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Die Stimme des Adels – Rolf Seelmann-Eggebert ist verstummt – mein persönlicher Nachruf

23. August 2025

Es gibt Stimmen, die man nicht nur hört, sondern fühlt. Stimmen, die einen in eine andere Welt entführen – in eine Welt voller Geschichte, Tradition und gelebter Kultur. Eine solche Stimme gehörte den großen Journalisten, Peter von Zahn. Eine weitere große Stimme ist gerade gestorben: Rolf Seelmann-Eggebert. Für Generationen von Fernsehzuschauern war er das vertraute Gesicht und die unverwechselbare Stimme, wenn es um Europas Königshäuser geht.

Rolf Seelmann-Eggebert Foto: NDR

Ich hab ihn leider nie kennengelernt, aber seine Stimme bedeutete für mich Seriosität, nicht Yellow-Press, sondern seriöse Adelsberichterstattung. Seelmann-Eggebert hat es geschafft, das Thema Adel aus dem Staub der Klischees zu holen und ihm jene Würde zu verleihen, die es verdient. Mit seinem unvergleichlichen Fachwissen, gepaart mit journalistischer Sorgfalt, öffnete er uns seinen Zuhörern und Zuschauern Türen zu Palästen und Geschichten, die sonst verborgen geblieben wären. Doch was ihn wirklich auszeichnet, ist nicht allein die Tiefe seines Wissens, sondern die Art, wie er es vermittelt.

Seine Stimme trug einen warmen, kultivierten Ton, der Vertrautheit schafft. Er sprach mit jener Mischung aus Respekt und kritischer Distanz, die leider selten geworden ist im Journalismus. Ich will keine Medienschelte betreiben, gehöre ich ja dazu, aber es war eine andere Zeit von Journalisten nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn er von den Windsors, den Grimaldis oder den Hohenzollern erzählt, geschah das nie reißerisch. Stattdessen ließ er die Geschichte atmen, führte sein Publikum mit leiser Eleganz an Intrigen, Tragödien und Triumphen vorbei – immer informativ, nie sensationslüstern. Die Queen durfte er zu Lebzeiten allerdings nie interviewen, vielleicht hat er jetzt die Chance.

Seelmann-Eggebert war kein bloßer Chronist, er war ein Erzähler, ein Geschichtenerzähler im besten Sinne des Wortes. Gute Journalisten erzählen Geschichten und das konnte er. Einer, der die Schicksale der Mächtigen keannte, ohne die Menschen dahinter aus den Augen zu verlieren. In Zeiten von schnellen Schlagzeilen und oberflächlichen Skandalen war er ein Gegenentwurf: ein Wissender, der zuhört, recherchiert und die Faszination am Adel verständlich machte. Gut, er war schon lange nicht mehr journalistisch tätig. Vielleicht wäre ein guter YouTuber aus ihm geworden. Im Jahr 2019 erschien die Biografie „In Hütten und Palästen. Ein Reporterleben“, die Rolf Seelmann-Eggebert gemeinsam mit seiner Tochter Adele Seelmann-Eggebert verfasst hatte. Ein gut geschriebenes Buch, das ich wieder hervorholen werde.

Sein Werk ist mehr als Berichterstattung; es ist gelebte Kulturgeschichte. Wer ihn einmal über das Protokoll am britischen Hof sprechen gehört hat oder seine Analysen zur europäischen Monarchie verfolgte, der versteht, warum er in Deutschland als „Königskenner“ galt, so erzählte es mir vor Jahren ein Verwandter von ihm.

Rolf Seelmann-Eggebert hatte es geschafft, mit Stimme, Stil und Substanz eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Und genau darin liegt sein Verdienst: Er ließ uns die Welt des Adels nicht nur sehen, sondern verstehen.

Nachfolgend die offizielle Pressemeldung des NDR: Rolf Seelmann-Eggebert ist tot. Der Journalist, der einem großen Publikum unter anderem durch seine kenntnisreichen Dokumentationen und Live-Sendungen über Europas Königshäuser bekannt wurde, starb im Alter von 88 Jahren am 22. August in Hamburg.

„NDR Intendant Joachim Knuth: „Rolf Seelmann-Eggebert hat unser Programm entscheidend geprägt – als Adelsexperte, aber auch in vielen anderen Bereichen. Über sechs Jahrzehnte hinweg machte er für den NDR Reportagen und Dokumentationen, war Moderator und Kommentator. Ob er aus Krisengebieten berichtete, die ungleiche Verteilung des globalen Reichtums thematisierte oder royale Großereignisse begleitete – immer überzeugte er die Zuschauerinnen und Zuschauer durch seine profunde Sachkenntnis und seinen taktvollen Umgang mit Themen und Menschen. Rolf Seelmann-Eggebert war ein vorbildlicher Journalist. Der NDR hat ihm viel zu verdanken.“

Rolf Seelmann-Eggebert, geboren in Berlin, absolvierte nach einem Soziologie-Studium 1956 ein Volontariat beim NDR in Hannover. 1964 wurde er dort Leiter der Reportageabteilung. Von 1968 bis 1971 arbeitete Seelmann-Eggebert als ARD-Hörfunk-Korrespondent für Westafrika mit Sitz in Abidjan. Anschließend war er bis 1976 ARD-Fernsehkorrespondent für Afrika mit Sitz in Nairobi. Weitere berufliche Stationen waren die Leitung des ARD-Studios London in den Jahren 1978 bis 1981 und 1994 bis 1996. 1982 wurde er Programmdirektor Fernsehen des NDR. Mit der Initiative „Ein Tag für Afrika“ sammelte Seelmann-Eggebert 1985 rund 100 Millionen Mark für die Menschen, die Äthiopien zu verhungern drohten.

1996 wurde er Chefkorrespondent Fernsehen des NDR. In dieser Funktion baute er u. a. die „One World Group of Broadcasters“ mit auf, einen internationalen Verbund von TV-Sendern für Programminitiativen zu Gunsten der Länder Afrikas, Asiens und Südamerikas.

Mit Erreichen der Altersgrenze wechselte Seelmann-Eggebert 2002 in den Ruhestand, machte aber weiter Filme und Live-Reportagen für den NDR. Zudem kümmerte er sich bis 2004 als Vorsitzender der NDR Volontärskommission um den journalistischen Nachwuchs.

Große Publikumserfolge waren u. a. seine Fernsehreihen „Europäische Königshäuser“, „Royalty“, „Königskinder“, „Deutsche Fürstenhäuser“ oder „Die Windsors – 100 turbulente Jahre“. Eine weitere Domäne Seelmann-Eggeberts waren Live-Reportagen von großen Ereignissen an Europas Höfen. Unvergesslich bleiben u. a. seine mehrstündigen Live-Kommentierungen der Hochzeiten von Prinz Charles und Lady Diana, Prinz William und Catherine „Kate“ Middleton sowie Prinz Harry und Meghan Markle.

Am Pfingstsonntag 2018 zeigte das Erste die letzte Fernseh-Reportage von Rolf Seelmann-Eggebert, „Ein Wiedersehen mit Kenia“. Dafür bereiste er als 81-Jähriger das ostafrikanische Land, um zu erleben, wie es sich verändert hat, seit er dort Korrespondent war.

Rolf Seelmann-Eggebert erhielt im Lauf seines Berufslebens zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Journalisten-Preis, das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das Bundesverdienstkreuz am Bande, den „Order of the British Empire“, den Journalistenpreis Entwicklungspolitik, den „Goldenen Gong“, die „Goldene Kamera“ und den „Bambi“. 2011 wurde er für seine Royalty-Berichterstattung in der Kategorie „Besondere Leistung Unterhaltung“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Seelmann-Eggebert nahm vielfältige Ehrenämter wahr, u. a. als Vorstandsmitglied des Deutschen Komitees für UNICEF und der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, als Mitglied des deutschen Kuratoriums der World Childhood Foundation und Ehrenmitglied der Deutsch-Britischen Gesellschaft.

Persönlicher Nachruf auf Gerd Ruge

18. Oktober 2021

Mit 93 Jahren starb eine Legende: Gerd Ruge ist tot. Ein journalistisches Vorbild hat seine wachen Augen für immer geschlossen. Für mich war Ruge ein Vorbild, obwohl ich nie mit ihm arbeiten durfte. Diese Auszeichnung wurde mir nie zu Teil.
Ich habe die Arbeit von Gerd Ruge immer geschätzt, den Menschen kannte ich nur aus Erzählungen, aber der Reporter war mir Zeit seines Lebens präsent. Mein Vater hatte das Buch von Ruge Zwischen Washington und Moskau – Europa in der Konfrontation der Supermächte. Das bekam ich als Jugendlicher in die Hände und war über den Stil begeistert. Ich hatte damals Peter Scholl-Latour, Peter von Zahn und Dieter Kronzucker gelesen. Nun hatte ich Gerd Ruge für mich entdeckt.

Als es 1991 zum Putsch gegen Gorbatschow kam, hing ich vor dem Fernseher und verfolgte die Dauerreportagen von Gerd Ruge, der mir die Lage vom russischen Weißen Haus ins Wohnzimmer brachte. Manches Mal vernuschelt, aber immer objektiv. Der Mann konnte einfach mit Menschen. Später erschien dazu sein Buch: Der Putsch: Vier Tage, die die Welt veränderten
Er hatte den Dreh raus, um den Menschen zu erreichen. Ob er es unabsichtlich machte oder ob er diesen Stil bewusst einsetzte, das weiß ich nicht. Funktioniert hat es immer. Ich sagte einmal zu einem Kollegen, dass mich Ruge an die TV-Figur Colombo erinnerte – und das meine ich mit großem Respekt. Ruges Spruch lautete: „Wie ist das Leben?“ – und damit hatte er den Interviewpartner.

Mein Autogramm von Gerd Ruge.

Auf einer Veranstaltung, ich glaube es war die Verleihung des Gerd Ruge Stipendium der Film- und Medienstiftung NRW, durfte ich ein paar Worte mit ihm wechseln. Und ich bat ihn um ein Autogramm. Ich hatte aus München extra eine alte Autogrammkarte vom WDR mitgebracht.
Er lachte und nuschelte etwas, warum ich kein neues Buch zum Unterschreiben dabei hatte. Ich lachte und sagte sinngemäß, dass er für mich ein Mann des Fernsehens sei und daher erschien mir die WDR-Autogrammkarte am passendsten. Wir beide lachten, er unterschrieb und das war leider meine einzige Live Begegnung mit Gerd Ruge. Das Autogramm hängt heute in meinem Arbeitszimmer.

Zur Person Gerd Runge
Gerd Ruge wurde am 9. August 1928 in Hamburg geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er 1949 beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Köln. 1956 ging er als erster ständiger Korrespondent für die ARD nach Moskau. 1963 entwickelte er mit dem Journalisten Klaus Bölling die ARD-Sendung „Weltspiegel“. Bis 1969 war Ruge Amerika- und Washington-Korrespondent der ARD und kehrte dann als ARD-Chefkorrespondent und Leiter des WDR-Studios zurück nach Bonn. 1973 bis 1976 war Ruge Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ in Peking, wurde 1977 für den WDR ARD-Hörfunkkorrespondent in Moskau und ab 1981 WDR-Fernseh-Sonderkorrespondent. Gerd Ruge leitete u.a. die Redaktionen „Monitor“ und „Weltspiegel“ im WDR sowie die Programmgruppe Ausland. 1987 ging er als ARD-Korrespondent und Studioleiter zurück nach Moskau, wo er bis zum Ruhestand 1993 arbeitete.
Dem Bildschirm verbunden blieb Ruge durch seine Reisereportagen „Gerd Ruge unterwegs“ und die Moderation der 3sat-Talkrunde „NeunzehnZehn“. Von 1997 bis 2001 leitete er den Bereich Fernsehjournalismus an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. 1999 wurde er Präsident der Jury des „Prix International des Correspondants de Guerre“. Gerd Ruge war Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. drei Adolf-Grimme- Preise, den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis sowie 2014 den Ehrenpreis der Stifter des Deutschen Fernsehpreises.

Persönliche Erinnerung an den großen Journalisten Peter von Zahn

26. Juli 2021

Die Reporterstimme, die mich als Kind geprägt hat, gehört ohne Zweifel dem großen Peter von Zahn. Am 26. Juli 2021 Heute vor 20 Jahren verstarb der große Hörfunk- und Fernsehjournalist in Hamburg. Und ich muss zugeben: Ich bin ein absoluter Fan von Peter von Zahn. Er hat mich sicherlich in meiner Berufswahl stark beeinflusst.

Als Kind saß ich gebannt vor dem Grundig-Fernseher meiner Eltern und sah mir Woche für Woche die Sendung „Bilder, die die Welt bewegten“ an. Die Serie brachten mir die großen Katastrophen näher, wie beispielsweise den Hindenburg-Absturz oder das Kennedy-Attentat. Die drei Staffeln mit insgesamt 34 Folgen liefen in den Jahren 1980 und 1983 im ZDF. Peter von Zahn moderierte sämtliche Sendungen mit seiner bemerkenswerten Stimme und eigentümlichen Betonung. Diese Stimme hab ich noch immer im Ohr.

Wenn der Vorspann der Serie auf der Mattscheibe erschien, lief es mir als junger Zuschauer kalt den Rücken herunter. Eine Tickermeldung zog sich in der Schrift American Typewriter über den Bildschirm, während Katastrophenbilder abliefen. Dazu eindringliche Musik. Das wirkt noch immer und war überzeugend. Fakten eindringlich präsentiert – das war ein Journalismus mit dem ich aufgewachsen bin.
Mein Papa berichtete mir von US-Sendungen von Zahn, die Papa als junger Mensch im Schwarzweiß-Fernseher sah. Als erster festangestellter deutscher Auslandskorrespondent nach dem Zweiten Weltkrieg ging Peter von Zahn von 1951 bis 1960 in die USA. ES gibt einige Sendungen von ihm bei YouTube. Das Tempo war anders, von Zahn brachte den Deutschen die unbekannte USA-Gesellschaft ins Wohnzimmer. Es war eine spannende Zeit für Reportagen, für Storytelling wie man heute es nennen würde.

Im Nachlass meines Vaters entdeckte ich Bücher von Peter von Zahn: Stimme der ersten Stunde: Erinnerungen 1913–1951 und Reporter der Windrose. Erinnerungen 1951–1964. Ja, es sind Reporterbücher aus einer anderen Zeit. Ich kaufte mir einige Bücher nach wie Fremde Freunde. Bericht aus der Neuen Welt (1953) und verschiedene Dokumentarspiele auf DVD wie Kuba-Krise. Peter von Zahn gehörte eine großen Generation von Journalisten an. Dazu zähle ich Persönlichkeiten wie Peter Scholl-Latour, Gerd Ruge, Dieter Kronzucker und noch ein paar mehr. Ich erinnere mich als ich mit einem Podcaster mit umgedrehter Mütze in Diskussion geriet. Der Kollege, der sonst zu allem seinen Senf dazu gibt, kannte Peter von Zahn nicht. Das tat weh – eine große Stimme des Radios ist bei der neuen Generation nicht bekannt.

Als Erinnerung an Peter von Zahn hängt in meinem Arbeitszimmmer ein Foto mit Autogramm. „Eines ist genug“ steht da zu lesen. Das kommt davon, wenn man um zwei Autogramme bittet. Immer wieder stehe ich davor und denke mir: Was für ein großartiger Geschichtenerzähler.

Wie das Playmobil-Reporterset 3468 meinen Berufswunsch beeinflusste

17. April 2017

So viele Produkte in meinem Umfeld sind weißblau oder blauweiß und ich habe eine Reizüberflutung, wenn ich an die Produkte in diesen Farben denke. Daher hatte ich Schwierigkeiten bei der Blogparade der IronBlogger München zu diesen Farben. Es war einfach zu viel. Beim Nachdenken überlegte ich mir, welche Geschichten ich zu diesem Thema bloggen könnte.

Ich muss mir das Set mal wieder kaufen.

Ich muss mir das Set mal wieder kaufen.

Als Kind war ich von einer Fernsehserie fasziniert, die sich um die Reporter der fiktiven Tageszeitung Los Angeles Tribune drehte: Lou Grant – diese Serie prägte mich und meinen späteren Berufswunsch Journalist. Ich liebte die Personen und die Geschichten. Und ich spielte als Kind meine Reportergeschichten mit Playmobil nach. Meine Eltern kauften mir im Jahre 1984 das Playmobil Set 3468. Ich spielte gerne Lego und ich spielte gerne Playmobil. Und das Set 3468 war ein Kamerateam mit Übertragungswagen. Ich habe es geliebt und habe meine Art Lou Grant mit den Playmofiguren aus dem fränkischen Zirndorf nachgespielt. Die Farben waren freilich weißblau oder blauweiß. Das Team tvi Television international bestand aus einem Kameramann für eine Studiokamera, eine Ton-Dame, einen Redakteur mit Bart und einen mobilen Reporter. Vielleicht eine Art Bayerischer Rundfunk, denn die Farben waren ähnlich und die Bartträger unter den Redakteuren habe ich damals beim PresseClub München auch getroffen. Es gab einen Übertragungswagen in weiß mit einem blauen Streifen an der Seite, es gab Scheinwerfer und eine schwenkbare Studiokamera und einen Tonarm.

Am liebsten war mit allerdings der Reporter. Er hatte eine Filmkamera (wahrscheinlich 16 mm) in der Hand und einen Rucksack auf dem Rücken. Wahrscheinlich war damals der Akku-Pack untergebracht. Diesen Typen schickte ich auf meine journalistischen Reisen. Im Grunde war er so eine Art Gerd Ruge, Peter Scholl-Latour, Peter von Zahn oder Dieter Kronzucker, wie meine Helden damals in der realen Welt hießen. Den Namen meines Reporters habe ich vergessen. Ich glaube, er hieß immer wieder anders und musste ja auch in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Mein Reporter besuchte Cowboys und Indianer, war Kriegsberichterstatter, reiste zu Piraten und er filmte auch eine königliche Playmobil-Hochzeit – Charles und Diana hinterließen auch bei mir als Jugendlicher ihre Spuren.
Irgendwann spielte ich nicht mehr mit Playmobil. Ich war zu alt. Meine Reporter verkaufte ich auf dem Flohmarkt und habe heute nur noch das Drehgestell der Studiokamera. Geblieben ist eine nette Erinnerung und ein weiterer Mosaikstein meines Berufswunsches, den ich später auch umgesetzt habe. Das Spiel mit meinem Playmobil-Reportern hat mich geprägt. Was kann es Schöneres geben?

Buchkritik: Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat von Jürgen Todenhöfer

8. Juni 2015

Der Stern brachte mich zu Jürgen Todenhöfer.

Der Stern brachte mich zu Jürgen Todenhöfer.

Ich wurde durch die Stern-Kampagne auf das Buch von Jürgen Todenhöfer aufmerksam. Der Stern besann sich auf seine Wurzeln als Reportage-Magazin und warb überall in der Republik für seine IS-Ausgabe. Im Mittelpunkt dabei war das Buch Inside IS von Jürgen Todenhöfer. Der Stern titelte „Im Mittelpunkt des Kalifats“. Als gelernter Tageszeitungsjournalist liebe ich Reportagen. Für mich ist die Reportage die Hochform des Journalismus. Reporter erklären die Welt – das fand ich immer faszinierend und gut. Und wenn der Stern zu seinen Wurzeln als Reportage-Magazin zurückgefunden hat, ist das auch gut: Lebensbeichte, große Geschichten, Gänsehaut und Enthüllung lauteten die Schlagworte beim Stern.

Werbung für den Stern.

Werbung für den Stern.

Der Bericht über die 10 Tage im Islamischen Staat machten mir Lust, mehr von Jürgen Todenhöfer zu lesen. Ich kannte Jürgen Todenhöfer als Mitglied der CDU-Stahlhelmfraktion um Alfred Dregger – aber inzwischen hat sich Jürgen Todenhöfer wohl geändert, er ist sanfter geworden und ist zum Journalisten avanciert.

In zwei Tagen gelesen, das Buch Inside IS von Jürgen Todenhöfer.

In zwei Tagen gelesen, das Buch Inside IS von Jürgen Todenhöfer.

Über die Pressestelle des Bertelsmann-Verlags besorgte ich mir das Buch Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘. Innerhalb von zwei Tagen las ich das 288 seitige Buch. Zunächst muss ich Jürgen Todenhöfer meine Hochachtung für seinen Mut aussprechen. Zusammen mit seinem Sohn Frederic und einem Kollegen reiste er zehn Tage als Journalist in den Islamischen Staat. Ich hätte diesen Mut nicht gehabt, ich hätte mein Kind aber auch nicht in Gefahr gebracht. Das muss die Familie selbst ausmachen.
Todenhöfer reiste als erster westlicher Journalist zum IS, wobei vor ihm der Journalist Medyan Dairieh der Internet-Plattform Vice News drei Woche den Islamischen Staat besuchte und eine interessante Reportage in Raqqa drehte. Sie gibt es bei YouTube zum Ansehen.

Jürgen Todenhöfer ging anders vor. Er beherzigte einen der wichtigsten Sätze des Journalismus, den ich in meinen Seminaren auch immer predige: Audiatur et altera pars. Dieser lateinische Spruch stammt aus dem römischen Recht und bedeutet soviel wie: Die andere Seite möge gehört werden. Und das ist genau der Kernsatz des Buches. Todenhöfer will die andere Seite hören. Er gibt den IS-Vertretern die Möglichkeit, sich auszubreiten. Die Aussagen der IS-Vertreter sind schwer verdaulich und tun weh. Todenhöfers Ablehnung gegenüber diesen Terroristen ist klar und dennoch lässt er sie zu Wort kommen. Das finde ich richtig, denn meiner Meinung nach, entlarven sich die IS-Vertreter mit ihren Aussagen und Handlungen als eiskalte Terroristen, die sich das Deckmäntelchen des Islam übergestreift haben. Ich glaube nicht, dass dies der wirkliche Islam ist und ich will und werde auch keine Religionsdebatte führen. Klar ist, dass Hardliner auf beiden Seiten den Autoren Todenhöfer vorwerfen, dass der IS zu Wort kommt und Todenhöfer ihm damit eine Plattform gibt. Und dennoch: Audiatur et altera pars. Aber genau das ist der Verdienst von Jürgen Todenhöfer. Und ich glaube nicht, dass Todenhöfer Propaganda für den IS macht und durch sein Buch dem IS auch noch Kämpfer in die Arme treibt. Er schreibt eindeutig: „Der IS ist eine mörderische Terrororganisation, für die es Erklärungen, aber keine Rechtfertigung gibt.“
Der Leser kann die mühevolle Kontaktaufnahme mit dem IS via Skype verfolgen. Die Dialoge werden überarbeitet abgedruckt. Wir erfahren viel über die Psyche und Argumentation dieser Leute. Aber hier setzt meine Kritik an. Ich liebe Reportage und ich liebe Reportage-Bücher. Aber ich möchte mehr Hintergrund, tieferen Hintergrund. Nur den Dialog mit einem IS-Vertreter abzudrucken, ist mir zu wenig. Ich möchte mehr historische Einordnung wie ich es von großen Kollegen wie Peter von Zahn, Gerd Ruge oder Peter Scholl-Latour gewohnt bin. Das sind Storyteller und sie liefern Zusammenhänge. Das liefert für mich Jürgen Todenhöfer nicht und das ist schade. Die Dialoge zeigen den Recherchenweg, eine Aufbereitung der Recherche wie wir es bei Woodward/Bernstein gelernt haben, wäre für mich wünschenswert. Jürgen Todenhöfer ist auf einer Mission, aber er ist für mich kein klassischer Journalist, auch wenn er sich als solcher bezeichnet. Ich will damit nicht seinen Verdienst schmälern und habe wie geschrieben, große Hochachtung vor seinem Mut, aber ich lese dann doch lieber die genannten großen Kollegen, die ihr journalistisches Handwerk aus meiner Sicht besser verstehen.
Das Buch Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘ beginnt mit einer gewissen Aufklärung. Der Autor Jürgen Todenhöfer schafft ein Bewusstsein, warum die Kluft zwischen Westen und Naher Osten immer tiefer wird. Bezeichnet ist für mich der Satz: „Wenn Zivilisten getötet werden, handelt es sich immer um Mord. Darüber kann es keine Diskussion geben.“ Da hat Todenhöfer recht und diese Aussage gilt nicht nur für den IS, sondern auch für Kriegstreiber im Westen.
Sehr eindrucksvoll ist der Fanatismus der IS beschrieben. Sie beziehen ihre Überlegenheit nicht aus militärischer Stärke, sondern aus der Kraft des Islam. So erklären sie sich, dass nur wenige IS-Kämpfer gut ausgerüstete Armeen in die Flucht schlagen. Die IS-Kämpfer sind überzeugt mit ihrer totalitären Ideologie und ihrer demonstrativen Brutalität die Welt verändern zu können. In Mosul haben weniger als 400 IS-Kämpfer etwa 25000 hochmodern ausgerüstete irakische Soldaten und Polizisten in die Flucht geschlagen. Gerade das Enthaupten von Menschen und das Zurschaustellen von abgeschlagenen Köpfen, das lebendige Verbrennen eines jordanischen Piloten sind ekelhaft, drücken aber extrem auf die Psyche der Kriegsgegner. Und nachdem alles gefilmt und über Netzwerke verbreitet wird, kommt der Terror der IS zu uns und schürt die Angst.
Ich lese viel über die mühevolle Reise in den IS-Staat, lese die kleinen Geschichten am Rande. Aber was hätte Todenhöfer aus dem Material machen können, wenn er schreiben könnte. Seine Eindrücke sind erstklassig, aber es liest sich leider nicht erstklassig. Die Infos über die Interviews sind hervorragend, eine gute Grundlage für mehr. Leider leidet das Buch unter Redundanz. Immer wieder fragt Todenhöfer nach etwaigen Anschlägen in Deutschland. Diese Frage ist wichtig, aber sie verliert durch seine Wiederholung an Dramatik. Hier hätte ein Lektor eingreifen müssen. Und diese Frage nach dem Lektor stelle ich mir immer wieder beim Lesen. Der Schreibstil von Todenhöfer ist nicht berauschend und das ist schade. Es gibt zudem den Vorwurf der Selbstinszenierung. Den möchte ich nicht gelten lassen, denn schließlich ist es eine Reportage und kein Sachbuch über die Entstehung und Verbreitung des IS. Wer ein Sachbuch will, muss ein anderes Buch lesen.
Das entscheidende Interview mit Abu Qatadah alias Christian Emde, dem deutsche IS-Kämpfer/Sprecher aus dem Ruhrpott, steht am Ende des Buches. Das Buch Inside IS – 10 Tage im ‚Islamischen Staat‘ steuert auf diesen Höhepunkt hin und wer das Video dazu gesehen hat, merkt, wie knapp Todenhöfer dabei war, selbst ermordet zu werden. Ich hatte das Video vor der Lektüre des Buches in Auszügen gesehen, das war leider ein Fehler. Es tat gut, das gesamte Interview jetzt zu lesen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Aber wirklich gepackt hat mich die Passage, als Todenhöfer erkennt, dass sein Fahrer wohl der IS-Killer Jihadi John war. Dieser skrupellose Killer enthauptete zahlreiche Menschen und ist ein verabscheuungswürdiger Terrorist. Hier kommt die Panik auf, doch leider ist mir die Analyse zu dünn, warum Jihadi John den Journalisten auf seiner Reise begleitete. Die Angebote an den britischen Premier und die damit einhergehende Propaganda durch die IS-Filme ist mir zu wenig.
Übrigens: Das Buch enthält 24 Seiten mit Fotos von der Reise. Sie zeigen sehr authentisch die Situationen von Todenhöfer und seinem Sohn. Gerne würde ich mehr, viel mehr von diesen Bildern sehen und nicht nur diese 24 Seiten. Ich hoffe, Jürgen Todenhöfer veröffentlicht noch ein Fotobuch mit weiteren Fotografien.

Persönlicher Nachruf auf Peter Scholl-Latour

17. August 2014

Er stand für mich für eine besondere Art des Journalismus, der heute nur noch schwer zu finden ist: Peter Scholl-Latour ist tot.
Er war einer derjenigen, die mich zu meinem Beruf inspirierten, deren Berufung es war, Geschichten zu erzählen. Es gab nicht viele seiner Zunft, die so waren wie er: ganz sicher der große Peter von Zahn oder Gerd Ruge – nur um ein paar dieser Liga zu nennen.
Im Bücherregal meiner Eltern entdeckte ich sein Buch Tod im Reisfeld und damit war es um mich geschehen. So kam ich als Jugendlicher zum ersten Mal mit Indochina in Kontakt. Ich lerne eine Welt vor Vietnam kennen und war von der Erzählweise fasziniert. Es folgten weitere Bücher und mit Seinem Buch Mord am großen Fluß begriff ich erst, was die Entkolonialisierung von Afrika hieß. Peter Scholl-Latour erklärte mir die Welt und ich war ein begieriger Schüler. Noch heute hängt in meinem Arbeitszimmer ein Autogramm von ihm, für mich eine Mahnung, Geschichten zu erzählen und nicht nur KPIs zu verfolgen.
Er erklärte uns Deutschen den Islam und ich kann verstehen, dass viele die besserwissende Person Peter Scholl-Latour ablehnten. Ich nicht. Ich genoss es, wenn der alte, knorrige Haudegen die neue Reportergeneration auseinandernahm und sie runterputzte. Je älter er wurde, desto störrischer wurde er und sicherlich vergriff er sich das eine oder andere Mal in seiner Wortwahl, wenn es in der Diskussion heiß her ging. Peter Scholl-Latour teilte aus und verfügte über ein tiefes Fachwissen.

Und es war nicht nur ein Wissen aus Büchern, nein Peter Scholl-Latour sprach mit den Leuten. Er ging raus und recherchierte, holte kontroverse Meinungen ein und verarbeitete sie in seinen Artikeln, Büchern und Filmen.
Mit den modernen Strukturen scheiterte er allerdings und ich meine damit nicht soziale Medien. Ich meine damit die Strukturen der Verlagswelt. Als Chefredakteur des Stern musste er sich um Verwaltung und Auflagenzahlen kümmern – das war nicht seine Welt. Er kam aus einer Welt des Geschichtenerzählens und das ist für mich seine Kunst. Dafür und für manches andere werde ich den großen Mann des Journalismus in Erinnerung behalten. Und wenn ich im Arbeitszimmer sitze, das Autogramm von Peter Scholl-Latour sehe, dann weiß ich, warum ich diesen Beruf gewählt habe.

 

Peter Scholl-Latour: Nachträglich alles Gute zum 90.

15. März 2014

Im Grunde ist er heute ein störrischer alter Mann, aber ich bin immernoch ein Fan von ihm. Ich meine den Journalisten Peter Scholl-Latour, der vor kurzem seinen 90. Geburtstag feierte. Er war mit seinen Büchern jemand, der mir den Beruf Journalist schmackhaft gemacht hat.

Im Wohnzimmer meiner Eltern lag eines Tages die Ausgabe seinen Klassikers Der Tod im Reisfeld herum. Als Jugendlicher habe ich den Vietnam-Krieg mitbekommen, aber von Indochina wusste ich eigentlich nichts. Das änderte sich, als ich das Buch von Scholl-Latour zu lesen begann. Es fesselte mich und schlagartig war ich ein Fan dieses Mannes.

Ich habe ein Autogramm von dem jungen Peter Scholl-Latour im Arbeitszimmer.

Ich habe ein Autogramm von dem jungen Peter Scholl-Latour im Arbeitszimmer.

Ich kaufte mir weitere Bücher, war begeistert über die Afrika-Bücher wie Mord am großen Fluß und merkte auch, dass er zeitweise sogar Chefredakteur vom Stern war – nach der Hitler Tagebücheraffäre. Aber Scholl-Latour war wohl weniger der Blattmacher und Verwalter, sondern vielmehr aktiver Journalist und warf beim Stern hin. Als die islamische Revolution stattfand, sah ich ihn immer wieder im Interview mit Ayatollah Khomein. Ich sagte immer meinen Kollegen: Schaut mal, der Typ geht raus und kennt die Leute. Er redigiert nicht nur dpa und ap, sondern schafft Nachrichten und Reportagen. Diese Art von Geschichten liebe ich und finde es einen großartigen Journalismus: Raus zu den Leuten und Augen auf.

Und das ist sicherlich eine der Stärken von Peter Scholl-Latour. Er geht raus und spricht mit Menschen. So bekommen seine Artikel, Bücher und Filme natürlich eine subjektive Sichtweise, die andere ihm natürlich vorwerfen. Aber damit steht er für mich in der Tradition von Peter von Zahn oder Gerd Ruge, die ich beide auch sehr bewundere. Heute wird Reportage-Journalismus nicht mehr bezahlt. Billig muss es heute sein, aber ich glaube, ein junger Scholl-Latour wäre ein starker Blogger geworden.

Im heutigen Medienzeitalter ist Peter Scholl-Latour wahrscheinlich überfordert. Seine Welt ist nicht Google und Blogs, Tags und SEO. Er muss sich aber mit 90. Jahren nicht mehr beweisen. Obwohl ich gerne einen Scholl-Latour des 21. Jahrhunderts begegnen würde.

Immer wieder sehe ich ihn im Fernsehen bei Talkshows, wo er junge Grünschnäbel die Leviten liest. Mir gefällt sein barscher Ton, wenn er dem Moderator über den Mund fährt oder von alten Zeiten schwadroiniert. Der alte Mann hat heute sogar einen YouTube-Kanal und ich schau mir seine alten Sendungen gerne an. Der Scholl-Latour ist ein Original und das ist er auch mit 90 Jahren. Ich gratuliere von ganzem Herzen nachträglich.