„Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht!“ – So lautete ein Reim aus meiner Kindheit und meine Kindheit verbinde ich immer mit Playmobil-Figuren. Auch die hatten und haben so nette Gesichter. Einfach zwei Punkt für die Augen und eine geschwungene Linie für den Mund – fertig. Sie zauberten immer ein Lächeln in mein Gesicht.
Das ist heute nicht anders. Playmobil-Figuren werden in den Medien gerne genommen, um Berufe oder Stimmungen zu erzeugen. Ich selbst nehme für meine Berichterstattung über den Landesinnungsverband des bayerischen Friseurhandwerks auch gerne den Playmobil Friseursalon her. Oftmals passt des dem fränkischen Unternehmen nicht, wenn das die Medien machen. Aber Werbung ist eben Werbung.
Ich bin als Fotojournalist immer auf der Suche nach Gesichtern. Bei meinem jüngsten Besuch im Playmobil Fun Park in Zirndorf lichtete ich die überlebensgroßen Playmobilfiguren ab. Im Grunde lichtete ich nur die Gesichter ab, denn sie machen mir auch heute als Erwachsener noch Spaß. Und vielleicht brauche ich die Fotos einmal für eine klassische Illustration – klar die Piraten eignen sich ideal für eine gewisse Partei, die Ritter mit dem Stahlhelm passen für Hardliner einer anderen Partei, Fußballer zur anstehenden WM und die Berufsvertreter wie Postler, Bauarbeiter. Forscher eben zu den Berufen. Familien passen immer und sind auch schön anzusehen. Tiere gab es in Zirndorf auch – Cat Contet ist ideal für Facebook und die Dinos sind wunderbar geeignet als Sinnbild für klassische Massenmedien. Also für jeden ist etwas dabei und das Beste war: Bei jedem Foto blickte ich in ein freundliche Gesicht von Figuren meiner Jugend. Dafür allein hat sich die Reise nach Franken zu Playmobil schon gelohnt.
Heute vor 27 Jahren starb der Künstler Andy Warhol. Den meisten ist Warhol als Pop Art-Künstler bekannt, die Suppendose von Campell’s oder die Farbvariationen von Marilyn Monroe seien genannt. Andere kennen Warhol als Filmer oder Musiker, wie beispielsweise als Protegé für die genialen Velvet Underground. Ich möchte heute an den Grafiker und Zeitungsdesigner Warhol erinnern. Das Buch Warhol: Headlines vom Presel-Verlag zeigt die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Massenmedien.
In einem Vor-digitalen-Zeitalter war Warhol mit Schere und Kleber zu Gange. Das Buch zeigt 80 Arbeiten des Künstlers, die von damaligen Boulevardzeitungen und anderen Massenmedien beeinflusst sind. Ich denke, vor allem der Boulevard-Journalismus der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat es Warhol angetan. In den Warhol-Exponaten, darunter Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Fotografien, Skulpturen und Videos, geht es um Sensationslust. Zeitungsausschnitte, Fotos, Schnipsel wurden verwendet und von Warhol neu interpretiert. – beleuchten seinen einprägsamen Umgang mit der Sensationslust zeitgenössischer Medien. Andy Warhol, der als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts gilt, konzentrierte sich vor allem in den 1960er-Jahren auf triviale Sujets der Popkultur, sammelte Zeitungsausschnitte sowie Pressebilder aus Tageszeitschriften, Kinoheften und Flugblättern. Die Beschäftigung mit den Printmedien nimmt eine herausragende Stellung in seinem Schaffen ein und wird jetzt erstmals umfassend und gebührend gewürdigt.
Autorin Molly Donovan ist Kuratorin der Modern and Contemporary Art an der National Gallery of Art in Washingtonon. Sie hat ganze Arbeit geleistet und erstmals alle Arbeiten in den Buch Warhol: Headlines zusammengefasst, die von Zeitungen und Massenmedien beeinflusst sind. Von Februar bis Mai 2012 war eine Ausstellung im Frankfurter Museum für moderne Kunst zu sehen, zu der dieses Buch auf Deutsch erschien. Ich bekam das Buch leider jetzt erst zum 27. Todestag des Künstlers in die Hände. Leider habe ich die Ausstellung nicht gesehen, was mich im Nachhinein ärgert. Warhol hat mir immer Anregungen gegeben, obwohl mir vieles nicht gefallen hat. Filme und Musik waren immer eine Provokation und es waren sicherlich seine vorliegenden Arbeiten über die Massenmedien auch. Das Buch befasst sich intensiv mit den Zeitungsallegorien, den frühen Zeitungsbildern, die Film-, Fernseh- und Videowelten sowie die Scrapbooks von Warhol. Ausführlich werden die Arbeiten von fachkundigen Kunstprofessoren besprochen und analysiert und interpretiert. Auch hier stimme ich nicht mit allen Interpretationen überein, dennoch lasse ich mich auf die Kunst von Warhol immer wieder aufs neue ein.
Schade lieber Warhol, dass du so früh von uns gegangen bist. Was hättest du heute mit den digitalen Medien machen können?
Der Social Media-Klassiker United von Dave Carroll ist hinlänglich bekannt. Ein Musiker stellt eine Fluggesellschaft bloß und zeigt die Macht von sozialen Netzen. Die jüngsten Vorfälle um Amanda Palmer haben das Zeug zum neuen Klassiker. Es zeigt, wie sich eine Musikerin gegen ein britisches Massenmedium wehrt und enorme Aufmerksamkeit im Web bekommt. Das Massenmedium mit seiner Arroganz wird bloßgestellt und seine Voyeurismus entlarvt. In der alten Zeit der Massenmedien hätte sie verloren, dank Web 2.0 und Social Media kann sie sich erfolgreich wehren.
Quelle: Dailey Mail – im Original ohne Blau.
Was ist passiert? Beim Glastonbury Festival trat die US-amerikanische Sängerin Amanda Palmer auf und rockte die Hütte. Amanda Palmer ist bekannt für ihren extravaganten Kleidungsstil. Bei so viel musikalischen Engagement rutsche beim Singen ihre Brust aus dem BH und war kurzzeitig zu sehen. Das war ein gefundenes Fressen für die englische Boulevardzeitung Daily Mail. Das Massenmedium machte am nächsten Tag mit dem Nippelgate auf. Making a boob of herself! Auf die Musik der Musikerin ging das Blatt übrigens keine Zeile ein. Das Online-Angebot der britischen Tageszeitung gilt mit 110 Mio Zugriffen pro Monat als erfolgreichste News-Seite der Welt. Die Mehrheit der Besucher kommt aus dem Ausland, vor allem den USA, der Heimat von Amanda Palmer.
In der alten Welt der Massenmedien hätte sich Amanda Palmer auf den Kopf stellen können. Sie wäre der Berichterstattung ausgeliefert gewesen. Doch nicht im Social Media-Zeitalter. Sie schlug bei einem der nächsten Konzerte im Londoner Roundhouse zurück. Sie spielte nur im Kimono bekleidet einen Andrew Lloyd Webber-Walzer aus Evita, aber mit neuem Text, speziell über die Daily Mail.
Sie sang:
dear daily mail, it has come to my recent attention that me recent appearance at glastonbury festivals kindly received a mention i was doing a number of things on that stage up to and including singing songs (like you do…) but you chose to ignore that and instead you published a feature review of my boob
dear daily mail, there’s a thing called a search engine: use it! if you’d googled my tits in advance you’d have found that your photos are hardly exclusive in addition you state that my breast had escaped from my bra like a thief on the run you do you know that it wasn’t attempting to just take in the RARE british sun?
dear daily mail, it’s so sad what you tabloids are doing your focus on debasing women’s appearances ruins our species of humans but a rag is a rag and far be it from me to go censoring anyone OH NO it appears that my entire body is currently trying to escape this kimono….
dear daily mail, you misogynist pile of twats i’m tired of these baby bumps, vadge flashes, muffintops where are the newsworthy COCKS? if iggy or jagger or bowie go topless the news barely causes a ripple blah blah blah feminist blah blah blah gender shit blah blah blah OH MY GOD NIPPLE
dear daily mail, you will never write about this night i know that because i’ve addressed you directly i’ve made myself no fun to fight but thanks to the internet people all over the world can enjoy this discourse and commune with a roomful of people in london who aren’t drinking kool-aid like yours
and though there be millions of people who’ll accept the cultural bar where you have it at there are plenty of others who’re perfectly willing to see breasts in their natural habitat
i keenly anticipate your highly literate coverage of upcoming tours
Gesagt und getan. Amanda Palmer zog den Kimono aus und spielte nackt ihren Song weiter – nur die Handschuhe behielt sie an. Selbstverständlich wurde der Auftritt von mehreren Zuschauern mit dem Smartphone mitgefilmt und bei YouTube gepostet. Innerhalb kurzer Zeit verbreitete sich die Kunde im Netz. Mehre Videos wurden gepostet.
Die Daily Mail ging mit keinem Wort auf die Reaktion ein. Amanda Palmer hielt mit ihrer Aktionskunst der Boulevardpresse einen Spiegel vor und berichtete auch in ihrem Blog darüber.
Ich fand die Aktion großartig, weil sie zeigt, welche Macht ein Einzelner hat. Es zeigt sich, wie sich die Welt geändert hat. Die Videos haben inzwischen mehrere Tausend Klicks.
Gott sei Dank hat mich das Hochwasser nicht stark getroffen. Ein paar Pfützen im Keller, aber kein Vergleich zu den Horrormeldungen aus Bayern, Sachsen und Thüringen. Dort heißt es „Land unter“ und die Leute haben Hab und Gut verloren.
Ich hatte mich mit den High-Tech-Säcken von Floodsax ausgestattet, falls das Wasser uns treffen sollte. Aber wir blieben im großen und ganzen verschont. Dennoch klare Empfehlung für das System von meiner Seite.
Im Netz und in den klassischen Massenmedien verfolge ich den Verlauf des Hochwassers. Und ich stelle fest: Die klassischen Massenmedien haben zum Teil versagt. Den ganzen Tag rauf und runter Meldungen über Evakuierungen. Kamerateams fahren zum Teil mit dem Schlauchboot durch überflutete Städte und Dörfer. Dann wird darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, dass Seehofer und Merkel die Stätte des Geschehens besuchen und warum Ude dem ganzen fern bleibt. Entschuldigung, wo bleiben die Menschen?
Daniel Wildfeuer aus Schönberg hat mit seiner Agentur Wildfeuer diese Seite aus dem Boden gestampft.
Ich stelle fest, dass Privatleute die relevanten Seiten in Facebook eröffnet haben, die in kurzer Zeit zigtausend Freunde bekommen haben, weil sie bürgernahe und relevante Informationen liefern. Ich nenne die beiden Seiten Infoseite – Hochwasser 2013 Bayern (132.347 Freunde) und Hochwasser Sachsen-Anhalt (76.929 Freunde). Daniel Wildfeuer aus Schönberg hat mit seiner Agentur Wildfeuer die bayerische Seite aus dem Boden gestampft und zeigt, wie es geht.
Überall entwickeln sich Bürgerprojekte – hier im deutschen Osten.
Landratsämter platzieren in Facebook relevante Informationen, nutzen YouTube als Kommunikation. Journalisten engagierten sich in eigenen Projekten wie Regensburg digital und zeigen den etablierten Massenmedien, wie es geht. Open Data-Projekte berichten, wie der Stand des Hochwassers ist oder in Google Maps wird angegeben, wo Helfer für Dämme benötigt werden. Eine neue Form von Journalisten wird benötigt: Journalisten, die mit Daten umgehen können.
Landratsämer wie hier Pfaffenhofen an der Ilm informieren über Facebook und YouTube.
Ich will nicht alle Massenmedien über einen Kamm scheren, aber ich bin enttäuscht von der Berichterstattung. In der Mainpost online lese ich: „Unsere Volontärinnen waren heute in Würzburg unterwegs und haben Impressionen vom Hochwasser mit der Videokamera eingefangen. Das Ergebnis gibt es hier zu begutachten.“ Das ist nichts anderes als eine sanfte Variante von Sensationsjournalismus.
Um die Berichterstattung aufzupeppen, werden Twitter-Feeds mit dem Hashtag Hochwasser in die Berichterstattung integriert. So zeigt man wohl Bürgernähe.
Die Krise wäre eine richtig große Chance für Verlage gewesen, ihre Kompetenz und Bürgernähe zu beweisen. Hier Manpower zu investieren, wäre sicher sinnvoll gewesen und würde sich am Ende auch auszahlen.
Kleines Videointerview am iPad mit Richard Bartsch. Foto: Bugar
Die bayerische Verwaltung tut sich noch schwer mit Social Media. Es gibt zaghafte Ansätze, aber von einer Social Media-Offensive sind wir noch weit entfernt. Nehmen wir die bayerischen Bezirkstage. Die Bevölkerung weiß oftmals nicht, was die Bezirkstage eigentlich machen. Da machen die Bürger in Mittelfranken keine Ausnahme. Für mich ist es ein klassisches Kommunikationsproblem. Pressemitteilungen kommen in den klassischen Massenmedien nicht an, schaffen die Nachrichtenhürde nicht.
Politisch geführt wird der Bezirkstag in Ansbach von dem erfahrenen CSU-Politiker Richard Bartsch. Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit den Bezirkstagspräsidenten von Mittelfranken Richard Bartsch in Sachen Social Media zu schulen und ich bin gespannt, ob sich etwas ändert.
Interessant: Die politische Spitze in Verwaltungen ist Zug um Zug geübter im Social Media. Aber die Verwaltungen selbst haben noch gewaltigen Nachholbedarf. Haupthindernis ist der zum Teil mangelnden Datenschutz bei so mancher Social-Media-Plattform. Sofort wird das Thema Social Media von Datenschützern dann zum Tode verurteilt. Dennoch um den Bürger als Freund zu gewinnen, muss sich auch die bayerische Verwaltung bewegen. Erste Ansätze sind da. Nun will sich auch der Bezirkstag von Mittelfranken auf den Weg in die Social Media-Welt machen. Auf einer internen Klausur sollen Möglichkeiten ausgelotet werden. Ich sprach mit Richard Bartsch am Rande eines Seminars über Chancen und Risiken.
Es hätte so ein guter Beitrag werden können, aber die ARD hat die Chance vertan, etwas Sinnvolles zum Thema Medienkompetenz zu bringen, als der NDR die Dokumentation „Facebook – Milliardengeschäft Freundschaft“ ausstrahlte. Die wahnsinnige Erkenntnis: Facebook verdient Geld mit unseren Daten. Überraschung, das ist aber neu und das wusste noch keiner. Mich beschleicht das Gefühl: Die NDR-Kolleginnen Svea Eckert und Anika Giese finden Geld verdienen durch Werbung eine ganz üble Sache – logisch, wenn ich von GEZ-Gebühren lebe.
Die Beispiele des Beitrages waren so wie man es von klassischen Massenmedien gewohnt ist, jedes Klischee wurde bedient. Doch was sollte der Beitrag? Es war kein Wirtschaftsjournalismus, denn es waren zu wenig Finanzfakten genannt. Es war kein Enthüllungsjournalismus, denn dass Facebook an unseren Daten interessiert ist, ist auch nicht gerade neu. Vielleicht war es einfach der Versuch von alten Massenmedien die neuen Massenmedien in eine böse Ecke zu stellen. Was waren es noch für Zeiten, als nur (öffentlich-rechtliche) Journalisten Massenmedien bedienen durften.
Es hätte ein Beitrag über Medienkompetenz werden können, aber dafür waren die Herrschaften beim NDR wohl nicht in der Lage. Qualitätsjournalismus sieht anders aus. Der Beitrag bedient die Vorurteile, die Lieschen Müller hat, die schon immer wusste, dass Facebook was Böses ist. Es fehlten nur noch die Facebook-Parties, um das Maß voll zu machen.
In einem Interview geben sich die Autorinnen geheimnisvoll: „Doch je weiter wir vorgedrungen sind, desto mehr haben wir auch von der dunklen Seite des Geschäftsmodells gesehen.“
Ich verfolgte während der Ausstrahlung Twitter und Facebook und stelle fest: Die Nutzer der Netzwerke hatten nicht viel Verständnis für die Art des Beitrags. Die große Story war es nicht, neue Infos kamen auch nicht zu Tage. Auch aus dem Exklusiv-Interview mit Mark Zuckerberg kam mir zu wenig rüber. Die Erkenntnis, dass Facebook kostenlos ist, aber dennoch etwas kostet ist nicht gerade neu. Das Ganze war für mich ein hilfsloser Versuch die neuen Medien zu erklären, aber aus der Sicht der alten Medien. Zumindest Datenschützer Thilo Weichert hatte wieder einen guten Auftritt.
Netter Nebeneffekt: Schön, war es zu sehen, das die Freunde der Polizei Hannover anstiegen, als bekannt wurde, dass die Polizei über Facebook Bösewichter sucht.
Ich habe noch keine Meinung über die mögliche dritte Startbahn in München. Im Moment sammele ich die Argumente und bewerte sie, aber eine Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Als Kommunikationsheini wie ich einer bin, ist das Ereignis aber super interessant: Droht dem Freistaat Bayern eine Startbahn21-Diskussion? Wird es ein heißer Sommer und Herbst, wie von den Gegner der dritten Startbahn angekündigt?
Im Moment wird Druck noch über die traditionellen Medien aufgebaut: Aktion, Gegenreaktion. Das Web spielt nur bedingt eine Rolle. Die Website der Gegner ist grottenschlecht und die Social Media-Strategien beider Seiten sind kaum vorhanden.
Allerdings werden schon jetzt erste strategische Fehler von Seiten der Gegner gemacht, in den Medien schon verächtlich „Wutbürger“ genannt. Ministerpräsident Horst Seehofer bat die Gegner zu einem Gespräch in die Staatskanzlei, was aber ablehnt wurde. Ein Gespräch ablehnen, kommt in einer Demokratie nicht gut an. Die eine Seite signalisiert Gesprächsbereitschaft, die andere Seite bockt – wer geht in der Kommunikation da als Sieger hervor?
Als nächstes kam eine Demo vor der CSU-Parteizentrale. Erschienen sind rund 250 Demonstranten. Sie schwenkten Plakate mit Aufschriften wie „Eich hau ma zum Deifi“. Dialekt – das kommt gut in der Kommunikation – wirkt immer schön authentisch. Immer wieder wurde „Lügenpack“ in Richtung CSU gerufen. Dann uferte die Demo aus und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wurde mit einem Tomate/Ei drangsaliert. Und damit sorgten die Wutbürger dafür, dass der Öffentlichkeit der CSU-Mann Dobrindt leid tut. Ein schwerer Fehler in der Kommunikation. Die klassischen Massenmedien berichteten mehr über Tomate/Ei als über die Anliegen der Startbahngegner.
Im Moment ist die Startbahn21 noch kein Stuttgart21, aber Horst Seehofer hat von dem Kommunikationsdesaster seines CDU-Kollegen Stefan Mappus gelernt und gleichzeitig ist es sein Trauma. Ich habe mal eine Facebook-Seite mit dem Namen Aufgemuckt gegründet und sammle dort Veröffentlichungen in den Medien. Mal sehen, wie es weitergeht.
Ich habe Zeit meines Lebens für Printobjekte gearbeitet und es geliebt: Tageszeitung, Wochenzeitung, Magazine, Special Interest und auch B2B-Produkte – das ganze Programm. Doch ich sehe Print in Gefahr, weil Papier nicht mit der Schnelligkeit von online mithalten kann oder Werbung in manchen Bereichen zu hohe Streuverluste hat. Daher habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, die ich gerne teilen würde. Was braucht der neue (Qualitäts-)Journalismus im Print?
Zeitung muss mehr Orientierung geben. Die Zeitung als Nachrichtenplattform ist für mich nur noch begrenzt vorstellbar. Das war früher anders: Da kam ich aus der Redaktion und wusste, was morgen in der Zeitung steht und ich wusste es vor allen anderen. Die News erreichen mich heute auf anderem Wege, aber nicht mehr durch die gedruckte Zeitung. Die News, wie sie Agenturen liefern, sind austauschbar geworden. Das haben die Leser gemerkt und so wurden Zeitungen beliebig, weil sie alle die gleiche Quelle haben. Zeitungen müssen heute daher zum Navigator in der Informationswelt werden. Recherchieren, aufbereiten und bewerten – darum wird es Zukunft mehr gehen. Journalistische Darstellungsformen wie Reportage und vor allem der Kommentar werden wichtiger für die Orientierung. Und in Print gehören Themen, die den Leser auch wirklich interessieren, und nicht diejenigen, die der Journalist glaubt, was interessieren könnte. Die Zeitung der Zukunft wird schließlich vom Leser bezahlt und weniger vom Anzeigenkunden finanziert.
Nutzwert, Service und Identifikation sind die Schlüsselbegriffe. Dann weiß der Leser auch, wie die Zeitung ausgerichtet ist. Ich will keine Parteienpresse der Weimarer Zeit, aber ich will klare Standpunkte. Als Leser möchte ich mich mit meiner Zeitung identifizieren. Zeitung braucht Tendenz und muss dieser Tendenz treu bleiben.
Daher ist ein Leitbild eines Mediums wichtig. Früher fand ich Leitbilddiskussionen in der Branche schrecklich und heute weiß ich, wie wichtig eine Vision oder Leitbild ist.
In meiner Ausbildung, im Volontariat wurde mir eingetrichtert: Der Journalist ist der Gatekeeper. Das galt, aber es ist vorbei. Der Journalist der Zukunft ist Pathfinder und Gatewatcher. Ich recherchiere und ich beobachte und bringe das zu Papier für meine Zielgruppe. Das ist das Ende der klassischen Massenmedien, wie wir sie heute kennen. Ich schreibe für eine klar umrissene Zielgruppe und nicht für alle. Identifikation der Leser und der verbliebenen Anzeigenkunden mit dem Blatt werden die Folge sein. Das erhöht auch die Wertigkeit von Kommentaren. Ich werde damit zur Marke. Nicht nur die Publikation wird zu einer Marke, nein – auch ich werde zu einer Marke und Marken schaffen Identifikation und Reibung. Der Journalist als Marke gibt dem Medium ein Profil. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt weniger auf Information, als vielmehr auf Emotion liegt. Und: Die Schreibe wird boulevard – sie wird verständlicher, weil emotionaler.
Und das Wachstum hat ein Ende: Ich glaube nicht daran, dass Auflagen bis ins Unendliche gesteigert werden können. Vielmehr muss es gelingen, in meiner Zielgruppe eine Auflagensteigerung zu erreichen oder in der heutigen Zeit zumindest die Auflage zu stabilisieren. Das wäre ein Erfolg.
Für all diese Überlegungen braucht es eine neue Art von Journalisten. Denn es wird dadurch eine neue Art von Qualitätsjournalismus entstehen, für den die User auch bereit sind zu bezahlen. Aber nur für Qualität.
Der Katalog zur Alfons Mucha-Ausstellung in der Hypo Kunsthalle
Wer noch Kultur auf hohem Niveau erleben will, sollte sich sputen. Noch bis zum 24. Januar läuft in der Kunsthalle der Hpyo-Kulturstiftung die Ausstellung „Alfons Mucha – Meister des Jugendstils“.
Nach Präsentationen im Wiener Belvedere und dem Musée Fabre in Montpellier zeigt nun die Kunsthalle die Retrospektive des tschechischen Künstlers Alfons Mucha (1860–1939). Der durch seine Plakatentwürfe, Buchillustrationen und Schmuckkreationen weltberühmte Meister des Jugendstils hat die Zeichen seiner Zeit richtig erkannt. Mucha ist ein begnadeter Künstler, aber auch ein guter Meister der PR in eigener Sache.
Er erkannte sehr schnell, dass die Massenmedien seiner Zeit seiner Kunst von Nutzen sein können. Die eingängigen Zeichnungen hätten nicht die Berühmtheit erlangt, wenn es nicht die Druckmaschinen gegeben hätte. Schnell konnte seine Kunst in die Welt hinausgetragen werden. Mucha war ein einzigartiger Künstler, ohne Zweifel. Und er ist auch ein Genie der Massenkommunikation. Viele seiner Werke sind Reklameplakate.Auch das macht ihn so populär, denn seine Werbung kam beim Kunden an. Mal wirbt er für Zigaretten, mal für einen Salon. Und als eine Art früher Andy Warhol, der auch mit Werbung sein Geld verdiente, arbeitet er mit anderen Künstlern zusammen. War es bei Warhol Velvet Underground so war es bei Mucha die große Sarah Bernhardt. Die Schauspielerin (1844–1923) war ein Superstar ihrer Zeit. Die launische Diva erkannte das Genie Muchas und ging mit ihm eine fruchtbare Kooperation ein. Sie suchte einen Illustrator für ihr Theaterstück „Gismonda“. Diese Kooperation unter bedeutenden Künstler war enorm schaffensreich. Heute ist dem jüngeren Publikum Sarah Bernhardt vor allem durch die Plakate von Alfons Mucha in Erinnerung geblieben. 1896 entwarf er für die Schauspielerin das Plakat „Berhardt als Cameliendame“ – dieses gilt heute als Ikone der Jugendstilgrafik.
Mucha war ein Meister der modernen Installation. Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören die Rekonstruktion des Pavillons Bosnien-Herzegowina (1900) für die Weltausstellung in Paris sowie die Präsentation von zwei monumentalen Gemälden aus dem vielteiligen „Slawischen Epos“ (1910–1926).
Diese Werkzyklen in Muchas künstlerischem Schaffen wurden bisher wenig wahrgenommen und es ist ein großes Verdienst der Ausstellung, dass dieses Manko ausgeglichen wurde. Dabei zählen seine für die unterschiedlichen Pavillons und Länder geschaffenen Beiträge zur Pariser Weltausstellung 1900 zu den bedeutendsten Arbeiten Muchas. Nachdem er seine eigenen Pläne für einen „Pavillon de l’Homme“ nicht realisieren konnte, erhielt der Meister die Gelegenheit, mit den monumentalen Wandmalereien für den Pavillon Bosnien-Herzegowina letztlich doch einen wichtigen Beitrag für das Pariser Großereignis der Jahrhundertwende zu liefern. Auf mehr als 250 Quadratmetern Leinwand schildert er die Geschichte der beiden einstmals osmanischen Provinzen. Der Großteil dieser Wandbilder ist erhalten und wird nun erstmals innerhalb der rekonstruierten Zentralhalle des Pavillons wieder zu sehen sein. Hier den beiden Kuratoren der Ausstellung Dr. Jean-Louis Gaillemin und Dr. Roger Diederen großen Dank.
Die Ausstellung in der Hpyo-Kunsthalle ist bis 24. Januar täglich 10 bis 20 Uhr geöffnet und der Besuch lohnt sich.