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Filmtipp: Longlegs

12. August 2024

Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein Problem mit der theatralischen Darstellung von Nicolas Cage habe. Jetzt läuft der Film Longlegs in den Kinos und es ist – Gott sei Dank – einer der besseren Filme mit Cage geworden.

Wer das Schweigen der Lämmer und Sieben mochte, der wird in Longlegs seinen Gefallen finden, obwohl der Film nicht die Tiefe der beiden Vorbilder erreicht. Dennoch ist Longlegs ein guter, sehr guter Psychothriller mit einem abgedrehten Nicolas Cage als gestörter Serienmörder.

Kurzer Inhalt: FBI-Agentin Lee Harker (Maika Monroe) hat Vorahnungen und darf deshalb in einer Sonderkommission, um einen Serienmörder zu stellen. Je mehr sie ermittelt, kommt sie auf die Spur von satanischen Hintergründen und findet auch verstörende Verbindungen zu ihrer eigenen Kindheit. Alles durchaus spannend inszeniert von Oz Perkins, der Sohn von Anthony (Norman Mutter) Perkins.

Mir hat vor allem die distanzierte Kameraarbeit von Andres Arochi gefallen. Kalte Farben und immer auf Distanz, die Kamera als Beobachter der Bilder. Die Darsteller in der Totalen oder Halbtotalen verlieren sich im Raum des Bildes und so wird unbewusst die Vereinsamung der handelnden Personen intensiv dargestellt. Ob das moderne Action-Publikum diese Einstellungen wirklich würdigen kann, bleibt dahingestellt. Für mich gehören sie zu den besten Bildern des Films. Diese Grundstimmung des Films vermittelt Unruhe und Unbehagen. War es bei Schweigen der Lämmer der gestörte Buffalo Bill ist es hier der schräge Vogel Longlegs, der sich zu inszenieren weiß. Sehenswert wie Cage in Frauenkleider in einen Baumarkt schlappt. Offiziell wurden kaum Bilder von Cage als Longlegs veröffentlicht, wahrscheinlich um mehr Spannung aufzubauen. Gut, ich werde nicht spoilern – nur soviel: Longlegs hat ein Rad ab und sieht schaurig gut aus.

Bitte auch beim Kinobesuch auf das Sounddesign achten, das viel zur Stimmung des Films beiträgt. Sound-Designer Eugenio Battaglia arbeitet viel mit ASMR-Elementen, die ja eigentlich die Entspannung fördern sollen. In Longlegs erreichte dieser Klangteppich bei genau das Gegenteil und sorgte unbewusst für eine Unruhe während des Films. Diese akustische stickige Atmosphäre wird dem geneigten Fan gefallen und Longles weiß auf seine Art zu unterhalten.

Gedanken zum Tode von Donald Sutherland

21. Juni 2024

Er war ein großer Schauspieler, der den Filmen seinen Stempel aufdrückte. Donald Sutherland starb mit 88 Jahren und die Medienseiten werden sich mit Nachrufen überschlagen. Ich hatte die Meldung seines Sohnes in X gesehen.

Ich mochte den Schauspieler wegen zwei Filmen sehr: Wenn die Gondeln Trauer tragen und die Körperfresser kommen. Zwei Vertreter des fantastischen Films, die jeder auf ihre Art Geschichte gemacht haben.

Körperfresser kommen
Körperfresser ist eine Neuinterpretation von Don Siegels Die Dämonischen. “Körperfresser kommen” (englischer Originaltitel: “Invasion of the Body Snatchers”) ist ein Science-Fiction-Klassiker, der erstmals 1956 erschien und auf dem Roman von Jack Finney basiert. Das Buch wurde mehrfach neu verfilmt, unter anderem 1978, 1993 und 2007.

In der Neuverfilmung von 1978, unter der Regie von Philip Kaufman, wird die Geschichte von außerirdischen Parasiten, die menschliche Körper übernehmen, in ein urbanes Umfeld von San Francisco verlegt. Die Hauptfiguren, darunter Gesundheitsinspektor Matthew Bennell (gespielt von Donald Sutherland) und seine Kollegin Elizabeth Driscoll (Brooke Adams), entdecken allmählich, dass Menschen durch gefühllose Doppelgänger ersetzt werden.

Die 1978er Version von “Die Körperfresser kommen” zeichnet sich durch eine intensivere und düstere Atmosphäre aus als das Original von 1956. Die Verwendung von Schatten, Spiegelungen und verzerrten Kameraeinstellungen verstärkt das Gefühl von Paranoia und Unbehagen. Die Stadt San Francisco dient als klaustrophobischer Schauplatz, der die Isolation der Charaktere verstärkt.

Donald Sutherland liefert eine herausragende Leistung als Matthew Bennell, wobei seine zunehmende Verzweiflung und das Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen eindrucksvoll dargestellt werden. Wie die Version von 1956 thematisiert auch dieser Film die Angst vor Verlust der Individualität und den Schrecken der Konformität. Die 1978er Adaption kann als Spiegelbild der sozialen und politischen Unsicherheiten der 1970er Jahre gesehen werden, einschließlich des Misstrauens gegenüber staatlichen Institutionen und der Angst vor Entfremdung in einer zunehmend anonymen Gesellschaft. Die düstere und pessimistische Stimmung sind wunderbar bedrückend.

Wenn die Gondeln Trauer tragen
Mein absoluter Liebling ist jedoch „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Über den Film habe ich eine Matinee gemacht. Hier die Aufzeichnung:

Donald Sutherland liefert in dem psychologischen Horrorfilm „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (Originaltitel: „Don’t Look Now“) aus dem Jahr 1973 eine beeindruckende und nuancierte Darstellung. Unter der Regie von Nicolas Roeg spielt Sutherland die Rolle des John Baxter, eines Architekten, der zusammen mit seiner Frau Laura (gespielt von Julie Christie) nach Venedig reist, um den Tod ihrer kleinen Tochter zu verarbeiten.

Sutherland bringt eine immense Tiefe und Authentizität in die Figur des John Baxter. Seine Darstellung eines Mannes, der unter dem Verlust seines Kindes leidet und gleichzeitig versucht, rational und pragmatisch zu bleiben, ist zutiefst bewegend. Sutherlands Fähigkeit, die inneren Qualen und die Verzweiflung seines Charakters subtil und glaubwürdig darzustellen, verleiht dem Film eine emotionale Intensität, die den Zuschauer nachhaltig beeindruckt.

Die Chemie zwischen Sutherland und Julie Christie ist bemerkenswert und trägt wesentlich zur Wirkung des Films bei. Ihre Darstellung eines trauernden Paares, das versucht, in ihrer Beziehung Halt zu finden, ist sowohl berührend als auch authentisch. Besonders hervorzuheben ist die berühmte Liebesszene, die durch ihre Intimität und Natürlichkeit beeindruckt und die tiefe Verbindung der Charaktere zeigt.
Sutherland glänzt in der Darstellung der verschiedenen Facetten seines Charakters. Er zeigt Johns berufliche Kompetenz und Entschlossenheit, seine Skepsis gegenüber dem Übernatürlichen und seine schmerzliche Trauer. Diese Vielschichtigkeit macht John Baxter zu einer komplexen und glaubwürdigen Figur, mit der sich das Publikum identifizieren kann.

Ein weiterer Aspekt von Sutherlands Leistung ist seine Reaktion auf die übernatürlichen Elemente des Films. Seine anfängliche Skepsis und später wachsende Verunsicherung und Angst spiegeln die zunehmende Bedrohung wider, die den Film durchzieht. Sutherland schafft es, die innere Zerrissenheit seines Charakters, der zwischen Rationalität und unheimlicher Realität hin- und hergerissen wird, eindrucksvoll darzustellen.

Paul Auster verstorben – Mein Buch- und Film-Tipp

2. Mai 2024

Der Schriftsteller Paul Auster ist am 30. April 2024 im Alter von 77 Jahren verstorben. Diese Meldung überraschte mich gestern abend. Ich mochte seine Bücher gerne, mir der Prosa konnte ich nicht soviel anfangen. Bevor ich das erste Mal nach New York flog, las ich seine New York Trilogie und auf dem Flug zu Big Apple beendete ich das über 400 seitige Buch. Die New York Trilogie ist für mich ein Buch, das man immer wieder lesen kann und das jedes Mal neue Einsichten und Erkenntnisse bietet. Und wer keine Lust auf einen fetten Schinken hat, dem empfehle den Film Smoke – Raucher unter sich aus dem Jahr 1995. Hier hat Paul Auster das Drehbuch geschrieben.

Ich wurde auf Paul Auster durch eine Bekannte aufmerksam. Die „New York Trilogie“ von Paul Auster ist für mich eine faszinierende literarische Reise durch das Labyrinth menschlicher Existenz, identitärer Verwirrung und die unergründlichen Geheimnisse der Metropole New York. All dies habe ich bei meinem ersten New York-Besuch nicht erlebt, aber im Kopf mit durch diese Stadt getragen. Bestehend aus den drei Romanen „Stadt aus Glas“, „Schlagschatten“ und „Hinter verschlossenen Türen“, ist diese Trilogie ein tolles Werk postmoderner Literatur, das mich in ein rätselhaftes Universum von Verschwommenheit und Bedeutung führte.

Stadt aus Glas
„Stadt aus Glas“, der erste Roman der Trilogie, ist eine subtile Reflexion über Identität und die Krise des Selbst. Der Schriftsteller Daniel Quinn wird fasziniert von einem Anruf, der ihn in die Rolle eines Privatdetektivs schlüpfen lässt. Doch je tiefer er in den Fall eintaucht, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Auster spielt meisterhaft mit den Konventionen des Detektivromans und führt den Leser in ein Labyrinth des Bewusstseins, in dem nichts ist, wie es scheint.

Schlagschatten
In „Schlagschatten“ wird die Geschichte des Privatdetektivs Blue fortgesetzt, der nun selbst zum Objekt der Ermittlung wird. Als er einen mysteriösen Auftrag annimmt, gerät er in ein Netz aus Intrigen und Verwirrungen. Die Grenzen zwischen Täter und Opfer verschwimmen, und die Suche nach Wahrheit wird zu einer existenziellen Reise in die Dunkelheit der menschlichen Seele.

Hinter verschlossenen Türen
Der dritte Roman, „Hinter verschlossenen Türen“, führt uns als Leser in die Welt des Schriftstellers Fanshawe, der scheinbar spurlos verschwindet und seine Identität einem anderen Mann überlässt. Doch auch dieser Mann, der Fanshawes Leben übernimmt, ist nicht immun gegen die Geister der Vergangenheit. Auster untersucht hier auf eindringliche Weise die Natur der Authentizität und die Fragilität menschlicher Bindungen.

Versuch einer Würdigung
Was diese Trilogie so beeindruckend macht, ist Austers meisterhafte Beherrschung der Sprache und seine Fähigkeit, komplexe philosophische Themen mit einer fesselnden Handlung zu verbinden. Sein Stil ist präzise und poetisch zugleich, und seine Charaktere sind so vielschichtig wie die Stadt, in der sie leben. Durch die Verflechtung von Realität und Fiktion, von Identität und Selbstentfremdung schafft Auster eine Welt, die mir noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis blieb.

Filmtipp Smoke
„Smoke“ aus dem Jahr 1995, unter der Regie von Wayne Wang und basierend auf einem Drehbuch von Paul Auster, ist ein Film, der subtil und einfühlsam die Geschichten von Menschen einfängt, die sich in den Straßen von Brooklyn kreuzen. Der Film ist eine Hommage an die Schönheit des Alltags und die unerwarteten Verbindungen, die zwischen den Menschen entstehen.

Die Handlung von „Smoke“ dreht sich um Auggie Wren, den sBesitzer eines kleinen Tabakladens in Brooklyn, gespielt von Harvey Keitel. Auggie hat eine tägliche Gewohnheit, bei der er um die gleiche Uhrzeit ein Foto von der Ecke seines Ladens schießt. Dieses einfache Ritual wird zum Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Geschichten, die sich um Auggie und die Menschen in seinem Umfeld entfalten. Eine tolle Idee und ein tolles Storytelling,

Der Film zeichnet sich durch seine liebevoll gezeichneten Charaktere aus, von Auggie selbst bis hin zu seinen Stammkunden und Freunden. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Träume, die auf berührende Weise miteinander verflochten sind. Die Schauspieler, darunter auch William Hurt, Forest Whitaker und Stockard Channing, liefern herausragende Leistungen und bringen ihre Charaktere mit Tiefe und Authentizität zum Leben.

Eine der Stärken von „Smoke“ liegt in seiner Fähigkeit, die kleinen Momente des Lebens einzufangen und zu feiern und das ist die Leistung des Drehbuchautors Paul Auster. Der Film findet Schönheit und Bedeutung in scheinbar banalen Ereignissen und zeigt, wie selbst die gewöhnlichsten Begegnungen das Potenzial haben, das Leben zu verändern. Die ruhige Inszenierung und die zurückhaltende Erzählweise ermöglichen es den Zuschauern, sich in die Welt des Films einzufühlen und sich mit den Charakteren zu identifizieren.

Filmkritik: Civil War – eine Reise von James Nachtwey zum Heart of Darkness

18. April 2024

Der Trailer lockt den Zuschauer auf eine völlig falsche Fährte. Wer gedacht hat, bei Civil War von Alex Garland handelt es sich um einen klassischen Actionfilm im US-patriotischen Flair von Freiheit und Aufrechtigkeit, der hat sich vollkommen geirrt. Civil War ist für mich die bisherige Überraschung des Kinojahr 2024 und ein absolut lohnenswerter Film.

Als ich aus der Pressevorführung trat, sah ich eine Reise von James Nachtwey zum Heart of Darkness, ein Road Movie mit dem Irrsinn von Apocalypse Now, allerdings nicht in den Gewässer von Indochina, sondern auf auf den staubigen Straßen um Washington.
Dieser Film polarisiert und regt zum Nachdenken an. Was wäre wenn… . Als Zuschauer ergreifen wir Partei für die handelnden Personen, allesamt Fotoreporter und Journalisten unterschiedlichster Ausprägung. Der alte Mann von der New York Times, die desillusionierte Fotoreporterin, der drogenabhängige Producer und das naive Greenhorn.

Es herrscht Bürgerkrieg, Milizen gegen das Establishment in der Rolle des US-Präsidenten. Die Hintergründe kennen wir nicht. Der Präsident scheint ein böser Bube zu sein, weil er eine dritte Amtszeit antritt und einige Staaten dagegen mit Waffengewalt protestieren. Unweigerlich kommt einen der Sturm auf das Kapitol 2021 in den Sinn und auch die Arroganz eines Donald Trump lässt sich beim Betrachten des Films nicht abstreiten. Was wäre wenn …

Der Film ist eine Verbeuung vor den großen Kriegsfotografen der Vergangenheit und Gegenwart: Vor Lee Miller, vor Robert Capra und immer wieder vor James Nachtwey. Und der Film ist eine Verbeugung vor Fotografie. Sobald ein Kriegsbild geschossen wird, verstummt der Ton, das Bild wird schwarz-weiß und zeigt die enorme Wirkung von Fotografie. Als ich den Film auf mich wirken sah, erkannte ich das Todesbild des spanischen Freiheitskämpfers von Robert Capra oder das Attentatsbild von Robert Bobby Kennedy von Boris Yaro. Die Bilder wurden zu ikonischen Symbolen für diese tragischen Ereignisse.

Ein bisschen Nostalgie schwingt in dem Film mit, wenn das junge Nachwuchsjournalistin mit einer alten analogen Nikon auf Film arbeitet, die Filmdose mit Entwickler rollt und den Film dann doch am iPhone anschaut, während die hartgesottene Kriegsfotografin gleich auf eine digitale Sony Alpha setzt. Natürlich sind diese Szene für mich als Bildjournalist Balsam für die Seele, aber seien wir doch mal ehrlich: Bewegtbild hat den Fotojournalismus schon längst geschlagen. Wer heute nur mit Fotos arbeitet, hat die Medienwelt des 21. Jahrhunderts nicht verstanden und das ist meine einzige wirkliche Kritik an diesem einzigartigen Film. Erst gegen Ende tauchen eingebettete Videojournalisten auf, was dann doch eher an die Medienrealität des 21. Jahrhunderts erinnert. Das sich Fotojournalisten frei durch ein Kriegsgebiet bewegen durften, das hat die USA in Vietnam gesehen, wohin es führt. Aber egal, Civil War ist eine Dystopie mit Botschaft und immer wieder der Gedanke: Was wäre wenn …

Filmkritik: Andrea lässt sich scheiden – Gin Tonic is ka Alkohol

3. April 2024

Als ich mir „Andrea lässt sich scheiden“ im Kino angesehen habe, da hab ich mich fremdgeschämt. Ich wäre gerne unter dem Kinosessel gekrochen, denn Regisseur Josef Hader hat in seinem zweiten Spielfilm genau hingeschaut. Er hat so genau aufs Land geschaut und die Figuren und Charaktere ins Szene gesetzt, denen ich oftmals im wirklichen Leben begegne. Polt hat mal eine Serie gehabt „Fast wie im richtigen Leben“ und genau diese scharfe Beobachtungsgabe hat Josef Hader in „Andrea lässt sich scheiden“ auch, allerdings nicht auf bayerische, sondern auf österreichische Art.

Ich mag diese Art von Humor. Die Beobachtungsgabe von Hader ist enorm. Ich habe ihn vor 25 Jahren mal im Lustspielhaus live gesehen und bin seitdem ein Fan von ihm. Trocken und zielsicher. Hier ein Filmgespräch mit Hader, bevor wir seinen Film zu sehen bekommen haben.

Nach der Wilden Maus von 2017 nun die zweite Regiearbeit. Der Inhalt ist linear und einfach: Die Polizistin Andrea lebt mit ihrem Ehemann auf dem Land. Doch Andrea ist unglücklich in der Ehe und sie wünscht sich eine Scheidung, um ein neues Leben als Kriminalinspektorin in der Stadt zu führen. Aber ihr Traum von der Zukunft gerät in Gefahr, als sie nach einer Geburtstagsfeier ihren betrunkenen Noch-Ehemann anfährt und schließlich Fahrerflucht begeht. Doch zu Andreas Überraschung bekennt sich der trocknende Alkoholiker Franz im Irrglauben zu der Tat.

Aber es geht weniger um das Storytelling, es geht vielmehr wie das Storytelling in Szene gesetzt wird. Es werden Charaktere gezeigt, wie wir jederzeit und an jedem Ort auf dem Land antreffen können. Stadtmenschen können über den Film lachen und den Kopf schütteln, Landmenschen, wie ich es einer bin, werden die Mitmenschen erkennen in ihrer Sinnlosigkeit, in ihrer Tragik und naiven Aussichtslosigkeit. Jeder Charakter passt und jeder von uns Zuschauern kennt die eine oder andere dargestellte Person, vielleicht erkennt man sich auch selbst mit seinen leeren Sprüchen und nutzlosen Handlungen.

Ich habe mich köstlich amüsiert und ich war peinlich berührt, wie genau Hader seinen Mitmenschen aufs Maul geschaut hat. Vielleicht braucht man eine gewisse Reife, um den Witz in der Trostlosigkeit des Landes zu erkennen. Es tat weh diese Personen zu sehen und es tat auch weh, wenn einen selbst der Spiegel vorgehalten wird. Und der Spruch „Des is Gin Tonic. Gin Tonic is ka Alkohol.“ ist in den Wortschatz unserer Familie eingegangen.

Ich habe die Vorpremiere in München gesehen und werde nun mir den Film in meinem Lieblingskino Scala Fürstenfeldbruck noch einmal ansehen. Der Film lohnt sich.

Filmtipp: Tetris von Jon S. Baird auf Apple TV+

18. April 2023

Das allererste was ich getan habe, als der Abspann des Tetris Films bei Apple TV über den Bildschirm lief war folgendes: Ich holte aus einer Vitrine meinen allerersten GameBoy hervor, steckte Batterien rein, suchte aus der Spielesammlung die Cartridge von Tetris und setzte mich auf Sofa und spielte, spielte und spielte.

Der Film Tetris von Jon S. Baird hatte mir gefallen, denn ich mag Geschichten über Videospiele und deren Erfinder. Das ist Kultur und Geschichten über Videospiele ist Kulturjournalismus pur. Leider wird das von der etablierten Kulturpresse nur bedingt abgebildet und Videogames fristen in der klassischen Presse eher ein Nischendasein, wenn überhaupt. Sie haben aber für mich die gleiche Berechtigung wie andere Phänomene der Pop-Kultur. Natürlich mag ich die Spiele auch selbst, aber die Hintergründe zu Spielen interessieren mich doch sehr.

Aber zurück zum Film: Die Geschichte von Tetris ist ja allseits bekannt. Ich habe sie in so viel Magazinen und Büchern gelesen. Aber jetzt diese Geschichte auf die Beamerleinwand zu sehen, war doch etwas besonderes. Tetris spielt in der Zeit des Kalten Krieges und im frühen Silicon Zeitalter. Zu Hause stand bei mir mein Atari 2600.

Ich hörte als Jugendlicher von weit entfernten Messen, die CES in Las Vegas, die ich erst Jahrzehnte später persönlich besuchen sollte. Dort entdeckte Henk Rogers das Spiel des russischen Programmieres Alexei Paschitnow. Rogers erkannte das enorme Spielpotenzial dieses einfachen, aber genialen Spiels und versuchte die Vertriebslizenzen zu erwerben. Er wusste, dass Nintendo den GameBoy auf den Markt bringen würde und Tetris war das ideale Spiel für diesen Handheld. Aber, es war, wie gesagt, der kalte Krieg und die damalige Sowjetunion war ein zäher und nicht kalkulierbarer Verhandlungspartner. In vielen wunderbaren Details stellt der Film diese Situation und diese graue Zeit da, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Gerade die Geschehnisse in der Sowjetunion unter Michael Gorbatschow zeichnete den Film ideal: düstere Bilder, düstere Musik, düstere Schauspieler. Der besondere Reiz sind natürlich die Unterbrechungen in 16 Bit Grafik, die ich gefeiert habe.

Vielleicht funktioniert Tetris nur in Teilen als Thriller als der er ursprünglich gedacht war. Als Thriller enttäuscht der Film ein wenig, aber der über die Genregrenzen hinaussieht, wird ein Juwel entdecken. Die Thrillerelemente tauchen erst zum Ende des Films auf und sind gut inszeniert, vor allem wenn sie mit 16 Bit Grafik angereichert werden. Vor allem funktioniert Tetris als Zeitdokument und gibt uns einen Einblick in vergangene Zeiten. Er ist ein Film, der Mut macht Grenzen zu überwinden, es ist ein Film über Freundschaft und Ehrlichkeit. Und der Film ist eine Verbeugung vor dem großen Programmierer Alexei Paschitnow, der ein Holzspiel seiner Jugend ins digitale Zeitalter übertrug und einen zeitlosen Mythos schuf, der die Welt der Spiele veränderte.

Videospiele waren in meiner Jugend immer Jungsache. Und dann kam Tetris und änderte alles. Das ist übrigens auch ein Buch, das ist sehr empfehlen kann. Das Zeitalter der Jungs endete mit Tetris. Selbst meine Mutter, die für mich als Jugendlicher damals schon eine ältere Frau war, aber zu Tetris Zeiten jünger war, als ich heute bin. Diese Frau war der Sucht nach den fallenden Klötzchen verfallen. Ich bekam einen GamesBoy geschenkt und sie spielte damit. Auf einmal waren Videospiele ein Zeitvertreib für die gesamte Familie und nicht nur für pubertierende Jungs wie mich.

Es gibt unzählige Tetris-Clones. Ich spielte das Spiel gerne auf dem C64. Und es soll wohl auch ein Tetris für das Atari 2600 geben, was ich aber nie gespielt, geschweige denn besessen habe. Der Jäger und Sammler ist nach dem Film wieder in mir erwacht …

Dracula im Film (32): Nacht der Vampire (1970)

17. Januar 2023

Für mich ist die Nacht der Vampire der konsequente Wegbereiter der Nacht der reitenden Leichten, zudem eine Mischung aus Hexen-, Werwolf- und Vampirfilm, also ein bisschen von jedem etwas. Der Heuler ist ein typischer Vertreter des spanischen Horrorkinos der siebziger Jahre mit dem einheimischen Horrorfilmstar Paul Naschy (eigentlich Jacinto Molina). Er spielt mal wieder einen Werwolf, ich glaube bereits zum vierten Mal. Am besten fand ich ihn in „Die Vampire des Dr. Dracula“. Regie führte dieses Mal der ehemalige Zahnarzt Leon Klimovsky, der mit diesem Film seine Karriere als Low-Budget-Horrorfilm-Regisseur begründete.

Natürlich kommt Dracula in dem Film nicht vor, außer in einem Dialog der beiden Hauptdarstellerinnen, die sich auf der historischen Suche nach der Hexe Gräfin Wandessa Dárvula befinden.

Elvira (wir sehen hier wieder Gaby Fuchs, die wir aus dem heftigen Hexen bis aufs Blut gequält von 1969 kennen) reist mit ihrer Freundin Genevieve durch Frankreich und gemeinsam sind sie auf der Suche nach dem verlorenen Grab einer mittelalterlichen Mörderin, Hexe und Vampirin namens Gräfin Wandessa. Sie stoßen auf eine alte Burg, bewohnt von Waldemar Daninsky (Paul Naschy), der eigentlich ein Werwolf ist. Dieser lädt die Frauen dazu ein, so lange zu bleiben, wie sie wollen. Als Waldemar Elvira das vermeintliche Grab der Gräfin zeigt, erweckt Elvira diese zufällig zu neuem Leben und sie ist blutgieriger als je zuvor. Daninsky hat ja als Werwolf ein verborgenes Geheimnis, will seine Macht ausnutzen, um die Vampirin zu besiegen. Nach ein paar Gore-Effekte und einigen Toten wird die böse Vampirhexe besiegt und der Werwolf mit den Worten „Nun bist du für immer frei“ erlöst.

Weil wir ja 1970 als Drehzeit und Spanien als Drehort haben, gibt es von dem Film zwei Fassungen. Eine züchtige Fassung für den heimischen spanischen Markt und eine freizügige mit nackten Brüsten für die restliche Welt.
Ich hab den Film zuerst auf Super 8 gesehen, wo er als Zweiteiler mit den Titeln Nacht der Vampire und Die Orgie des Horrors erschienen ist. Erst dann kam die Bluray. Allerdings reicht die Super 8-Version vollkommen aus, die übrigens auf er Bluray vorhanden ist (was ich zu spät gemerkt habe)

50 Jahre Olympia 1972: Filmtipp: Die 21 Stunden von München

31. Juli 2022

Die filmische Aufarbeitung des Olympia-Attentats von 1972 ließ nicht lange auf sich warten. Schon 1976 erschien die US-amerikanische TV-Produktion „Die 21 Stunden von München“. Dramaturgisch ist der Film eher lahm, den Reiz macht aber das Setdesign aus. Es wurde an den Originalschauplätzen im olympischen Dorf und am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck vom deutsche Kameramann Jost Vacano gedreht, der später mit seinen Aufnahmen von „Das Boot“ berühmt wurde.

Ich wurde auf den Film durch die Facebook-Gruppe Erdbeben 1974 aufmerksam, die sich um den Film der siebziger Jahre kümmert. Regie bei diesem TV-Film führte William A. Graham, ein alter Routinier des Fernsehens, der unter anderem Die Leute von der Shiloh Ranch (1962–1971) oder Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI (1993–1998) drehte.

Der Film selbst ist zäh, wirkt sehr gestelzt, eben wie eine typische TV-Produktion dieser Zeit. Das Drehbuch hat keine Tiefe, die israelischen Geiseln wirken blass und farblos. Es wird sich auf die Stars Franco Nero mit strahlend blauen Auen als Schwarzer Septembers-Chef Issa und William Holden als Polizeichef Manfred Schreiber konzentriert. Richard Basehart als Willy Brandt darf Zigarillo rauchen und Georg Marischka spielt routiniert Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, wirkt aber eher wie Hans-Jürgen Wischnewski. Noel Willman als bayerischer Innenminister Bruno Merk bekommt eine größer Rolle als in der Realität. Ich habe mit Merk vor Jahren über Olympia sprechen wollen, aber er wechselte immer wieder galant das Thema.

Ein wenig wird im Film das Problem der Verantwortlichkeit zwischen Israel und der Bundesrepublik thematisiert. Der Film zeigt auch, wie überfordert die bayerische Polizei mit dieser Art von Terrorismus ist.

Eigentlich könnte man den Film getrost auf Seite legen, zudem ich nur eine Mono-DVD habe, wären da nicht die Originalkulissen des olympischen Dorfes mit den Wohnungen an der Connollystrasse 31 und des Fliegerhorstes Fürstenfeldbruck. Beide Orte kenne ich gut, sehr gut, liegen sie doch vor meiner Haustüre. Und genau das Betrachter dieser Drehorte machen den Reiz des Films für mich persönlich aus. Das Olympische Dorf stand bei den Dreharbeiten noch leer, so dass interessante und vor allem absolut realistische Aufnahmen entstanden.

Und am Ende kommt dann die bittere Erkenntnis, dass bei Olympia 1972 19 Menschen ihr Leben verloren haben: Israelis, Palästinenser, ein deutscher Polizist.

Dracula im Film (20): Vampire Hunter D Bloodlust

12. Januar 2022

Gleich vorweg: Dracula spielt in diesem Film nicht mit, aber Vampire, viele Vampire, und daher erscheint dieser Beitrag in meiner Dracula-Reihe.

Vampire Hunter D Bloodlust ist ein Anime aus dem Jahre 2000 und ich wurde in einem Anime-Forum auf den Film aufmerksam. Anime sind japanische Zeichentrickfilme und haben auch in Deutschland eine riesengroße Fanbase. Ich schätze Animes für ihre visionäre Ausdrucksweise, die anders als amerikanische Animationsfilme deutlich emotionaler und wandlungsfähiger sind.

Vampire Hunter D: Bloodlust spielt in der Zukunft in der Vampire nahezu ausgerottet sind. Die schöne, viktorianisch anmutende Schönheit Charlotte wird von Vampirbaron Meier Link entführt. Der Bruder setzt ein Lösegeld auf und Vampire Hunter D geht auf die Jagd. D selbst ist ein Halbvampir oder Dhampir. Hier greifen die Japaner die südosteuropäische Folklore auf, dass ein Dhampir das Kind eines Vampir-Vaters und einer menschlichen Mutter ist. In der westlichen Welt wurden die Wesen in Filmen wie der Blade Trilogy mit Wesley Snipes bekannt.

D findet Charlotte und erkennt, dass die Entführte freiwillig geflohen ist, um mit ihrer Liebe zusammen zu sein. Weitere Söldner, unter ihnen Leila, komplizieren freilich die Situation und es taucht noch eine Vampirherrscherin Carmilla auf. D und Leila schließen einen Pakt: Wer von den beiden länger lebt soll am Grab des anderen Blumen ablegen. Leila fürchtet, dass sie allein und unbeweint sterben wird.

Wir erinnern uns: Carmilla ist eine 1872 erschienene Novelle des irischen Autors Sheridan Le Fanu, in der die Begegnung einer jungen Frau mit einem weiblichen Vampir namens Carmilla erzählt wird. Die Japaner greifen diese Tradition auf, bauen sie in ihr Anime ein und interpretieren die alte Geschichte neu. Gleichzeitig gibt es auch ein Raumschiff im Schloss, dass die Geliebten in die Stadt der Nacht bringt. Alles schön romantisch, ziemlich blutig und hübsch anzusehen. Der ganze 102minütige Film Vampire Hunter D: Bloodlust ist ein Spaß aus blutigem Horror, Liebesgeschichte, Vampirfilm, Kopfgeldjäger-Film und Action-Kino.

Filmtipp: Das letzte Ufer (1959)

7. Januar 2022

Ein Film, auf den ich immer wieder traurig und nachdenklich zurückblicke, ist Stanley Kramers Produktion Das letzt Ufer aus dem Jahr 1959.

Es ist ein leiser Film vom Ende der Menschheit. Ein Atomkrieg hat die Menschheit fast vollständig ausgelöst. Die letzten Menschen warten in Australien auf die tödliche radioaktive Wolke. Das Ende ist unausweichlich. Der Tod kommt Tag für Tag näher und die Gesellschaft zerbricht. Ein amerikanisches U-Boot in Australien fängt noch ein mögliches rettendes Signal aus dem Norden auf, startet eine Reise dorthin und wird enttäuscht. Die Mannschaft tritt desillusioniert die letzte Reise ins strahlenverseuchte San Francisco an. Die Menschen in Australien bereiten sich derweil auf ihren Tod vor.

Die Stars des alten Hollywood liefern hier eine fantastische Darstellung ab: Gregory Peck, Fred Astaire, Anthony Perkins und eine begnadete Ava Gardner. Ich habe mir das Mediabook Das letzte Ufer mit Bluray und DVD angeschafft, wobei die Bluray mit 133 Minuten sieben Minuten länger ist als die DVD. Dazu gibt es ein Booklet, das zu weiten Teilen von Nando Rohner verfasst wurde.

Vorlage, Film und Neuverfilmung.


Der Film Das letzte Ufer war Wegbereiter für die Antiatomkriegsfilme Der Tag, an dem die Erde Feuer fing (1961), Angriffsziel Moskau (1964) und vor allem Stanley Kubricks Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben (1964). Das Thema wurde vom Publikum ernst genommen. On the Beach, wie das letzte Ufer im Original heißt, basiert auf dem gleichnamigen Buch Das letzte Ufer von Nevil Shute von 1957. Die Leser nahmen die Fiktionen des Autors ernst, der seine strahlende Zukunft im Jahr 1964 angesiedelt hatte. Damit war die Science Fiction nicht in eine weite Zukunft gerückt, sondern am Horizont. Der heutige Leser und Zuschauer müssen sich in die damalige Zeit versetzten, um die Wirkung der Geschichte zu verstehen. Die Welt stand aufgrund der Kuba-Krise 1962 kurz vor einem Atomkrieg. Das Gefühl der Verzweiflung wurde von Regisseur Stanley Kramer genial aufgenommen und in Filmbilder transportiert. Auch auf Deutsch wirkt der Film enorm, was sicherlich an der deutsche Dialogfassung unter Mitarbeit von Erich Maria Remarque lag.

Kramer, der sich im ideologischen Hollywood der 60er Jahre einen Namen mit eigenständigen Filmen gemacht hat, dreht nach On the Beach weitere Erfolge wie Wer den Wind sät (1961), Urteil von Nürnberg (1961) und 1963 Eine total, total verrückte Welt. Im Film stirbt die Menschheit, aber aus dem Off kommt die mahnende Stimme an den Zuschauer: „There is still Time … Brother“. Der Satz hat gesessen und riss mich beim Schauen des Films immer wieder vom Sessel.

Im Jahr 2000 drehte Russell Mulcahy das sehenswerte Remake USS Charleston – Die letzte Hoffnung der Menschheit, einen direkt für die Fernsehausstrahlung konzipierten Zweiteiler. Auch U.S.S. Charleston – Die letzte Rettung der Menschheit hat eine ähnliche Wirkung wie das letzt Ufer auf mich.