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Konzertkritik: Bob Dylan in Augsburg 2019

26. April 2019
Bob Dylan in Augsburg - einfach großartig.

Bob Dylan in Augsburg – einfach großartig.Bob Dylan in Augsburg – einfach großartig.

Ich habe viele Konzerte von Bob Dylan erlebt, gute und weniger gute. Das Konzert in der Augsburger Schwabenhalle war eines der besten, die ich von his Bobness erleben durfte. Selten habe ich Dylan und seine großartige Combo so spielfreudig erlebt, selten war die Musik von ihm so kompakt und selten habe ich Bob Dylan so oft grinsen gesehen. Es war ein schlichtweg großartiger Abend.

Dabei hätte es anders zugehen können. In Wien rastete der Meister aus, als ein Foto von ihm auf der Bühne gemacht wurde. Spielen oder posen war seine Antwort und er stolperte über eine Box. Dylan war richtig sauer. Aber seine Wut war in Augsburg komplett verflogen. Die Sicherheit vor dem Konzert wurde nochmals verschärft. Durchsagen vor dem Konzert machten eindeutig klar: Wer fotografiert, der fliegt raus. Das hat auch etwas Gutes: Ich kann mich auf die Musik konzentrieren und werde nicht durch grelle Handybildschirme abgelenkt. Bob weiß, was gut für mich ist. 

Strenge Sicherheitmaßnahmen bei Bob Dylan.

Strenge Sicherheitmaßnahmen bei Bob Dylan.

Das Bühnenset war wie immer. Dezente Scheinwerferbeleuchtung, reduziertes Licht, wie in einer Clubatmosphäre, keine Videowand. Die Musiker hochkonzentriert, verharren auf ihren Plätzen. Dylan selbst nur am Klavier, Gitarre spielt er schon lange nicht mehr auf Konzerten. Nur einmal verlässt er das Klavier und ergreift den Mikrophonständer und singt ein phänomenales „Scarlet Town“. Und er versucht sich im Posen, was bei Dylan immer ein wenig linkisch aussieht und dennoch: Der Mann hat eine Aura. Mit wenigen Fingerbewegungen steuert er seine Band. Bassist Tony Garnier achtet auf jede Geste des Chefs und die eingespielte Band mit Schlagzeuger George Recile, Gitarrist Charlie Sexton und Multiinstrumentalist Donnie Herron ist stets präsent. Wenn Dylan seine Band von der Leine lässt, dann hebt das Dach ab und die schreckliche Schwabenhalle wird zum intimen Club. Dylan selbst hackt auf dem Klavier herum und – oh Wunder – entlockt dem Instrument immer wieder zarte Töne. Er startete als Rock‘n Roller und er ist ein Rock‘n Roller mit wahnsinniger Spielfreude. 

Das Bühnenset in Augsburg.

Das Bühnenset in Augsburg.

Neben der Bühne steht wie seit langem der Oscar, den Dylan für Things Have Changed erhalten hat, davor die Büste vom Temnpest-Cover. Es handelt sich um eine Figur aus dem Pallas-Athene-Brunnen, der sich vor dem österreichischen Parlamentsgebäude befindet. Die Frau symbolisiert die Moldau, geschaffen von Carl Kundmann.

Die Setlist in Augsburg war bekannt. Vorbei die Zeiten als Dylan sein Werk spontan erstellte. Things Have Changed; It Ain’t Me, Babe; Highway 61 Revisited; Simple Twist Of Fate; Cry A While; When I Paint My Masterpiece; Honest With Me; Tryin’ To Get To Heaven; Scarlet Town; Make You Feel My Love; Pay In Blood; Like A Rolling Stone; Early Roman Kings; Don’t Think Twice, It’s All Right; Love Sick; Thunder On The Mountain; Soon After Midnight; Gotta Serve Somebody; Zugabe: Blowin’ In The Wind; It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry. Am Ende gemeinsame Verbeugung und Abgang – natürlich wieder kein Wort zu uns schnöden Publikum. 

Nach der Show dann große Diskussionen unter uns Fans. Vor der Halle trat dann noch TheBoband auf, ein Dylan-Imitator, der für ein wenig Stimmung auf dem Nachhauseweg sorgte. Die Leute klatschten mit, freuten sich. Einige waren dankbar, endlich wieder ihr Smartphone zücken zu dürfen und filmten mit – ich einschließlich. 

 

Übrigens: Am 7. Juni 2019 erscheint die 14 CD-Box zur Rolling Thunder Tour und ein paar Tage später der Martin Scorsese-Film zur Tour auf Netflix. Wir dürfen gespannt sein. Beide Termine sind bereits im Kalender eingetragen. 

Nachruf: Meine Begegnung mit Alvin Lee

6. März 2013

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Er sagte die legendären Sätze „I’m going home – by helicopter.“ Und dann brach das Blues-Inferno los. Diese harte Blues war sicher einer der Gründe, weshalb ich zur Gitarre gegriffen habe. Und ist es Zeit, die alte Klampfe wieder hervorzuholen, denn Alvin Lee ist tot.

Alvin Lee war der Frontmann von Ten Years After und er starb für mich überraschend im Alter von 68 Jahren. Er starb an einem chirurgischen Routineeingriff. Den ersten Kontakt mit ihm hatte ich eben mit Going Home vom Woodstock-Festival. Knappe 10 Minuten Blues pur, das haute mich vom Hocker. Erst auf der Doppel-LP des Woodstock-Festivals, später im Kino beim Woodstock-Film. Leider ist er auf dem neuesten Woodstock-Sampler nicht dabei. Jahre später traf ich den Künstler privat. Als ich für das Fürstenfeldbrucker Tagblatt/Münchner Merkur als Reporter unterwegs war, traf ich Mitte der 1990 Jahre Alvin Lee beim Rolling Thunder Festival in Moorenweis. Neben der Kläranlage bei einem Kuhdorf im Landkreis Fürstenfeldbruck fand ein Biker-Treffen statt: Ein bisschen Sex, Drugs & Rock’n Roll in der bayerischen Provinz. Eric Burdon trat später dort einmal auf, aber Alvin Lee war einer der ersten Stars. In Woodstock spielte er vor 500.000 Leuten, im Moorenweis waren es vielleicht 200. Aber die Stimmung war gut. Hinter der Bühne traf ich auf einen Aufschneider, der wusste, was er auf der Gitarre kann. Er spielte weiterhin seine Gibson ES-335 mit dem Peace-Zeichen. Die Gitarrenläufe waren der Hammer, er war ein Zauberer. Aber Alvin Lee kam sympathisch herüber. Er liebte das bayerische Bier, trank auch mehr als ein halbes Glas. Wenn ich ehrlich bin, war er aber mehr an der Reporterin der Konkurrenzzeitung interessiert als an den Fragen eines Nachwuchsreporters. Dennoch bekam ich meine Antworten, ein Autogramm und ein paar Fotos und einen Woodstock-Star zum Anfassen. Lieber Alvin Lee: Spiel mit Hendrix ein Duett, rock die himmlische Hütte und zeig Petrus was Bluesrock wirklich bedeutet.

Buchkritik: Bob Dylan – Forever young

1. August 2012

Time Life hat ein wunderbares Fotoarchiv und immer wieder werden Schätze aus diesem Archiv gehoben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So geschehen vor kurzem bei dem neuen Fotobuch Life in Pictures Life Bob Dylan: Forever Young (Life (Life Books)).

Es sind viele bekannte und einige mir unbekannte Dylan-Fotos darin zu finden. Daneben gibt es eine gefällige Einführung von Robert Sullivan, dem Herausgeber der Life-Bücher. Natürlich hat man die sechziger Jahre erlebt, natürlich war man bei Rolling Thunder dabei, schöne Erinnerungen derjenigen, die noch immer am 60- und 70-Jahre-Tropf hängen. Vom neuen Dylan, gar vom Jesus-Dylan gibt es nicht viel zu lesen oder zu sehen. Die 60er und 70er Jahre sind hervorragend illustriert, doch es gibt nur ein paar Fotos aus den 80ern wie den interessanten Live Aid-Auftritt, ein wenig Papst und ein wenig Ehrungen und Auszeichnungen. Im Grunde ist es Standard-Agenturmaterial, das bekannt ist. Von der Neuzeit keine tieferen Analysen, obwohl das Buch 2012 erschienen ist und Dylan mit seinem Spätwerk ungeheuere kommerzielle und künstlerische Erfolge abliefert.

Kurz wird im Text auf seine zweite gescheiterte Ehe und seine Tochter aus der Beziehung eingegangen, aber nichts wirklich Neues. Nein, diesen Dylan wollen eine Fans von Life nicht sehen, sie wollen lieber die Protest- und elektrische Phase sehen und dokumentieren dies mit wunderbaren Fotos. Mir selbst gefällt die Doppelseite zum Bucheinstieg von Renaldo und Clara eigentlich am Besten. Dylan steht mit Joan Baez (in Hochzeitskleid) in einer Bar. Sam Shepard ordnet im Hintergrund Filmmaterial. Dylan und Baez schauen sich in die Augen – das alte Feuer ist da. Dylan Fans kennen den Dialog aus dem Buch von Sam Sharpard, der sich abspielte: „Warum haben wir nie geheiratet?“ fragte sie. „Ich habe die Frau geheiratet, die ich liebe“, antworte er. Die gescheiterte Liebe wird vor laufenden Kameras ausgetragen und wir sind Zeuge.

Insgesamt ist Life Bob Dylan: Forever Young (Life (Life Books)) ein nettes Buch, kein Muss, aber ein paar neue Fotos vom Meister aus den guten alten Zeiten. Eine Offenbarung ist es nicht, aber solides Fanmaterial.

Bob Dylan: Hard Rain als DVD

21. Februar 2011

Irgendwann in meiner Jugend habe ich im Bayerischen Fernsehen ein seltenes Dylan-Konzert von 1976 gesehen, dass mir auf seine ungewöhnliche Art in Erinnerung geblieben ist: Hard Rain von der Rolling Thunder Tour. Jetzt habe ich bei Amazon zufällig das Konzert Rolling Thunder Revue auf DVD wiederentdeckt, veröffentlicht von einer Firma mit dem ominösen Namen Woodstock Tapes. Also so richtig legal dürfte es bei den Aufnahmen nicht zugehen, aber als Dylan-Fan muss ich die Aufnahme haben. Selbstverständlich.

Und ich wurde nicht enttäuscht: Zu sehen ist eine Art Punk-Dylan mit seiner legendären Rolling Thunder-Besetzung sowie natürlich die unvermeidliche Joan Baez an seiner Seite. Mit dabei auch Ramblin´ Jack Elliot und Roger McGuinn. Ort des Geschehens Fort Collins und wie der LP-/CD-Titel Hard Rain sagte, bei fettem Regen.

Die Band stolziert umher wie die Mannschaft eines Piratenschiffs um ihren wahnsinnigen Kapitän. Fast alle Bandmitglieder haben sich Kopftücher oder sonstige Fetzen über den Kopf gezogen. Von einem geordneten Konzert mit einstudierter Bühnenshow kann keine Rede sein. Es ist Punk pur. Selten habe ich Dylan so aggressiv, aber dennoch engagiert singen gehört. Rolling Thunder war einer der kreativen Höhepunkte des Meisters. Aber Warnung: die Aufnahmen sind nur für Dylan Hartgesottene ein Genuss. Der Freund des Mainstreams, der ene Best of-Show erwartet, wird irritiert den ruppigen Songs lauschen und sich über die Figuren auf der Bühne seine Gedanken machen. Sonnenbrille und Cowboyhüte bei Regen, was haben die Musikanten denn alles eingeworfen? Aber wenigstens tragen sie keine Masken, wie in einem Teil des Rolling Thunder-Zirkuses. Auch der Griff in den Farbeimer ist reduziert, nur Frau Baez hat ein wenig Rouge aufgetragen. An alle Musiker unter den Lesern: Schaut euch den Bassisten Rob Stoner und dann entscheidet, ob ihr Bass spielen könnt oder nicht – genial.

Als das Konzert damals auf Langspielplatte herauskam, blieb es in den Schallplattenläden wie Blei liegen. Von der Elegant der Studioalben Desire oder Blood on the Tracks war nicht viel zu hören. Hard Rain provozierte, eckte an, war auf keinen Fall gefällig. Die hat sich mit der später veröffentlichten CD und jetzt mit der DVD Gott sei Dank nicht geändert. Es ist Rock´n Roll und Punk pur, selbst wenn Dylan und Baez an einem Mikro Klassiker der Folk-Szene herunterschrappeln. Schön sind dabei die Szenen, wenn Goldkelchen Baez in die Ferne beim Singen schaut. während Ex-Lover Dylan sie von der Seite beobachtet. In dem leider noch nicht veröffentlichten Dylan-Film Renaldo & Clara kommt die Heiratsdiskussion zwischen ihnen nochmals auf – Fans erinnern sich.

Nun die schlechte Nachricht. Die technische Qualität der DVD ist grottenschlecht. Die Aufnahmen sind in NTSC vom US-Fernsehen gemacht und NTSC bedeutet auch Never The Same Color. Alle Kritikpunkte am NTSC-Format treten hier in voller Form zu Tage. Und zudem haben die (Schwarz-)Kopierer von Woodstock Tapes die Aufnahmen der Asia-TV-Ausstrahlung vervielfältigt. Das bedeutet, es gibt störende Untertitel und Bauchbinden mit asiatischen Übersetzungen. Leider verdecken diese zeitweise das gesamte Bild. Das nervt erheblich. Aber das Cover der DVD brauche ich kein Wort zu verlieren. Es ist sch…

Aber wer den Meister in einer seiner Hochphasen erleben will, sollte die paar Euro für Rolling Thunder Revue riskieren. Wann und ob Sony Music irgendwann die Originalshows auf den Markt bringt, ist zweifelhaft. Daher zugreifen, über die Fehler hinwegsehen, und genießen.