen Kleinstadt Stirling, versteckt zwischen Kopfsteinpflaster und historischen Mauern, findet sich ein Ort, an meine Musikträume lebendig werden: Europa Music. Schon beim Eintreten umweht einen die Magie der Vergangenheit – und der leise Zauber der Leidenschaft für Musik.
Der Duft alter Plattenhüllen vermischt sich mit der unbändigen Neugier nach neuen Schätzen. Überall sind sie zu finden: Vinyl, soweit das Auge reicht. Die Regale biegen sich unter der Last tausender LPs, Single-Veröffentlichungen, Raritäten und Musikschätze, von Jazz bis Punk, von Folk bis Rock. Hier hängt ein seltenes Beatles-Album von der Decke, dort blitzen signierte Cover von schottischen Legenden zwischen den Reihen hervor. Jeder Besucher spürt sofort: Dies ist kein gewöhnlicher Laden, sondern ein Ort, an dem Erinnerungen und Träume sich begegnen. Und es ist ein Laden, in dem ich mein Geld lassen könnte.
Europa Music ist nicht nur eine Ladenzeile, sondern ein Erlebnis. Wer sich auf das Abenteuer einlässt, der fühlt sich wie auf einer Schatzsuche. Mit jedem Blättern durch die dicht gepackten Kisten wächst die Spannung – vielleicht findet man genau jene Platte. Ich habe ein paar Vinyl-Scheiben gefunden, aber aus besagtem Transportengpässen im Geschäft gelassen. Zwischen den knarrenden Holzböden, den einladenden Melodien aus den Boxen und den liebevoll erzählten Geschichten des Besitzers spürt man: Hier bleibt die Zeit für einen Moment stehen. Musik wird nicht zur Ware, sondern zur Brücke – zwischen Generationen, Ländern, Herzen. Und ja, ich komme wieder mit leeren Koffern.
Die Musik Schottlands ist eng mit der Geschichte und Kultur des Landes verbunden und zeichnet sich durch eine besondere Vielfalt aus. Neben traditionellen Volksliedern und Tanzmusik haben vor allem die Dudelsäcke, auch Pipes genannt, eine herausragende Bedeutung erlangt. Sie gelten weltweit als musikalisches Symbol Schottlands und sind untrennbar mit dem Bild der Highlands und der schottischen Identität verbunden.
Natürlich sind viele Pipes-Spieler für die zahlreichen Touristen da. Vor allem rund um das Edinburgh Castle. Auf dem Weg zum Schloss wird man immer wieder unterhalten. Trotz Touri-Attraktion, mir hat es gefallen, ich bin ja schließlich ein Tourist.
Die Faszination der Pipes liegt in ihrem einzigartigen Klang, der gleichzeitig kraftvoll, klagend und feierlich wirkt. Dieser Klang entsteht durch das Zusammenspiel mehrerer Pfeifen: einer Melodiepfeife (Chanter) und in der Regel drei Bordunpfeifen, die kontinuierlich einen tiefen, gleichbleibenden Ton erzeugen. Der konstante Klangteppich der Bordune bildet den charakteristischen Hintergrund, über den sich die Melodie mit rhythmischer Präzision und ornamentreicher Verzierung legt.
Besonders in der traditionellen Militär- und Zeremonienmusik spielen die Great Highland Bagpipes eine zentrale Rolle. Sie werden bei Paraden, Staatsakten, Begräbnissen und kulturellen Festen eingesetzt und erzeugen dabei eine eindrucksvolle emotionale Wirkung. Auch im zivilen Bereich, etwa bei den Highland Games oder regionalen Festivals, tragen Pipe Bands maßgeblich zur Atmosphäre bei und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Am bekanntesten ist sicherlich das Royal Edinburgh Military Tattoo, vor dem Castle. Ich war gerade da als die Tribünen aufgebaut wurden.
Neben der traditionellen Verwendung finden Pipes zunehmend Eingang in moderne Musikgenres. Künstler integrieren den Dudelsack in Rock-, Pop- oder Folk-Produktionen und schlagen so eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Diese Vielseitigkeit sowie der unverwechselbare Klang machen die Pipes zu einem musikalischen Element, das weit über Schottlands Grenzen hinaus fasziniert. Es gab in verschiedenen Pubs so genannte Open Mics Veranstaltungen. Dort kommen Musiker mit ihrem Instrument und spielen zur Unterhaltung auf. Oft lassen sich dort wahre Perlen genießen.
Die traditionelle schottische Folkmusik bildet das musikalische Herz der schottischen Kultur und ist eng mit dem Alltagsleben, den Landschaften und der Geschichte des Landes verbunden. Sie umfasst ein breites Repertoire an Liedern und Instrumentalstücken, die oft mündlich überliefert wurden und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Oft begegnete ich verschiedenen Straßenmusikanten. Interessant ist, dass man einen Obolus per eCash entrichten konnte. In die Gitarrenkästen wurden weiterhin Münzen geworfen, aber in einem digitalisierten Schottland konnte man überall elektronisch spenden, was auch gemacht wurde.
Ein zentraler Bestandteil der schottischen Folkmusik sind die Balladen – erzählende Lieder, die von historischen Ereignissen, tragischen Liebesgeschichten oder dem Leben der einfachen Leute berichten. Diese Lieder zeichnen sich durch ihre melodische Schlichtheit, eindringliche Texte und eine große emotionale Tiefe aus. Viele der Balladen stammen aus dem späten Mittelalter und spiegeln die mündliche Erzähltradition der Clans wider.
Instrumental spielt neben den Pipes besonders die Fiddle, eine dem klassischen Geigenbau ähnliche Violine, eine bedeutende Rolle. Sie wird oft virtuos gespielt und ist ein zentrales Instrument bei traditionellen Tänzen wie dem Reel, dem Jig oder dem Strathspey. Auch andere Instrumente wie die Tin Whistle, das Akkordeon, die Bodhrán (eine Rahmentrommel) oder die Harfe – insbesondere die keltische Clàrsach – tragen zum typischen Klangbild der schottischen Folkmusik bei.
Charakteristisch ist zudem das Zusammenspiel von Musik und Tanz: Die Musik dient nicht nur dem Zuhören, sondern ist eng mit geselligen Zusammenkünften, sogenannten Ceilidhs, verbunden, bei denen getanzt, gesungen und musiziert wird. Diese Abende sind ein lebendiger Ausdruck kultureller Identität und sozialer Verbundenheit.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die schottische Folkmusik eine Renaissance erlebt. Junge Musiker greifen traditionelle Stücke auf, interpretieren sie neu und verbinden sie mit zeitgenössischen Einflüssen. So bleibt die Folkmusik in Schottland nicht nur ein Zeugnis vergangener Zeiten, sondern auch ein lebendiger, sich stetig weiterentwickelnder Teil des kulturellen Lebens. Hier mal etwas aus meiner Jugend. An einem Abend im Juni trat der schottische Liedermacher Jim Murray in Glasgow in der Bar The Piper Bar auf und sang den Police Song Roxanne.
Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht ist weit mehr als ein klassischer Horrorfilm. Die 1979 entstandene Hommage an F. W. Murnaus Stummfilmklassiker Nosferatu (1922) stellt eine atmosphärisch dichte Neuinterpretation dar, in der der Vampirmythos als kulturelles, psychologisches und existenzielles Motiv neu verhandelt wird. Der Film verbindet expressionistische Bildsprache mit einer tiefen Melancholie und schafft dadurch ein Werk, das Fragen nach Tod, Zeit, Isolation und gesellschaftlichem Verfall stellt. Ich bespreche und zeige den Film bei meiner phantastischen Matinee am Sonntag, 15. Juni im Scala FFB. Karten gibt es hier.
Herzog folgt inhaltlich weitgehend der bekannten Handlung: Der junge Immobilienmakler Jonathan Hutter reist nach Transsylvanien, um dem geheimnisvollen Graf Orlok ein Anwesen in Wismar zu verkaufen. Der Graf, eine vampirische Erscheinung, folgt Hutter in dessen Heimatstadt und bringt die Pest mit sich. Am Ende opfert sich Hutters Frau Lucy, um das Unheil zu stoppen. Trotz dieser klassischen Struktur gelingt es Herzog, den Stoff mit eigener Handschrift aufzuladen.
Zentral ist dabei die Figur des Vampirs, gespielt von Klaus Kinski. Anders als bei Murnau oder in späteren Dracula-Adaptionen ist dieser Nosferatu kein rein dämonisches Wesen, sondern eine tieftraurige, gequälte Kreatur, die unter ihrer Unsterblichkeit leidet. Er ist ein Außenseiter, der Nähe sucht, aber nur Tod bringt. Diese Ambivalenz macht ihn zur Projektionsfläche existenzieller Fragen: Was bedeutet es, ewig zu leben, aber von der Welt ausgeschlossen zu sein? Welche Form nimmt das Böse an, wenn es selbst leidet?
Herzogs filmische Gestaltung ist von großer formaler Strenge und visueller Kraft. Die Kameraführung von Jörg Schmidt-Reitwein setzt auf langsame Bewegungen, lange Einstellungen und eine fast meditative Ruhe. Die Bildkompositionen – etwa das verlassene Wismar mit seinen leergefegten Gassen, die düstere Festung des Grafen oder der stillgleitende Sargzug – erzeugen eine ästhetische Atmosphäre des Verfalls und der Erstarrung. Die Musik von Popol Vuh verstärkt diesen Eindruck durch sphärische, sakral anmutende Klänge, die eine fast religiöse Tiefe evozieren.
Ein zentrales Thema des Films ist der bürgerliche Verfall. Herzog zeigt, wie eine scheinbar geordnete, wohlhabende Gesellschaft durch eine unsichtbare Bedrohung – die Pest – in kürzester Zeit zusammenbricht. Die Reaktion der Bürger auf das sich ausbreitende Grauen ist nicht Widerstand oder Rationalität, sondern Resignation, Wahnsinn oder blinder Hedonismus. So tanzen Menschen auf dem Marktplatz zwischen Särgen, essen noch einmal üppig und lassen alle sozialen Normen fallen. Diese Bilder sind nicht karikaturhaft überzeichnet, sondern erschütternd ruhig und nüchtern. Sie machen deutlich, dass die Ordnung der Gesellschaft eine dünne Fassade ist – und dass das Chaos jederzeit zurückkehren kann.
Die Frauenfigur Lucy, gespielt von Isabelle Adjani, bildet einen Kontrapunkt zum allgemeinen Verfall. Sie ist die Einzige, die dem Grauen aktiv begegnet, die das Rätsel des Vampirs durchschaut und bereit ist, sich selbst zu opfern. In ihr verdichtet sich eine fast archetypische Symbolik: Reinheit, Erkenntnis, Opferbereitschaft. Ihre Rolle erinnert an die romantische Heldin des 19. Jahrhunderts, wird aber von Herzog nicht sentimentalisiert. Ihr Tod ist notwendig, aber nicht erlösend. Auch nach Nosferatus Vernichtung bleibt der Tod gegenwärtig.
Herzogs Nosferatu ist damit auch eine Reflexion über Zeit und Geschichte. Die Handlung spielt zwar in einer vage historischen Epoche, doch durch die Stilmittel – die Mischung aus expressionistischer Bildsprache, naturalistischer Ausstattung und zeitloser Musik – wirkt der Film entrückt und zugleich gegenwärtig. Der Verfall der Stadt kann als Allegorie auf das 20. Jahrhundert gelesen werden: als Gleichnis für Krieg, Krankheit, soziale Umbrüche und das Ende bürgerlicher Selbstgewissheit. Auch die Figur des Vampirs steht hier nicht nur für das Übernatürliche, sondern für das Unausweichliche, das Fremde, das Andere – das, was nicht kontrolliert oder integriert werden kann.
Für mich ist Nosferatu – Phantom der Nacht ein Film von großer stilistischer Konsequenz und philosophischer Tiefe. Herzog nutzt die bekannten Motive des Vampirfilms nicht für Effekte oder Schockmomente, sondern für eine ruhige, eindringliche Auseinandersetzung mit den Grenzen der menschlichen Existenz. Der Horror liegt nicht im Blut oder in der Gewalt, sondern im unausweichlichen Vergehen, in der Einsamkeit, im stummen Verfall der Ordnung. Gerade diese Zurückhaltung macht Herzogs Nosferatu zu einem Meisterwerk des poetischen Kinos – und zu einem Film, der lange nachwirkt. Zu sehen in meiner phantastischen Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck. Karten gibt es hier.
Ich mag es, wenn Künstler verschiedener Genre zusammenarbeiten. So einstmals geschehen bei einer meiner Lieblingsbands Emerson, Lake & Palmer (ELP) und dem Schweizer Künstler HG Giger für das Plattencover des wegweisenden Albums Brain Salad Surgery.
Ähnliches geschah bei der Zusammenarbeit von Debbie Harry mit Giger für das Album KooKoo aus dem Jahr 1983. Endlich habe ich ein Buch Metamorphosis gefunden, dass die Zusammenarbeit der beiden Künstler mit vielen Fotos zeigt. Es enthält alle Bilder des visuellen Konzeptes, das vom Fotografen Chris Stein dokumentiert wurde.
Gerne wäre ich bei der Zusammenarbeit Mäuschen gewesen und hätte die Kooperation beobachtet. Debbie Harry, die Frontfrau der amerikanischen Band Blondie, und HR Giger, der renommierte Schweizer Künstler, der für seine biomechanischen Kunstwerke und das Design des Aliens im Film „Alien“ bekannt ist, hatten eine bemerkenswerte Begegnung, die in der Musik- und Kunstwelt Wellen schlug. Diese Zusammenkunft zweier kreativer Geister aus unterschiedlichen Disziplinen führte zu einer faszinierenden Kollaboration.
Debbie Harry: Die Punk-Ikone Debbie Harry, geboren als Angela Tremble, stieg in den späten 1970er Jahren mit ihrer Band Blondie zu einer der bekanntesten Figuren der Punk- und New-Wave-Bewegung auf. Mit Hits wie „Heart of Glass“ und „Call Me“ eroberte Blondie die Charts weltweit. Harrys charismatische Bühnenpräsenz und ihr unverwechselbarer Stil machten sie zu einem Symbol für die rebellische Energie der Zeit.
HR Giger: Der Meister des Biomechanischen HR Giger, geboren als Hans Rudolf Giger, war ein Schweizer Maler, Bildhauer und Designer, der für seine düsteren, surrealen und biomechanischen Kunstwerke bekannt ist. Sein Design des Aliens im gleichnamigen Film von Ridley Scott brachte ihm 1980 einen Oscar für die besten visuellen Effekte ein. Gigers Arbeiten sind geprägt von einer faszinierenden Mischung aus organischen und mechanischen Elementen, die oft als verstörend und gleichzeitig hypnotisierend beschrieben werden.
Die Begegnung Die Begegnung zwischen Debbie Harry und HR Giger fand in den frühen 1980er Jahren statt, als beide auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren waren. Harry, die sich schon immer für Kunst und visuelle Ästhetik interessierte, war fasziniert von Gigers Arbeiten. Die beiden trafen sich in Gigers Studio in der Schweiz, wo Harry die Gelegenheit hatte, seine Werke aus nächster Nähe zu betrachten und sich von seiner einzigartigen Vision inspirieren zu lassen.
Die Kollaboration Aus dieser Begegnung entstand eine kreative Zusammenarbeit, die in mehreren Projekten mündete. Eines der bekanntesten Ergebnisse dieser Kollaboration ist das Albumcover von Debbie Harrys Soloalbum „KooKoo“ aus dem Jahr 1981. Das Albumcover von KooKoo (1981) von Debbie Harry, gestaltet von HR Giger, ist ein ikonisches Kunstwerk, das surrealistische und biomechanische Elemente kombiniert.
Das Cover zeigt ein nahes Porträt von Debbie Harrys Gesicht, das eine fast skulpturale, glatte Qualität hat. Ihr Gesicht ist durchstochen von vier langen Nadeln – zwei an den Schläfen und zwei an den Wangen. Diese Nadeln wirken wie chirurgische oder rituelle Instrumente, die durch ihre Haut gedrungen sind, aber es gibt keine sichtbaren Wunden oder Blutspuren, was dem Bild eine unheimlich sterile, aber auch hypnotische Atmosphäre verleiht. Der Hintergrund und die gesamte Komposition erinnern an Gigers typische biomechanische Ästhetik: fließende, metallisch-organische Strukturen, die eine Mischung aus Fleisch und Maschine andeuten. Die monochrome Farbgebung in silbrigen, grauen und blauen Tönen verstärkt den futuristisch-düsteren Look. Das Bild ist ein perfektes Beispiel für die Verschmelzung von Musik und Kunst, die beide Künstler anstrebten.
Die Anzüge Im Rahmen der Zusammenarbeit für das Album KooKoo (1981) entwarf H.R. Giger nicht nur das ikonische Cover, sondern auch biomechanische Anzüge für Debbie Harry. Diese Anzüge wurden speziell für die Musikvideos und eine Fotoserie konzipiert, um Gigers unverwechselbare Ästhetik mit Harrys futuristischer Vision zu verbinden.
Giger schuf hautenge Anzüge, die Debbie Harrys Körper vollständig umhüllten und mit seinen charakteristischen biomechanischen Mustern verziert waren. Diese Designs bestanden aus fließenden, organisch-mechanischen Strukturen, die den Eindruck erweckten, als würde ihr Körper mit einer außerirdischen oder maschinellen Lebensform verschmelzen. Die Anzüge waren mit skelettartigen Rippen, metallischen Segmenten und symmetrischen Ornamenten versehen, die oft an seine Arbeiten für Alien erinnerten.
Diese Anzüge kamen besonders in den Musikvideos zu KooKoo zum Einsatz, darunter Backfired, das ebenfalls von Giger visuell mitgestaltet wurde. In diesem Video sieht man Debbie Harry in einer surrealen, albtraumhaften Umgebung, in der sie sich durch eine dystopische Szenerie bewegt – ein Zusammenspiel von Gigers dunkler Ästhetik und Harrys ikonischem Stil.
Für eine spezielle Foto-Session mit Chris Stein, ihrem Bandkollegen und damaligen Partner, wurde Debbie Harry in diesen Anzügen abgelichtet. Die Bilder zeigen sie in skulpturalen Posen, fast wie eine lebendige Giger-Kreation, inmitten von metallisch-organischen Strukturen. Diese Bilder sind komplett in dem Buch Metamorphosis abgebildet und erläutert.
Das Album KooKoo (1981) Mit KooKoo wagt sich Debbie Harry auf solistisches Terrain, bleibt dabei aber stark in den New-Wave- und Funk-Einflüssen verwurzelt, die Blondie bereits erforschte. Produziert von Nile Rodgers und Bernard Edwards von Chic, bringt das Album eine Mischung aus funkigem Post-Disco-Sound, experimentellen Pop-Elementen und düsteren Synthesizer-Klängen.
Die Single Backfired ist ein treibender Funk-Track mit markanten Gitarrenriffs und einer energiegeladenen Produktion, während The Jam Was Moving mehr nach Blondies Dance-Rock-Wurzeln klingt. Jump Jump und Chrome zeigen die mutigere, avantgardistischere Seite des Albums, die jedoch nicht immer ganz ausgereift wirkt. Die futuristische, fast dystopische Atmosphäre, die durch Gigers Coverkunst angedeutet wird, findet sich in Songs wie Now I Know You Know wieder, bleibt aber musikalisch eher subtil.
Obwohl das Album innovative Momente hat und Debbie Harrys charismatische Stimme immer überzeugt, fehlt ihm ein klarer Fokus. Es wirkt fragmentierter und weniger eingängig als Blondies beste Werke, was vermutlich auch ein Grund für den mäßigen kommerziellen Erfolg war. Trotzdem ist KooKoo ein spannendes Zeitdokument, das Harrys Experimentierfreude und die musikalische Wandlungsfähigkeit der frühen 80er-Jahre widerspiegelt. Ich muss zugeben, dass ich das Album eher schwach finde und es vor allem aus ätherischen Gründen gekauft habe. Die Arbeit, die aus dieser Begegnung hervorging, ist ein bleibendes Zeugnis ihrer kreativen Visionen und ihres Einflusses auf die Popkultur.
Der Einfluss Die Zusammenarbeit zwischen Debbie Harry und HR Giger hatte einen nachhaltigen Einfluss auf beide Künstler und ihre jeweiligen Disziplinen. Für Harry bedeutete es eine Erweiterung ihres visuellen Stils und eine Vertiefung ihrer künstlerischen Identität. Für Giger war es eine Gelegenheit, seine biomechanischen Visionen nach dem ELP-Album von 1974 in einem neuen Kontext zu präsentieren und ein breiteres Publikum zu erreichen.
Beim Wandern durch die Retro-Halle auf der Gamescom 2019 drangen ungewöhnliche Sounds und Rhythmen in mein Ohr. Interessante 8-Bit-Klänge.
Die Musik stammt von Vault Kid, der starke Beats seinem Game Boy entlockte. Ich blieb fasziniert stehen und staunte. Es braucht nicht große Technik, um Stimmung auf der Bühne zu machen. Da reicht ein aufgebohrter Game Boy, um auf der Stage in der Retro-Halle für guten Sound zu sorgen. Chiptuner Vault Kid zeigte auf der Gamescom 2019, wie der Game Boy zu einem Musikinstrument modifiziert werden kann, damit der tragbare 8-Bit-Handheld ganze „Chip Hits The Fan“-Festival Hallen füllen kann. Der 20-jährige Leeraner, der in Oldenburg studiert, macht Musik – auf einem Game Boy.
Der Ostfriese mit den japanischen Wurzeln kam auf der Gamescom hervorragend an. Er spielt Geige und Klavier und nun eben Game Boy, der vier Töne gleichzeitig spielen kann. Er hat bereits ein Album mit seinen Sounds veröffentlicht – für mich eine großartige Bereicherung meiner Sammlung. Hört einfach mal in das Video rein und genießt den ungewöhnlichen Sound.