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Musiktipp: Jean-Michel Jarre: Electronica 2

16. Mai 2016
Durchwachsen: Das neue Album von Jean-Michel Jarre.

Durchwachsen: Das neue Album von Jean-Michel Jarre.

Die Zusammenarbeit von Jean-Michel Jarre mit anderen Elektronikmusikern geht in die zweite Runde und wieder bin ich mit dabei. Teil 1 The Time Machine hat mir weniger gut gefallen, Teil 2 Electronica 2: the Heart of Noise ist für mich persönlich besser gelungen. Ich weiß nicht, wie viele Teile der Elektronikpionier Jarre noch veröffentlichen will, am Ende werde ich mir meine eigene Kompilation zusammenstellen und den ganzen Schrott rauswerfen. Und Schrott gibt es für mich sehr viel in den Alben.
Freilich positiv: Alle Tracks sind absolut sauber produziert und gemischt, erwarte ich bei diesen Namen aber auch nicht anders. Und auch klar war, dass es nach dem ersten Teil wieder kein Oxygene u.a. werden wird. Diese Zeiten sind wohl für JMJ vorbei. Also die Musik vom Amazon-Server geladen und reingehört – die CD kam mit der Post hinterher. Eine Homage an sein Frühwerk sind die Stücke im Heart of Noise bei dem der alte JMJ durchklingt.
Besonders großes Lob und Anerkennung gebührt Jarre, das er es geschafft hat, Edward Snowden zur Mitarbeit zu bewegen. Der Whistleblower hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Angebote von Musiker und Künstlern bekommen, bei Jean-Michel Jarre hat er Ja gesagt und das Ergebnis überzeugt. Ich hatte Snowden gerade in einer Übertragung auf der #rpTEN gesehen und kam von Berlin nach Hause und fand die Aufnahme mit Jean-Michel Jarre vor. Das Stück Exit hat mich berührt Und es freut mich, dass die Botschaft von Snowden so verbreitet wird.

Jean-Michel Jarre hat sich eine illustre Schar von Mitstreitern eingeladen: neugierig war ich vor allem auf die Zusammenarbeit mit Gary Numan und Yello. Und das zeigt auch schon, aus welcher Zeit ich stamme und wer mich bei elektronischer Musik sozialisiert hat. Die Zusammenarbeit mit Gary Numan ist New Wave pur und das Stück mit Yello versetzte mich Jahre in wunderbare Zeiten zurück, als die Schweizer innovativ waren. Auch ganz klar auf der hörenswerten Seite ist das Stück These Creatures in Zusammenarbeit mit Julia Holter. Für mich ist die US-amerikanische Künstler die Entdeckung auf dem Album Electronica 2: the Heart of Noise und habe mich gleich mit Material von ihr eingedeckt. Absolut hörenswert.
Das Album schwankt zwischen Kunst und Kommerz. Bei so vielen poppigen Sachen war ich genervt. Die Pet Shop Boys haben sicherlich ihre Zeit gehabt und ihr Beitrag Brick England gehört ganz eindeutig zu den guten Pop-Sachen des Albums. Aber bei Primal Scream und ihrem As One war ich genervt von zuviel Kommerz. Und so sehr ich auch Cyni Lauper für ihre frühen Girls just to have fun-Sachen und die späteren Blues-Stücke verehre, bei einem Album von Jean-Michel Jarre ist die Dame fehl am Platze.
Und ja, es gibt den absoluten Schrott. Ich kann es nicht fassen, was für ein seichtes Gesülze zu finden. Es gibt den Schrott, dazu gehört für mich der Krampf den Jarre mit Hans Zimmer fabriziert hat. Ja, mein Groll gegen Zimmer wächst weiter. Das Geblubbere von Jarre-Synthis und das Gesäusel von Hans Zimmer – einfach unerträglich, wie das Großteil des Soundtrack-Werkes von Hans Zimmer.
Und nun? Ich habe mir für den Herbst eine Konzertkartenbesitzer gekauft, weil ich Jean-Michel Jarre zum ersten Mal live erleben will, obwohl mich Teil 1und 2 nicht restlos überzeugten. Und ich warte auf Teil 3 der Electronica-Serie. Hoffe auf die Zusammenarbeit mit den großen Elektronikmenschen, die mich geprägt haben. Keith Emerson wird leider nicht dabei sein, er hat seinen Stecker gezogen. Dieter Moebis ist auch leider schon tot. Aber Kraftwerk, Karl Bartos, Wakeman … leben noch.

Persönlicher Nachruf zum Tod von Keith Emerson

12. März 2016

Zum ersten Mal hörte ich ihn im Schulunterricht in den achtziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Im Musikunterricht nahmen wir gerade Programmmusik durch. Gustav Holst – die Planeten und von Modest Mussorgskis Bilder einer Ausstellung waren meine Highligts. Am Ende der Unterrichtsstunde holte unser Musiklehrer Herr Kemper eine Schallplatte hervor und spielte uns die Rockversion von Bilder einer Ausstellung vor: Emerson, Lake & Palmer: Pictures at an Exhibition. An den Keyboards der legendäre Keith Emerson, der jetzt im Alter von 71 Jahren verstarb.
Mich haute es im Musiksaal der Schule vom Stuhl. So einen Sound haben meine jungen Ohren damals noch nicht gehört. Das Zusammenspiel der drei Musiker war perfekt. Die Abfolge war damals: Promenade: – The Gnome – Promenade und dann ein Synthesizersolo. Was war jetzt das?
So einen Klang kannte ich nicht. Ich war von den Top Ten im Radio den Klang von Roland gewohnt, Mike Oldfield spielte gerade ein wenig mit dem Fairlight herum, Jean-Michel Jarre experimentierte mit Loops. Doch der Klang vom Moog auf der Schallplatte von ELP überragte einfach alles. Ich war gebannt, fasziniert, begeistert über die Wärme dieses elektronischen Instruments. Ich wollte mehr, viel viel mehr. Keith Emerson war für mich der Zauberer – der Magier, der aus dem riesigen Moog-Koloss mit Kabel, Schalter und Lichter so eine Musik hervorbringen konnte. Von dieser Minute an war ich Fan dieser progressiven Formation. Bis heute häufe ich Aufnahmen von ELP an, kaufte die Alben auf LP, später auf CD, orderte Bootlegs, und saugte YouTube-Videos auf. Ich verfolgte die wechselvolle Geschichte der Band. Höhenflüge, Bankrott, Vereinigungen, Trennungen, Aufbäumen und immer wieder neue Ansätze.
Natürlich gab es für mich viele gute Keyboarder: Richard Wright von Pink Floyd, Rick Wakeman von Yes seien hier stellvertrend genannt. Aber Keith Emerson war im Tasten-Olymp. Der Richard Wagner des Rocks spielte nicht nur fantastisch, sondern war auch eine richtig coole Frontsau. Er zeigte, dass Keyboarder nicht im Hintergrund stehen müssen – nein: Keith Emerson stand gleichberechtigt auf der Bühne. Bei ELP waren drei Vollblutmusiker voll präsent – die wenigste Show machte vielleicht Frontman Greg Lake. ELP brachte die Gigantomie auf die Bühne. Das Klavier schwebte und drehte sich, die Orgel wurde mit Messern traktiert. Das alles machte auf mich Eindruck. Ich war als Zuhörer und als Zuschauer Teil der Show: Welcome back my friends to the show that never ends.

Ich folgte Keith Emerson auch auf seinen Solopfaden. Ich erwarb gute und schwache Alben von ihm aus dem Soundtrack-Genre. Irgendwie musste Emerson sein Einkommen sichern. Italo-Horror und Godzilla vertonte er, bei Nighthaws versuchte er sogar zu singen. Ich hab die Alben alle, aber die Begeisterung stellte sich nicht mehr ein. Ein Verbrechen war übrigens das Christmas Album.
Mein wirkliches Interesse kam erst wieder bei Emerson, Lake & Powell zurück. Hier blühte für mich Keith Emerson wieder auf. Three war ok, das Comeback von Nice war wunderschön und die anschließende Keith Emerson Band war hörenswert.
Nun ist Keith Emerson von uns gegangen. Weggefährte und Ausnahmedrummer Carl Palmer veröffentlichte in Facebook einen schönen Nachruf: Keith Emerson habe “ein zartes Gemüt, dessen Liebe zur Musik und Leidenschaft für die Performance als Keyboard-Spieler noch viele Jahre unerreicht bleiben werden.“

Der Nachruf via Facebook von Carl Palmer über Keith Emserson.

Der Nachruf via Facebook von Carl Palmer über Keith Emserson.

Gerade eben starb George Martin und dieses Jahr 2016 ist ein grausames Jahr für meine Musikwelt: David Bowie und Lemmy machten den Anfang. Jetzt ist ein weiterer Held meiner Jugend gestorben. Keith Emerson hat mein musikalisches Bewusstsein erweitert, hat mich zu neuen musikalischen Ufern gebracht und er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Nach Angaben der Polizei hat sich Keith Emerson erschossen – die Gründe gehen uns nichts an. Die Musikwelt hat einen weiteren Ausnahmemusiker verloren. What a Lucky Man he was.

Musiktipp: Electronica 1: the Time Machine von Jean Michel Jarre

19. Oktober 2015
Von mir lange erwartet: Das neue Album von Jean Michel Jarre: Electronica 1: the Time Machine

Von mir lange erwartet: Das neue Album von Jean Michel Jarre: Electronica 1: the Time Machine

Zum ersten Mal hörte ich Jean Michel Jarre als Schüler bei meinem Schulfreund Ingo. Eigentlich wollten wir für den Leistungskurs Chemie lernen, doch Ingo legte die Schallplatte Equinoxe auf und vorbei war es mit chemischen Formeln. Ich lernte an diesem Nachmittag elektronische Musik kennen und war seitdem ein Fan von Jean Michel Jarre, wobei ich seinen Vater Maurice Jarre als Filmfan ebenso schätzte.

Als ich nun hörte, dass Jean Michel Jarre mit knapp 75 67 Jahren ein neues Album herausbringen wollte, interessierte mich es sehr. Er hat die elektronische Musik massiv beeinflusst und vielleicht sollte es wieder so etwas Grandioses wie Zoolook werden. Ethnicolor auf Zoolook hatte mich damals wie heute begeistert. Die Doku auf Arte über Jarre machte mich noch neugieriger.

Im Booklet beschreibt Jarre sein Vorhaben.

Im Booklet beschreibt Jarre sein Vorhaben.

Nach drei Tagen intensiven Hören von Electronica 1: the Time Machine stelle ich fest: Jean Michel Jarre hat eine große Chance vertan, ich bin enttäuscht. Zwar ist das Album absolut sauber produziert und technisch brillant, aber musikalisch gefällt es mir nur bedingt. Jean Michel Jarre wollte mit Electronica 1: the Time Machine eine Kooperationen mit aktuellen Elektronik-Musikern herstellen – er wollte Brücken zwischen seinem Werk und den Werken dieser Musiker schlagen. Das ist ihm gelungen, aber einige dieser Musiker interessieren mich überhaupt nicht. Wenn ich eine Compilation über elektronische Musik will, dann klick ich mir eine Playlist bei Spotify oder Apple Music zusammen. Aber wenn ich Jean Michel Jarre hören will, dann will ich eben Jean Michel Jarre hören. Zugegeben, in jedem der Stücke seines Albums höre ich Jean Michel Jarre heraus – das wäre noch schöner. Aber ich finde, die anderen Musiker dominieren und Jean Michel Jarre tritt zu oft in den Hintergrund.
Es gibt einige Kooperationen, die mir durchaus gefallen. Dabei handelt es sich beispielsweise um das Stück Zero Gravity mit Tangerine Dream. Die Krautrocker habe ich ebenso gerne gehört wie Jarre. Leider gibt es auf Electronica 1: the Time Machine keine Kooperation zwischen Klaus Schulze oder gar Kraftwerk. Aber Electronica 1 deutet ja an, dass eine Electronica 2, 3, … folgen und vielleicht kommt es hier zu einer Kooperation. Gerne, ja sehr gerne hätte ich auch ein Zusammenspiel mit den Art-Rockern Keith Emerson und Rick Wakeman. Oder wie wäre es mal richtig experimentell mit Autechre?

Irgendwie bekam ich eine Fehlpressung des Covers.

Irgendwie bekam ich eine Fehlpressung des Covers.

Sehr ergriffen lauschte ich auf Electronica 1 dem Beitrag von Laurie Anderson. Ich habe die Grand Dame der Kunst lange nicht gehört und war nach den ersten Tönen wieder fasziniert von ihrer Kunst. Ich zog mir gleich Home of the Brave wieder auf das iPhone.
Neugierig war ich auch auf die Kooperation mit Regisseur und Musiker John Carpenter. Hier schließt sich der Kreis für meine Vorliebe von Soundtracks. Carpenter ist ein Minimalist und seine Soundtracks für seine Filme sind frühe Synths-Erfahrungen.
Die Sache mit Air geht noch ganz gut, Lang Lang ist interessant, aber dann gibt es auch nur schlimmes Pop-Gedudel. Moby finde ich grenzwertig, Vince Clarke ist schrecklich, Fuck Buttons bitte nicht, Little Boots ist einfach nur schrecklich. Und was hat bitte der von mir hoch verehrte Pete Townshend in einem Elektronik-Album verloren? Der Who-Chef ist für mich Aushängeschild des harten britischen Arbeiterrocks und passt für mich absolut nicht auf das Albums eines Synthesizer-Pioneers.
Ich geb es zu, im Großen und Ganzen bin ich enttäuscht. Der große Wurf ist Electronica 1: the Time Machine für mich nicht geworden. Ich werde dem Album noch ein paar Wochen Zeit geben und dann wieder zu Zoolook und dem Frühwerk des Meisters greifen.