Wir Apple-Fanboys sind schon eine eigenartige Spezies von Mensch. Jetzt gehöre ich schon fast zu den älteren Hasen in dem Apple-Business, aber das Fieber um den Apfel packt mich immer noch.
Dabei ist das Spiel doch eigentlich immer das gleiche. Heftig wird das ganze Jahr darüber spekuliert, was Cupertino wohl ausheckt, welche Geräte kommen und welche Features denn herbeigesehnt werden. Durch geschickte PR und sicherlich absichtliche Leaks und Hinweise aus gut unterrichteten Kreisen werden die Spekulationen angeheizt und in verschiedene Richtungen gelenkt. Leider werden aus Fernost immer mehr Bauteile schon vorher veröffentlicht, so dass kaum noch eine richtige Überraschung gelingt. Nur bei der Apple Watch hat Apples strikte Informationssperre funktioniert und die Uhr war als one more thing eine wirkliche Überraschung.
Dann werden zwei Wochen vor einer Veranstaltung die Einladungen verschickt und die Community orakelt über die Bedeutung der Claims und Farben. Schließlich kommt der Tag der Keynote und die Streamingserver brechen zusammen. Dieses Mal brachte das Twitter Plugin auf der Streamingseite den Stream aus Kalifornien zum Erliegen. Begleitet werden die Keynote und die Tage danach von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Apple Fanboys und Apple Verweigerern. Die Massenmedien berichten allesamt über die Veranstaltung – inklusive kostenloser PR für die Produkte. Apple hat den Medienzirkus fest im Griff. Freilich müssen etablierte deutsche Massenmedien immer ein Haar in der Suppe finden und den Untergang von Apple herbeischreiben. Es ist ja so schick, dagegen zu sein. Es sind die gleichen Massenmedien übrigens, die immer mehr an Auflage und Reichweite verlieren. Die Leser laufen ihnen weg. Die Zeit und der Markt werden es richten.
Dann kommt der Bestelltag. Die einen haben über die Apple Website oder einen Distri geordert. Wer unter den ersten ist, hat die Chance am Erstverkaufstag das Produkt in den Händen zu halten. Am Beispiel des iPhone waren die Vorbestellungen richtig gigantisch – aber ich lese ja in den Massenmedien, Apple sei am Ende. Vier Millionen iPhones innerhalb von 24 Stunden wurden übrigens vorbestellt.
Und dann kommt der lang ersehnte Tag der Tage. Das vorgestellte Devise kommt auf die wichtigsten Märkte – weltweit am gleichen Tag. Die Logistik dahinter ist gewaltig. Zuvor tauchen Bilder von Logistikunternehmen auf, die den Versand der Ware zeigen. Im Falle des iPhones war es der Laderaum eines Jumbos Boing 747 voller iPhones mit Ziel Anchorage in Alaska.
Ich geb es zu, ich bin faul und habe mir das neue iPhone 6+ bei den Telekomikern telefonisch geordert, natürlich lang zuvor eine Vorreservierung abgeschickt. Mir wird das iPhone per UPS oder DHL nach Hause geliefert. Ich hoffe, dass ich mein iPhone 6+ in Gold mit 128 GByte am Erstverkaufstag in den Händen halten werde und ein Unboxing-Video drehen kann – auch so ein ewiges Ritual.
Und dann gibt es die Kultur der Schlangesteher. Die Spezies von Fans, die mit Klappstuhl und Sonnenschirm vor den Apple Retail Stores öffentlichkeitswirksam campieren. Mit Thermoskanne, Broten, in Anorak gehüllt wird sich in die Reihe gestellt bzw. gesetzt und gewartet. Stunde um Stunde. Minute um Minute. Manches Mal war ich dabei und habe mit den Fans gesprochen, um den Spirit zu spüren. Es ist wie Adrenalin, ein Konsumkick der besonderen Art. Ich habe mit den Fans gelacht, spekuliert, gescherzt, gefachsimpelt. Ich habe allerdings nie eine ganze Nacht vor einem Apple Retail Store verbracht.
Gut, einmal hab ich vor einer Keynote in San Francisco in vorderer Reihe gestanden. Das Wichtigste für die Camper ist freilich die Versorgung mit Strom, denn das bisherige iPhone ist natürlich immer dabei und wartet nur darauf, am nächsten Morgen durch ein neues Gerät ersetzt zu werden. Der Akku muss halten, Ersatzakkus hat im Grunde jeder der Schlangesteher im Gepäck. Fotos von der Schlange werden gepostet, Selfies mit Gleichgesinnten, alten und neuen Freunden. Alles unter dem Symbol des angebissenen Apfels.
Die Schlange gestern Abend um 17 Uhr vor dem Münchner Store an der Rosenstraße war übrigens über 300 Meter lang. Und wir sind nicht in der DDR.