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Eine Kathedrale des Klangs – der Gaskessel Augsburg und die Magie von Bach

30. August 2025

Ich bin von Industriedenkmälern fasziniert. Fabriken, Kraftwerke, Bahnhöfe, Produktionsanlagen, die in der Zwischenzeit stillgelegt sind, aber sich aber wie eine Ikone vergangener Zeiten am Horizont erheben und auf eine stolze Vergangenheit zurückblicken. Die Fragen sind natürlich, soll man diese Industriedenkmäler erhalten und noch wichtiger: Wer finanziert einen solchen Erhalt?

Ich schaute mir mit meiner Familie das Gaswerk in Augsburg an. Im Jahr 1915 nahm das Gaswerk Augsburg im Stadtteil Oberhausen seinen Betrieb auf – eine moderne Anlage zur Erzeugung von Stadtgas aus Steinkohle, deren Baustrukturen bis heute weitgehend erhalten sind. Bemerkenswert ist, dass diese Gebäude den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden.

Der wahre Blickfang des gesamten Ensembles ist jedoch der sogenannte Scheibengasbehälter, der zwischen 1953 und 1954 von der Firma MAN errichtet wurde. Er avancierte zum Wahrzeichen des Geländes. Der Kessel kann bis zu 100.000 Kubikmeter Gas speichern und agierte als wesentlicher Bestandteil der städtischen Energieversorgung bis zur Stilllegung im Jahr 2001.

Technisch ist der Gaskessel faszinierend: Er enthält eine bewegliche Stahl-Scheibe von 219 Tonnen, die das Gas im unteren Bereich von der darüber befindlichen Luftschicht trennt. Um den notwendigen Druck zu gewährleisten, ruht die Scheibe auf 1.820 Betongewichten, was eine Gesamtmasse von 356 Tonnen ergibt. Nach der Stilllegung wurde die Scheibe sicher auf den Boden des Behälters gesenkt.

Mit einer Höhe von rund 85 Metern zählt der Gaskessel zu den höchsten Gebäuden in Augsburg – er rangiert sogar als viertgrößtes Bauwerk der Stadt. Für Besucher gibt es seither die Möglichkeit, mit fast 400 Stufen bis zur Spitze zu steigen. Meine Familie hat dies gemacht, ich habe Höhenangst. Von dort oben eröffnet sich ein beeindruckender 360°-Panoramablick über Augsburg.

Seit dem Umbau des Geländes ab ca. 2017 durch die Stadtwerke Augsburg (swa) steht das Areal als Kultur- und Kreativquartier wieder im Rampenlicht. Das historische Ensemble, das als Industriedenkmal von europäischem Rang gilt, dient heute als inspirierender Ort für Kulturangebote und kreatives Schaffen mitten in einem Industriegebiet und Rotlichtbezirk.

Der Gaskessel erhielt bereits faszinierende künstlerische Nutzung: Seit 2008 hängt im Inneren ein 70 Meter langes Foucault’sches Pendel, mit dem die Erdrotation visualisiert wird. Zusätzlich wurde 2009 eine Klanginstallation namens Bach_10k installiert, bei der 58 Orgelpfeifen im extrem langsamen Takt von Bachs C‑Dur-Präludium ertönen – so wird der Kessel zu einem begehbaren Klangkunstwerk.

Immer wieder wird der Gaskessel auch als Bühne genutzt – so eröffnete etwa ein Spezialkonzert im Rahmen des Denkmaltags 2024 diesen eindrucksvollen Raum mit Licht- und Musikinszenierung. Im Augsburger Gaskessel, einem denkmalgeschützten Scheibengasbehälter, wird die Klanginstallation „Bach_10k“ präsentiert – eine Klanglandschaft, die beeindruckend Bachs Präludium in C-Dur (das berühmte „Präludium“ des „Wohltemperierten Klaviers“ BWV 846) in extrem langsamer Form erklingen lässt.

Es erklingt das Präludium in C-Dur von Johann Sebastian Bach, jedoch stark verlangsamt. Die Töne des Stücks werden Note für Note über rund 10 000 Sekunden (also fast 3 Stunden) nacheinander wiedergegeben – synchron zum Pendelschlag eines 70 Meter langen Foucault’schen Pendels, das im Gaskessel installiert ist. Hier zwei VR 360 Grad Videos vom Rundgang um den Gaskessel:

Die Harmonien bauen sich sukzessive auf, beginnend mit dem Grundton C‑Dur über verschiedene Spannungspunkte bis zum fulminanten Schlussakkord, der über dem mächtigen Basston der etwa fünf Meter hohen C‑Pfeife verhallt.

Die sehr langsame Abspielgeschwindigkeit (rund 100 Mal langsamer als das Originaltempo) erlaubt, die harmonische Struktur intensiv wahrzunehmen – jede Harmonieveränderung wird dadurch sinnlich erlebbar. Hier ein VR 360 Grad Video im Zentrum des Gaskessels:

Die Klanginstallation nutzt die akustischen Eigenschaften des historischen Gasbehälters und macht ihn so zu einem begehbaren Klangkunstwerk, in dem der Besucher den Ton in einem immersiven Raum wahrnimmt. Und hier eine klassische Aufnahme aus dem Zentrum des Kessels.

Das Pendel fungiert dabei als gigantisches Metronom: Jeder Pendelhub löst eine Note aus, wodurch sich eine enge Verbindung zwischen physikalischer Bewegung und musikalischer Zeitstruktur einstellt.
Obwohl kaum jemand den gesamten Zyklus von 10 000 Sekunden live erlebt, wechseln sich harmonische Spannungen alle etwa 13 Minuten ab – je nachdem, wo man sich im Klangraum befindet, empfindet man die Musik anders.

50 Jahre das Meisterwerk Uhrwerk Orange von Stanley Kubrick

29. Dezember 2021

Ein Meisterwerk, das ich voller Abscheu und voller Faszination zugleich betrachte, kam vor 50 Jahren in die Kinos und ist heute genauso umstritten wie bei seiner Premiere. Der Film kam am 19. Dezember 1971 in die britischen Kinos. Bei uns startete er am 23. März 1972.

Stanley Kubrick verfilmte den Roman von Anthony Burgess Uhrwerk Orange mit einer solchen durchdringenden Radikalität und Wucht, wie kaum ein Film zuvor und danach. Clockwork Orange stellt die unangenehme Frage nach dem Bösen im Menschen und nach dem freien Willen in einer schonungslosen Intensität. Wie gehen wir mit einem Menschen um, der sich aus freien Willen für das Böse entschieden hat? Wie kann ihn die Gesellschaft sanktionieren und darf sie den freien Willen brechen und unter Zwang einen bösen kriminellen Triebtäter mit freiem Willen zu einem guten unauffälligem Menschen ohne freien Willen machen?

Uhrwerk Orange ist ein moralisches und filmisches Meisterwerk und auch nach 50 Jahren ist die Brutalität der handelnden Personen, ob gut oder böse, ekelhaft faszinierend und im höchsten Maße diskussionswürdig. Er bekam vier Oscar-Nominierungen und was viel wichtiger ist, er zählt heute zu den besten Filmen der Filmgeschichte. Leider haben so manche Zuschauer damals und heute die gesellschaftliche Parabel Kubricks nicht verstanden und ergötzen sich an der nackten, brutalen Gewalt des Films. Das ging soweit, dass Kubrick und seine Familie Attentatsdrohungen erhielten, so dass sie den Film Uhrwerk Orange zweitweise aus dem Verkehr zogen. Dabei ist der Film schlichtweg ein Meisterwerk der Kinogeschichte.

Nach dem inhaltsschweren und durch seine Spezialeffekte aufwändigen 2001: Odyssee im Weltraum wandte sich Stanley Kubrick einen Stoff zu, er einfacher zu verfilmen war. Dabei setzte er stark auf Ultraweitobjektive, um den Ganzen einen surrealen Look zu verpassen. Seine Wahl fiel auf Anthony Burgess Roman Uhrwerk Orange. Durch den Einsatz von klassischer Musik gelang es Kubrick die brutalen Raubzüge einer Jugendgang um ihren Anführer Alex zu relativieren. Nie wieder nach dem Film konnte ich Gene Kellys unbeschwerten Lied Singing in the Rain ohne Kubricks Bilder im Kopf mehr hören. Für die Opfer, die unter Verletzungen, Vergewaltigung und auch Mord leiden, hat Alex und seine Gang kein Mitleid. Hooligan Alex selbst wird in seinem Aufzug mit Bowler, Schminke und Stock zur Modeikone stilisiert, die noch heute seinen Einfluss nicht verloren hat. Gedreht in Betonhochburgen und Unterführungen vermittelt der Film eine abstoßende, aggressive Kälte.
Obwohl der Film 1971 in die Kinos kam, ist er gut gealtert. Die Dystopie von damals ist in einen Bereichen Realität geworden. Jugendkriminalität ist kein Fremdwort mehr. Das liegt mit absoluter Sicherheit auch an der deutschen Synchronisation, die Wolfgang Staude zu verantworten hat. Der Film, der vor kurzem als 4K UDH Version von Warner A Clockwork Orange veröffentlicht wurde, verstört zutiefst. Was ist die Entscheidung eines Individuums wert? Darf eine Regierung den Menschen zwanghaft verändern und ihn somit einen anderen Willen aufzwängen auf Kosten des Individuums? Der Staat lässt sich gegenüber Alex zu enormer Brutalität hinreißen. Auge um Auge.
Nach der Heilung durch den Staat ist Alex zahm, nahezu brav, aber wohl kein Mensch mehr. Der Wille ist gebrochen. Der Pfarrer im Film sagt dazu den wichtigen Satz: „Er wird nichts Böses mehr tun, ja, aber er ist hinfort auch kein Wesen mehr, das einer freien moralischen Entscheidung fähig ist.“
Der Zuschauer sitzt verstört in seinem Kinosessel, ähnlich wie Alex bei der Ludovico-Methode, der Anti-Gewalt-Konditionierung. Wir Zuschauer sind nicht wie Alex an den Stuhl gefesselt, doch niedergedrückt von den Fragen: Fasziniert mich Gewalt? Darf ein Film soweit gehen?

Die Musik von Uhrwerk Orange
Beethoven Musik spielt in diesem Film eine zentrale Rolle. Nach einer Gewalt- und Sexorgie sagt Alex aus dem Off: „Es war ein wunderbarer Abend. Und was er noch brauchte, um wahrhaftig großartig zu enden, war ein wenig vom alten Ludwig van.“ Die wunderbare Musik Beethovens in Verbindung zu Gewalt und Onanie zu bringen, da mussten die Zuschauer ganz schön schlucken. Aber Klassik funktioniert in der Kubrickschen Choreografie der Gewalt.
Walter Carlos (heute Wendy Carlos) Score hat Filmmusikgeschichte geschrieben. Kubrick, der ja gerne klassische Musikvorlagen für seine Filme nutzt, bat Carlos sie elektronisch zu verfremden. Der Moog-Synthesizer mit seinen unendlichen Klangmöglichkeiten war noch nicht lange erfunden. Walter Carlos traf sich mit Robert Moog und der Rest ist Musikgeschichte. Verschiedene Prog-Rockbands wie ELP experimentierten damit herum, doch Walter Carlos führte die Elektronik in die klassische Musik ein und veränderte zunächst Johann Sebastian Bach. Warner veröffentlichte den Score, später brachte Carlos seine gesamten Aufnahmen Clockwork Orange – Complete Original Score zum Film auf einer eigenen Veröffentlichung zu Gehör.

Die literarische Vorlage von Clockwork Orange
Der Roman von Anthony Burgess ist lesenswert. Sein Stil mit einer Mixtur an verschiedenen Spracheinflüssen ist sehr interessant: Jugendsprache, russische Lehnwörter und viktorianisches Englisch, von Kubrick genial adaptiert und von Wolfgang Staude noch genialer ins Deutsche übersetzt. Trotz aller Begeisterung für das Buch: Für mich ist Uhrwerk Orange einer der wenigen Fälle, bei dem der Film besser ist als das ihm zugrunde liegende Buch. Heyne brachte das Buch in Deutschland als Taschenbuch auf den Markt in der Übersetzung von Walter Brumm. 1991 wurde das Buch von Herr der Ringe-Übersetzer Wolfgang Krege Clockwork Orange neu übersetzt und mit Glossar erweitert. Ich werde in einem späteren Post die beiden Versionen vergleichen.

Dieser Beitrag erschien zunächst in der Facebook-Gruppe Erdbeben‘74.

Am Grab von Richard Wagner

19. August 2016

Das Grab des Meisters.

Das Grab des Meisters.

Es war mir ein Bedürfnis bei meinem jüngsten Besuch in Bayreuth das Grab von Richard Wagner zu besuchen. Schließlich will ich an der Blogparade meines IronBlogger-Kollegen Florian Westermann Sehenswürdigkeiten in Deutschland teilnehmen. Ich höre gerne Klassik und es gibt für mich vier absolute Musikgötter: Bach, Beethoven, Mozart und Wagner. Und da ich in Bayreuth weilte, wollte ich das Grab von Richard Wagner besuchen. Es liegt hinter der Villa Wahnfried („Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir benannt.“), die inzwischen renoviert ist. Die Villa und das Museum habe ich mir aus Zeitgründen nicht angesehen, aber dem Grab wollte ich einen kurzen Besuch abstatten.

Mit den Opern von Richard Wagner verbinde ich tiefe Gefühle. Wagner hatte sich mir nicht gleich erschlossen. Da tat ich mir mit Bach, Beethoven und vor allem Mozart viel leichter. Für die Musik von Wagner brauchte ich eine lange Zeit. Den politischen Wagner lehne ich strikt ab, aber den musikalischen Wagner verehre ich auf jeden Fall.
Immer wieder werde ich gefragt: Was ist denn gut von Wagner? Naja, irgendwie alles ist meine Antwort, aber man muss es für sich selbst herausfinden. Es gibt kaum etwas zum Mitschunkeln oder Klatschen. Wagner eignet sich auch nicht zum Entspannen in der Badewanne – zumindest für mich nicht. Zum Einstieg würde ich den Neulingen immer den fliegenden Holländer und Tannhäuser empfehlen. Gerade Tannhäuser hat mich emotional berührt. Mehr Zeit brauchte ich für Tristan und Isolde mit dem genialen Tristan-Akkord und den wunderschönen Lohengrin. Der Ring selbst ist gewaltig, aber richtig schwere Kost. Wer am Ring scheitert, der braucht sich nicht zu schämen. Am Meistersinger kann ich mich immer noch nicht statthören, aber das eindrucksvollste Werk ist für mich das Bühnenweihfestspiel Parsifal. Parsifal ist auch das letzte Werk des Meisters und es war ihm so wichtig, dass er testamentarisch verfügte, dass Parsifal ausschließlich im Bayreuther Festspielhaus aufgeführt werden sollte. Naja, die Erben hielten sich nicht daran, der schöne Mamon lockt. Mein Einstieg zu dem Werk Parsifal war sicher eine Verfilmung von Hans-Jürgen Syberberg.


Nun stand ich also zum ersten Mal vor dem Grab von Richard Wagner. Die Stadt Bayreuth, der Festspielchor und die Richard Wagner-Gesellschaft hatten Kränze vor dem Grab aufgebaut. Auf der Grabplatte lagen Blumen.
Am 18. Februar 1883 wurde er hier begraben, nachdem er am 13. Februar in Venedig verstarb. Die Asche seiner Frau Cosima wurde 1930 an der Südseite des Grabhügels bestattet. In der Nähe liegt auch der Hund von Wagner Russ. Und welche Gedanken hatte ich am Grab? Ich muss entsetzt zugeben, dass ich nichts dachte. Keine Melodie ging mir durch den Kopf. Sicherlich spürte ich eine gewissen Ergriffenheit. Mein Kopf war leer. Ich betrachte die Grabplatte, umrundete das Grab zwei-, dreimal und ging dann wieder. Das war es dann. Vielleicht beim nächsten Mal.
Wagners Musik lässt der Romantik zuordnen und er hat sicherlich die moderne Musik revolutioniert. Berühmte Filmkomponisten wie John Williams verehren Wagner und haben die Leitmotive aus seinen Werken übernommen. Vielleicht kommt daher auch meine Verehrung für die großen Filmkomponisten und mein Abscheu vor Kitschkomponisten wie Hans Zimmer.

Yo-Yo Ma spielt Bach Suiten in Gasteig, München 2016

1. Februar 2016

Yo-Yo Ma im Gasteig, München mit den Cello Suiten von Bach.

Yo-Yo Ma im Gasteig, München mit den Cello Suiten von Bach.

Es gibt Kulturmomente, die ich nie vergessen werde – große, ganz intensive, persönliche Momente. Diese können beim Betrachten eines Films, eines Gemäldes, eines Fotos oder beim Abtauchen in die Musikwelt ganz unvermittelt geschehen. Als Yo-Yo Ma in München gastierte, war wieder so ein Moment gekommen. Ich habe diesen großartigen Cellisten noch nie live genießen können. Bisher kannte ich Yo-Yo Ma nur von CD. Wir haben die fette 30 Years Outside the Box mit 90 CDs von Yo-Yo Ma zu Hause und zu unseren Lieblingsaufnahmen gehören ganz sicher die Bach Suiten. Und genau diese Bach Suiten 1 bis 6 spielte Yo-Yo Ma im Münchner Gasteig – Himmel was für ein Genuss. Dank meiner Frau besuchten wir gemeinsam das Solo-Konzert von Yo-Yo Ma.


Die Bach-Freunde wissen ja, dass das Original der Suiten von Bach verloren gegangen ist und wir die Stücke von zwei Abschriften kennen. So war eine gute Rekonstruktion der Notentexte möglich. Heute kommt kein Cellist um diese Suiten herum, dabei waren sie wohl nicht so sehr als Konzertereignis, sondern vielmehr als Fingerübung von Bach gedacht. Bach fordert dem Cellist und seinem Instrument alles, aber wirklich alles ab. Und da ist Yo-Yo Ma der richtige Mann. In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk legte der US-Amerikaner einen Konzertmarathon hin und spielte verschiedene Konzerte in München. Wir hatten Karten für die Bach Suiten und genau die sind für mich die musikalische Offenbarung.

Die Stücke entstanden zwischen 1715 bis 1723 und sind alle nach dem gleichen Schema aufgebaut. Die Stücke verlangen höchste Konzentration und die brachte Yo-Yo Ma sichtlich mit. Im dunklen Anzug mit roter Krawatte hielt er im Gasteig Hof. Yo-Yo Ma hat als Künstler absolute Persönlichkeit. Das wurde klar, als er die fast leere Bühne im Gasteig betrat. Ein Podest, ein Stuhl, ein Tischchen mit einem Glas Wasser – und dann dieser Ausnahmekünstler mit seinem Violoncello und der Musik von Bach. Die Anspannung war ihm anzumerken, doch ab der zweiten Suite wusste er und wir: Es wird ein unvergesslicher Abend. Yo-Yo Ma nahm einen Schluck Wasser und machte seine Scherze. Er begrüßte zwei Nachzügler in den vorderen Reihen (schämt euch). Yo-Yo Ma scheint kein abgehobener Künstler zu sein, denn er gab sich im Gasteig volksnah und kommunizierte entspannt. Er muss sich nicht anbiedern, sondern weiß um sein Können und muss nicht verkrampfen.
Und er legte sich beim Spielen voll ins Zeug. Der ganze Körper ging mit. Yo-Yo Ma wiegte sich, er streckte sich, beugte sich vor, drückte den Rücken durch, umarmte sein Instrument. Yo-Yo Ma riß am Ende einer Suite den Bogen nach oben wie ein Held sein Schwert nach oben streckt – geniale Show und geniale Musik. Bach ist Genie und Yo-Yo Ma ist der Verkünder dieser Genialität. Ich war zu weit weg und meine Augen sind zu schlecht, aber ich glaubte ein Feuer in den Augen Yo-Yo Mas zu sehen. Danke, dass ich diesen Abend erleben durfte und einen meiner persönlichen Kulturmomente hatte. Danke auch an meine Frau für die Konzertkarten.

Anmerkung: Ich will einen neune Konzertsaal in München, aber flott.

Musiktipp: Younee – Jugendstil

23. März 2015

Auf der IHM 2015 traf ich die Künstlerin Younee.

Auf der IHM 2015 traf ich die Künstlerin Younee.

Kennen Sie Younee? Nein – ich bisher auch nicht. Aber ich lernte diese Ausnahmekünstlerin bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse IHM 2015 kennen. Younee ist Pianistin und Sängerin aus Südkorea und sorgte für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung.
In ihrer Heimat ist Younee ein Star, so heißt es zumindest. In Deutschland hat die junge Asiatin gute Chancen einer zu werden. Auf der Bühne präsentierte Younee zwei Stücke, darunter auch die Weltpremiere ihrer Eigenkomposition Papa, where are you?

Younee ist eine ausgezeichnete Pianistin und sie überarbeitet Klassiker und interpretiert sie in einem eigenen eleganten Stil.
Im August 2014 veröffentlichte sie ihr Album Jugendstil. Nach den Eindrücken von der IHM-Eröffnung habe ich mir das Album gekauft. Hier sind interessante Interpretationen von u.a. Beethoven, Mozart, Bach, Rachmaninoff, Händel und Mussorgsky zu hören. Ihre Plattefirma schreibt über das Album: „Inspiriert von der Philosophie des Jugendstils, des Art Nouveau in Architektur, Kunst, Musik und der künstlerischen Lebenshaltung der 1890er, hat Younee den Wunsch, die essentielle Schönheit der verschiedenen Musikstile miteinander zu verbinden und daraus ihren eigenen Stil zu kreieren, um dem modernen Lebensgefühl der Menschen von heute näher zu kommen.“

Das Cover zu Jugendstil.

Das Cover zu Jugendstil.

Klingt ein wenig schwülstig. Ich finde die Musik einfach schön und kann sie allen empfehlen, die auf der Suche nach einer neuen Interpretation von Klassik sind und die Ohren vor neuen Experimenten nicht verschließen. Die Puristen unter den Klassik-Fans werden sicherlich bei der Musik den Kopf schütteln, aber ich bin da sehr offen und es freut mich, dass ich Younee kennenlernen durfte. Auf einem Empfang konnte ich mit der Musikerin ein paar Worte wechseln und gratulierte ihr zu dem Erfolg. Einfach mal reinhören und neues kennenlernen.