Posts Tagged ‘Bavaria’

Modifizierte Bavaria – gottähnliche Statue wird berührbar

22. Dezember 2021

Bei einem Spaziergang durch meine Geburtstag traf ich auf die Bavaria. Nein, nicht die große Bavaria an der Theresienwiese, sondern die kleine Schwester gegenüber dem Deutschen Museum an der Isar. Die Bavaria stammt von Alicja Kwade. Die 1979 geborene Polin Alicja Kwade lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Bavaria ist ein schönes Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum.

Kwades Bavaria ist keine exakte Kopie der monumentalen Bronzestatue Ludwig Schwanthalers auf der Theresienwiese. Sie erscheint an der Isar in einer leicht modifizierten und humanisierten, menschlichem Maß entsprechenden Version. Aller Symbole des Sieges und der Macht, wie Löwe, Eichenkranz und Schwert beraubt, strahlen ihre Körpersprache und Größe nicht mehr dieselbe heroische Haltung aus.

Die Bavaria und das Konzept interessiert mich. Wahrscheinlich liegt der Grund darin, dass es ein Werk von Ferdinand von Miller aus Fürstenfeldbruck ist, der Stadt in der ich aufgewachsen bin. Dort steht der Daumen der Bavaria und vor dem Stadtmuseum eine Kopie des Kopfes. Ferdinand von Miller, dem Sohn eines Brucker Uhrmachers Joseph Anton Miller gelang in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Sensation. In der Werkstatt des Erzgießers Ferdinand von Miller entstand die über 87 Tonnen schwere Bavaria, die seit 1850 über der Theresienwiese thront.

Aber zurück zur Bavaria von Alicja Kwade. Auf der beschreibenden Tafel steht zu lesen: „Ihre Gesten wurden gezielt verändert und damit ändert sich auch ihre symbolische Bedeutung. Die ursprüngliche übermenschliche Größe, die den Betrachter durch die Symbolisierung von Überlegenheit einschüchtern sollte, wurde ihr ebenfalls genommen: auf menschliche Größe (exakt die Größe der Künstlerin Alicja Kwade) herunterskaliert, ist die Bavaria, ohne Sockel, entmystifiziert und erscheint nunmehr gleichberechtigt zu den Betrachter. Sie interagieren auf Augenhöhe. So ruft die Plastik Interaktionen mit den Passanten hervor und führt ein neues „Leben“ und „Dasein“. Die vormals unerreichbare gottähnliche Statue wird berührbar.
Die Verbindung zwischen dem Original und seinem humanisierten Äquivalent zeigt zwei verschiedene Seinsmöglichkeiten auf, in ihrer Bedeutung gegensätzlich, aber doch zueinander gehörend und aufeinander bezogen. In ihrer Koexistenz verdeutlichen sie gleichsam die Idee von Paralleluniversen.“

Wiesn: Anmache mit dem Bierdeckel

26. September 2014

In München läuft das Oktoberfest und für viele ist damit die Flirt-Saison eröffnet. Bester Anmachspruch: “Bist du auch auf der Wiesn?” Ein bisschen Bussi Bussi hier, ein wenig Geknutsche da – so kommt es mir manches Mal vor, wenn ich über die Wiesn schreite und zu später Stunde die Leute beobachte. Der Alkohol macht aus den Menschen seltsames. Aber jeder muss wissen, was okay ist und was nicht.

Es gehört einfach mehr geschmust - lautet die Übersetzung.

Es gehört einfach mehr geschmust – lautet die Übersetzung.

Im Käfer-Zelt unter der Bavaria hab ich zu dem Zweck der Kontaktaufnahme mit dem anderen Geschlecht eine moderne Form des Bierfilzes gefunden – Bierdeckel für die Preissn. Auf der einen Seite des runden Pappdeckels ist eine Zeichnung mit Tracht samt Schriftzug der Käfer Wiesn-Schänke. Auf der anderen Seite ist das Logo der Paulaner Brauerei mit einem QR-Code, der zu Käfer führt. Ganz nett der Schriftzug … weil i Di mog (weil ich dch mag). Sehr nett kommen dann drei Zeilen in denen man Facebook-Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer eintragen kann. In dieser Reihenfolge: Facebook, E-Mail und Telefon.

Bierdeckel helfen bei der Kontaktaufnahme.

Bierdeckel helfen bei der Kontaktaufnahme.

Das klassische “Gib mir mal deine Telefonnummer” ist wohl nicht mehr so hoch im Kurs. Und der Name ist auch nicht mehr so wichtig, denn der wird beim Flirten erst gar nicht abgefragt. Mal sehen, ob ich die Pageimpressions steigern kann, wenn ich einige Bierdeckel ausfülle und in auf den Tischen verteile. Irgendeiner klickt immer.

Früher hat man dem Herzblatt einfach ein Herz geschenkt.

Früher hat man dem Herzblatt einfach ein Herz geschenkt.

Buchtipp: Extrablatt von Michael Graeter

3. Januar 2013

Extrablatt

Klatsch gehört zu den Medien einfach dazu. Jeder Zeitungsmacher weiß um die richtige Mischung aus Klatsch, Sex, Gesundheit und Geld. Wer das richtige Verhältnis kennt, der hatte zumindest früher eine Goldgrube. Und der Klatschreporter schlechthin war für mich immer Michael Graeter.

Sein Buch und Autobiografie Extrablatt ist für mich ein Lehrbuch für angehende Klatschkolumnisten oder Dekolleté-Detektive wie sich Graeter selbst bezeichnet. Das Lesen des unterhaltsamen Buches war für mich wie eine Reise in die Vergangenheit. Graeter berichtet von seinen Anfängen als Volontär bei der Mindelheimer Zeitung. Richtig, im Lokaljournalismus lernte man das Schreiben, das Produzieren und Recherchieren. Immer wieder erinnerte mich die Ausführungen von Graeter an meine eigene Zeit bei der Lokalzeitung. Es war eine harte Schule, aber es hat unglaublich Spaß gemacht. Und das scheint es Graeter auch gemacht zu haben. Er wechselte dann zum Boulevard und durfte nach dem Verleger Curt Frenzl nun mit Werner Friedmann und Schreiberlegende Sigi Sommer zusammenarbeiten. Es war eine schöne Zeit, das liest man aus jeder Zeile heraus.

Die Münchner Zeit war auch die Vorlage für die Helmut Dietl-Serie Kir Royal, die ich damals im TV und später auf DVD verschlungen haben. In seinem Buch Extrablatt  berichtete Graeter viele schlüpfrige Details aus der Welt der Reichen und Schönen und begeht immer wieder Streifzüge in die Politik (soweit sie das Thema Klatsch betrifft). Vielleicht liegt darin auch ein Fehler des Buches: Es sind zu viele Namen, es ist eine Marathon der damaligen Größen. Auch wenn der eine oder andere in der Versenkung verschwunden ist, der Graeter-Stil ist gut zu lesen.

Graeter berichtet stolz in seinem Buch, dass er bei seinen Verträgen darauf achtete, dass ein Graeter nicht redigiert wird. Ja, aus seiner Sicht verstehe ich das. Dennoch kann ich aus meiner Erfahrung als Textchef für zahlreiche Publikationen sagen: Besser wäre es gewesen, wenn das Buch besser lektoriert gewesen wäre. Es schleichen sich einfach Fehler ein, die nicht sein müssten. Beispiel gefällig? So behauptet Graeter, dass der legendäre Steve McQueen zu Beginn seiner Karriere mit dem Film „Gesprengte Ketten“ in der Münchner Bavaria mit dem Regisseur Stanley Kubrick gearbeitet habe. Das ist definitiv falsch. Regisseur von „Gesprengte Ketten“ war John Sturges und nicht Kubrick. Der McQueen-Film wurde 1963 in Bayern gedreht. Kubrick drehte 1957 zum letzten Mal in München seinen Wege zum Ruhm. Solche Fehler müssen nicht sein. Wenn man aber solche Sachen bemerkt, wirft das kein gutes Licht auf das Buch. Könnte es vielleicht sein, dass die eine oder andere Geschichte auch nicht stimmt?

Viel erfahren wir von seiner Cafe-Kette „Extrablatt“. In der Leopoldstraße saß ich auch als Student und war von der Atmosphäre des französischen Cafes begeistert. Endlich erfahre ich die Hintergründe, wie es zu dem Cafe kam und warum die heutige Gattin von Christian Ude, die SPD-Stadträtin Edith von Welser, nie eine Freundin von Graeter wurde. Von seinen Knast-Erfahrungen und Problemen mit der bayerischen Justiz handelt das Buch ebenso.

Aber das Wichtigste sind für einen Journalisten doch die sieben W-Fragen: Wer, was, wann, wo, wie, wie und warum gemacht und welche Quelle haben wir. Die Quelle war immer Michael Graeter selbst, der sich in der Society wunderbar bewegt, die Durchwahlnummern seiner Kontakte hat. Herrlich, wie er das Verhältnis von Caroline mit Ernst August von Hannover aufdeckt. Und auch interessant zu lesen, wie Graeter so manchen Promi auf die Füße tritt und Verhältnisse aufdeckt, sei es Edmund Stoiber, Franz Beckenbauer usw. Endlich weiß ich die Graeter-Variante, warum der Stoiber nicht nach Berlin wollte/durfte.

Graeter ist auch ein Medienmensch. Er kopierte die Idee einer täglichen TV-Seite. Aber noch besser: Seine Idee, das Format Seitenblicke vom ORF in abgewandelter Form in die ARD vor der Tagesschau zu bringen, wäre revolutionierend gewesen. Stattdessen wählte die ARD einen Quatsch wie die Börse im Ersten. Dabei habe ich die Seitenblicke oder der bayerische Ableger Leo‘s Magazin mit Leo Lukoschik geliebt. Die Saat wurde damals von Graeter gelegt, die Ernte fahren aber andere ein. Heute haben wir Boulevard-Magazine wie Brisant, Leute heute oder private Ableger Exklusiv. Ich denke, ein Graeter hätte mehr daraus gemacht.

Und heute? Graeter ist noch immer im Geschäft. Allerdings haben sich die Zeiten für Journalisten geändert. Promis twittern selbst, Whistleblower verraten Geheimnisse. Eher halbherzig betreut Michael Greater einen WordPress-Blog. Es wäre viel Potenzial mit Klatsch auch im Web 2.0. Aber Graeter tut sich wohl mit Technik schwer, wie sich am fälschlichen Ausdruck Fotoshop in seinem Buch zeigt. Ein Extrablatt  im Web wäre ein interessanter Format, vielleicht wäre Michael Graeter der richtige Mann dafür.

Was solls: ARD setzt Marienhof ab

18. Dezember 2010

Die ARD setzt nach 18 Jahren zum Mai 2011 die Soap „Marienhof“ ab und mir ist es egal. Stolz kann ich behaupten, nicht eine Folge der dann 4053 umfassenden Episoden seit 1992 komplett gesehen zu haben. Klar reingezappt hab ich, aber nicht lange hängen geblieben. Hab ich was verpasst? Ich denke nicht.
Der Grund für das Einstellen ist die schlechte Quote. 2010 erreichte der „Marienhof“ bis zum 14. Dezember durchschnittlich 1,63 Millionen Zuschauer, das entspricht einem Marktanteil von 8,6 Prozent. Das ist der ARD zu wenig, obwohl Marienhof scheinbar früher ein wahrer Gassenhauer war.
Aber wer glaubt, dass die ARD von meinen Gebühren jetzt auf Qualität setzt, wird bitter enttäuscht. Verbotene Liebe soll künftig statt 25 Minuten und Minuten dauern – darauf hat die Welt gewartet. Außerdem sollen so Vorabendkrimis wie Großstadtrevier intensiviert werden – ach ja und auf die Wissensvermittlung soll auch stärker gesetzt werden. Warten wir den Mai 2011 mal ab. Vielleicht schau ich mir zum Schluss das erste Mal eine Folge Marienhof an und leide mit den WG-Bewohnern im einem fiktiven Kölner Stadtteil mit.
Dann hat die Bavaria auch wieder Luft für neue Produktionen, denn Marienhof wird in München gemacht. Bedenklich ist aber der Medienstandort München verliert nicht weitere Arbeitsplätze. Rund 100 Mitarbeiter müssen gehen und sich einen neuen Job suchen.
Im Internet formiert sich Protest gegen das Absetzen der Serie. Fans wollen aktiv werden und ihre Serie retten. Obwohl ich an die Macht von Social Media glaube, glaub ich nicht daran, das der Marienhof weiter geht.