Gleich vorweg: Ich liebe Kino. Ich mag diesen magischen Ort der Träume, der Sehnsüchte. Ich mag das Gefühl gemeinsam zu lachen, zu weinen, zu fiebern oder erschreckt zu werden. Ich genieße die gesamte Atmosphäre, die Spannung auf den Film, wenn sich der Vorhang öffnet. Nun, durch Corona ist damit Schluss und wenn in Bayern die Kinos am 15. Juni wieder offiziell öffnen dürfen, wird es nicht dieselbe Atmosphäre sein – und es werden die Filme fehlen, weil Filme bundesweit bzw. weltweit starten und nicht auf Kinoöffnungen der einzelnen Bundesländer warten. Berlin öffnet seine Kinos am 2. Juni.
Ein Rettungsanker für die finanziell angeschlagene Branche sind Autokinos, die jetzt aus dem Boden gestampft werden. Ein gutgemeinter Akt der Verzweiflung in schlimmen Tagen. Das letzte Mal, dass ich mir im Autokino einen Film ansah, war die Deutschlandpremiere von Cars im September 2006. Regisseur John Lasseter und die Synchronsprecher wurden mit einem lauten Hupkonzert gefeiert. Das Konzept des Autokinos kommt aus den USA. 1933 lief der erste Film in einem Autokino in Camden, New Jersey. Die Hochphase des Autokinos war in den 50er und 60er Jahren.
Auch bei uns wird es wieder ein Autokino geben. In der Kreisstadt Fürstenfeldbruck wurde auf dem Volksfestplatz eine Leinwand aufgebaut und ab 29. Mai soll es losgehen. Das Autokino FFB läuft täglich bis 11. Juli. Karten gibt es aufgrund Corona nur online.
Der erste Teil des Programms bis 14. Juni wurde veröffentlicht. Das Problem ist: Der mangelnde Content.
Die gezeigten Filme sind bereits über die Leinwand geflimmert. Natürlich gibt es keine neuen Filme und so haben es die Programmmacher schwer, Filme zu finden, die publikumswirksam sind und den Volksfestplatz voll machen. 19 Euro pro Auto kostet der Eintritt für alten Content, den ich bereits gesehen habe. Eine echte Zwickmühle für alle Beteiligten. Ich hätte mich über Rennfilme wie LeMans, LeMan 66, Rush, Cars oder unbedingt American Graffiti gefreut – aber die sind bisher nicht vorgesehen.
Als Filmfan würde ich mir vielleicht the Big Lebowski von 1998 (!) ansehen, weil ich den Dude und den Film Noir gut finde. Aber nur, wenn ich mit meinem Auto weit vorne bin. Der Volksfestplatz in Fürstenfeldbruck ist keine Theresienwiese, aber wenn ich mit einem Auto hinten stehe, dann ist die imposante Leinwand doch gar klein. Dann kann ich mir den Film auch auf dem iPad ansehen. Immer wenn ich Papataxi bin und auf meine musikalischen Kinder warte, die beim Unterricht sind, habe ich meine spezielle Form von Autokino. Ich schau mir am iPad Pro einen Film an. Autokino mit klasse Bild und klasse Ton. Hab ich das wirklich beim realen Autokino auch, wenn ich den Sound über UKW empfange? Der Filmton wird direkt ins Radio des Autos übertragen. Die UKW-Frequenz lautet 90,4 MHz. Ich würde den Sound am Smartphone mit einer Radioapp empfangen und Blauzahn-Boxen mitnehmen, damit ich das Radio auslassen, Autobatterie sparen und guten Sound genießen kann. Laut Bundesnetzagentur gibt es derzeit so viele Anträge auf die Erteilung von Frequenzen für Autokinos wie noch nie. 39 allein für Bayern.
Interessant ist aber bei uns in Fürstenfeldbruck das Politikum, das sich bei der Vergabe für das Autokino abgespielt hat. Es gibt zwei Kinos am Ort, die sich beide für die Veranstaltung beworben haben. Ein Kino wird von München aus betrieben, ein zweites von einer lokalen Unternehmerin. Meiner Meinung nach wäre es die Aufgabe der Stadt gewesen, dem örtlichen Gewerbetreibenden und Gewerbesteuerzahler den Zuschlag zu erteilen. Am Kino hängen 40 Mitarbeiter dran, die in Kurzarbeit sind. Das ist nicht der Fall. Der Münchner Betreiber bekam den Zuschlag und der Verein, der dem Kino nahesteht, sucht jetzt freiwillige Helfer, die Platzanweiser machen oder plakatieren. Ich selbst bin bei diesem Verein Mitglied.
Aber was mich noch mehr beschäftigt: Die Stadt hat einen großen Etat für Volksfeste, Altstadtfeste usw., der aufgrund Corona nicht ausgeschöpft wird. Warum organisiert die Stadt nicht das Autokino als kulturelle Aufgabe für die Bevölkerung und beauftragt die beiden örtlichen Kinos mit der Durchführung? Das wäre Kulturförderung im wahrsten Sinne des Wortes. So muss in Corona-Zeiten bei leeren Kassen von privater Seite wieder investiert werden. Das ist aus meiner Sicht komplett verfehlte Kulturpolitik und ein Armutszeugnis für meine ehemalige Heimatstadt und die politisch Verantwortlichen.
Übrigens: Hupen im Autokino Fürstenfeldbruck verboten. Dennoch wünsche ich den Besuchern viel Spaß.
Zur Transparenz: Ich bin Mitglied in der IG Lichtspielhaus und habe bis Juli 2019 den Blog des Scala-Kinos betrieben. Und dieses nette Bild Vom WDR wollte ich nicht vorenthalten: