Posts Tagged ‘Musiktipp’

Musiktipp: OXYMORE von Jean-Michel Jarre

15. November 2022

Mit Spannung habe ich dieses Album OXYMORE des 74jährigen Jean-Michel Jarre erwartet und ich wurde nicht enttäuscht. Es steht in der Tradition von Pierre Schaeffer, dem Begründer der Musique concrète. Und für viele Fans der alten Musik von Jarre ist wohl genau dies das Problem. Der Meister schreitet voran.

Das neue Album OXYMORE basiert auf Hinterlassenschaften von Pierre Henry, einem Schüler von Schaeffer und Freund von Jarre. Pierre Henry verstarb im Juli 2017.
Und daher ist OXYMORE eine Hommage an die Wurzeln der französischen elektronischen und elektroakustischen Musik – und als Bestandteil der Musique concrète ist es ungewohnt für Hörer, die Hitparadenmusik oder die alten elektronischen Werke von Jarre gewohnt sind. OXYMORE geht weit über die alltagstaugliche Musik hinaus und man muss sich auf dieses musikalische Experiment mit offenen Ohren und offenen Geist einlassen. Musique concrète sind Alltagsgeräusche, die zu einer Komposition zusammengefügt werden – für die Ohren ungewohnt.

Pierre Henry hinterließ Jean-Michel Jarre einige Geräusche für ein zukünftiges Projekt. „Pierre Henry hat mich dazu inspiriert, ein Album mit den alten analogen Techniken zu erstellen“, schreibt Jarre in seinem Facebook-Account.

Die Musik und die Geräusche brechen über den Zuhörer herein, dessen Anlage bestenfalls mit Dolby Atmos ausgestattet ist, um das komplette Klangspektrum zu erfassen. Ich bin kein Audiotechniker, aber erahne, was Jarre hier geleistet hat, denn OXYMORE nimmt mich akustisch gefangen und die Welle, der Schall, der Druck trägt mich hinfort.
Ein paar Tage nach der Veröffentlichung gab Jarre ein VR-Konzert im Netz, wie er es schon zweimal gemacht hat. Während Notre Dame in Farbe strahlte, war OXYMORE meist in Schwarzweiß, aber nicht ebenso packend. Mir hat es gefallen, obwohl ich nur die schlichte 2D-Version in YouTube gesehen hatte.

Und wer den alten Jean-Michel Jarre hören will, dem empfehle ich das Album Concert in China, das zum 40. Jubiläum remastered in wenigen Tagen neu aufgelegt wird.

Musiktipp: The Big Boss von Peter Thomas

8. Oktober 2021

Ich bin in Trash-Stimmung und schaute mir auf der PSP den Bruce Lee-Streifen Der Mann mit der Todeskralle aus dem Jahre 1973 an. Es war der erste in den Vereinigten Staaten produzierte Martial-Arts-Film und der letzte vollständige Film von Bruce Lee. Drei Wochen nach Dreharbeiten verstarb der Schauspieler.

Der Film hat seine paar Momente. Ausgesprochen spektakulär ist dagegen der Score von Altmeister Lalo Schifrin. Leider ist die Filmmusik nur extrem teuer zu haben. So manche ich mich auf die Suche nach anderen Score zu Bruce Lee-Filmen. Und auf wen traf ich da? Auf meinen musikalischen Helden Peter Thomas, der den Score zu The Big Boss einspielte.

Wie passt der Jazz- und Big Band-Song von Peter Thomas in die asiatische Kampfsportwelt von Bruce Lee. Und das ist eine wirklich interessante Geschichte, die ich als Filmfan noch gar nicht wusste. Es kam so:
The Big Boss war Bruce Lees erster großer Film und verschaffte ihm den internationalen Durchbruch. Premiere feierte Regisseur Lo Weis Film 1971 in Hongkong, seinen internationalen Siegeszug trat er aber erst 1973 an. Der deutsche Verleih glaubte, die originäre chinesische Filmmusik wäre zu weit von den bundesdeutschen Hörgewohnheiten entfernt und beauftragte Peter Thomas, einen eigenen Soundtrack zu komponieren. Dies gelang ihm mit Bravour. Das Resultat war, dass dieser von nun an in der ganzen Welt, mit Ausnahme von China, eingesetzt und somit zur eigentlichen Filmmusik von the Big Boss wurde.


Seit der Erstveröffentlichung dieser Filmmusik im Jahr 2010 hatte sich einiges getan, was eine verbesserte Neuauflage überfällig machte: In Peter Thomas‘ Archiv konnten vier Stücke sowie eine etwas längere Version aus dem Film, die bisher als verschollen galten, gefunden werden. Diese ersetzen nun die Bonustracks der alten CD, die zwar einstmals für den Film komponiert, aber nicht in ihm verwendet wurden.

Wie ja bekannt ist, verstarb Peter Thomas leider während der Vorbereitungen zu dieser von ihm unterstützten Produktion am 17. Mai 2020, 94-jährig in Lugano (CH). Für die Illustration auf dem Gatefold-Cover der LP sowie dem Digipack der CD zeichnet der großartige Adrian Keindorf verantwortlich. Die LP erscheint auf 180g Vinyl standardmäßig in Schwarz sowie in einer auf 300 LPs limitierten transparenten roten und einer auf 200 LPs limitierten transparenten sonnengelben Auflage.

Anmerkung: Da mein Schallplattencover durch den Versanddienstleister an einer Ecke beschädigt wurde, hat Allscore auf Facebook umgehend reagiert und eine Ersatzlieferung angekündigt. Prima Service.

Persönliche Vinyl-Tipps (1)

3. Juni 2021

Es ist schon länger her, dass ich meine Liebe zu Vinyl-Platten wiederentdeckt habe. Als Jugendlicher hatte ich zig Schallplatten, die ich auch noch besitze. Leider sind einige Hüllen durch einen Wasserschaden beschädigt.

Außerirdisch schön: Der Score von Picard auf grünem Vinyl

Ich habe wieder angefangen, Vinyl-Platten zu erwerben. Grundsätzlich kaufe ich zwei Arten: Jazz und Score. Ab und zu rutscht eine Rock/Pop-Scheibe dazwischen wie Kraftwerk oder Abba, aber nur, wenn es besondere Editionen sind. Ich höre Musik hauptsächlich im Stream, von Festplatte oder von CD. Vinyl dagegen ist immer ein Highlight: Meist abends bei Whisky oder Wein lausche ich der Musik, die von meinem Braun P4 abgetastet wird und erfreue mich an Dieter Rams.
Aufgabe für 2021 ist es, die wunderschöne Rockola wieder komplett zum Laufen zu bringen. Die musikbox ist ein Geschenk meiner Frau und spielt Singles meiner Jugend ab. Im Moment hat sie einen Wackelkontakt.
Aber jetzt ein paar persönliche Vinyl-Empfehlungen. Hier drei Neuanschaffungen für meine Vinyl-Sammlung. Es handelt sich um drei Soundtracks mit einer besonderen Auflage:

Endlich auf Vinyl - der Score zu Frankensteins Braut
Endlich auf Vinyl – der Score zu Frankensteins Braut

Nummer eins ist The Bride of Frankenstein von Franz Waxman. Zur Feier des 85-jährigen Jubiläums des Films Frankensteins Braut – The Bride of Frankenstein erschien die erste Vinyl-Veröffentlichung der Filmmusik als Deluxe-Album mit neu gemastertem Ton, neuem Artwork und der Genehmigung des Konterfeis der berühmten Schauspielerin Elsa Lanchester.


Nummer zwei ist Star Trek Picard von Jeff Russo. Hier die Doppel LP in einer Limited Edition. Das Besondere ist, dass ist auf schrillem grünem Vinyl gepresst wurde.


Score Nummer drei: Solo – a Star Wars Story war ein gescheiterter Versuch das Star Wars Universum zu erweitern. Der Soundtrack von John Powell war allerdings sehr gut und steht in der Tradition von John Williams. Es erschien bei Mondo zum ersten Mal die Vinyl-Doppel-LP mit einem Artwork von César Moreno.

Kein Musiktipp: Latest Record Project von Van Morrison

12. Mai 2021

Ich war schon lange ein Fan von Van Morrison. Ich glaube mein erstes Album auf Schallplatte war Common One, die ich mir 1980 gekauft habe. Seitdem war ich ein glühender Fan des einzigen weißen Bluessänger aus Irland.

Musikalisch mag ich Van the Man, aber dieses Mal ist er ein Schwurbler – schäm dich Van Morrison

Meine Begeisterung für Van Morrison hat sich geändert seit ich sein neues Album Latest Record Project Vol.1 mehrmals durchgehört habe. Musikalisch gefällt es mir, aber textlich ist es eine absolute Frechheit, eine Provokation.

Wenn ich einen Brief/Mail an Van the man schreiben sollte, dann würde ich es wohl so machen: „Van sind dir eine 75 Jahre auf die Birne geschlagen? Du reihst dich in die Schar der Schwurbler, Masken- Coronaverweigerer ein. Und ich schreib es mit allen Respekt vor deinem Lebenswerk: Van, du bist ein Depp.
Was ist mit dir passiert? Ein bisschen Gegenkultur, ein bisschen Revolution bei deinem enormen musikalischen Talent, das muss so dann und wann sein. Ich habe viele deine musikalischen Wendungen mitgemacht, mal die Erleuchtung, mal die Folklore, mal Jazz, mal Country und immer viel Blues. Zuletzt hast du immer eine Kombination aus allem abgeliefert und ich habe brav deine Alben gekauft. So auch mit dem Latest Record Project mit dem Untertitel Volume 1. Soll vielleicht von der textlichen Querdenkerei noch mehr folgen? Bitte nicht, bitte verschone uns mit deinem verquerten Gedanken.“

Das 36. Album Latest Record Project Vol.1 kündigte sich bereits 2020 an, als Van Morrison „No More Lockdown“ trällerte. Und jetzt: Von den 28 Songs sind vielleicht vier, fünf unpolitische Liebeslieder. Aber über den Rest lässt sich treffend streiten. Van Morrison lehnt die Corona-Politik ab, ich dagegen kann mit vielen leben, denn ich will leben – trotzdem füge ich mich aus Vernunftsgründen den Corona-Maßnahmen. Und da haben wir – Van und ich – einen Konflikt. Van steigt in die Verschwörungsblase ein und heizt die Diskussion mit Songs wie „They Own the Media“ und Zitat „They control the story we are told“ an. Meinungsfreiheit bedeutet, dass du diesen Mist singen darfst. Meinungsfreiheit bedeutet aber auch, dass ich diese gefährliche Meinung ablehne.

Also nochmal zum Mitschreiben: Musikalisch mag ich den alten Sturschädel, aber was er mit seinem jüngsten Doppelalbum abgeliefert hat, geht auf keine Kuhhaut. Ich habe mir den Teaser seines Konzerts für Streaming angeschaut und musikalisch genossen. Aber ein Ticket kaufe ich für den Schwurbler sicherlich nicht mehr. Und auf absehbare Zeit kein Album. Van Morrison, schäm dich.

Audiotipp: Amazonia von Jean-Michel Jarre

10. April 2021

Wenn andere den Ruhestand genießen, ist Jean-Michel Jarre weiterhin produktiv tätig. Seine beiden jüngsten VR Konzerte hauten mich vom Hocker. Jetzt legt der 72jährige einen Soundtrack zu einer Fotoausstellung vor: Amazônia nach den Fotografien von Sebastião Salgado. Der Meister der Schwarzweiß-Fotografie war in Südamerika unterwegs und hat Eindrücke vom Amazonas eingefangen, Jarre liefert jetzt den Sound dazu. Ich schreibe bewusst nicht, dass er die Musik dazu liefert, denn es ist weitaus mehr. Es ist die Atmosphäre des Amazonas in Klang gepackt. Stimmen, Sprachsamples, Geräusche, Klänge, Wörter, Husten, Kreischen, das Prasseln des Feuers als wiederkehrendes Element, verknüpft mit Rhythmen, Schläge, Ambient-Klängen – eine elektronische Weltmusik, die inspiriert und provoziert.

Wie schon bei Zoolook 1984, also vor Jahrzehnten, geht Jarre weit über die klassische elektronische Musik hinaus. Er, der eigentlich auch für Bombastik bekannt ist, reduziert in Amazonia und durchbricht als 72 etablierter Musiker wieder Grenzen. Jarre lässt sich nicht einengen. Er macht keinen gefälligen Sound und stößt mit diesem Album die Tanzbären des Techno vor den Kopf. Amazônia ist ein Album für den Kopf und ich habe mir einen älteren Fotoband von Salgado mit dem wegweisenden Titel GENESIS herausgeholt. Amazonia erscheint erst im Mai 2021 bei meinem Lieblingsverlag Taschen. Sebastião Salgado bereiste sechs Jahre lang das brasilianische Amazonasgebiet und fotografierte die unvergleichliche Schönheit dieser einzigartigen Region: den Regenwald, die Flüsse, die Berge, die Menschen, die dort leben – ein unersetzlicher Schatz der Menschheit, in dem die ungeheure Kraft der Natur wie nirgendwo sonst auf der Erde zu spüren ist. 200 Bilder umfasst die Ausstellung, die seit dem 7. April 2021 in der Pariser Philharmonie zu sehen ist. Mal sehen, ob und wann die Ausstellung nach Deutschland kommt.

Seite für Seite habe ich den Band Genesis durchgeblättert und mich in den teils meditativen Sound von Jean-Michel Jarre vertief und verloren. Ja, der Sound ist gewöhnungsbedürftig und ich möchte das Album nicht als Musiktipp, sondern eher als Audiotipp bezeichnen. Es ist der Klang eines Ökosystems. Ich habe es mir genau zum Erscheinungstag bei Apple Music geladen und am selben Tag traf die CD bei mir ein.

Mein Rat: Lasst euch auf den Meister und seine Interpretation von Amazônia ein.

Musikkritik: Equinoxe Infinity von Jean Michel Jarre

19. November 2018

Lange habe ich auf dieses Album von Jean Michel Jarre gewartet.

Lange habe ich auf dieses Album von Jean Michel Jarre gewartet.

Da ist es also: Equinoxe Infinity von Altmeister Jean-Michael Jarre. Nervös packe ich die CD aus dem Cover – ich habe die feurige Version bekommen. Die CD ab in den Player, Kopfhörer auf und full Power. Mann oh Mann, wie habe ich dieses Album erwartet, was habe ich in dieses Album an Hoffnungen gesetzt. Und ich kann nach dem vier-/fünfmaligem Hören nicht sagen, ob es die Erwartungen erfüllen kann. Wir sprechen ja von der direkten Fortsetzung, nein den Abschluss von Equinoxe, also einem legendären Album der elektronischen Musik. 40 Jahre hat Jean-Michel Jarre für diesen Abschluss gebraucht.
Zug um Zug hatte Jean Michel Jarre einige Stücke in sozialen Netzwerken im Vorfeld gepostet, nun höre ich das Gesamtwerk am Stück. The Watcher begeistert mich, dann tu ich mich schwer. Es blubbert und wummert zwar schön, doch wo ist die Eleganz der Space-Musik von damals? Der Rhythmus der Neuzeit macht vieles kaputt. Jarre ist mit der Zeit gegangen und hat sich weiterentwickelt, doch dieses Entwicklungen ist mir manches Mal zu Nahe am Mainstream. Ich erinnere mich, wie Tangerine Dream einstmals Mainstream wurde und ich mich abgewendet hatte. Droht jetzt Jarre dieses Schicksal ebenso? Seine Konzerte habe ich geliebt und immer besucht, wann es für mich möglich ist. Doch jetzt Equinoxe Infinity?
Stück Nummer drei, Robots don‘t cry, mag ich einfach nicht. Mir fehlt einfach die Tiefe. Und ewig dieses Rhythmus-Generve, auch bei All that you leave behind, dem vierten Stück.
Mal was Positives? Das Album ist hervorragend produziert. Jarre versteht sein Handwerk und das Genie kommt immer wieder durch, es bricht durch den Rhythmusteppich, aber es beherrscht leider nie komplett die Szene. If the Wind Could speak ist großartig, aber leider mit 1,32 Minuten das kürzeste Stück.
Dann geht das Geholze mit Infinity wieder los. Schrecklicher Pop, aufgemotzt und es wird auf der Melodie herumgetrampelt. Und auch bei Don‘t Look back sehe ich keine großen Ideen, so leid es mir tut.
Mit The Opening (Track 8) und dem Titelstück Equinoxe Infinity (Track 10) gelingt es Jean-Michel Jarre sich nochmal zur alten Größe aufzuschwingen. Immer wieder hört der Fan große Alben der Vergangenheit durchscheinen, vielleicht als Verbeugung vor sich selbst hat Jarre sich immer wieder selbst zitiert. Der Schluss des Albums versöhnt mich als langjährigen Fan. Ein würdiger Abschluss von Equinoxe ist Equinoxe Infinity nicht geworden. Es ist ein gutes Album, aber den Namen Equinoxe muss es nicht tragen. Da hätte ich mir mehr erwartet.

 

Musiktipp: Versatile von Van Morrison

9. Januar 2018

Er hat es wieder getan. Van the Man – Van Morrison hat im Jahr 2017 einfach mal so zwei Alben veröffentlicht. Zuerst kam am 22. September Roll with the Punches und nun folgte am 5. Dezember Versatile. Da frag ich mich: Musikalischer Ausverkauf oder kreative Schaffensphase?
Nun, ich habe beide Alben ausführlich gehört. Roll With the Punches hatte ich bereits besprochen und den Blues für gut befunden und nun kommt mit Versatile ein Album ganz anderer Art. Van Morrsion ist hier in den Jazz eingetaucht, ganz, ganz tief und verdammt, der Mann kann es einfach. Van Morrison hält Rückschau auf seine Geschichte des Jazz und steuert selbst sechs neue Songs bei. Er zelebriert, es lässt sich nicht anders ausdrücken – also er zelebriert die Klassiker von Nat King Cole („Makin‘ Whoopee“), von den Righteous Brothers („Unchained Melody“), von Frank Sinatra („A Foggy Day“) oder von Tony Bennett („I Left My Heart In San Francisco“). Wenn euch mal richtig Gänsehaut spüren wollt, dann hört euch die Unchained Melody an. Es ist wirklich ein Wahnsinn, was Van Morrsion aus diesem Song herausholt. Ich dachte, die Originalversion von den Righteous Brothers ist genial. Denkste, Van Morrison hängt die hohe Latte noch etwas höher.
Das Album startet laut mit Broken Record. Ich hab den Song laut, ganz laut aufgedreht und bin durch die Hütte geswingt (hoffentlich hat mich keiner gesehen, aber es tat wirklich gut). Der alte Mann weiß noch, wie es geht mit der Musik.
Beim Anhören von Versatile habe ich mich an Morrisons Kollegen Dylan erinnert gefühlt. Er hatte in seinen jüngsten offiziellen Veröffentlichungen das American Songbook durchgearbeitet und Van Morrison folgt seinem Freund Dylan und interpretiert Sinatra auf seine Weise. Vielseitig ist der Mann und seine Musik, daher auch der Albumtitel Versatile. Morrison ist ein Sturschädel und wer eine schöne Jazz-Stimme erwartet, der wird enttäuscht. Morrison passt sich keinem Geschmack an, sondern zieht wie immer sein Ding durch. Vielleicht ist nicht alles schön, was der großartige Eigenbrödler macht, aber es ist auf jeden Fall authentisch. Er macht, was ihm gefällt – und wenn ich ehrlich bin, das gefällt mir auch. Versatile ist kein Album zum Stillsitzen, sondern mir geht dieser Jazz in die Beine und ich will mich bewegen. Und das geht sogar auch ohne die prägende Stimme des Meisters. Das Lied „Skye Boat Song“, ist eigentlich ein schottisches Volkslied und dann kommt Van the Man daher und macht Swingjazz daraus – das ist Können.

Musiktipp Eye in the Sky (35th Anniversary Boxset) von The Alan Parsons Project

3. Januar 2018

Ist das wirklich schon 35 Jahre her? Eye in the Sky

Ist das wirklich schon 35 Jahre her? Eye in the Sky

Wieder eine Zeitreise in meine Jugend zu meiner damaligen Lieblingsband The Alan Parsons Project. Zum 35. Geburtstag der Albumveröffentlichung erschien noch im vergangenen Jahr die Geburtstagsedition von Eye in the Sky. Obwohl sie mit rund 85 Euro völlig überteuert war, musste ich die Box freilich haben.
Ich erinnere mich noch als ich 1982 durch die Münchner Einkaufszentren streifte und in den Schallplattenabteilungen mich inspirieren ließ. Ich glaube, es war der Karstadt Oberpollinger, der damals eine große Vinyl-Abteilung im obersten Stockwerk hatte. Überall stieß ich auf Poster mit einem Auge im Himmel. Alan Parsons Project hatte das Album Eye in the Sky veröffentlicht und die Marketingwelle rollte an. Als APP-Fan griff ich natürlich zu und Woche für Woche hörte ich das Album. Ich glaube, meine Vinyl-Ausgabe hatte ein Auge mit Goldprägung.

Daher war ich jetzt gespannt, was es zum 35. Geburtstag gab. Insgesamt hat die Box Eye in the Sky (35th Anniversary Boxset) sechs Datenträger und allerhand Merch-Material wie das damalige Werbeposter. Alan Parsons veröffentliche das Original-Album mit sechs Bonus-Tracks auf der ersten CD. Die beiden CDs 2 und 3 beinhalten nichtveröffentlicht Demos und Proben in verschiedenen Mixen. Mir machte es Spaß, sich durch die verschiedenen Versionen zu hören und zu lauschen, wie die Songs entstanden sind. Der vierte Datenträger ist eine Blu Ray im fetten 5.1-Sound, der mir die Ohren wegfetzte. Alan Parsons versteht sein Handwerk als Toningenieur nach wie vor und lieferte hier eine exzellente Abmischung ab. Den Abschluss machte eine Doppel-LP, wobei mein damaliges Vinyl-Album eine einfache Langspielplatte war. Hier das Unboxing Video mit Vorstellung des Inhalts.

So sitze ich also wie ein Jugendlicher mit dem Kopfhörer auf dem Kopf und lausche der Musik von APP. Das Merch-Zeug habe ich gleich weggepackt, dafür um so länger in dem Booklet gelesen, gute Interviews zum Teil. Und vor allem die alten Fotos hatten es mir angetan. Mensch, waren die Jungs damals noch jung und Eric Woolfson war noch am Leben. Er starb ja leider am 2. Dezember 2009. Ich habe noch so viel APP-Zeugs von der Zeit im Archiv stehen und verglich die abgebildeten Single mit meinen Schätzen aus dem Keller. Also klarer Musiktipp zu Eye in the Sky (35th Anniversary Boxset).

Musiktipp Roll with the Punches von Van Morrison

22. September 2017

Gut, dass ich im Bett lag als ich die ersten Töne des neuen Van Morrison Albums Roll with the Punches via Amazon Music hörte. Ich lag in meinem Hotelbett als Amazon per Mail meldete, dass ich das Album via Stream hören könnte. Pflichtbewusst hatte ich mir das neue Van Morrison-Album Roll With the Punches vor Wochen vorbestellt, nun wurde es veröffentlicht und es haute mich um.


Van Morrison bringt in schöner Regelmäßigkeit Alben auf den Markt, in den vergangenen Jahren waren keine wegweisenden Aufnahmen mehr dabei. Der Tiefpunkt war für mich Duets von 2015. Aber Van Morrison kann es noch. Er lebt den Blues. Roll with the Punches ist Blues pur und er haut dich um. Gut, dass ich ja noch im Bett lag.
15 Blues Songs, davon fünf aus eigener Feder, zeigen, warum John Lee Hooker den Musiker als „besten weißes Bluessänger“ bezeichnet hat. Die anderen Songs sind Klassiker, immer wieder gehört, aber selten in so einer intensiven Interpretation. Und Van the Man hat darauf geachtet, dass die Aufnahmen perfekt zusammenpassen. Es ist kein Album mit einzelnen Songs, sondern ein kompaktes, aufeinander abgestimmtes Blues-Album.
Die Wirkung auf mich war grandios. Ich lag im Bett, wollte eigentlich aufstehen und mich auf den Tag vorbereiten. Aber ich war in Bluesstimmung, hörte den Blues und bliebt liegen. Roll with the Punches haute mich um, knockte mich aus. Van Morrison traf den Ton, traf die Stimmung: Er singt intensiv wie lange nicht mehr, aus tiefster Seele. Der Blues im Mittelpunkt seines Albums, dazu ein wenig Jazz, dann ein wenig Rock. Die Rezeptur ist perfekt, die Präsentation des Ergebnisses ebenso.
Bei Roll with the Punches hatte der musikalische Eigenbrödler wieder ein paar Helfer an seiner Seite. Georgie Fame und Chris Marlowe durften wieder mal mitspielen und vor allem Jeff Beck zupfte bei „Bring it on Home to me“ mit. Mit dem Aufruf „Allright Jeff“ motiviert Van seinen Gastgitarristen zu einer intensiven Einlage.
Also klar Musiktipp aus dem Bett. Wer auf Blues steht, der sollte sich von Van Morrison und seinem Roll With the Punches einen Schlag versetzen lassen.

 

 

Musiktipp: Keep me singing von Van Morrison

30. Januar 2017

img_1173

Da ist er wieder, der störrische alte Knabe, der Mann der Irland den Blues brachte. Van Morrison hat sein neues Album Keep me singing veröffentlicht. Es ist im Herbst erschienen und ich hatte jetzt erst die Muse es richtig anzuhören. Und es ist schlichtweg ein Hammer. Wer den Iren mag, wird nicht enttäuscht sein. Es ist mit Abstand sein bestes Album der vergangenen Jahre.
Wenn ein anderer Künstler Keep me singing aufgenommen hätte, wären die Kritiker auf die Knie gefallen. Bei einem Meister wie Van Morrison nehmen sie dieses Album zur Kenntnis. Schließlich sprechen wir nicht von irgendeinem Songwriter, wir sprechen von Van Morrison, der zahlreiche Klassiker herausgebracht hat. Er erfindet sich immer wieder neu und eigentlich nimmt er seit Jahrzehnten die gleiche Platte immer wieder neu auf. Die neuen Songs klingen so vertraut, als ob ich sie seit Jahren kenne. Melodie, Dramaturgie, Inhalt – alles genial. Es ist so, als ob Van Morrison nie weg gewesen war. Er schließt nahtlos mit Keep me singing an seine Klassiker an. Welcher Musiker kann dies von sich behaupten?
Der Mann mit seinen 71 Jahren ist immer noch grantig, in Bayern sagt man bei uns, er ist ein Grantler, aber einer auf ganz hohem Niveau. 13 Songs sind auf dem Album, davon eine Coverversion. Ich habe dieses Album bei einer guten Flasche (schottischem) Whisky genossen – verzeih lieber Van ich mag schottischen lieber als irischen Whisky. Ich habe die Beleuchtung reduziert, die Musik aufgedreht und hab es genossen. Augen zu und der Musik gelauscht – so kann jeder Abend verlaufen. Es ist dieses Mal ein ruhiges Album geworden, ein bisschen Jazz ist eingeflossen. Ich hab sie zum ersten Mal im warmen Sonnenuntergang im Herbst gehört und die sentimentale Stimmung hat mich verzaubert. Jetzt ist es Winter und ich sitze beim warmen Sonnenuntergang und kann genießen.
Für mich zählt Van Morrsions Keep me singing zu den positiven Alben des vergangenen Herbsts und ich kann das Album bedenkenlos empfehlen.