Posts Tagged ‘Verfall’

Buchtipp: Cinemas – From Babylon Berlin to La Rampa Havana von Margarete Freudenstadt

21. November 2025

Wer meinen Blog kennt, der weiß: Ich liebe das Kino. Meine Liebe zum Kino beginnt oft im Dunkeln – in dem Moment, wenn das Licht ausgeht und der Alltag leise hinter einem die Tür schließt. Auf der Leinwand öffnet sich eine andere Welt, und für zwei Stunden darf man jemand anders sein, an anderen Orten leben, andere Leben fühlen.

Viele Kinos sterben heute aus den unterschiedlichsten Gründen und wenn ich die Gelegenheit habe, dann fotografiere Kinos. Zwei schmerzhafte Erfahrungen waren die Schließungen des Gabriels und des Sendlinger Tor Filmtheaters – beides in München. Ich habe darüber gebloggt. Immer wieder schwebst es mir vor, einen Buch zum Thema Kinos zu produzieren.

Schon vor langer Zeit traf ich eine Leidensgenossin in Sachen Kino. Die Fotografin Margarete Freudenstadt. Bei einer Ausstellung in Gauting stellte sie ihrem Bildband Cinemas – From Babylon Berlin to La Rampa Havana vor, der von Christoph Wagner herausgegeben wurde. Das Buch zeigt auf eindrucksvolle Weise eine nostalgische Reise durch Lichtspielhäuser zwischen Ost­deutschland und Kuba – und erzählt damit zugleich von Zeiten, Träumen und Verfalls­erscheinungen.

Der Band beginnt im Osten Deutschlands, in den frühen 1990er Jahren. Freudenstadt lässt alte DDR-Kinos auftreten: Gebäude wie das „Filmtheater Kosmos“ oder „Fortschritt-Lichtspiele“, einst Symbol für moderne Unterhaltung im Sozialismus, erscheinen nun ruhig, teilweise leer und von der Zeit gezeichnet. Die Fotografin dokumentiert Architektur, Foyers, Fassaden und Straßenzüge, oft mit einem Blick, der Ruhe, Leere und Erinnerung zugleich einfängt – als würde jedes Foto eine Art Nachklang einer Epoche sein, die bereits durch Umbruch und Wandel erschüttert wurde.

Im zweiten großen Kapitel führt das Buch nach Kuba – nach Havanna und Umgebung –, wo die filmische Begeisterung der 1950er Jahre unter US-Einfluss in prachtvollen Kinopalästen wie „Riviera“, „Acapulco“ oder „Florida“ gipfelte. Doch auch hier hat die Zeit ihre Spuren hinterlassen: Die einst glanzvollen Säle sind heute in vielen Fällen verfallen, verwittert, überzeichnet von Patina und Geschichte. Kubanische Kinos erscheinen im Bildband als stille Mahnmale einer Träumerei von Unterhaltung und Illusion, die einst pulsierte und nun – vielfach – ihre Zuschauer verloren hat.

Was das Buch und ihre Bilder so stark macht, ist nicht nur die gegensätzliche geografische wie historische Gegenüberstellung – Ost­deutschland nach der Wende versus Kuba im Wandel –, sondern der emotionale Eindruck, den diese Räume hinterlassen. Wir Leser spüren eine Mischung aus Vergänglichkeit und Faszination: Die Magie des Kinos, die einst in diesen Sälen lebte, klingt nach. Auch im Zustand des Verfalls bewahren die Bilder eine Präsenz – das Lichtspielhaus wird zur Metapher für Zeit, Erinnerung und Wandel.

Freudenstadts Fotografien sind großformatig, hochwertig gedruckt auf mattiertem, festen Papier. Jede Aufnahme zeigt detailreich Fassaden, Interieurs, Straßenraumeindrücke – Menschen sind teilweise präsent, doch nie Haupt­motiv; das Kino als Ort steht im Vorder­grund.

Begleitet werden die Bilder von einführenden Essays verschiedener Autoren, die über die Geschichte der Kinos in Kuba sowie in der DDR reflektieren – etwa zur Architektur, zur Film- und Kinokultur oder zur Rolle der Technik- und Sozialgeschichte.

Die Wirkung des Buches liegt in seiner stillen Kraft: Es lädt ein zu verweilen, zu schauen, zu erinnern. Man könnte sagen: Die vergessenen Lichtspielhäuser sprechen – über Vergangenes, über Wandel, über das, was aus dem Glanz wurde. Für Kinoliebhaber, Architektur- und Fotografie-Begeisterte ist der Band ein visuell wie inhaltlich beeindruckendes Werk.

Mit seinen 96 Seiten, einem Format von ca. 26 × 29 cm und rund 80 farbigen Abbildungen ist der Bildband hochwertig ausgestattet und ein Kunstwerk für sich.

Ich geb es nicht auf und fotografiere selbst weiter. Unlängst konnte ich in Estland ein sozialistisches Kino fotografieren, das auf dem Grundstück des Nazis Alfred Rosenberg erbaut wurde.

Buchkritik: Vergängliche Schönheit – Unterwegs mit Agnes Hörter zu den verlorenen Orten Bayerns

15. Juni 2025

Ich muss Agnes Hörter einfach dankbar sein. Sie dokumentiert mit ihrer Kamera Lost Places und hat sich in ihrem neuen Buch Lost Places in Bayern auch zur Aufgabe gemacht, ehemalige Lost Places zu porträtieren.

Viele der Gebäude, Fabriken und Freizeitanlagen, die Agnes mit einem guten Auge fotografiert hat, gibt es nicht mehr. Sie wurden abgetragen oder abgerissen – und es bleibt die Erinnerung an vergangene Geschichten. Als Beispiel seien nur die Königstherme in Königsbrunn bei Augsburg oder das geschichtsträchtige Hotel Lederer genannt, in dem 1934 Adolf Hitler seinen SA-Gefährten Ernst Röhm verhaften ließ. Die Nazis erfanden die Geschichte vom Röhm-Putsch und ließen die SA-Führung ermorden.

Agnes hat mit Lost Places in Bayern nunmehr ihr drittes Buch auf den Markt gebracht. Nach zwei Eigenpublikationen ist sie nun Autorin des Münchner Volk Verlags.

Agnes Hörters Lost Places in Bayern ist ein eindrucksvoller Bildband, der auf besondere Weise die Schönheit des Verfalls sichtbar macht. Die Fotografin, die in Augsburg lebt, entwickelt einen außergewöhnlich einfühlsamen Blick auf verlassene Orte – stille Zeugen vergangener Zeiten, die sie mit viel Gespür für Atmosphäre und Geschichte ins Bild setzt. Ich hatte neulich ein ausführliches Interview mit ihr geführt.

Auf über 200 Seiten nimmt Hörter die Leser mit zu rund zwei Dutzend „Lost Places“ in ganz Bayern – darunter stillgelegte Bunker, aufgegebene Thermen, leerstehende Hotels, verlassene Bauernhöfe und sogar Kirchen. Jeder Ort wird dabei nicht nur durch ausdrucksstarke Fotografien, sondern auch durch kurze, prägnante Begleittexte zum Leben erweckt. Diese Texte erzählen kleine Geschichten: vom einst mondänen Hotel, das später zum Lazarett wurde, oder vom Freizeitpark, der einst Kinderaugen zum Leuchten brachte und nun langsam von der Natur zurückerobert wird.

Die Bildsprache ist poetisch, manchmal melancholisch, dabei stets respektvoll. Man spürt: Hier wird nicht nur dokumentiert, sondern gewürdigt. Die Kombination aus Licht, Perspektive und Motiv macht viele Bilder zu kleinen Kunstwerken, die lange nachwirken. Man verweilt vor jedem Foto, entdeckt Details, spürt die Stille der Orte – und gleichzeitig deren Geschichte.

Lost Places in Bayern ist mehr als ein Fotobuch. Es ist eine stille Liebeserklärung an das Vergängliche, eine Einladung zum Innehalten, ein Nachdenken über Erinnerung, Zeit und Wertschätzung. Für alle, die sich für verlassene Orte interessieren, für Menschen mit einem Faible für visuelle Erzählkunst oder für Liebhaber Bayerns mit seinen vielen verborgenen Winkeln: Dieses Buch ist eine klare Empfehlung.

Dass die Edition im hochwertigen Großformat erscheint, unterstreicht die Wertigkeit des Projekts. Das Buch ist ideal als Geschenk, als Coffee-Table-Schmuckstück oder als Inspiration für eigene Entdeckungsreisen – und beweist einmal mehr, dass Schönheit oft dort liegt, wo man sie nicht erwartet.

Agnes Hörter ist mit diesem Werk ein atmosphärisch dichter, berührender und gleichzeitig visuell beeindruckender Band gelungen, der den Zauber des Verfalls mit einer stillen Würde einfängt. Ein Buch, das man nicht einfach durchblättert – sondern erlebt. Und irgendwann möchte ich Agnes einmal bei einer ihrer Touren begleiten.

Buchtipp: Soviet Ghosts: The Soviet Union Abandoned: A Communist Empire in Decay von Owen Evans und Rebecca Litchfield

22. Februar 2023

Nachdem ich in dieser Beziehung ein Weichei bin und Bammel habe, gesicherte Lost Places in meiner Umgebung zu betreten, schaue ich mir gerne Bücher oder Videos zu diesem Thema an. Lost Places sind verlassene Orte, die vom Menschen aufgegeben und der Natur verlassen wurden. Es gibt ja mittlerweile Hunderte von Büchern aus diesem Subgenre, so dass ich bequem vom Sofa aus mich auf Expeditionsreisen zu diesen reizvollen, geheimnisvollen Plätzen machen kann.

Mich reizt dieser morbide Charmes des Vergessenen. Was vom Menschen geschaffen wurde, wird von der Natur zurückerobert. Alles ist dem Zerfall preisgegeben. Meine Gattin schenkte mir das Buch Soviet Ghosts: The Soviet Union Abandoned: A Communist Empire in Decay. Gerade der Zerfall der Sowjetunion hat einige Perlen dieser Lost Planes ans Tageslicht gebracht, die ich aufgrund der räumlichen Entfernung wohl niemals besuchen kann.
Die grausame sozialistische Architektur wird von der Natur zurückerobert und es entstanden ungewöhnliche Fotos von Owen Evans und Rebecca Litchfield. Das englischsprachige Buch lebt von diesen außergewöhnlichen Fotos. Die Reiseorte sind Orte in ehemaligen Sowjetrepubliken und Warschauer Pakt Staaten. Verlassene Gefängnisse, Heilanstalten, Kliniken, Militäreinrichtungen.

Die meisten Bilder sind ein dunklen Farben aufgenommen und wahrscheinlich nachbearbeitet. Spiegelungen in Wasserpfützen verstärken den verlassenen Eindruck. Grelle oder bunte Farben gibt es bei den gedeckten Bildern weniger zu entdecken, außer das Rot des menschenverachtenden Kommunismus, das auf abgerissenen Fahnen oder Plakaten zu sehen ist. Viele der Fotos sind in Zentralperspektive aufgenommen, das bedeutet wenig Spiel mit Perspektiven, sondern klare, sachliche Strukturen. Zentralperspektive kann auf Dauer ein wenig langweilig wirken, aber sie lenkt nichts ab – im Mittelpunkt steht der Verfall. Das Auge der Fotografen sucht die Linien der Gebäude und der verlassenen Einrichtungsgegenstände wie Möbel und Haushaltsgegenstände.

Lost Place: S-Bahnhof Olympiastadion in München

21. Juni 2022

Normalerweise darf man den Ort eines Lost Place nicht verraten, aber in meinem Fall ist es offensichtlich. Der Platz ist bekannt: Es handelt sich um den S-Bahnhof Olympiastadion in München.

Es ist schon eine seltsame Atmosphäre. Ich hatte hinter dem Bahnhof lange Zeit gearbeitet, aber seinen Betrieb nicht mehr erlebt. Der Bahnhof wurde für die olympischen Spiele 1972 gebaut, um die U-Bahn zu entlasten und 1988 stillgelegt. In bester Münchner Baulage verfällt diese Infrastruktur zum Geisterbahnhof. Abgerissen darf dieses Bauwerk nicht, denn es steht unter Denkmalschutz.

Die Bahnlinie schloss 1858 einstmals Landshut an die bayerische Landeshauptstadt an. Dann gab es eine andere Trassenführung und erst 1972 wurde der neu errichtete Bahnhof zu den Olympischen Spielen angefahren. Anschließend wurde die Strecke nur bei speziellen Fußballspielen und Veranstaltungen wie der Katholikentag 1984 im Olympiastadion aktiviert.

Am 8. Juli 1988 wurde der Bahnhof geschlossen, nachdem Kinder bei Berühren der Hochspannungsleitung gestorben waren. Seitdem verfällt der Bahnhof. Das Gelände ist zu weiten Teilen mit Bauzäumen formal abgesperrt. Bei meinem Besuch standen die Zäume weit offen und ich schaute kurz zu diesem Lost Place. Am Eindrucksvollsten waren für mich die Gleise samt Vegetation, die mich an ein Videospiel oder einen Endzeitfilm erinnerten.

Mein erster Lost Place in der Oberpfalz

14. März 2017

Mein erster Lost Place - ein Bahnhof in der Oberpfalz.

Mein erster Lost Place – ein Bahnhof in der Oberpfalz.

Bei einem Schulungstermin in der Oberpfalz flammte mein Interesse für Lost Places auf. Das sind verlassene, verfallene Orte. Die Natur holt sich diese Orte zurück, nachdem der Mensch diese Orte verlassen hat. Die Orte beginnen sich zu verändern, zu versinken. Die Atmosphäre ändert sich. So einen Lost Place bin ich eben in der Oberpfalz bei einem aufgelassenen Bahnhof begegnet.


Die Deutsche Bahn hat das Bahnhofsgebäude aufgelassen und bietet es zum Kauf an. Ein Käufer findet sich wohl weit und breit keiner und so verfällt die Bausubstanz. Das Bahnhofsgebäude war ein schöner Bau, aber wird nicht mehr gebraucht. Es gibt am Bahnhof einen Kartenterminal und Plastiküberdachte Sitzplätze aus Metall. Den Schalter und den Warteraum und die Infrastruktur braucht die Bahn wohl nicht mehr und kann es sich nicht mehr leisten. Ich habe auch gelernt, dass man den genauen Standort von Lost Place nicht verraten soll, um nicht Vandalen anzulocken. Nun, dies ist bei einem ehemaligen Bahnhofsgebäude schwierig und ich verrate nicht, in welcher Gemeinde sich der Bahnhof befindet. Einheimische wissen sowieso auf dem ersten Blick, welchen Bahnhof ich meine.

Was reizt mich an Lost Places? Ich sammle Fotobücher zu dem Thema und werde in nächster Zeit einige meiner Exemplare hier im Blog vorstellen. Ich bin in einer geschlossenen Facebook-Gruppe dabei und bewundere die Bilder in den eingestellten Beiträgen und verfolge die Diskussionen darum. Ich habe meine Bahnhofsbilder auch eingestellt, sie wurden allerdings kaum beachtet. Damit muss und kann ich leben.


Ich glaube, der Auslöser für mein Interesse an Lost Places stammt vom Kino. Ich liebe Spukfilme, also verlassene Orte an denen Geister und Dämonen wohnen. Dracula wohnte immer in einer coolen Hütte. Sein Sarg stand immer im Verborgenen. Sein Schloss in Rumänien war immer vom Verfall bedroht. Und auch seine Anwesen in London oder sonst wo waren immer verfallene Abteien oder Herrenhäuser. Spinnennetze, viel Staub und knarrende Fenster mit schlagenden Läden gehörten einfach dazu. Es gab viele dieser Spukfilme, die ich mir gerne ansehe, besonders wenn das Spukhaus selbst im Mittelpunkt steht. In diesem Blog gibt es einige Berichte von mir. Ich liebe nun mal den Gothic Horror.


Weiter ging es dann mit Videospielen. Als ich das erste Mal das schon fast zum Klassiker avancierten The Last of Us spielte, da war die Verehrung für Lost Places wieder da. Das Videogame spielt in einer Postapokalyptischen Welt. Die Natur holte sich nach der Katastrophe die Gebäude der Menschen zurück. Die Story vom Spiel gefiel mir, aber vor allem das Gamedesign. Ich bin oft im Spiel stehen geblieben und habe mir die Orte angesehen. Orte, an denen ich im normalen Gameplay einfach durchgerast wäre. Ich habe dazu sogar einen eigenen Blogbeitrag geschrieben. Natürlich gibt es viele weitere Spiele in so einer Welt, aber The Last of us hat mir außergewöhnlich gut gefallen.
Na gut, mein Bahnhof in der Oberpfalz ist nicht gerade The Last of Us oder Schloss Dracula. Aber es ist zumindest ein Anfang und mein Interesse für diese geheimnisvollen Orte ist wieder geweckt. Leider konnte ich den Bahnhof nicht von Innen besichtigen. Die Eingangstüre war zwar aufgebrochen, aber die Bundespolizei war am Bahnhof anwesend und schaute mich interessiert an. Sie warteten wie ich auch auf den Regionalzug und ich Weichei traute mich nicht, Bundeseigentum in Anwesenheit der Bundespolizei zu betreten. Da muss ich wohl noch viel lernen, bis ich zu einem richtigen Suchenden werde. Mal sehen, vielleicht nimmt mich aus der Facebook-Gruppe mal einer auf eine Tour mit.