Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich in diesen Räumen verbracht habe. Ich weiß aber, dass es nun vorbei ist. Das Gabriel Filmtheater, das älteste Kino in München und zugleich das älteste Kino der Welt, ist Geschichte. Mit einem Tag der offenen Tür konnte sich das Publikum vom Kino und seinen Betreibern verabschieden. Es war für mich ein sentimentales Ereignis und eine Selbstverständlichkeit dabei zu sein.
Das Gabriel Filmtheater war für mich als Filmfreund und Filmkritiker in erster Linie ein Ort der Arbeit, aber auch ein Ort der Inspiration. Nun, ich gehöre schon lange nicht mehr zum engen Pulk der eingeschworenen Münchner Filmkritiker, die Tag ein, Tag aus ins Kino zu den Pressevorführungen gehen. Ich bekomme nur noch ab und zu Einladungen zu den Vorführungen und schreibe meine Kritiken u.a. in meinem Blog. Und ein Ort dieser exklusiven Filmvorführungen war das Gabriel Filmtheater in der Dachauer Straße 16 in München.
Im April diesen Jahres musste das Gabriel Filmtheater schließen. Nun gab es die Möglichkeit, sich von den Räumlichkeiten zu verabschieden und tief in die Geschichte eines der ältesten Kinos einzutauchen. Diese Möglichkeit wollte ich mir nicht entgehen lassen und ich musste mich persönlich verabschieden.
Die ehemaligen Betreiber Alexandra Gmell und ihr Vater Walter Büche sowie die Schauspielerin Selma Schwesig erzählten Geschichten aus dem traditionsreichen Haus und das Filmpublikum konnte alle Räumlichkeiten – einschließlich der Katakomben – alte Filmrollen und -Plakate bestaunen.
Das Gabriel Filmtheater galt als eines der ältesten Kinos der Welt. Am 21. April 1907 wurde es von Carl Gabriel unter dem Namen „The American Bio-Cie. – Carl Gabriels Theater lebender Bilder“ eröffnet. Seit 1936 war das Kino in der Hand von Alexandra Gmells Familie. Ihre Urgroßeltern Ludwig und Franziska Büche kauften das Haus, der Sohn Hans übernahm den Kinobetrieb, ihm folgte seine Frau Beatrix nach. Später übernahm ihr Sohn Hans Walter Büche, der das Gabriel bis zuletzt mit seiner Tochter betrieb.
Das Kino hatte ursprünglich einen großen Saal. Der Balkon wurde 1964 abgetrennt und es wurde das Kino 2 daraus. Hier liefen dann die Filme, die weniger Publikum anzogen. Ach ja Filme: Das Gabriel war einst auch ein Kino für Erwachsene. Das Aki im Hauptbahnhof und das Gabriel lieferten die Pornos der siebziger und achtziger Jahre. Im Keller vom Gabriel gab es noch viele Filmrollen und Plakate mit Sex-Filmchen: Die Nymphomanin Catrice, Event L’amour, Wild Lovers, Villa der Perversionen und viele mehr. Auch der sexy Historienschinken der Turm der verbotenen Liebe mit Uschi Glas war dabei.
Als Kino-Fan bin ich traurig, wenn ein Lichtspielhaus oder Filmtheater stirbt. Ich mag die Paläste der Träume. Hier bin ich ein verklärter Träumer. In meiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck hat sich ein Verein gebildet, der das örtliche Lichtspielhaus als Kulturkino trägt. Ich bin hier Mitglied geworden und unterstützte das Programm mit meinem Eintritt und Mitgliedsbeiträgen. In München ist so eine Umwandlung bisher gescheitert, trotz Aufschrei der Politik.
Aber zurück zum Gabriel: Danke, dass wir in den Keller absteigen durften. Dort liegt noch allerhand Filmmaterial, Rollen, Plakate – ein Schatz für Trash-Filmfreunde. Ich hab Material zu B- und C-Movies gesehen. Viel nackte Haut, Sexfilmchen und ein bisschen Western mit Django und Franco Nero. Die Rollen stauben ein. Was mit den Schätzen passiert, wusste Alexandra Gmell noch nicht. Vielleicht gibt es eine Versteigerung. Ich habe mich auf jeden Fall auf eine Interessentenliste setzen lassen.
Die Projektoren sind schon lange abgebaut. Es gab einst noch 35 Millimeter Projektoren, die Mitte der 90er durch Beamer und Server ersetzt wurde. Zunächst gab es Festplatten, dann Download-Links für Filme – die Romantik war verschwunden.
In aller Form möchte ich mich bei den Betreibern des Gabriel für die vielen angenehmen Stunden in Ihrem Hause bedanken und wünsche alles Gute auf dem weiteren Lebensweg. – Und wir Filmkritiker müssen uns eine neue Heimat suchen. Und hier noch die Demontage des Gabriel-Schriftzugs in voller Länge.
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24. September 2019 um 15:12 |
In der Tat ein sehr fundiert berichtet. Das Kino ist mir als Filmkaufmann in lebendiger Erinnerung. Sei es in den wilden 70zigern mit der Sexwelle und Alois Brummer und später nach dem Umbau durfte 1994 ich die erste Filmpremiere im Gabriel zeigen. „Du bringst mich noch um“ ein Spielfilm mit Katja Flint und August Zirner. Das Bayerische Fernsehen berichtete exklusiv in seiner Nachrichtensendung, heute undenkbar.