Posts Tagged ‘Kunst im öffentlichen Raum’

Ein stilles Mahnmal im Herzen Münchens – der Hofgarten erinnert an Opfer, Verlust und Hoffnung

2. November 2025

Irgendwie kennt es kaum ein Besucher meiner Geburtsstadt München, obwohl es eigentlich zentral liegt und eindrucksvoll ist.Das Kriegerdenkmal im Hofgarten in München liegt am östlichen, tiefer gelegenen Ende des Gartens direkt vor der Bayerischen Staatskanzlei und erinnert ursprünglich an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Münchner. Die Masse der Besucher strömt in den Hofgarten und besucht den Pavillon, das Denkmal wird kaum besucht.

Die Anlage wurde 1924 in Anwesenheit Kronprinz Rupprechts von Bayern eingeweiht und bis 1928 in allen Details vollendet. Gestaltet wurde sie als versunkene, rechteckige Anlage aus Muschelkalk mit einer begehbaren Gruft in ihrem Zentrum. Vier abgewinkelte Treppen führen von den Längsseiten hinab in einen Vorraum, dessen Reliefs marschierende Soldaten sowie ein Gräberfeld zeigen.

In der Mitte liegt die offene Gruft aus Travertinblöcken: Zwölf massive Steinblöcke tragen eine rund zwei Meter starke, etwa 250 Tonnen schwere Deckenplatte; an ihren Schmalseiten führen Stufen zur überlebensgroßen Figur eines gefallenen Soldaten hinab. Diese eindringliche Skulptur schuf Bernhard Bleeker; der Gesamtentwurf des Denkmals entstand in Zusammenarbeit des Bildhauers Karl Knappe mit den Architekten Thomas Wechs und Eberhard Finsterwalder.

Die Inschriften fassen Sinn und Widmung des Ortes zusammen: An der Westseite der Deckenplatte steht „Sie werden auferstehen“, an der Ostseite „Unseren Gefallenen“. Im Innenraum findet sich die Widmung des Bayerischen Kriegerbundes „den 13.000 gefallenen Heldensöhnen der Stadt München 1914–1918“. Nach Kriegsbeschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal in vereinfachter Form ohne die ursprünglich angebrachten Namen der Gefallenen wiederhergerichtet; die Namenslisten gingen verloren. Zugleich ergänzte man im Innenraum eine zusätzliche Widmung für die Opfer der Jahre 1939–1945 (Gefallene, Vermisste und Luftkriegsopfer Münchens). Damit wurde der Gedenkort in der Nachkriegszeit bewusst auf beide Weltkriege bezogen.

Ein prägnantes Detail der Rezeptionsgeschichte betrifft die Materialgeschichte der Skulptur: Bleekers Figur des toten Soldaten war ursprünglich aus rotem Marmor gearbeitet. 1972 ersetzte man sie aus konservatorischen und sicherheitlichen Gründen durch einen Bronzeabguss, das Marmoralter befindet sich seitdem im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Diese Maßnahme bewahrte das künstlerische Erscheinungsbild am Ort und schützte zugleich das empfindlichere Original.

Städtebaulich und erinnerungskulturell wirkt das Kriegerdenkmal als stiller Gegenpol zur repräsentativen Architektur ringsum: Der Besucher steigt von der offenen Gartenfläche in eine vertiefte, kühle Gedenkarchitektur hinab, die bewusst Konzentration und Innenschau fördert. Durch seine klare Formensprache und die liegende Figur fand das Münchner Denkmal in der Zwischenkriegszeit weite Beachtung; Motive wurden in zahlreichen Kriegerdenkmälern im süddeutschen Raum aufgegriffen – oft sogar mit der Münchner Inschrift „Sie werden auferstehen“. Bis heute steht die Anlage unter Denkmalschutz und bildet, unmittelbar hinter der Staatskanzlei gelegen, einen der eindrucksvollsten Gedenkorte der Stadt, an dem künstlerische Qualität, architektonische Strenge und die Mahnung gegen das Vergessen zusammenkommen.

Wenn Mauern sprechen – Glasgows Herz in Farbe

5. August 2025

Bei uns im Dorf dürfen sich Schüler an der dunklen Bahnunterführung mit ihren Malkünsten austoben, damit bei diesen traurigen Zustand optisch etwas ändert. Ähnliches hab ich auf meiner Schottland-Tour durch Glasgow beobachtet.

Glasgow gilt heute als eine der bedeutendsten Street-Art-Städte Europas – ein Ruf, der nicht aus Vandalismus oder willkürlicher Schmiererei hervorgegangen ist, sondern aus einem bewussten Wandel in der Stadtentwicklung und Kulturpolitik. Die vielen Graffitis und Wandbilder, die sich über Häuserfassaden, Unterführungen, Brückenpfeiler und ganze Gebäudewände ziehen, sind Ausdruck einer kreativen Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum, seiner Geschichte, den Menschen und sozialen Themen. Es macht unheimlichen Spaß durch diese Stadt zu spazieren und immer neue Graffitis zu entdecken.

Ein wesentlicher Grund für die Vielzahl an Graffitis liegt in der gezielten Förderung durch die Stadt selbst. Seit den 2000er Jahren unterstützt Glasgow aktiv Street-Art-Projekte, nicht zuletzt im Rahmen größerer Stadtverschönerungs- und Revitalisierungsmaßnahmen. Früher für Industrie und Schwerarbeit bekannt, hat sich Glasgow in den vergangenen Jahrzehnten neu erfunden – als Kulturstadt, Kreativmetropole und Zentrum für Design, Musik und zeitgenössische Kunst. Graffiti und Mural Art wurden dabei nicht als Problem, sondern als Potenzial gesehen: als Möglichkeit, leere oder heruntergekommene Flächen zu beleben und Identität zu stiften.

Ein Paradebeispiel dafür ist das Projekt City Centre Mural Trail, das von der Stadt in Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und Organisationen wie Art Pistol Projects initiiert wurde. Es handelt sich dabei um einen offiziell ausgewiesenen Rundgang durch die Innenstadt, auf dem man über 25 großformatige Wandbilder entdecken kann – von detailreichen Porträts über surrealistische Kompositionen bis hin zu politischen oder sozialkritischen Werken. Viele dieser Murals sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern erzählen Geschichten aus Glasgow: über lokale Berufe, Migration, Musikgeschichte oder den Alltag im Viertel.

Hinzu kommt, dass Glasgow eine lebendige Underground-Kunstszene hat. In Vierteln wie Finnieston, Trongate oder entlang des Clyde findet man viele kleinere, nicht offiziell geförderte Werke, die oft ebenso eindrucksvoll und gesellschaftlich relevant sind. Die tolerante Haltung der Stadt gegenüber Street Art hat dazu beigetragen, dass Künstler aus ganz Großbritannien und darüber hinaus Glasgow als Bühne nutzen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen „legaler“ und „illegaler“ Graffiti zunehmend – in vielen Fällen werden einst illegale Arbeiten heute als kulturelles Kapital betrachtet.

Nicht zuletzt spiegelt die Fülle an Graffitis in Glasgow auch den Stolz und den Humor seiner Bewohner wider. Die Wandkunst ist oft augenzwinkernd, manchmal melancholisch, aber fast immer geprägt von einem starken Lokalbezug. Sie macht die Straßen der Stadt zu einem offenen Museum und bringt damit Kunst dorthin, wo sie jeder sehen kann – ohne Eintritt, ohne Schwelle, mitten im Alltag.

Schönheit des Vergänglichen – Gothic-Träume auf dem Hügel der Toten

30. Juni 2025

Der Glasgow Necropolis übt auf Gothic-Fans eine ganz besondere Faszination aus, da er wie kaum ein anderer Ort die Ästhetik, Symbolik und Atmosphäre der Gothic-Kultur widerspiegelt. Bei meinem Streifzug durch diesen faszinierenden Friedhof traf ich verschiedene Gothic-Fans, die die Atmosphäre für fotografische Aufnahmen nutzen.

Ich sprach die Leute ohne Vorbehalte an. Die Schotten antworteten wir begeistert, nachdem wir auch ein bisschen über Gothic-Musik geplaudert hatten. Die asiatischen Frauen reagierten eher verschüchternd, sprachen aber dann auch, als sie etwas Vertrauen gewonnen hatten. Als Journalist war ich neugierig und wollte wissen, warum dieser Friedhof zu einem Magneten für Liebhaber des Düsteren und Romantischen ist. Hier die Antworten auf meine Fragen.

Architektur und Stilvielfalt
Die Necropolis ist ein Paradebeispiel viktorianischer Friedhofskultur und beeindruckt durch eine Mischung aus gotischer, ägyptischer und griechischer Revival-Architektur. Über 3.500 kunstvoll gestaltete Grabmäler, Mausoleen und Skulpturen verteilen sich über die Hügel und Terrassen. Besonders die zahlreichen spitzen Obelisken, verwitterten Engel, melancholischen Statuen und monumentalen Familiengräber schaffen eine Kulisse, die wie aus einem Gothic-Roman entsprungen scheint. Hier findet jeder schnell sein spezielles Fotomotiv.

Die Lage und Atmosphäre
Der Friedhof liegt auf einem Hügel östlich der St Mungo’s Cathedral, selbst ein Meisterwerk gotischer Baukunst. Die erhöhte Lage bietet dramatische Ausblicke über die Stadt und verstärkt das Gefühl, sich in einer eigenen, entrückten Welt zu befinden. Nebel, Wind und das wechselhafte schottische Wetter verleihen der Necropolis eine mystische, manchmal fast übernatürliche Stimmung – ideal für alle, die sich von der Melancholie und Schönheit des Vergänglichen angezogen fühlen.

Symbolik und Kunst
Die Grabmale sind reich an Symbolen, die für die Gothic-Szene eine besondere Bedeutung haben: gebrochene Säulen, Totenschädel, Efeuranken und Engel, die über die Toten wachen. Die kunstvollen Inschriften und die morbide Schönheit der verwitterten Steine regen die Fantasie an und laden zum Nachdenken über Leben, Tod und Unsterblichkeit ein.

Historische Bedeutung und Geschichten
Der Necropolis ist nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein „Museum unter freiem Himmel“, das die Geschichte Glasgows und seiner Menschen erzählt. Viele Persönlichkeiten, Künstler und Industrielle sind hier begraben, ihre Geschichten spiegeln sich in den Monumenten wider. Ich muss leider zugeben, dass ich die wenigsten Verstorbenen kannte. Aber die reiche Historie und die vielen Legenden, die sich um den Friedhof ranken, bieten Stoff für düstere Erzählungen und Inspiration für die Gothic-Subkultur.

Märchen und Legenden
Wie es sich für einen so alten und eindrucksvollen Ort gehört, ranken sich zahlreiche Märchen um den Necropolis. So wird erzählt, dass in nebligen Nächten Geister durch die Alleen wandeln – Geschichten, die von der Gothic-Szene gerne aufgegriffen und weitergesponnen werden. Diese Legenden sind natürlich als Märchen zu verstehen, tragen aber zur besonderen Aura des Ortes bei. Ich war bei strahlendem Sonnenschein vor Ort und traf auf keine Geister, sondern nur auf durstige Seelen.

Der Glasgow Necropolis vereint alles, was das Herz eines Gothic-Fans höherschlagen lässt: spektakuläre Architektur, düstere Symbolik, eine melancholische Atmosphäre und eine reiche Geschichte voller Geheimnisse und Geschichten. Wer sich für die Ästhetik des Morbiden und die Schönheit des Vergänglichen begeistert, findet hier einen der eindrucksvollsten Orte Europas. Und wer ohne Vorurteile auf die Gothic-Szene zugeht und das freundliche Gespräch sucht, der hat mehr vom Leben. Und die Toten hat die Fotosessions nicht mehr gestört.

Der Tanz der Quadrate – Wenn der Wind die Skulptur zum Leben erweckt

27. Juni 2025

Oft bleibe ich vor einer Installation stehen und lasse sie auf mich wirken. So auch hier, als ich bei strahlendem Sonnenschein auf ein Werk von George Rickey stieß. Zunächst verstört, aber mehr und mehr interessiert schaute ich mir die Installation an und recherchierte.

Die Installation Three Squares Gyratory des amerikanischen Kinetik-Künstlers George Rickey ist ein Beispiel für die Verbindung von Technik, Kunst und Natur. Sie befindet sich im West Quadrangle der University of Glasgow und wurde Anfang der 1970er Jahre installiert. Rickey, der bis 1913 selbst in Glasgow lebte, schuf mit diesem Werk nicht nur ein bewegliches Kunstobjekt, sondern ein subtiles Spiel mit Raum, Zeit und physikalischen Kräften, das seither Studierende und Besucher wie mich gleichermaßen fasziniert.

Die Skulptur besteht aus drei großen, frei schwebenden Quadraten aus glänzendem Edelstahl, die auf einem etwa drei Meter hohen Mast montiert sind. Jedes Quadrat ist über ein ausgeklügeltes Gelenksystem so befestigt, dass es sich unabhängig von den anderen im Wind bewegen kann. Bereits ein leichter Lufthauch genügt, um die Elemente in eine schwebende, fast meditative Drehung zu versetzen. Dabei wirken sie nie hektisch, sondern bewegen sich in langsamen, rhythmischen Abläufen, als tanzten sie nach einer unsichtbaren Choreografie. Rickey nutzte dabei die Prinzipien der Kinetik, nicht um Natur zu imitieren, sondern um deren physikalische Gesetze künstlerisch umzusetzen.

Durch die reflektierende Oberfläche des Edelstahls interagiert die Skulptur ständig mit dem Licht und der Umgebung. Die Bewegung der Quadrate erzeugt immer neue Formen und Schattenbilder, was dem Werk eine permanente visuelle Wandelbarkeit verleiht. Je nach Tageszeit, Wetterlage oder Standpunkt des Betrachters verändert sich seine Wirkung – es gibt keinen festen Blick, keinen endgültigen Eindruck. So schafft Rickey ein Werk, das mit dem Raum kommuniziert und sich stets neu erfindet.

Die Wahl des Standorts an einer Universität ist dabei besonders passend. Inmitten der historischen Architektur bildet das moderne, bewegliche Objekt einen bewussten Kontrast und gleichzeitig eine stille Einladung zum Innehalten, Beobachten und Nachdenken. Die Skulptur steht sinnbildlich für das Zusammenspiel von Stabilität und Wandel – ein Prinzip, das auch der Wissenschaft und dem Denken eigen ist.

Three Squares Gyratory ist damit nicht nur ein technisches Meisterwerk der kinetischen Kunst, sondern auch ein poetischer Impulsgeber im öffentlichen Raum. Es steht für eine stille, unaufdringliche Ästhetik, die sich nicht aufdrängt, sondern durch ihre Ruhe und Eleganz besticht. George Rickey hat hier ein Werk geschaffen, das seiner Umgebung nicht widerspricht, sondern sie bereichert – und das seit Jahrzehnten in sanfter Bewegung bleibt.

Modifizierte Bavaria – gottähnliche Statue wird berührbar

22. Dezember 2021

Bei einem Spaziergang durch meine Geburtstag traf ich auf die Bavaria. Nein, nicht die große Bavaria an der Theresienwiese, sondern die kleine Schwester gegenüber dem Deutschen Museum an der Isar. Die Bavaria stammt von Alicja Kwade. Die 1979 geborene Polin Alicja Kwade lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Bavaria ist ein schönes Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum.

Kwades Bavaria ist keine exakte Kopie der monumentalen Bronzestatue Ludwig Schwanthalers auf der Theresienwiese. Sie erscheint an der Isar in einer leicht modifizierten und humanisierten, menschlichem Maß entsprechenden Version. Aller Symbole des Sieges und der Macht, wie Löwe, Eichenkranz und Schwert beraubt, strahlen ihre Körpersprache und Größe nicht mehr dieselbe heroische Haltung aus.

Die Bavaria und das Konzept interessiert mich. Wahrscheinlich liegt der Grund darin, dass es ein Werk von Ferdinand von Miller aus Fürstenfeldbruck ist, der Stadt in der ich aufgewachsen bin. Dort steht der Daumen der Bavaria und vor dem Stadtmuseum eine Kopie des Kopfes. Ferdinand von Miller, dem Sohn eines Brucker Uhrmachers Joseph Anton Miller gelang in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Sensation. In der Werkstatt des Erzgießers Ferdinand von Miller entstand die über 87 Tonnen schwere Bavaria, die seit 1850 über der Theresienwiese thront.

Aber zurück zur Bavaria von Alicja Kwade. Auf der beschreibenden Tafel steht zu lesen: „Ihre Gesten wurden gezielt verändert und damit ändert sich auch ihre symbolische Bedeutung. Die ursprüngliche übermenschliche Größe, die den Betrachter durch die Symbolisierung von Überlegenheit einschüchtern sollte, wurde ihr ebenfalls genommen: auf menschliche Größe (exakt die Größe der Künstlerin Alicja Kwade) herunterskaliert, ist die Bavaria, ohne Sockel, entmystifiziert und erscheint nunmehr gleichberechtigt zu den Betrachter. Sie interagieren auf Augenhöhe. So ruft die Plastik Interaktionen mit den Passanten hervor und führt ein neues „Leben“ und „Dasein“. Die vormals unerreichbare gottähnliche Statue wird berührbar.
Die Verbindung zwischen dem Original und seinem humanisierten Äquivalent zeigt zwei verschiedene Seinsmöglichkeiten auf, in ihrer Bedeutung gegensätzlich, aber doch zueinander gehörend und aufeinander bezogen. In ihrer Koexistenz verdeutlichen sie gleichsam die Idee von Paralleluniversen.“

Kunst im öffentlichen Raum: Slipstream im Flughafen Heathrow, London

10. Juni 2019

Slipstream In London.

Slipstream In London.

Wer den Londoner Flughafen Heathrow im Terminal 2 besucht, stößt unverzüglich auf das imposante Kunstwerk Slipstream von Robert Wilson. Seitdem der Terminal 2 im April 2014 neu gestaltet wurde, ist dort diese riesige Skulptur zu sehen. Wer ein wenig Zeit mitbringt, sollte sich sich dieses eindrucksvolle Werk zu Gemüte führen. 

Slipstream wurde vom britischen Künstler Richard Wilson geschaffen. Slipstream sieht sich als ambitioniertes Kunstwerk, das von der Welt der Luftfahrt inspiriert ist und Feinmechanik und britisches Spezialhandwerk vereint. Das Ergebnis ist eine fließende, verdrehte Aluminiumform; eine imaginäre Flugbahn eines Zivko Edge 540 Stuntflugzeugs. Slipstream ist eine der längsten permanenten Skulpturen Europas, die über 70 Meter lang und 77 Tonnen schwer ist. Bei meinem jüngsten Besuch in Heathrow waren K2 und ich schwer beeindruckt.

Slipstream zieht sich durch die Länge des überdachten Innenhofes des Terminals 2 und reagiert auf die Architektur des Flughafengebäudes und ist in diese integriert. Die Skulptur ist ein markanter Blickfang für das neue Gebäude des Flughafens sein.

Richard Wilson, einer der führenden britischen Bildhauer, wird für seine künstlerischen Interventionen im architektonischen Raum gefeiert und hat national und international umfassend ausgestellt. Seine bekanntesten Werke sind die Installation „20:50“, ein Meer aus reflektierendem Sumpföl, das fest in der Saatchi-Sammlung installiert ist, und sein Auftragsbeitrag zur Kulturhauptstadt Europas 2008 in Liverpool, „Turning the Place Over“, einem riesigen eiförmigen Abschnitt einer stillgelegten Gebäudefassade, der sich drehte, um das Innere seiner Struktur zu enthüllen. Er hat Großbritannien bei der Sydney, Sao Paulo, Venedig Biennalen und der Yokohama Triennale vertreten und wurde zweimal für den Turner Prize nominiert.

Das Design von Slipstream verwendet modernste Computerprogrammiertechnologie, die normalerweise in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt wird, um das Volumen der Bewegung eines Flugzeugs durch den Weltraum genau zu übersetzen. Um Slipstream zur Realität werden zu lassen, beauftragte Wilson die Statiker Price & Myers und den auf Rumpfbasis tätigen Verarbeiter Commercial Systems International (CSI). Die Skulptur wurde in 23 Riesenabschnitten in Hull gefertigt und im Juni 2013 Stück für Stück von Hull nach Heathrow transportiert.

Uns hat das Kunstwerk gefallen und wir standen staunend davor. 

Anschaubefehl: Keith Haring in der Hypo Kunsthalle München

24. August 2015

Keith Haring Ausstellung in der Hypo Kunsthalle.

Keith Haring Ausstellung in der Hypo Kunsthalle.

Noch bis 30. August läuft in München in der Hypo Kunsthalle die Keith Haring-Ausstellung, die ich jedem ans Herz legen kann. Und auch der Katalog der Ausstellung Gegen den Strichist eine Augenweide und reich an Information über das Gesamtwerk des Pop Art-Künstlers Keith Haring. Der Katalog geht weit über die Ausstellung hinaus und ich kann ihn bedenkenlos empfehlen.
Als Familie machten wir einen Ausflug in die Hypo Kunsthalle und jedes Familienmitglied konnte etwas für sich mitnehmen. Meine Kinder erfreuten sich an der bunten Kraft der Bilder, meine Frau war von der Aktionskunst in der New Yorker-U-Bahn restlos begeistert und mich faszinierte der Stil des Künstlers, der leider viel zu früh an Aids gestorben ist.

 

 

Gegen_den_Strich

Gegen den Strich heißt die Ausstellung und sie ist nicht nur als Kunst, sondern auch als ein politisches Statement zu verstehen. Keith Haring bezieht in seinen Kunstwerken klar Stellung. Und das ist das Neue an dieser Ausstellung, die nicht gefällig sein will. Keith Haring lehnte sich auf gegen einen kapitalistischen Exzess und engagierte sich für nukleare Abrüstung, Umweltschutz und die Gleichberechtigung des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Sexualität. All dies wirkt auf den Betrachter in München ein. Auf diesem in Ausstellungen bisher wenig thematisierten politischen und sozialkritischen Aspekt von Harings Lebenswerk liegt der Fokus dieser Retrospektive in der Hypo Kunsthalle in München und das ist absolut sehenswert.

Lobenswert war, dass der Besucher in der Ausstellung fotografieren durfte – freilich ohne Blitz, Stativ und Selfie-Stange. Das finde ich sehr lobenswert und viele Besucher machten ihre Erinnerungsbilder. So verbreitet sich die Kunst von Keith Haring online – denn viele Besucher machten ihre Selfie vor den Werken des Künstlers und posteten sie soziale Netzwerke. So bekommt die Ausstellung eine Verbreitung im virtuellen Raum. Kunst für die Masse auch außerhalb von Museen und Ausstellungsräumen – ein sehr interessanter Aspekt der Museumsdidaktik. Hier können viele Museum von der Hypo Kunsthalle in München lernen.

 

Ich habe schon einzelne Bilder von Haring gesehen, wie beispielsweise im Museum of Modern Art (MoMA), aber noch nie so viele Bilder Harings in einer einzelnen Ausstellung. In München sind es rund 160 Kunstwerke ausgestellt. Unterstützt werden die Bilder und Installationen und Gegenstände von Filmen und Fotos. Didaktisch hervorragend aufbereitet macht die Ausstellung einfach Spaß und regt zum Nachdenken an.

Eingang

Wunderbar die Provokation am Eingang der Ausstellung Gegen den Strich: Auf einer gelben Motorhaube eines Taxis fertigte Haring seine markanten Zeichnungen an. Dann gleich nochmal eine Provokation im ersten Raum: Jeder weiß, woher das Fleisch kommt. Es kommt aus dem Laden. Die damals aufkommende vegetarische Bewegung war entsetzt.

Laut lachen und fasziniert war ich von der ausgestellten Straßenkunst der New Yorker U-Bahn. Für die einen Schmierereien in der U-Bahn wurde aus der Aktionskunst interessante Werke neben klassischer Plakatwerbung. Kunst im öffentlichen Raum provoziert. Wie würde der Münchner Tarifverbund MVV reagieren, wenn auf den Plakatflächen der Münchner S- und U-Bahn so etwas stattfinden würde? Vandalismus, Geschmier oder würde man mehr darin sehen? Richtig gelacht habe ich bei einem verzierten U-Bahn-Plan von New York. Tolle Idee.

Als Medienmensch war ich natürlich interessiert, wie Keith Haring die Medien und das aufkommende Computerzeitalter sah. Ein Raum der Hypo Kunsthalle widmet sich diesem Thema. Allerdings sieht der Künstler dies mehr als Bedrohung. Ein Roboter schwebt über den Menschen. Diese Sicht ist mir persönlich zu negativ.