Posts Tagged ‘Flucht’

Persönlicher Nachruf auf Georg Stefan Troller

28. September 2025

Ich bin um Trauer um ein journalistisches Vorbild. Georg Stefan Troller ist im Alter von 103 Jahren in Paris gestorben – und mit ihm verlässt die Welt einen der eindringlichsten, neugierigsten und zugleich sensibelsten Journalisten ihrer Zeit. Ich durfte Troller im hohen Alter in München treffen und verneige mich vor seinem journallistischen Werk. Es hat mich inspiriert.

Trollers Leben war vom Fluch der Geschichte ebenso geprägt wie von einer fast trotzigen Hingabe zur Sprache: Geboren als jüdischer Pelzhändler-Sohn in Wien, vertrieben vom Nationalsozialismus, floh der Jugendliche 1938 mutterseelenallein über die Tschechoslowakei und Frankreich in die USA, bevor er als GI nach Deutschland zurückkehrte, das KZ Dachau miterlebte und Zeugnis ablegte für ein Jahrhundert voller Brüche.

Doch Trollers Antwort auf die Unwirklichkeit der Vertreibung war nie Resignation, sondern das Gespräch, die lebendige Begegnung, das behutsame Öffnen der Biografie des Gegenübers. Seine Fernseharbeit – legendär das „Pariser Journal“ und die „Personenbeschreibung“ im ZDF – wurde zur Schule der Empathie, zur Bühne des Menschlichen jenseits glänzender Oberflächen. Während andere am Sensationshunger der Medien rührten, suchte Troller nach den verborgenen Wunden, nach Absurdität und Wahrheit – immer mit der leisen Hoffnung, dass sich im Erzählen der Schmerz mildern lässt und Herkunft nicht mehr Fluch, sondern eigene Wahrheit sein darf. Dass er dabei strikt seine jüdische Herkunft jahrzehntelang verheimlichte – aus Furcht vor antisemitischer Ablehnung – macht seine Sendungen umso eindringlicher: denn seine Fragen galten nie nur dem Porträtierten, sie leuchteten stets in die Schatten der eigenen Geschichte. Troller starb in einer Zeit, in der der Antisemitismus in unserem Land wieder erwacht. Ich könnte kotzen.

Seine Interviewtechnik veränderte den deutschen Fernsehjournalismus nachhaltig. Er lehnte jede neutrale Distanz ab, bestand auf Subjektivität, auf der Aufrichtigkeit der eigenen Zweifel und Sehnsüchte. Der poetische Kommentar, die Montage von Bild, Wort und biografischer Erschütterung, machten seine Fernseharbeiten stilbildend – für Generationen von Kulturvermittlern, die ihm nachfolgen sollten. Vielleicht war Troller einer der ersten Blogger. Troller selbst bezeichnete den Journalismus als Mittel der Selbstrettung, der Begegnung mit Menschen als Versuch, Lebensberechtigung zu finden, dort, wo Sprache und Erinnerung ihre Heimat haben. Zu seinem 100. Geburtstag habe ich ein Video für ihn aufgenommen.

Sein Paris wurde ihm als Emigrant zum Symbol einer zweiten Geburt. Im Viertel Saint-Germain-des-Prés, im Herz der Geschichte, fand er Vergangenheit und Zukunft, die Brücken seiner eigenen Existenz. Der Verlust von 19 Angehörigen im Holocaust, die unablässige Fremdheit, wurden nie Schlusspunkt – sondern der Ausgang einer lebenslangen Reise, der Suche nach eigenen Leuten, nach dem, was Mensch-Sein jenseits aller historischen Verheerung bedeutet.

Was bleibt nach Trollers Tod, ist mehr als ein Nachruf. Es ist die Einladung, hinter Fassaden zu schauen, der Welt subtil und mitfühlend Fragen zu stellen. Sein Werk mahnt, die Verletzlichkeit in anderen zu sehen, das Gespräch zu suchen, selbst und immer wieder. Troller, der Zeitzeuge und Menschenfreund, hat mit seinen Fragen das Fernsehmedium in eine Schule der Sensibilität verwandelt und die Hoffnung hinterlassen, dass Verständigung möglich bleibt – solange Sprache, Erinnerung und Menschlichkeit nicht verstummen.

Gerne hätte ich ihn noch einmal getroffen und mit ihm über seinen Deutschland-Film gesprochen. In seinem Leben hat Troller mehr als 1.700 Interviews geführt, drehte rund 200 Filme und schrieb Drehbücher und Bücher, darunter 1988 die Autobiographie „Selbstbeschreibung“. Seine Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit mehreren Adolf-Grimme-Preisen, einer Oscar-Nominierung, Bambis und der Goldenen Kamera.

Prag (8): Prager Botschaft – Als Genscher die Erlösung brachte

30. Oktober 2024

„Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist.“ Wenn ich diese Worte von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft aus der Konserve höre, bekomme ich immer wieder eine Gänsehaut.

Was war passiert? Bis November 1989 stiegen immer mehr DDR-Bürger über den Zaun der Bundesdeutschen Botschaft in Prag, um die DDR-Diktatur zu verlassen. Der Zusammenbruch der DDR stand kurz bevor. Es folgten intensive Demonstrationen in DDR-Städten. Die friedliche Revolution nahm ihren Lauf an deren Ende die Vereinigung der beiden deutschen Staaten stand.

Bei meinem Besuch in Prag stand ich an der historischen Stelle und hing meinen Gedanken nach. Ich dachte an meinen verstorbenen Vater, der gerne einmal diesen Ort besucht hätte, denn er hatte die Situation damals Tag und Nacht verfolgt. Ich spüre eine Kraft, die von diesem Ort für die deutsche Geschichte ausging.

Bericht von der Flucht
Ich begleitete den Pfarrgemeinderat meines Wohnortes Maisach und wir tauschten unsere Erlebnisse dieser Zeit aus. Wie es der Zufall wollte, stieß eine ehemalige DDR-Bürgerin zu uns. Andrea, so hieß die Dame. Sie stammt aus der Bauhausstadt Dessau und war in der dritten Ausreisewelle mit ihrer kleinen Tochter dabei. Sie berichtete, wie sie in der Botschaft eine Nacht ausharrte.

Sie erzählte von ihrer Ausreise über Plauen. Als die Stasi die Fluchtzüge betrat „konnte man die Stecknadel fallen hören.“ Es wurden die DDR-Ausweise eingesammelt und die Züge abgeschlossen „Das Einsammeln war reine Schikane, denn die Stasi wollte, dass die Flüchtlinge im Westen bürokratische Schwierigkeiten bekommen. Es war eine gruselige Situation“, berichtet sie. Nach ein paar Jahren im Westen ging Andrea dann wieder zurück nach Dessau. „Da ist Familie, da ist meine Heimat.“

Medienaktion für ukrainische Kinder

16. Juni 2022

Ich bin sehr angetan, was die deutsche Gesellschaft tut, um den geflüchteten ukrainischen Kindern vorübergehend eine Heimat zu geben. Nach der Fluchtbewegung 2015 ist Deutschland anders vorbereitet auf die Flüchtlinge aus der Ukraine. Jetzt sind es zumeist Frauen und Kinder, die Schutz suchen, während die Mehrzahl der Männer mit der Waffe in der Hand sich gegen die Invasion Putins stemmt.

Wenn ich ins Netz schaue, gibt es zahlreiche Initiativen, um ukrainischen Kinder den Einstieg in den Schulunterricht zu erleichtern. Zusammen mit einer Kollegin unterstützte ich Bildungsträger bei interkulturellen Herausforderungen in Schulen, Kirchen oder Vereinen.

Bild: NDR/Sesame Workshop

Aber auch Information und Unterhaltung darf nicht zu kurz kommen. Die Tagesschau und Springer Medien haben u.a. ihr Angebot in die ukrainische und russische Sprache übersetzt. Und auch die Sendung mit der Maus gibt es auf Ukrainisch. Aber es gibt noch mehr. Zwei Beispiele hab ich heute ausgewählt.
Die Sesamstraße bietet Kindern aus der Ukraine ein Programm in ihrer Muttersprache. Spots mit Elmo, Ernie und Bert und anderen beliebten Sesamstraßen Figuren sind jetzt neu in der ARD Mediathek und auf KiKA.de abrufbar. Auf beiden Kanälen ergänzen die kurzen Filme mit Elmo, Ernie, Bert und weiteren bekannten Puppen das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender, das speziell für vor dem Krieg geflüchtete Kinder aus der Ukraine geschaffen wurde.

Jetzt gibt es das Micky Maus-Magazin gibt es erstmals in ukrainischer Sprache. Egmont Ehapa Media hat die kostenlose Sonderausgabe mit Unterstützung von Mohn Media Mohndruck eigens für geflüchtete Kinder aus der Ukraine entwickelt und gedruckt. Mit dieser Aktion leistet Egmont Ehapa einen Beitrag, um ukrainischen Kindern ein Stück Vertrautheit, Freude und Leichtigkeit in ihrem neuen und noch ungewohnten Alltag in Deutschland zu bringen. Die ukrainische Sonderausgabe umfasst 36 Seiten und enthält beliebte Comics aus Entenhausen sowie lustige Witze, Tipps und Tricks aus der Redaktion.
Die Druckauflage des Sonderhefts umfasst 5.000 Exemplare. Schulen und soziale Einrichtungen können bei entsprechendem Institutionsnachweis anfordern. Der Versand der Sonderauflage erfolgt, solange der Vorrat reicht. Die Magazine und deren Versand sind kostenfrei.