Posts Tagged ‘Rockgeschichte’

Meine Vinyl des Monats: Bruce Springsteen, Kate Bush, John Lennon, The Yardbirds, Jean-Michel Jarre, Led Zeppelin, King Crimson, Howard Shore, Bernard Herrmann, Richard Wagner, Chuck Berry

29. Oktober 2025

Vinyl-Schallplatten üben bis heute eine besondere Faszination aus. Ihr warmer, voller Klang unterscheidet sich deutlich von der glatten Perfektion digitaler Formate und vermittelt ein Gefühl von Echtheit und Nähe zur Musik. Auch das haptische Erlebnis spielt eine große Rolle: Das Auflegen der Platte, das leise Knistern der Rille und das große, oft kunstvoll gestaltete Cover machen das Musikhören zu einem bewussten, beinahe rituellen Vorgang. Viele Liebhaber schätzen zudem den nostalgischen Charakter und die Handwerkskunst vergangener Jahrzehnte. In einer Zeit, in der Musik meist nur noch gestreamt wird, steht die Schallplatte für Entschleunigung, Wertschätzung und den besonderen Moment, wenn Musik wirklich greifbar wird. Und hier sind meine Anschaffungen im Monat Oktober.

Bruce Springsteen: Nebraska ’82 Expanded Edition
Über vierzig Jahre nach der Veröffentlichung seines wohl intimsten Albums gewährt uns Bruce Springsteen tiefe Einblicke in eine Schaffensphase, die längst Musikgeschichte geschrieben hat. Mit „Nebraska ’82: Expanded Edition“ und dem begleitenden Soundtrack zum Biopic „Deliver Me From Nowhere“ erscheinen gleich zwei Veröffentlichungen, die das Vermächtnis des 1982 entstandenen Kultalbums in neuem Licht zeigen. Und ich hatte das unglaubliche Glück, die Vinyl-Box in den Händen zu halten!
Als langjähriger Springsteen-Fan war der Moment, in dem das Paket ankam, schon etwas Besonderes. Nebraska war schon immer anders – rau, ehrlich, reduziert auf das Wesentliche. Während alle Welt den bombastischen Sound von „Born in the USA“ erwartete, lieferte Bruce damals diese kargen, auf einem Vierspur-Kassettendeck aufgenommenen Lieder ab. Geschichten von Menschen am Rand der Gesellschaft, erzählt mit einer Intensität, die einem unter die Haut geht.
Die Expanded Edition ist mehr als nur eine Neuauflage. Schon die Verpackung zeigt, mit wieviel Liebe zum Detail hier gearbeitet wurde. Das schwere Box-Set öffnet sich wie eine Schatztruhe, und drinnen wartet nicht nur das remastered Original-Album, sondern auch bisher unveröffentlichte Aufnahmen, alternative Versionen und Demos, die einen noch tieferen Blick in Bruces damalige Seelenlage gewähren. Die Liner Notes, vollgepackt mit Hintergrundinformationen und Fotografien aus jener Zeit, sind ein absolutes Highlight für jeden, der verstehen möchte, wie aus diesen einsamen Sessions in Bruces Schlafzimmer ein Meisterwerk entstand.
Das Vinyl selbst klingt fantastisch – warm, direkt, unmittelbar. Man hört jedes Knacken, jedes Atmen, jede Nuance von Bruces Stimme und seiner akustischen Gitarre. Genau so sollte Nebraska klingen. Die zusätzlichen Tracks offenbaren Songs, die es nicht aufs Original geschafft haben, aber genauso kraftvoll und berührend sind. Es ist, als würde man Bruce damals über die Schulter schauen, während er mit seinen Dämonen ringt und daraus Kunst erschafft.
Der Soundtrack zu „Deliver Me From Nowhere“ ergänzt das Erlebnis perfekt und macht die gesamte Ära noch greifbarer. Für mich als Fan ist diese Veröffentlichung ein Geschenk – eine Möglichkeit, ein Album, das ich schon hunderte Male gehört habe, noch einmal ganz neu zu entdecken. Nebraska war damals mutig, kompromisslos und seiner Zeit voraus. Heute, über vier Jahrzehnte später, hat es nichts von seiner Kraft verloren. Im Gegenteil: Es fühlt sich relevanter denn je an.

Kate Bush: The Kick Inide
Kate Bushs Debütalbum The Kick Inside, erschienen 1978, ist ein außergewöhnliches Werk voller künstlerischer Eigenwilligkeit und jugendlicher Genialität. Mit nur 19 Jahren schuf Bush ein Album, das sowohl lyrisch als auch musikalisch weit über das hinausging, was man damals von einer Newcomerin erwarten konnte. Ihre unverwechselbare Stimme, die zwischen ätherischer Zartheit und dramatischer Expressivität pendelt, prägt Songs wie Wuthering Heights, The Man with the Child in His Eyes oder Moving.

Stilistisch verbindet das Album Pop, Rock und Artrock-Elemente mit literarischen und mythologischen Anspielungen – ein Konzept, das Bush später zu einer der faszinierendsten Künstlerinnen der Popgeschichte machte. The Kick Inside wirkt auch heute noch frisch und originell – ein visionäres Debüt, das die Grenzen des Pop neu definierte.

John Lennon: Gimme Some Truth
Gimme Some Truth von John Lennon ist weniger ein klassisches Album als eine pointierte Werkschau seines Schaffens, die seine kompromisslose Haltung und sein Gespür für eingängige Melodien eindrucksvoll zusammenfasst.

Die Songs zeigen Lennon als politischen Idealisten, als scharfen Gesellschaftskritiker, aber auch als verletzlichen Menschen, der nach Wahrheit und Frieden sucht. Klassiker wie Imagine, Instant Karma! oder Working Class Hero stehen dabei exemplarisch für seine Mischung aus Aufrichtigkeit, Wut und Hoffnung. Gimme Some Truth ist damit nicht nur eine Zusammenstellung bekannter Stücke, sondern ein musikalisches Manifest für Authentizität und Menschlichkeit.

The Yardbirds: Roger the Engineer
Das Album „Roger the Engineer“ der britischen Band The Yardbirds erschien 1966 und gilt als ihr einziges Studioalbum mit komplett eigenem Songmaterial. Offiziell hieß es in Großbritannien Yardbirds, bekam aber aufgrund des Cover-Designs, das eine Karikatur des Tontechnikers Roger Cameron zeigt, schnell den Spitznamen „Roger the Engineer“.

Musikalisch markiert es eine Übergangsphase: Die Band entfernte sich von reinem Rhythm & Blues und experimentierte stärker mit Psychedelic-, Bluesrock- und Hardrock-Elementen. Mit Jeff Beck als Leadgitarrist enthält das Album einige wegweisende Riffs und Sounds, die später viele Musiker beeinflussten. Heute gilt es als ein Schlüsselwerk der 60er-Jahre-Rockmusik.

Jean-Michel Jarre: Zoolook
Jean-Michel Jarres Album Zoolook aus dem Jahr 1984 gilt als eines seiner experimentellsten Werke und markiert einen deutlichen Schritt weg von reiner Synthesizer-Musik hin zu einem stärker samplingsbasierten Klangbild. Charakteristisch ist der innovative Einsatz von Sprachaufnahmen aus rund 25 verschiedenen Sprachen, die verfremdet, rhythmisch eingebunden und so zu einem eigenständigen musikalischen Element werden. Dadurch entsteht eine außergewöhnliche Textur, die dem Album eine besondere Tiefe und Identität verleiht. Stücke wie Ethnicolor oder Diva erzeugen dichte, atmosphärische Klangräume, die teilweise fast beklemmend wirken, während andere Passagen mit spielerischen Fragmenten überraschen. Kritiker heben das Album häufig als wegweisend für die Verwendung von Sprachsamples im elektronischen Popkontext hervor.

Gleichzeitig ist Zoolook kein leicht konsumierbares Werk: Der Spannungsbogen wirkt stellenweise unausgeglichen, und wer Jarres melodischere Klassiker wie Oxygène oder Équinoxe bevorzugt, könnte den Zugang zu Zoolook als sperrig empfinden. Auch manche Produktionstechniken wirken aus heutiger Sicht etwas gealtert. Dennoch bleibt Zoolook ein ambitioniertes Album, das Mut zur Innovation beweist und als wichtiger Meilenstein in der Geschichte der elektronischen Musik gilt.

Led Zeppelin: III
Mit Led Zeppelin III schlug die Band 1970 neue Wege ein und überraschte Fans wie Kritiker gleichermaßen. Während die Vorgängeralben klar vom harten, elektrischen Bluesrock geprägt waren, zeigt sich hier ein deutlicher Fokus auf akustische Klänge und Folk-Einflüsse. Songs wie Gallows Pole oder Bron-Y-Aur Stomp schöpfen aus britischer und amerikanischer Folk-Tradition, während Stücke wie Immigrant Song oder Celebration Day die gewohnte Energie und Härte der Band transportieren.
Diese Mischung aus akustischer Intimität und elektrischer Wucht machte das Album zunächst zu einem Streitpunkt: Manche Hörer vermissten die durchgehende Wucht der ersten beiden Werke. Doch mit der Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass Led Zeppelin III ein mutiger Entwicklungsschritt war, der die Band musikalisch breiter aufstellte und ihren Sound erheblich erweiterte.
Besonders hervorgehoben wird heute die Vielseitigkeit des Albums: von hymnischen Riffs über filigrane Gitarrenarrangements bis hin zu sensiblen Akustikpassagen. Kritiker sehen darin einen wichtigen Grundstein für Led Zeppelins Fähigkeit, Hardrock, Blues, Folk und psychedelische Elemente zu einem unverwechselbaren Stil zu verschmelzen.
Im Rückblick gilt Led Zeppelin III nicht als das eingängigste, wohl aber als eines der einflussreichsten und künstlerisch spannendsten Werke der Band – ein Album, das zeigt, dass sich Led Zeppelin nicht auf ihre Erfolgsformel beschränkten, sondern den Mut hatten, neue Klangwelten zu erschließen.

King Crimson: Beat
Beat ist das neunte Studioalbum von King Crimson und erschien am 18. Juni 1982. Es war das zweite Album der „’80er-Formation“ mit Robert Fripp, Adrian Belew, Tony Levin und Bill Bruford, und erstmals blieb die Besetzung gegenüber dem Vorgängeralbum Discipline unverändert. Unter dem Einfluss der Beat-Generation (z. B. Jack Kerouac, Allen Ginsberg) konzipierte Belew die Texte, angeregt durch Fripp, der ihm Lesestoff aus der Beat-Literatur nahelegte. Der Name Beat verweist also nicht auf Rhythmus allein, sondern auf die literarische Bewegung, deren Geist (“On the Road”, “Howl” etc.) im Album mitschwingt.

Da Discipline 1981 als Comeback-Album gefeiert wurde, lagen die Erwartungen für Beat hoch: Könnte King Crimson die musikalische Neuausrichtung stabilisieren und weiterentwickeln? Viele Fans und Kritiker hofften auf eine Weiterentwicklung statt auf Wiederholung. Eines der stärksten Merkmale von Beat liegt in seiner instrumentalen Qualität und der Präzision, mit der die Musiker – insbesondere Fripp, Bruford und Levin – ihre Parts ineinander verschachteln. Selbst wenn der Pop- und New-Wave-Einfluss deutlich herauszuhören ist, bleibt die progressive DNA present. Die Technik, das Zusammenspiel und die Dichte mancher Arrangements erinnern an die besten Momente von Discipline, auch wenn Beat insgesamt zugänglicher klingt. Beat ist ein Album, das in King Crimsons Diskografie zwischen Experiment und Zugänglichkeit steht. In den besten Momenten – etwa mit Sartori in Tangier und Requiem – erinnert es daran, dass die Band immer noch bereit war, Grenzen zu verschieben. In anderen Momenten wendet es sich bewusst dem Pop-Songwriting zu, was manche Fans als Kompromiss ansehen.
Wenn man Beat mit seinem Vorgänger Discipline vergleicht, liegt es rückblickend oft etwas darunter: wohltuend solide, aber nicht so kraftvoll und einflussreich wie das Comeback-Album. Dennoch besitzt Beat genug individuell starke Stücke, um es auch heute noch wertvoll zu hören – vor allem für jene, die den Chinesen des 80er-Crimson-Sounds nachspüren wollen.

Howard Shore: Lord of the Rings
Die Musik von Howard Shore zu Der Herr der Ringe zählt zu den bedeutendsten Filmmusikwerken überhaupt und ist weit mehr als eine bloße Begleitung der Bilder. Shore erschuf ein eigenständiges musikalisches Universum, das die Tiefe und Vielfalt von Tolkiens Welt hörbar macht. Zentral ist dabei die konsequente Verwendung der Leitmotivtechnik: Mehr als neunzig verschiedene Themen und Motive ziehen sich durch die Trilogie, die Völker, Orte, Gegenstände oder auch abstrakte Ideen verkörpern und sich im Verlauf der Handlung weiterentwickeln. So wird die Musik des Auenlands von warmen, volksliedhaften Klängen mit Geige, Flöte und Klarinette bestimmt, während Rohan durch die rauen Töne der Hardangerfiedel charakterisiert wird. Gondor klingt majestätisch und feierlich mit Blechbläsern und Chor, während Mordor und Isengard von schweren, dissonanten Klangmassen aus Blech und Schlagwerk geprägt sind.

Einen besonderen Reiz verleihen die groß angelegten Chorpassagen, die in Tolkiens Sprachen wie Sindarin, Quenya oder Khuzdul gesungen werden und der Musik eine archaische, mythische Aura verleihen. Shore gelingt es, sowohl intime, zarte Momente voller Geborgenheit als auch monumentale Schlachtszenen von überwältigender Wucht zu gestalten und so die emotionale Bandbreite der Filme auf einzigartige Weise zu verstärken. Trotz der Vielfalt an Themen und Stilen wirkt die Komposition als geschlossenes Ganzes, das wie eine Oper ohne Bühne funktioniert und die epische Dimension der Geschichte hörbar macht.

Bernard Herrmann: Vertigo
Der Soundtrack zu Alfred Hitchcocks Vertigo (1958), komponiert von Bernard Herrmann, gilt als eines der eindrucksvollsten Beispiele für die enge Verbindung von Film und Musik. Herrmanns Komposition ist von einer hypnotischen, fast unheimlichen Qualität geprägt und spiegelt die psychologische Tiefe des Films ebenso wider wie dessen traumartige Atmosphäre. Zentral sind die schwebenden, kreisenden Motive, die musikalisch das titelgebende Schwindelgefühl nachzeichnen. Durch die geschickte Verwendung von sich aufbauenden und wiederholenden Figuren, schraubenartigen Tonbewegungen und dichten Orchesterfarben entsteht ein Klangbild, das sowohl Spannung als auch Obsession vermittelt.
Die Partitur arbeitet intensiv mit Streichern, die oft in breiten, wogenden Klangflächen eingesetzt werden und ein Gefühl von Sehnsucht, aber auch von Beklemmung erzeugen. Über diesen Teppichen legen sich unheilvolle Bläserakzente, die die Bedrohung und die innere Zerrissenheit der Hauptfigur unterstreichen. Besonders hervorzuheben ist das berühmte Liebesthema, das zugleich romantisch und beunruhigend wirkt – es steigert sich immer wieder in leidenschaftliche Höhepunkte, die jedoch abrupt abbrechen oder in Dissonanzen münden, was die unerfüllte, obsessive Natur der Liebe im Film reflektiert.
Herrmanns Musik für Vertigo ist weniger auf klassische Hollywood-Melodien ausgelegt, sondern auf eine durchgängige Klangdramaturgie, die den Zuschauer unweigerlich in die psychologische Abwärtsspirale der Figuren hineinzieht. Sie ist zugleich lyrisch und bedrohlich, schön und verstörend, und verstärkt so die traumwandlerische, beklemmende Stimmung des Films auf unverwechselbare Weise.

Richard Wagner: Lohengrin
Die Bayreuther Festspiele 1982 präsentierten mit Richard Wagners „Lohengrin“ eine Aufführung, die sowohl musikalisch als auch szenisch nachhaltigen Eindruck hinterließ. Im Zentrum stand der Tenor Peter Hofmann, der zu dieser Zeit bereits als charismatischer und moderner Wagner-Sänger galt. Seine Interpretation der Titelpartie zeichnete sich weniger durch ein heroisch stählernes Timbre aus, als vielmehr durch eine lyrische, fast schlanke Stimmführung, die dem geheimnisvollen Charakter des Schwanenritters eine besondere Verletzlichkeit und Menschlichkeit verlieh. Hofmanns heller Tenor, geprägt von klarem Höhenstrahl und nuancenreicher Phrasierung, traf den Ton eines „modernen Lohengrin“, der sich von den kraftvollen, manchmal schwergewichtigen Bayreuth-Traditionen unterschied. Kritiker bemerkten zwar eine gewisse vokale Fragilität in den dramatischeren Passagen, doch gerade die „Gralserzählung“ gewann durch seine fast introvertierte Gestaltung eine intime Intensität, die im Festspielhaus große Wirkung entfalten konnte.

An der Seite Hofmanns überzeugte die Sopranistin Katalin Komlósi (Elsa) mit lyrischer Innigkeit, auch wenn ihre Stimme nicht immer das durchschlagende Volumen für den großen Saal besaß. Die Gegenspieler, insbesondere Ortrud und Telramund, lieferten hingegen kraftvoll-dramatische Kontraste, die der Aufführung die nötige Spannung gaben. Dirigent Woldemar Nelsson entschied sich für ein transparentes, fließendes Klangbild, das weniger den monumentalen Wagner-Klang kultivierte, sondern eine fein austarierte Balance zwischen Orchester und Bühne herstellte. Die Bayreuther Akustik trug dazu bei, dass selbst die zarten Passagen Hofmanns klar verständlich blieben.

Auch die 1982 veröffentlichte Aufnahme dieser Produktion dokumentiert diese besondere Ära Bayreuths. Auf Schallplatte und später CD festgehalten, vermittelt das Album die Atmosphäre eines Ensembles, das nicht allein auf stimmliche Wucht setzte, sondern auf psychologische Zeichnung und klangliche Durchsichtigkeit. Hofmanns Lohengrin wirkt hier fast wie ein Gegenentwurf zum traditionellen „Helden“ – ein sensibler, geheimnisvoller Ritter, der in seiner Menschlichkeit greifbarer wird. Während manche Puristen den fehlenden „stahlblauen Heldentenor“ kritisierten, schätzten andere gerade den frischen Zugang, der Wagner näher an eine neue Generation von Opernfreunden brachte.

In der Rückschau lässt sich die Bayreuther „Lohengrin“-Produktion von 1982 als ein wichtiger Moment in der Rezeption des Werkes werten. Sie markierte eine Phase, in der die Festspiele begannen, sich von schwerfälligen Wagner-Klischees zu lösen und neue stimmliche und szenische Wege zu beschreiten. Das Album mit Peter Hofmann bleibt bis heute ein Dokument dieses Aufbruchs, das seine Hörer mit einer Mischung aus Spannung, Kontroverse und Faszination zurücklässt.

Chuck Berry: Ultimative Collection
Chuck Berry gilt als einer der entscheidenden Wegbereiter des Rock ’n’ Roll. Mit Songs wie Johnny B. Goode oder Roll Over Beethoven verband er treibende Rhythmik, eingängige Gitarrenriffs und jugendnahe Texte zu einer bis dahin unbekannten Mischung, die Generationen von Musikern beeinflusste. Berry prägte nicht nur den Sound, sondern auch die Bühnenästhetik des Rock: Seine energiegelbe Performance, der berühmte „Duckwalk“ und seine unverwechselbare Gitarrentechnik machten ihn zu einem Idol für Bands wie die Beatles, die Rolling Stones oder später auch Bruce Springsteen.

Er brachte das Lebensgefühl einer neuen, selbstbewussten Jugendkultur auf den Punkt und gilt bis heute als „Vater des Rock ’n’ Roll“, dessen musikalisches Erbe den Grundstein für nahezu alle späteren Spielarten der Rockmusik legte.

Neil Young: Mit 80 Jahren zwischen Rückkopplung und Rebellion

12. Juli 2025

Dreimal habe ich Neil Young live erlebt – zuletzt vor wenigen Tagen, unter freiem Himmel auf der Berliner Waldbühne. Der 80-Jährige trat auf mit Chrome Hearts, einer jungen Band, die er forderte, antrieb, mitnahm. Die Ära Crazy Horse ist vorbei – aber das Feuer brennt weiter, nun in neuen Körpern, neuen Händen, unter den alten Akkorden.

Zuvor hatte ich ihn gesehen – nicht leibhaftig, sondern durch die Linse des Netzes – beim legendären Glastonbury-Festival. Ein alter Mann mit aufrechter Haltung, ein Gitarrengurt wie eine Schärpe, ein Blick, der nicht fragt, ob er darf. Diese Energie! Also Zugticket gebucht, ab nach Berlin, mein erstes Mal auf der Waldbühne – einem Ort, der wie geschaffen scheint für Legenden.

Die Setlist war ein Geschenk an die Getreuen, an jene, die ihn seit Jahrzehnten begleiten. Es war eine Reise durch Jahrzehnte, ein Streifzug durch Höhen und Nebel. Nicht jeder Song ein Geniestreich – doch stets kraftvoll, aufrichtig, mit Haltung gespielt. Als „Hey Hey, My My“ erklang, laut und roh, stimmten 22.000 Seelen ein in die Hymne: „Rock and roll can never die.“

Ich lauschte, als die Zeilen kamen: „It’s better to burn out than to fade away. The king is gone but he’s not forgotten.“ Und ich wurde still. Da steht er, 80 Jahre alt, vor der Wand aus Lautsprechern, trotzt der Zeit – und stellt sich ihr zugleich.

Die Band spielte mit einer Freude, die mitriss. Besonders in den langen, offenen Passagen, wo Musik fließt, tastet, sich verliert und neu findet. Young selbst: ganz bei sich, ganz bei seiner Old Black – dieser schwarzen, zerschrammten Gibson Les Paul von 1953. Ein Relikt, ein Werkzeug, ein Begleiter.

Und dann die Momente, die unter die Haut gingen: „Like a Hurricane“, aufbäumend, stürmisch – „Rockin’ in the Free World“, trotzig, wütend, frei.

Am Ende reißt Neil die Saiten aus dem Holz, spielt mit der Rückkopplung, als würde er mit der Welt sprechen. Keine Pose. Kein Trick. Einfach Neil. Hier das Video

Hat er etwas Neues gesagt? Nein. Keine Revolution wie einst bei der Trans-Tour.
Aber das war nicht nötig. Es war Rock’n’Roll. Echt. Ehrlich. Unverstellt. Und was will man mehr?

These Kids were allright – The Who Bandgeschichte

16. Januar 2023

Sie galten einst als eine der lautesten Bands der Rockmusik und am 15. Januar 1965 hatten die Band mit „I Can’t Explain“ ihre erste Single und auch den ersten Nummer 1 Hit in Großbritannien. Gemein sind natürlich The Who.

Ich mag diese Art von rauer Arbeitermusik als Vorläufer von Punk und hab mal wieder zur offiziellen Bandgeschichte 50 Jahre the Who als Buch gegriffen, das 2015 erschien. Ich habe mir die deutsche Fassung gekauft, die bei Prestel erschienen ist. Reich bebildert und mit viel Anekdoten macht das Coffee-table Buch richtig Spaß. Pete Townshend und Roger Daltery steuerten Geschichten bei. Dabei erinnere ich mich, dass ich mal einen Who-Aufnäher auf meiner Jeansjacke (Kutte) hatte, den ich stolz getragen habe. Die Jeansjacke habe ich heute mit dem Tweedjacket getauscht, die Musikvorliebe bleibt aber. Es waren schon schlimme Jungs die Herren Pete Townshend, Roger Daltery, John Entwistle und vor allem Keith Moon, aber These Kids were allright, wie ein Album- und Filmtitel hieß.

Zu Beginn waren die Who eine Hitparaden-Single-Band aus England. Sie klangen ein wenig nach den lauten Kinks, waren modisch nach Mods-Mode gekleidet und brachten einige erfolgreiche 3 Minuten Songs: I Can’t Explain, My Generation, Supstiude. Aber die Who waren mehr, vor allem eine Live-Band. Ich muss immer grinsen, wenn ich ihre Auftritte bei den Hippies beim Monterey Pop Festival oder bei Woodstock sah. Für mich hatten diese Musiker mit ihrer rauen, gewalttätigen Musik wenig gemeinsam mit dem Flower-Power-Movement der Blumenkinder. Sehr eindrucksvoll, war der Auftritt in Monterey 1967 als die Who die Bühne verwüsteten und Hendrix danach noch einen draufsetze und seine Gitarre anzündete. Who verloren gegen Hendrix wer als letzter auftreten durfte und setzen auf das Prinzip verbrannte Erde, um Hendrix keine Chance zu bieten – so kann man sich täuschen.

Was viele vergessen: The Who gehörten auch zur British Invasion, waren aber deutlich härter und lauter als Beatles oder Rolling Stones. Live waren und sind The Who immer eine Show. I Can’t Explain meist als Opener. Was sicherlich Eindruck machte, war das Zusammenspiel der Musiker. Der ruhige Part war Bassspieler John Entwistle. Aber Pete Townshend malträtierte windmühlenartig seine Gitarre und zerschlug oft sein Instrument. Roger Daltrey wirbelte sein Mikro wie ein Lasso durch die Gegend und Keith Moon war das Vorbild für die Bestie aus der Muppet Show hinter seinem Schlagzeug. Daher auch Moon The Loon (der Lümmel).

Es gibt die absoluten genialen Alben wie Leeds oder Hyde Park als Beispiel. Aus der Single-Band wurde eine erstzunehmende Konzeptband. Pete Townshend drücke der Musikgeschichte die Alben Tommy und Quadrophenia auf. Und natürlich war dann der spektakuläre Tod von Keith Moon 1978, der alles ausprobieren musste und über die Strenge schlug. 2002 folgte dann John Entwistle mit Herzversagen mit zuviel Kokain im Blut.
Townshend und Daltrey machten weiter. Der Name The Who war einfach zu wertvoll, um einfach ausschließlich solo weiterzumachen.

Aber zurück zum wunderbaren Buch 50 Jahre the Who. Es gibt viele kleine und große Episoden, eingeordnet in die Entwicklung der Rockmusik. Diese Geschichte zeigt den Stellenwert der Band und das Ganze ist garniert mit schmucken Fotos aus den Privatarchiven der Musiker.