Posts Tagged ‘Demokratie’

Filmkritik The Change ein Kammerspiel der Gefühle

30. Oktober 2025

„The Change“ ist eine Dystrophie in der Tradition von Civil War und Bob Roberts – und ich fühlte mich stark an Woody Allens Innenleben erinnert.

Selten fühlt sich Kino der letzten Jahre so nah, so bedrohlich, so kraftvoll an wie in Jan Komasas „The Change“. Von den ersten Momenten an spinnt der Regisseur ein Netz aus familiärer Nähe und schleichender Angst, das den Zuschauer förmlich einschnürt. Das Haus der liberalen, linken Familie Taylors, erfüllt vom Glanz einer alten, gewachsenen Liebe, wird zum Mikrokosmos des politischen Umbruchs: Ausgerechnet beim Fest zum 25. Hochzeitstag nimmt die Katastrophe Gestalt an. Mit der Ankunft von Liz, einer ehemaligen Studentin mit radikalen Visionen, verändert sich die Dynamik zwischen Eltern und Kindern, zwischen Vertrauen und Zweifel, zwischen Sicherheit und drohendem Abgrund. Die Zeiten ändern sich. Der Film ist ein Versuch eines Spiegelbildes des Wandels in den USA. Der Versuch eine konservative Revolution aufzuhalten und an diesem Wandel zugrunde zu gehen.

Komasas Handschrift ist spürbar. Wie schon in „Corpus Christi“ schaut er hinter Fassaden, tastet nach den Rissen in einer scheinbar heilen Welt. Der Film ist ein Dystopie-Drama, aber sein Schrecken entsteht nicht aus Fantasie, sondern aus der erschütternden Realität einer Gesellschaft, deren Werte ins Wanken geraten. Komasa zeigt: Die Monster sitzen oft nicht unter dem Bett, sondern am Tisch, getarnt als Ideologie – und entfalten ihre zerstörerische Kraft im Vertrauten, im Alltag. Die Kamera bleibt dicht an den Figuren, fängt Blicke, Flüstern und die feinen Verschiebungen im Miteinander ein. Der Ton ist mal nüchtern, mal beängstigend direkt – jede Szene trägt das Versprechen von Eskalation, aber nie lässt Komasa die Figuren zu bloßen Symbolen verkommen.

Die Schauspieler geben alles: Diane Lane als Ellen schwankt zwischen Hoffnung und Abwehr, Kyle Chandler gibt den Zweifler, den Zweikämpfer gegen den eigenen Stillstand. Phoebe Dynevor als Liz ist eine Provokation, wandelnd zwischen Verführung und Bedrohung. Der Zusammenprall der Generationen wird zum Spiegel der politischen Radikalisierung: Die Dialoge tun weh, weil sie so ehrlich, so verzweifelt, so menschlich sind. Thanksgiving, Familientreffen, Geburtstage – jeder Anlass wird zur Prüfstein. Am Ende bleibt die Frage nach Schuld und Versöhnung, nach Verlust und Widerstand. Komasas Film bietet keine einfache Antwort, sondern zwingt zum Mitfühlen, Mitdenken, Mitzittern.

„The Change“ ist mehr als ein Thriller: Es ist ein düsteres, höchst emotionales Stück Zeitbild, ein schmerzlich schöner Film, der noch lange nachhallt. Komasa findet die Tiefe im Alltäglichen, macht die Bedrohung sichtbar und stellt den Menschen ins Zentrum. Ein Werk für alle, die Kino als emotionale Zumutung begreifen – als Warnung, als Plädoyer für den Mut, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Jan Komasas „The Change“ ist ein Film, der die politisch-dystopischen Themen in einer beklemmend nahen Gegenwart verankert. Die Geschichte der politisch eher linken Professorenfamilie, die unversehens zur Keimzelle einer revolutionären Bewegung wird, dient als Mikroskop für die Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft: Eine junge Frau – nach ihrer Exmatrikulation wegen antidemokratischer Thesen – entfacht mit der Bewegung „The Change“ einen Paradigmenwechsel, der das gesamte politische System Amerikas erschüttert.

Der Film analysiert die Ausbreitung faschistoider Ideologien nicht irgendwo in den Hinterzimmern der Macht, sondern dort, wo sie den Einzelnen unmittelbar erfassen: im engsten sozialen Gefüge der Familie. Diese Verlagerung ins Private macht die Bedrohung umso spürbarer, weil Komasa die Emotionalität des Alltags mit den Mechanismen totalitärer Umwälzung kontrastiert. Die Demokratie wird nicht an Wahlurnen verhandelt, sondern in den hitzigen und verzweifelten Gesprächen zwischen Eltern, Kindern und Gästen – selbst in der Unmittelbarkeit des familiären Zusammenseins ist sie fragil und gefährdet.

In der dystophischen Vision von „The Change“ verschwimmen die Grenzen zwischen Überzeugung und Manipulation, zwischen Fürsorge und Fanatismus. Die Bewegung fordert radikale gesellschaftliche Umwälzungen, die der Einzelne kaum noch selbst bestimmen kann. Wer nicht mitzieht oder sich widersetzt, wird ausgegrenzt – ein Motiv, das an historische und aktuelle autoritäre Entwicklungen erinnert. Der Film stellt dabei die Frage nach der Standhaftigkeit demokratischer Werte, wenn sie im emotionalen Ausnahmezustand zwischen Nähe und Verrat neu verhandelt werden müssen.

„The Change“ zeigt auf, wie Politik zur persönlichen Katastrophe werden kann, wenn sie den Raum zwischen Menschen erobert und radikale Ideologien selbst Liebes- und Lebensbeziehungen vergiften. Komasa blickt mit analytischer Härte und emotionaler Wucht auf eine Zukunft, die beängstigend real erscheinen kann. Die Dystopie bleibt dabei nicht abstrakt, sondern wird im privaten Mikrokosmos erschreckend konkret und menschlich erfahrbar.

Als ich in der Pressevorführung von The Change saß, fühlte ich mich unweigerlich an Woody Allens Meisterwerk Innenleben erinnert. The Change“ von Jan Komasa und Woody Allens „Innenleben“ (Interiors) verbindet ein feinsinniger Blick auf den Zerfall einer Familie, die im Schutzraum bürgerlicher Behaglichkeit mit existenziellen Erschütterungen und gesellschaftlichen Umbrüchen konfrontiert wird. Beide Filme verlagern große Themen – gesellschaftlichen Wandel, innere Leere, Unsicherheit – in die Intimität der vier Wände und machen die Familie zum Brennglas für Ängste, Ressentiments und Verstrickungen, die weit über das Private hinausweisen.

In „Innenleben“ spiegelt das kühle, stilisierte Interieur den emotionalen Stillstand, die Sprachlosigkeit und Isolation der Figuren. Allens Drama thematisiert den zerfallenden emotionalen Zusammenhalt und die Unfähigkeit, mit Veränderungen umzugehen. In „The Change“ greift Komasa diese Grundmotive auf, doch übersetzt sie ins Politische: Die Familie wird vom Sog einer radikalen Bewegung aus dem Gleichgewicht gebracht – die Zerrissenheit zwischen den Generationen, gegenseitiges Vorwerfen, Rückzug und Entfremdung eskalieren vor dem Hintergrund einer dystopischen Krise. Wie bei Allen sind es oft Blicke, Schweigen und alltägliche Rituale, in denen sich das Drama abspielt; die Macht der Atmosphäre, die beklemmende Präsenz unausgesprochener Konflikte ist beiden Filmen wesentlich.

Beide Werke erzeugen ihre emotionale Wucht durch die Kollision von Innen- und Außenwelt: Der Familienkreis wird zum Spiegel gesellschaftlicher Ängste und der Schwierigkeiten, Halt zu finden in Zeiten des Wandels. Während Allen seinen Figuren vor allem existenzielle Sinnsuche zumutet, setzt Komasa einen realen, politischen Umbruch als Treiber ein – doch in beiden Fällen stehen Entfremdung, Kontrollverlust und der Verlust von Stabilität im Mittelpunkt. Das Ergebnis ist jeweils ein Kammerspiel der Gefühle, dessen Eindringlichkeit weit über das Private hinausweist und zum Nachdenken über die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen anregt.

Hambach 1832 – Aufschrei nach Freiheit und Einheit

21. August 2025

Das Hambacher Fest von 1832 war weit mehr als nur eine politische Kundgebung – es war ein Fanal der Freiheit, ein Aufschrei nach Einheit und ein Mut machendes Signal für ein ganzes Volk. Auf dem Hambacher Schloss, hoch über den Weinbergen der Pfalz, versammelten sich rund 30.000 Menschen: Männer und Frauen, Studenten, Handwerker, Bauern. Sie alle einte der Traum von einem freien, geeinten Deutschland, in dem Zensur, Fürstenwillkür und Unterdrückung keinen Platz mehr haben sollten.

In meinem Urlaub besuchte ich die Südpfalz und als geschichtsinteressierter Mensch wollte ich unbedingt das Hambacher Schloss sehen und die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Im obersten Stock gab es eine Ausstellung, die mich persönlich betrifft: Ein Thema ist die Presse- und Meinungsfreiheit.

Ein Neustadter Geschäftsmann lud am 18. April 1832 in der »Neuen Speyerer Zeitung« mit einer öffentlichen Einladung zu einem Verfassungsfest ein. Die Feier sollte am Jahrestag der bayerischen Verfassung von 1818, dem 26. Mai, auf dem Hambacher Schloss stattfinden. Solche Feste waren damals nicht ungewöhnlich und auch im Jahr zuvor hatte auf dem Schlossberg ein Verfassungsfest stattgefunden.

Eine Gruppe Pfälzer nahm dieses geplante Verfassungsfest zum Anlass, um eine eigene Veranstaltung zu organisieren. Der Journalist Philipp Jakob Siebenpfeiffer verfasste eine neue Einladung und verbreitete darin eine andere Botschaft. Die bestehende Verfassung sei kein Grund zum Feiern. Stattdessen wolle man ein Fest für die politischen Ziele feiern, die noch nicht erreicht wurden: ein Fest der Freiheit und nationalen Einheit. Demonstrativ luden die Organisatoren des Hambacher Festes für den 27. Mai 1832 – also einen Tag später – zu einer Versammlung auf das Hambacher Schloss ein.

Faszinierend war die Vorstellung der damaligen Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die schwarz-rot-goldenen Fahnen flatterten im Wind, Symbole eines neuen, selbstbewussten Geistes. In leidenschaftlichen Reden wurde von Grundrechten, Pressefreiheit und demokratischer Mitbestimmung gesprochen – Worte, die damals noch gefährlich, ja revolutionär waren. Doch in diesen Tagen im Mai 1832 lag ein Gefühl in der Luft, das stärker war als alle Verbote: Hoffnung. Hoffnung auf ein Deutschland, das seinen Bürgern Rechte statt Fesseln schenkt. Hoffnung auf eine Zukunft, in der Freiheit und Gleichheit keine Vision bleiben, sondern Wirklichkeit werden. In der Schule habe ich immer wieder vom Hambacher Fest gelesen und wollte nun das Gelände erleben, auf dem dieser Funke entzündet wurde.

Auf Basis der bekannten Lithographie „Der Zug zum Hambacher Schloss“ aus dem Jahre 1832 erstellte Adaption mit 400 Einzelfiguren. Das Playmobil-Diorama stammt von Bruno Peeters, privater Sammler und Customizer aus Boom, Belgien und ist auf dem Hamacher Schloss zu besichtigen. Als Playmobil-Fan eine wunderbare Idee in einer geschichtlichen Ausstellung.

Das Hambacher Fest war nicht das Ende, sondern der Beginn eines langen Weges. Viele Teilnehmer wurden verfolgt, Schriften verboten, Redner inhaftiert. Doch die Idee ließ sich nicht mehr ersticken. Der Geist von Hambach lebte weiter – in den Revolutionen von 1848, in den demokratischen Bewegungen der späteren Jahrhunderte, bis hinein in unser heutiges Verständnis von Freiheit und Bürgerrechten.

Im Dunkeln ist ein Exponat, das nicht fotografiert werden durfte. Die Deutschland-Fahne, die mit dem Hambacher Schloss verbunden ist, ist die schwarz-rot-goldene Trikolore, die heute unsere Bundesflagge ist. Beim Hambacher Fest 1832 hissten die Teilnehmer erstmals Fahnen in diesen Farben als Symbol für Freiheit, Einheit und Volkssouveränität. Die Farbwahl geht auf die Lützowsche Freikorps zurück, eine Freiwilligeneinheit aus den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1813–1815). Ihre Uniformen waren schwarz mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen – daraus entstand die Farbkombination, die später zur politischen Symbolik wurde.

Am Hambacher Schloss wehte damals also keine offizielle Staatsflagge, sondern ein Zeichen des Protests und der Hoffnung. Die schwarz-rot-goldene Fahne steht bis heute für die demokratischen Ideale des Hambacher Festes und gilt als Ursprung der deutschen Nationalfarben.

Herbert Lorenz (1916-2013) schuf die Plastik aus Aluminiumguss zum 150. Jahrestag des Hambacher Festes. Mit der Positionierung vieler Menschen um ein gemeinsames ideelles Ziel steht sie für das Hambacher Fest und die stete Verteidigung der Demokratie.

Die Überwachung nach dem Hambacher Fest – Nach dem Hambacher Fest verschärfte sich die politische Überwachung und die Unterdrückung der Presse noch einmal merklich. Im Juni 1832 wurden politische Vereine und öffentliche politische Reden verboten. Ein Jahr später entstand in Frankfurt die Bundeszentralbehörde zur staatsübergreifenden Verfolgung der Opposition und der angeblichen »revolutionären Umtriebe.« 1838 veröffentlichte die Behörde im »Schwarzen Buch« eine Liste aller unter Beobachtung stehenden Personen. Die Liste umfasste 1.867 Verdächtige – inklusive persönlicher Daten und dem Grund für ihre Beobachtung.

So bleibt das Hambacher Fest ein Ort der Erinnerung, aber auch der Mahnung: dass Freiheit nie selbstverständlich ist, sondern immer wieder neu errungen werden muss. Wer heute den Blick vom Hambacher Schloss über die Rheinebene schweifen lässt, spürt vielleicht noch etwas von jener Aufbruchsstimmung – das leise Echo der Stimmen von 1832, die bis heute sagen: Wir wollen Freiheit!

Wählen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen

21. Februar 2025

Im Handelsblatt habe ich gelesen, dass diese Bundestagswahl ein Stresstest für die Zukunft Deutschlands ist. Ich will und werde Sie nicht belehren, welche Partei Sie am Sonntag wählen sollen. Ich bitte Sie nur um zwei Dinge: Gehen Sie wählen und geben Sie Ihre Stimme einer der demokratischen Parteien und nicht einer extremen Partei, die zwar demokratisch zugelassen sind, aber mit Demokratie nichts am Hut haben.

Spiel mit dem Feuer
Der Hass, der Populismus und die Spaltung des Landes ist festzustellen. Sogar bin uns in meinem Dorf westlich von München. Beim Gang zum Bahnhof stehe ich, wie Plakate von Bundestagskandidaten mit AfD beschmiert wurden oder abgerissen und zerstört werden. Im Netz werden unter ganz normalen Posts üble Parolen veröffentlicht. Hetze überall.

Bei einer nächtlichen Fahrt mit der S-Bahn nach Hause krakelt ein betrunkener junger Mann AfD-Parolen und greif verbal Migranten an, die ihm die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Fahrgäste haben sich verbal gewehrt und ihn aufgefordert diese Angriffe zu unterlassen, worüber der Störenfried sichtlich überrascht war. Die Zivilgesellschaft wehrt sich und sagt NEIN – und das ist gut so.

Die hybride Kriegsführung von Leonid Breschnew funktioniert im digitalen Raum besser denn je und wenn selbst ein US-Präsident behauptet, die Ukraine sei in Russland einmarschiert, oder Journalisten aus Pressekonferenzen wirft, wenn sie den neuen Golf of America weiterhin als Golf of Mexico bezeichnen, dann haben wir eine Zeitenwende.

Initiative Demokratie bewahren
Peter Bauch, ein geschätzter Referentenkollege hat mir die seriöse
Initiative Demokratie bewahren empfohlen. Die Gründer der Initiative kennt Peter Bauch aus langjähriger politischer Arbeit für unsere parlamentarische Demokratie. Das Ziel ist, in den sozialen Medien, insbesondere TikTok und Instagram, aktiv gegen die Art der politischen Agitation argumentativ vorzugehen und zwar mit sehr kurzen Videoclips (eher kürzer als 90 Sekunden), aufgenommen von einer vielfältigen jungen Personengruppe mit Texten, die aber detailliert vorgegeben sind. Gerne teile ich diesen Aufruf.

Unsere Demokratie lebt von uns
Also liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs: Unsere Demokratie lebt von uns – von unserer Stimme, unserer Haltung, unserem Engagement. Jede abgegebene Stimme bei der Bundestagswahl ist ein klares Zeichen: für Freiheit, für Mitbestimmung, für eine Gesellschaft, in der jeder Mensch zählt. Demokratie ist kein Selbstläufer, sie ist ein Privileg, das verteidigt und gestärkt werden muss. Wer nicht wählt, überlässt anderen die Entscheidung über unsere Zukunft – über soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität, Klimaschutz und unsere Werte als Gemeinschaft. Gerade in Zeiten, in denen Populismus, Extremismus und Fake News unsere Demokratie herausfordern, ist es wichtiger denn je, Haltung zu zeigen. Wählen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für uns selbst, für kommende Generationen und für ein Deutschland, das auf Vielfalt, Respekt und Zusammenhalt baut. Jede Stimme zählt. Deine auch.

Böttcher AG: Wie das Netz Druck ausüben kann

5. Februar 2025

Wir Kunden haben Macht und wenn wir uns dieser Macht bewusst werden, dann können wir die Wirtschaft und Einkaufsstrukturen beeinflussen – und auch einen Beitrag zur Demokratie leisten. Und wenn wir Kunden uns über soziale Netzwerke mobilisieren, dann können wir zumindest eine mediale Welle lostreten.

So geschehen im Fall der Böttcher AG. Ich habe für mein Unternehmen bei diesem Lieferanten in der Vergangenheit Büroartikel und Toner bestellt. Durch Social Media-Meldungen wurde kolportiert, dass die Marke Böttcher AG mit der rechtsextremistischen AfD in Verbindung gebracht wurde. Der inzwischen entlassene Aufsichtsratschef des Händlers für Büromaterialien spendete fast eine Million Euro an die AfD. In meinen Unternehmerkreisen und -netzwerken schrillten die Alarmglocken. Viele Unternehmen werden bei keinem Unternehmen kaufen, dass die fremdenfeindliche und rassistische AfD unterstützt. Das geht mir ebenso, denn diese Partei ist ein Feind unserer Demokratie.

Druck im Netz
Der Druck aus dem Netz war enorm, so dass das Unternehmen handelte. Es muss ganz schön hinter den Kulissen gekracht haben. Der Kundendruck war wohl enorm.
Was ist passiert?

Horst Jan Winter, bisheriger Aufsichtsrat der Böttcher AG, spendete der ekelhaften AfD einen Betrag von 999.990 Euro. Und damit brach die Welle der Empörung los. Der Chef und Firmengründer Udo Böttcher des Jenaer Unternehmens stellte klar: Die Spende wurde weder von ihm noch vom Unternehmen veranlasst.

Allerdings schenkte Udo Böttcher die Summe von zwei Millionen Euro an Horst Jan Winter, um den erkrankten Aufsichtsratsvorsitzenden zur Bekämpfung einer Krankheit zu unterstützen.

Die Diskussionen im Netz und in den Medien wurden wohl dem Firmengründer Udo Böttcher zu heiß. Wie viele Kunden den Händler boykottierten, weiß ich nicht. Eine mediale Welle baute sich auf. Das Unternehmen musste handeln. Böttcher warf Winter als Aufsichtsrat raus und er fordert sein Geldgeschenk von Winter zurück, notfalls auf dem Klageweg. Allerdings ist auch Böttcher in der Vergangenheit immer wieder mit Sympathiebekundigungen zur AfD aufgefallen. Das wusste ich bisher nicht.

Die Sache hat für mich einen fanden Beigeschmack. Ich bat das Unternehmen um eine Stellungnahme und habe eine Erklärung am 29. Januar 2025 per Mail erhalten, die ich unten veröffentliche. Interessant ist, dass es in dem Statement keine Distanzierung zur AfD gibt. Ich werde die Sache weiter beobachten und meine Bestellungen erst einmal auf Eis legen. Es gibt schließlich auch andere Bürohändler, bei denen ich mein Büromaterial erwerben kann.

Erklärung Böttcher AG und Udo Böttcher
„Gemeinsame Erklärung Böttcher AG und Udo Böttcher
Die nachfolgende Erklärung gebe ich, Udo Böttcher, sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Böttcher AG, deren Vorstandsvorsitzender ich bin, ab. Soweit ich von „wir“ und „uns“ spreche, spreche ich sowohl für mich persönlich als auch für die Böttcher AG insgesamt.
Wir, die Böttcher AG und ihr Vorstandsvorsitzender Udo Böttcher, sind zurzeit Gegenstand von Spekulationen, wonach wir über unseren Aufsichtsrat Horst Jan Winter eine Spende in Höhe von knapp 1 Mio. EUR an die Alternative für Deutschland (AfD) geleistet haben sollen. Diese Spekulationen sind falsch. An dieser Spende haben die Böttcher AG und/oder ihr Vorstandsvorsitzender in keiner Weise mitgewirkt.

Keine Spende an die AfD
Die private Parteispende unseres Aufsichtsrats Horst Jan Winter an die AfD in Höhe von knapp 1 Mio. EUR wurde von uns weder veranlasst, noch hatten wir vorab auch nur Kenntnis von dieser Spende. Herr Winter hat sie ohne Rücksprache mit uns geleistet. Wir haben erst aus der Presse von dieser Spende erfahren.

Finanzielle Unterstützung von Herrn Winter
In den letzten zwei Jahren habe ich, Udo Böttcher, aus meinem privaten Vermögen Schenkungen in Höhe von mehr als 11 Mio. EUR für soziale und karitative Zwecke im In- und Ausland vorgenommen.
Aus tiefer Dankbarkeit dafür, dass Herr Horst Jan Winter seit vielen Jahren auch in schwersten Zeiten stets zu mir stand, habe ich in der Vergangenheit auch ihn in erheblichem Maße finanziell unterstützt.

Herr Winter teilte mir vor einiger Zeit mit, dass er schwer erkrankt ist. Seine Hoffnung setzt Herr Winter nun u.a. auf eine innovative, experimentelle Therapie, die aus hoch konzentrierten Nahrungsergänzungsmitteln, Infusionen, Inuspheresen und weiteren Behandlungen in Deutschland und den USA besteht. Ziel dieser holistischen Therapie ist es, seinen Körper zu entgiften und sein Immunsystem so weit zu stärken, dass seine Krankheit gestoppt oder sogar umgekehrt werden kann.

Auch, um die Therapien finanzieren zu können, die ihm Lebensqualität und Hoffnung bieten, schenkte ich auch Herrn Winter aus meinem Privatvermögen 2 Mio. EUR. Ich ging davon aus, dass diese Summe ausreichen würde, um die medizinischen Behandlungen zu bezahlen und nahm an, dass er sich mit dem verbleibenden Geld einen angenehmen Lebensabend machen würde. Ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass er – mutmaßlich ganz oder teilweise aus dem geschenkten Betrag – eine Parteispende an die AfD bestreiten würde und hätte mir das auch nie im Leben träumen lassen. Zwar habe ich Herrn Winter keinerlei Vorgaben für die Verwendung der Schenkung gemacht, da ich das für vollkommen unangemessen gehalten hätte. Ich meine aber, dass Herr Winter mich gut genug kannte, um erahnen zu können, dass ich jedenfalls mit einer solchen Parteispende keinesfalls einverstanden gewesen wäre. Ihm musste auch aufgrund des medialen Wirbels, den die Böttcher AG letztes Jahr aufgrund einer Wahlumfrage im Unternehmen erlebte, klar sein, dass er auch in seiner Funktion als Aufsichtsrat der Böttcher AG dem Unternehmen schweren Schaden zufügt, wenn er an die AfD spendet, zumal in einer solch enormen Höhe. Ich bin von ihm daher sowohl menschlich als auch kollegial tief enttäuscht.

Winters Abberufung als Aufsichtsrat
Aufgrund des Vertrauensbruchs wurde Herr Winter heute auf mein Betreiben mit sofortiger Wirkung als Aufsichtsrat der Böttcher AG abberufen. Der Schutz unseres Unternehmens und seiner Werte steht an erster Stelle.

Rückforderung der Schenkung in Höhe der Parteispende
Die Schenkung habe ich in Höhe der an die AfD gezahlten Spende mit Schreiben vom heutigen Tag wegen groben Undanks widerrufen und Herrn Winter zur Rückzahlung der knapp 1 Mio. EUR aufgefordert. Sollte diese Summe nicht fristgerecht binnen einer Woche eingehen, werde ich Klage auf Rückzahlung gegen Herrn Winter erheben.

Abschließende Bemerkung
Ich wünsche Herrn Winter aufrichtig, dass seine medizinischen Behandlungen erfolgreich verlaufen werden und er die notwendige Kraft findet, seinen Weg weiterzugehen. Doch die Entscheidung, diese Mittel für politische Zwecke zu verwenden, bleibt für mich untragbar. Mein Handeln ist nun darauf ausgerichtet, diesen Vorgang rechtlich zu klären und die notwendige Trennung zwischen dieser Angelegenheit und meinem unternehmerischen Wirken zu ziehen.
Udo Böttcher“

Edeka-Werbung provoziert: Blau steht nicht zur Wahl

30. August 2024

In der Regel halte ich mich in meinem Blog aus der Tagespolitik raus und es gilt für mich der Spruch von Friedrich II: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Heute im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen werde ich von meiner Enthaltsamkeit zurücktreten und über die aktuelle EDEKA-Kampagne berichten.

Unter dem Motto „Warum bei EDEKA blau nicht zur Wahl steht“ geht derzeit ein Plakat viral in dem sich das Handelsunternehmen gegen die AfD ausspricht, ohne diese rechte Partei zu nennen. „In der EDEKA Obst- und Gemüseabteilung herrscht die bunte Vielfalt,“ heißt es dort zu lesen. Und weiter: „Wer genau hinsieht, sieht eine Farbe nicht: Blau. Und das ist kein Zufall. Denn blaue Lebensmittel sind ein Warnhinweis der Natur, der uns sagt: „Achtung! Ich könnte unverträglich sein!““

Und weiter führt der Lebensmittelhändler aus: „Blau ist keine gute Wahl. Und wo wir bei Wahlen sind: Nicht nur bei Obst und Gemüse ist Blau der natürliche Feind gesunder Vielfalt. In Deutschland sind „die Blauen“ schon heute die größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft. Lasst uns also zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September die Warnhinweise richtig lesen und für ein verträgliches Miteinander sorgen.“

Ich halte es für mutig und richtig, dass ein Unternehmen mit vielen Mitarbeitern mit Migrationshintergrund hier Flagge zeigt. Wenn Menschen und Produkte aus dem Ausland nicht in einem Supermarkt arbeiten würden, wären der Markt und die Regale leer.

Natürlich hat EDEKA mit der Argumentation der Farbe Blau in der Natur nicht ganz so recht, wie mir User in meinen sozialen Netzwerken erklären: Kornblume, Iris und das Vergissmeinnicht sind blau in der Natur, nun sind es vielleicht nicht gleich Lebensmittel, aber Natur ist Natur. Andere User weisen darauf hin, dass die AfD eine demokratische Partei sei, was ich doch sehr bezweifeln mag. Für mich ist die AfD alles andere als demokratisch und ein Sargnagel für unsere Demokratie, die ich sehr schätze.

Das Plakat provoziert und regt zur Diskussion an. Als kleiner Blogger und Influencer will warnen vor der AfD und auch wenn ich dadurch ein paar rechte Wirrköpfe als Follower verliere, dann ist es um sie nicht schade. Vielleicht regt die EDEKA-Werbung zum Nachdenken und sogar zu einem Gesinnungswandel an. Es geht schließlich um die Demokratie. Als Journalist wird mir übel, wenn die AfD nach einem Wahlsieg die Medien- und Bildungsgesetzgebung in einem Bundesland steuern kann.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) meldete sich ebenfalls öffentlich zu Wort. Präsident Alexander von Preen rief zur Wahl demokratischer Parteien auf. „Ich kann nur alle Akteure davor warnen, die gesellschaftlichen Spielregeln in Richtung Ausgrenzung und Hass zu verschieben. Das führt Gesellschaft und Wirtschaft nicht in eine positive Zukunft, sondern in eine Sackgasse“, sagte er.

Die AfD reagierte prompt auf eine Initiative von 40 bedeutenden Familienunternehmen, darunter Boehringer Ingelheim, gegen die AfD. Björn (Bernd) Höcke reagierte heftig: Unternehmen sollten „einfach mal die Klappe halten, wenn es um Politik geht“, und er hoffe, „dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen“.

Der silberne Landtruck machte Station #DemorkatieaufAchse

13. Juli 2024

Eigentlich wollte ich unsere Landtagspräsidentin Ilse Aigner in Fürstenfeldbruck treffen und sie um eine Einladung zum Sommerempfang des Landtags bitten. Daraus ist nichts geworden.
Unter dem Motto #DemorkatieaufAchse macht der Landtag an Wochenmärkten in Bayern Station und Abgeordnete stellen sich der Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern.

Leider war Ilse Aigner an diesem Tag krank, sie hatte eine fette Erkältung, und so diskutierten die örtlichen Abgeordneten. Schade.

Ich traf einen Bekannten, den Pressesprecher des Landtags Eric Markuse und trug ihm mein Anliegen vor. Offizielle Massenmedien hätten eine Möglichkeit des Akkreditierens zum Sommerempfang, aber keine Blogger so wie ich es einer bin. Nochmals schade.

Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, vier Glückliche auszuwählen, die zum Empfang eingeladen werden. Da hatte ich auch keine Chance – wieder schade.

Aber ich blieb trotz der Ablehnung meiner Bitte eine Weile und schaute mir die ganze Aktion an. Der Landtag hat einen großen silbernen US-Anhänger Airstream angeschafft, mit dem man seit zwei Jahren über die Marktplätze tourt. Rund neun Meter ist dieser politische Marktstand lang. Vor diesem bayerischen Landtruck waren Stehtische aufgebaut. Hier hatten Bürgerinnen und Bürger, die eigentlich den Wochenmarkt besuchen wollten, die Chance ins Gespräch mit ihren Volksvertretern zu kommen. Das finde ich eine sehr gute Idee. Der Landtag muss ansprechbar sein, den Dialog suchen und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Völlig richtig und das Konzept gefällt mir.

Als ich vorbeischaute, diskutierten die Landtagsabgeordneten Andreas Winhart (AfD) und Gabriele Triebel (Grüne) sowie Benjamin Miskowitsch (CSU) und Johann Groß (FW). Moderiert wurde die ganze Sache von Ingrid Hügenell von der Süddeutschen Zeitung. Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann als Vertreter der erkrankten Ilse Aigner habe ich verpasst. Er soll sich zu sozialen Netzen geäußert haben, was mich sehr interessiert hätte, vor allem wie der AfD-Vertreter darauf reagiert hat. Diese Partei polemisiert und verbreitet oftmals FakeNews.

Als ich am Silberpfeil war, drehten sich die Diskussionen um den knappen Wohnraum und den massiven Ausfall der S-Bahn sowie die Energiewende.

Demokratie lebt vom Austausch. Zudem gab es eine Pinnwand mit dem Motto „Ihre Stimme für Demokratie“. Zettel mit dem Aufdruck „Demokratie ist wichtig für mich, weil …“ konnten ausgefüllt und hingehängt werden. Die Möglichkeit wurde genutzt. Demokratie ist einfach wichtig und darf nicht Extremisten überlassen werden.

Online-Wahl – warum eigentlich nicht?

30. April 2024

Nach der Landtagswahl 2023 in Bayern bin ich auch Wahlhelfer bei der Europawahl im Juni 2024 in meiner kleinen Wohngemeinde in Oberbayern. Ich hab mich freiwillig gemeldet und werde als Demokrat aktiv wählen und die Stimmen mitauszählen. Über meine Eindrücke habe ich damals gebloggt.
Bei uns hatten viele Bürgerinnen und Bürger die Briefwahl genutzt, auch ich. Früher hatte ich am Wahltag einen Spaziergang zum Wahllokal gemacht und dort meine Stimme abgegeben. Gerade bei den Kommunal- und Landtagswahlen wollte ich mir in Ruhe die Kandidatenliste ansehen und dann entscheiden, bei wem ich mein Kreuz mache. Den aktiven Besuch des Wahllokals empfinde ich aber nachwievor als demokratischen Akt, den ich nicht missen möchte.

Allerdings mache ich mir als digitaler Mensch auch Gedanken über eine digitale Stimmabgabe. Und scheinbar bin ich hier nicht allein, wie eine neue Umfrage der Bitkom zeigt.
60 Prozent hätten gern die Möglichkeit, ihre Stimme auch online abzugeben. Vor allem Jüngere interessieren sich für die Online-Wahl: Unter den 16- bis 29-Jährigen hätten 73 Prozent gern diese Möglichkeit. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 71 Prozent, bei den 50- bis 64-Jährigen 61 Prozent. Skeptischer sind die Älteren ab 65 Jahren, aber selbst unter ihnen hätten 38 Prozent gerne die Möglichkeit der digitalen Stimmabgabe. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 1.005 Personen in Deutschland ab 16 Jahren. „Die größte Wählergruppe sind oft die Nichtwähler. Die Möglichkeit zur digitalen Wahl würde die politische Partizipation steigern. Insbesondere jüngere Menschen ließen sich durch ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Verfahren besser abholen“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.

Heftig und mir völlig unverständlich sind Ausgaben, sich nicht an der demokratischen Wahl zu beteiligen. Gefragt nach der anstehenden Europa-Wahl am 9. Juni geben lediglich 33 Prozent der Wahlberechtigten an, dass sie „auf jeden Fall“ wählen gehen wollen. Dazu gehöre ich, denn nur wer aktiv wählt, der stärkt die Demokratie.

26 Prozent beantworten die entsprechende Frage mit „eher ja“. 22 Prozent tendieren mit „eher nein“ zum Nichtwählen, weitere 15 Prozent schließen ihre Teilnahme an der Wahl bereits jetzt kategorisch aus.

Würde die Möglichkeit zur Online-Wahl einige Nichtwähler umstimmen können? – Ja, wie die Befragung weiterhin zeigt. Jeder und jede zehnte Wahlberechtigte (10 Prozent), der bzw. die bei den Europawahlen derzeit nicht abstimmen will, würde bei einer Online-Wahl „auf jeden Fall“ ihre Stimme abgeben. Weitere 26 Prozent antworten auf diese Frage mit „eher ja“, 22 Prozent mit „eher nein“. Nur jeder und jede Dritte (34 Prozent) bleibt unter allen Umständen bei der Nichtwahl. „Große Teile des Lebens haben sich in den digitalen Raum verlagert. Digital wählen, das sollte auch in Deutschland möglich sein“, betont Wintergerst. „Mit Online-Wahlen, wie sie in anderen Ländern längst Standard sind, könnten wir die Demokratie beleben und Staat und Politik näher zu den Menschen bringen.“

Wenn Musiker politisch werden: Die Ärzte

29. April 2024

Wenn Musiker politisch werden, werde ich aufmerksam, denn Musik kann absolut politisch sein und die Massen in die eine oder andere andere Richtung bewegen. Beispiele gibt es viele von den Liedermachern wie Reinhard Mey, Konstantin Wecker oder Hannes Wader über die Mundartdichter BAP, die Politik-Rocker von Ton Steine Scherben bis hin zu Punk aller politischen Schattierungen. Mein Highlight zum Demokratie-Bekenntnis stammt noch aus der Phase der Neuen Deutschen Welle: 1988 sang Andreas Dorau den wunderbaren Song Demokratie – langweilig wird sie nie vom Album Andreas Dorau und Die Bruderschaft Der Kleinen Sorgen.

Andreas Dorau ist für die junge Generation eher Geschichte, jetzt legen die Ärzte nach. Die Punkrock-Band ruft mit einem KI-generierten Video zum Wählen bei der Europa-Wahl auf. „Dein Kreuz gegen Haken­kreuze“, heißt es im Song­text von „Demokratie“. „Wir agieren als Band politisch, weil Neutralität gar keine Option ist heut­zutage“, sagt Sänger Farin Urlaub. Bela B, Farin Urlaub und Rod González mahnen zum Wählen: „Du bist wesentlich“.

So ein richtiger Ärzte-Fan bin ich nicht. Ich fand nie den Zugang zu ihrer Musik, aber wer zum Wählen aufruft den unterstütze ich, vor allem, wenn es bei einer so wichtigen Wahl wie der Europawahl geht.

„Eigentlich leben wir in einem demokratischen Staat, der felsenfest auf seiner Grundordnung steht und doch scheint die Demokratie grad mehr als sonst ein besonders zu schützendes Gut zu sein“, sagte Schlagzeuger Bela B der Deutschen Presse-Agentur. Gitarrist Farin Urlaub sagte, er habe das Gefühl, Deutschland werde den USA immer ähnlicher: „Alle schreien, niemand hört mehr zu; alle haben recht, Fehler machen immer die Anderen; und Kompromisse gelten schon als eine Niederlage.“
Sehr bezeichnend finde ich, dass die Ärzte mit einem KI-generierten Video werben. Ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema Künstliche Intelligenz und da ist das Video absolut passend.

Knapp vier Milliarden Menschen in 70 Ländern, fast die Hälfte der Weltbevölkerung, treten laut Berechnungen dieses Jahr den Gang zur Wahlurne an, auch in Deutschland: Neben zahlreichen Kommunal- und Landtagswahlen werden deutsche Wahlberechtigte im Juni über das Europäische Parlament abstimmen. Mit der zunehmenden Verbreitung und Zugänglichkeit von Künstlicher Intelligenz wächst das Risiko, dass Wähler desinformiert und in ihrer Entscheidung beeinflusst werden. Experten des europäischen IT-Sicherheitsherstellers ESET gehen davon aus, dass Wahlmanipulationen durch KI in verschiedenen Formen auftreten werden. Generative KI kann sehr realistische gefälschte Inhalte erstellen, sogenannte Deepfakes. Die Idee dahinter: Die manipulierten Bilder und Videos sollen das Image von Politikern beschädigen und Ereignisse inszenieren, die nie stattgefunden haben. Ziel solcher Aktionen ist es, politische Gegner zu diffamieren, was im Wahlkampf Stimmen kosten kann.
Da die Produktionstechnik stetig ausgefeilter wird, fällt es immer schwerer, zwischen authentischen und gefälschten Inhalten zu unterscheiden. Um ein solches Videos zu erstellen, benötigt man nur das richtige Rohmaterial an Daten, beispielsweise Videos, Bilder und Tonaufnahmen – all dies gibt es von Politikern online en masse. KI-Tools, die mit Hilfe dieser Daten Bilder, Texte und Audiodateien generieren, sind online für eine geringe Nutzungsgebühr verfügbar und erstellen innerhalb kürzester Zeit authentisch wirkende Medien.

Desinformation durch KI
Desinformation mit KI bei Wahlen ist längst Realität
In den USA, wo der Präsidentschaftswahlkampf bereits im vollen Gange ist, erfreuen sich KI-Tools bereits großer Beliebtheit, um politische Gegner zu diffamieren. So forderte beispielsweise ein KI-Anrufer Wähler im US-Bundesstaat New Hampshire dazu auf, nicht an den Vorwahlen teilzunehmen und torpedierte somit den Wahlkampf des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden.

Das Ende 2022 in der EU in Kraft getretene „Gesetz über digitale Dienste“ (Digital Services Act) nimmt Suchmaschinen- und auch Social-Media-Betreiber in die Pflicht, Risiken bei Wahlprozessen abzumildern. Dazu gehört auch die Reaktion auf Desinformation. Die Löschung fragwürdiger Inhalte kann trotzdem einige Zeit in Anspruch nehmen. Nutzer sollten sich deshalb an die folgenden Tipps halten, wenn sie auf scheinbar brisante Neuigkeiten und Skandale politischer Würdenträger im Internet stoßen:

ESET Deutschland gibt ein paar Tipp, die ich gerne verbreite. Überprüfen Sie die Quelle:

Überprüfen Sie die Glaubwürdigkeit der Quelle, insbesondere bei unbekannten oder fragwürdigen Nachrichtenquellen.

Analysieren Sie den Inhalt: Achten Sie auf Anzeichen von Unstimmigkeiten, Ungenauigkeiten oder übermäßig emotionalen Inhalten, die auf eine mögliche Manipulation hinweisen könnten.

Achten Sie auf Details: Obwohl KI-Technologien immer besser werden, kommt es immer noch zu Fehlern und Ungenauigkeiten. Häufig sehen auf Bildern beispielsweise Hände unnatürlich aus, in Videos wirken Lippenbewegungen ungenau bzw. asynchron.

Alarm: Vertrauen in Demokratie bei Jugendlichen sinkt

9. Februar 2024

Als Medien-Fuzzi bin ich frustriert und motiviert zugleich. 60 % der 18- bis 30-jährigen Deutschen miss­trauen den Medien, sagt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Über diese Zahl bin ich entsetzt und gleichzeitig stelle ich fest, wie wichtig meine Seminare zur Medienkompetenz sind.

Die Ergebnisse der Studie sind heftig. Ermutigend ist das Vertrauen in Bildung und Wissen­schaft, das je drei Viertel der Befragten zum Ausdruck bringen. Und nun wieder heftig: Der EU vertrauen 62 %, der Demokratie sogar nur 59 %. Ich fühle mich als Europäer und Demokrat und ich fühle mich aufgefordert, gegen diese Werte anzukämpfen. Die untersuchte Generation in der Bundesrepublik bringt der Demokratie und der Europäischen Union allerdings mehr Vertrauen entgegen als im Durchschnitt anderer europäischer Länder. Das ist schön, aber noch immer schlecht. Bundesregierung und Bundestag stehen sie jedoch kritischer gegenüber.

Was ist denn in unserem Land los? Natürlich ist Europa und Demokratie anstrengend, aber wenn ich nicht für diese Werte einstehe, dann gehen diese Werte flöten. Veränderung ist wichtig, aber nicht zerstören.

Manipulation der Medien
Ich hielt vor kurzem einen Vortrag über KI und FakeNews und versuchte den Besucherinnen und Besuchern die Veränderung der Welt zu erläutern. Einige von den älteren Gästen wollten davon nichts wissen, sondern lenkten die Diskussion auf die vermeintliche Manipulation der Medien sprechen. Sie haben den Begriff Systemmedien nicht in den Mund genommen, vielleicht gedacht. Es war zu spüren, dass sie mit der Berichterstattung in klassischen Massenmedien, vor allem Radio und Fernsehen nicht einverstanden sind. „Die wollen uns manipulieren, die berichten nicht die Wahrheit“, war zu hören. Zeitung wurde nicht genannt, liegt wahrscheinlich daran, dass eine Zeitung sowieso kaum einer mehr abonniert hat.

Weiter mit der Bertelsmann-Umfrage und den Themen der Jugend. Laut Umfrage machen sie sich die meisten Sorgen um Verletzungen von Menschenrechten, den Klimawandel sowie sexuelle Belästigung. Insbesondere in Bezug auf den Klimawandel sind ihre Befürchtungen allerdings nicht höher als die der älteren Generation. Tatsächlich geben aus der Gruppe der ebenfalls befragten 31- bis 70-Jährigen mehr Menschen an, einer umweltbewussten Lebensweise zu folgen, als es die jüngeren Befragten tun. „Die jungen Erwachsenen sorgen sich weiterhin um den Klimawandel, aber sie besetzen das Thema längst nicht mehr allein. Daher wäre es grundlegend falsch, ihre Sorgen und Ängste darauf zu reduzieren. Wir als Gesellschaft müssen genauer hinsehen, was sie belastet“, betont Anja Langness, Jugendexpertin der Bertelsmann-Stiftung.

Eine große Rolle für junge Menschen spielt zum Beispiel die mentale Gesundheit: 41 Prozent von ihnen geben an, darüber besorgt zu sein – deutlich mehr als ältere Befragte (26 Prozent). Zudem fühlen sich viel mehr junge Erwachsene allein, als es bei den 31- bis 70-Jährigen der Fall ist. Und: Ebenso wie die älteren Befragten gehen sie davon aus, dass sich ihre mentale Gesundheit in den kommenden Jahren verschlechtern wird.

Demokraten stehen auf – Demo gegen Rechtsextremismus in München und ich war dabei

22. Januar 2024

Ich bin stolz auf meine Geburtsstadt München, dass sie ein eindeutiges Zeichen gegen Rechtsextremismus, gegen Hass und gegen die AfD abgab. Menschen jedes Alters versammelten sich in München, um wie in ganz Deutschland gegen den braunen Dreck Flagge zu zeigen und die Demokratie zu verteidigen. Auch meine Familie war dabei. Wir dürfen jetzt nicht gleichgültig sein.

Die Veranstalter sprachen von 250.000 Teilnehmern, die Polizei von 100.000 – ich hab die Demonstranten mit ihren Fahnen und Transparenten nicht gezählt. Aber es waren viele, ganz viele. Sie gingen auf die Straße und setzten ein Zeichen und das in einer überwältigenden Masse. So wurde der geplante Demonstrationszug wegen der enormen Beteiligung der Bevölkerung abgesagt. Dennoch sind einige Hundert vor das Haus der rechten Burschenschaft Danubia gezogen. Die gesamte Veranstaltung lief friedlich ab, wie ich bisher gehört habe.

Interessant war, dass sich auch viele aus meiner ländlichen Gemeinde auf den Weg nach München machten, um dem Rechtsextremismus Paroli zu zeigen. Das Münchner Umland machte mobil und nein, es lang nicht nur am Spiel des FC Bayern. Die S-Bahn nach München war voll, aber so richtig voll wurde es dann als man an der Ludwigstraße ankam. Bis zum Siegestor, dem eigentlichen Ort der Kundgebung, kamen wir schon gar nicht mehr. Wir standen also direkt an der LMU, hinter uns die Massen bis zum Odeonsplatz, vor uns die Massen bis zur Münchener Freiheit. Die Stimmung unter alt und jung, klein und groß war gut. Ein starkes Zeichen für die Demokratie und ich bin stolz ein ganz kleiner Teil dieser Brandmauer gegen den Faschismus zu sein. Es ist wichtig hier ein Zeichen zu setzen.

Ich sehe hier einen klaren Auftrag an die gewählten demokratischen Volksvertreter, aber auch für uns normale Bürger, sich mit den Themen der AfD auseinanderzusetzen und die braune Brut zu demaskieren. Ich habe kein Verständnis für Wähler und Funktionsträger dieser Partei. Es ging mit den Demos im ganzen Land ein Ruck durch die Zivilgesellschaft.

Die Ergebnisse der Recherchegruppe Correctiv deckten einen Geheimplan gegen Deutschland auf. Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer kamen im November 2023 in einem Hotel bei Potsdam zusammen. Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland. Die Enthüllungen brachten bei den Menschen in meiner Umgebung das Fass endgültig zum Überlaufen. Spontan fiel mir die Wannsee-Konferenz ein.

Distanzierung von wirren Aussagen
Einige Reden der Veranstalter verursachten allerdings bei den meisten aus meiner Umgebung auf dem Geschwister Scholl Platz nur Kopfschütteln. Da wurde u.a. die internationale Solidarität beschworen, zum Kampf gegen Kapitalismus und die klassischen Volksparteien aufgerufen und mehr Unsinn. Veranstalterin Lisa Poettinger skandierte immer wieder linke und linksextremistische Parolen, was aber bei den meisten Demonstranten auf keinen fruchtbaren Boden stieß und nur Kopfschütteln erzeugte. Der Klassenkampf stieß auf taube Münchner Ohren. Die Masse der Münchner wollten hier Flagge gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD zeigen und distanzierte sich von einigen Aussagen der linken Aktivistin Lisa Poettinger und ihren Kumpanen. Die 27jährige ist Mitglied der Extinction Rebellion und mir im Vorfeld immer wieder aufgefallen durch das Posten von antisemitischen Kommentaren. Daher die Klarstellung für meine Familie und mich: Dieses Äußerungen unterstützen wir nicht, es geht uns ausschließlich darum, unsere Demokratie gegen Extremismus jeder Art zu verteidigen.

Die Kapelle Kafvka, eine deutsche Crossover-Band aus Berlin, durfte auch noch spielen. Es gab den Song „Alle hassen Nazis“ zu hören. Aha und dann will man sich in den Texten der Band gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit aussprechen. Naja, ein Fan der Band werde ich nicht.