Posts Tagged ‘Evakuierung’

Wie ein Deutscher den arabischen Frühling erlebte

11. August 2014

Wie erlebte man als Deutscher den arabischen Frühling? In einem meiner Seminare traf ich jemanden, der die Revolution hautnah in Ägypten erlebt hat. Es handelt sich um den deutschen Lehrer Dr. Günter Förschner. Er war acht Jahre mit Frau und Tochter in Alexandria und unterrichtete an der deutschen Schule.

Im Interview mit mir sprach er über seine Erlebnisse, als der arabische Frühling begann. Seine Wohnung wurde von einer Art Bürgerwehr geschützt, weil sich Polizei und Militär aufgelöst hatten. Förschner bekam es mit der Angst zu tun und wollte mit seiner Familie das Land verlassen. Die Deutsche Botschaft in Kairo zeigte sich nicht besonders kooperativ und dennoch gelang der deutschen Familie nach Druck über die Medien die Ausreise. Hier seine Geschichte:

“Mich hat die Revolution enorm überrascht”, gestand Förschner im Interview mit mir. Er empfand eine Revolution im Land am Nil für undenkbar, weil der Geheimdienst von Mubarak alle Teile der Gesellschaft durchdrungen hatte. “Alle Bereiche des Alltags waren überwacht.”

Förschner hatte Angst, als die Revolution losbrach. Er war in Alexandria mit seiner Frau und seiner zehnjährigen Tochter und empfand das Treiben auf den Straßen als “existenzielle Bedrohung.” Seine Wohnung befand sich im Erdgeschoss. Dabei hatte er nicht Angst vor den Revolutionären, sondern von den umherziehenden Kriminellen, die das Machtvakuum ausgenutzt haben, um zu plündern und zu rauben. “Es gab keine Polizei mehr” und Familie Förschner hatte Angst vor der Anarchie. Bewaffnete Bürgerwehren schützten das Eigentum. “Wir sind mit dem Schrecken davon gekommen”, so berichtete der Lehrer weiter.

Enttäuscht zeigte sich Günter Förschner über die Reaktion des deutschen Äuswärtigen Amtes. “Wir wurden aufgefordert zu bleiben”, so die überraschende Aussage. Zunächst hatte die Botschaft keine Pläne für eine Evakuierung. “Wir sollten das Ganze durchstehen, aber das war für uns keine Option.” Die Botschaft habe seinen Wunsch nach Ausreise kategorisch abgeblockt. Das änderte sich erst, als Günter Förschner die Medien einschaltete und ein Telefoninterview mit den Tagesthemen geführt hatte. Dann kam Bewegung in die Sache. Der Mediendruck auf die bundesdeutsche Regierung wuchs massiv an. Noch dazu hatte die Botschaft in Kairo ihre Leute bereits evakuiert.

Erste Vorschläge der Deutschen Botschaft waren katastrophal. Die Leute aus Alexandria sollten mit einem ungeschützten Bus durchs Niemandsland nach Kairo fahen. Der Bus wurde kam auf gesperrter Autobahn zum Stehen, Autos wurden überfallen und die Gruppe mit kleinen Kindern kehrte traumatisiert um und flüchtete in die deutsche Schule. Förschner machte weiteren Druck über die Medien, um eine akzeptable Lösung zu erreichen. “Priorität hat die persönliche Sicherheit”, berichtete Förschner weiter. Die Familie konnte eine Tasche mitnehmen und packte darin die wichtigsten Unterlagen. “In diesem Moment waren materielle Dinge nicht wichtig, wir wollten in diesem Moment nur in Sicherheit kommen.”

Die Ausreise dann war organisiert, “nahezu deutsch”. Alle Deutschen der Stadt wurden erfasst, Busse organisiert und dann brach der Konvoi ohne militärischen Schutz zum Flughafen Alexandria auf. Dort stieg die Gruppe in eine Maschine von Air Berlin.

Soziale Netzwerke spielten im arabischen Frühling eine große Rolle. Das Vernetzen der Opposition bekam Förschner zunächst nicht mit. Als dann die Regierung Mubarak die Kommunikationswege von Internet und Handy lahm legte, begann der Sturm. “Das Internet hat für einen enormen Schub gesorgt, dass sich die Opposition organisieren konnte.”

 

 

Hochwasser und das Versagen des Journalismus in den Massenmedien

5. Juni 2013

Gott sei Dank hat mich das Hochwasser nicht stark getroffen. Ein paar Pfützen im Keller, aber kein Vergleich zu den Horrormeldungen aus Bayern, Sachsen und Thüringen. Dort heißt es „Land unter“ und die Leute haben Hab und Gut verloren.

Ich hatte mich mit den High-Tech-Säcken von Floodsax ausgestattet, falls das Wasser uns treffen sollte. Aber wir blieben im großen und ganzen verschont. Dennoch klare Empfehlung für das System von meiner Seite.

Im Netz und in den klassischen Massenmedien verfolge ich den Verlauf des Hochwassers.  Und ich stelle fest: Die klassischen Massenmedien haben zum Teil versagt. Den ganzen Tag rauf und runter Meldungen über Evakuierungen. Kamerateams fahren zum Teil mit dem Schlauchboot durch überflutete Städte und Dörfer. Dann wird darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, dass Seehofer und Merkel die Stätte des Geschehens besuchen und warum Ude dem ganzen fern bleibt. Entschuldigung, wo bleiben die Menschen?

Daniel Wildfeuer aus Schönberg hat mit seiner Agentur Wildfeuer diese Seite aus dem Boden gestampft.

Daniel Wildfeuer aus Schönberg hat mit seiner Agentur Wildfeuer diese Seite aus dem Boden gestampft.

Ich stelle fest, dass Privatleute die relevanten Seiten in Facebook eröffnet haben, die in kurzer Zeit zigtausend Freunde bekommen haben, weil sie bürgernahe und relevante Informationen liefern. Ich nenne die beiden Seiten Infoseite – Hochwasser 2013 Bayern (132.347 Freunde) und Hochwasser Sachsen-Anhalt (76.929 Freunde). Daniel Wildfeuer aus Schönberg hat mit seiner Agentur Wildfeuer die bayerische Seite aus dem Boden gestampft und zeigt, wie es geht.

Überall entwickeln sich Bürgerprojekte - hier im deutschen Osten.

Überall entwickeln sich Bürgerprojekte – hier im deutschen Osten.

Landratsämter platzieren in Facebook relevante Informationen, nutzen YouTube als Kommunikation. Journalisten engagierten sich in eigenen Projekten wie Regensburg digital und zeigen den etablierten Massenmedien, wie es geht. Open Data-Projekte berichten, wie der Stand des Hochwassers ist oder in Google Maps wird angegeben, wo Helfer für Dämme benötigt werden. Eine neue Form von Journalisten wird benötigt: Journalisten, die mit Daten umgehen können.

Landratsämer wie hier Pfaffenhofen an der Ilm informieren über Facebook und YouTube.

Landratsämer wie hier Pfaffenhofen an der Ilm informieren über Facebook und YouTube.

Ich will nicht alle Massenmedien über einen Kamm scheren, aber ich bin enttäuscht von der Berichterstattung. In der Mainpost online lese ich: „Unsere Volontärinnen waren heute in Würzburg unterwegs und haben Impressionen vom Hochwasser mit der Videokamera eingefangen. Das Ergebnis gibt es hier zu begutachten.“ Das ist nichts anderes als eine sanfte Variante von Sensationsjournalismus.

Um die Berichterstattung aufzupeppen, werden Twitter-Feeds mit dem Hashtag Hochwasser in die Berichterstattung integriert. So zeigt man wohl Bürgernähe.

Die Krise wäre eine richtig große Chance für Verlage gewesen, ihre Kompetenz und Bürgernähe zu beweisen. Hier Manpower zu investieren, wäre sicher sinnvoll gewesen und würde sich am Ende auch auszahlen.