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Filmkritik: Toxic Avenger

24. September 2025

Nun ist er da, nachdem der Streifen TOXIC AVENGER lange unter Gore-Fans heiß diskutiert wurde. Er lief erfolgreich auf speziellen Festivals und nun ist der Kinostart für ein gewisses Publikum.

Die Neuverfilmung von „The Toxic Avenger“ aus dem Jahr 2023, inszeniert von Macon Blair, bringt das Kultobjekt der 1980er Jahre in die Gegenwart, verliert dabei jedoch einiges von dem anarchischen Charme des Originals. Die Geschichte des Außenseiters und Hausmeisters Winston Gooze, der durch einen radioaktiven Unfall zum toxic Avenger wird und gegen die korrupten Machenschaften seines ehemaligen Arbeitgebers kämpft, wurde behutsam modernisiert, um aktuelle Themen wie die Verstrickungen von Politik und Pharmaindustrie zu bedienen.

Mit einer hochkarätigen Besetzung um Peter Dinklage, Elijah Wood und Kevin Bacon präsentiert der Film eine professionelle und optisch ansprechende Version, die jedoch vieles von der rohen Energie und Selbstironie des trashigen Originals vermissen lässt. Ich vermisse die spöttischen Seitenhiebe und die derbe Kombination aus Sex und Crime, die für das Original charakteristisch waren. Stattdessen wirkt die Neuauflage oft zu dunkel, ernst und teilweise bemüht – was den Film zwar reifer erscheinen lässt, aber auch ein Stück weit unnahbar macht.

Zudem setzt die Produktion verstärkt auf CGI-Effekte, anstatt die praktischen Effekte zu nutzen, die dem Original seinen authentischen DIY-Look und Charme verliehen haben. Trotz aller Schwächen bietet das Reboot für Fans von Splatter und blutiger Unterhaltung durchaus einiges, wenngleich es sich eher wie ein Versuch anfühlt, den Kultfilm neu zu interpretieren, ohne wirklich seinen Geist einzufangen. In Deutschland erscheint der Film uncut.
Insgesamt ist das „The Toxic Avenger“-Remake eine moderne Hommage mit Promistars, die inhaltlich und stilistisch neu justiert wurde, aber schmerzlich zeigt, wie schwer es ist, den anarchischen Charme eines Kulttrashfilms der 80er Jahre in zeitgemäßer Form wiederzubeleben.

Das Original Atomic Hero (1984)
Für mich ist das Original „Atomic Hero“ aus dem Jahr 1984 ist weit mehr als nur ein Trash-Horrorfilm – er ist ein Kultphänomen, das mit seiner derben Mischung aus grellem Humor, brutalen Splatter-Effekten und einer gehörigen Portion Selbstironie die Grenzen des damals Üblichen sprengte und bis heute Fans begeistert. Regie führten Michael Herz und Lloyd Kaufman, die mit ihrem Studio Troma eine Marke schufen, die für Absurdität, Provokation und eine anarchische Haltung steht.

Die Handlung war 1984 simpel und bewusst überdreht, mit Figuren, die teilweise grotesker als Karikaturen wirken und einem Humor, der vor schwarzer Komik und übertriebener Gewalt nur so sprüht. Dabei verpackt der Film eine eigentlich ernsthafte Botschaft über Machtmissbrauch, soziale Außenseiter und Selbstjustiz in eine schroffen, fast absurden Filmstil, der genau das Faszinosum des Originals ausmacht.

Das Original lebt von einem rohen Charme: Die billigen Effekte, die wackelige Kameraarbeit und das oft hölzerne Schauspiel wirken, als wäre alles ein Produkt jugendlicher Kreativität und Enthusiasmus. Doch gerade diese Amateurhaftigkeit zieht den Zuschauer in ihren Bann und macht den Film zu einer Art liebevollem Pamphlet gegen das Establishment und die herrschenden Verhältnisse. „Atomic Hero“ ist Trash mit Herz, eine anarchistische Hymne auf den Underdog, die mit viel Wut, Blut und Klamauk dennoch eine einzigartige, fast schon poetische Figur erschafft.

Vergleicht man das Original mit neueren Adaptionen oder Remakes, wird schnell klar, dass diese den einzigartigen Charme nicht immer transportieren können. Neuere Fassungen versuchen oft, die Story komplexer und polierter zu machen, verlieren dabei aber die rohe Energie und den anarchischen Geist, der das Original zu einem Kultklassiker macht. Die Mischung aus Slapstick, sozialkritischer Satire und ungebremster Fantasie macht das 1984er Werk zum unvergesslichen Erlebnis, das man entweder liebt oder nicht versteht, aber nie ignorieren kann.

Insgesamt ist „Atomic Hero“ ein Film, der mit seiner Kombination aus Groteske, nostalgischem Trash-Flair und einem Helden wider Willen tiefer geht, als man beim ersten Blick meinen könnte. Seine anarchische Kraft und sein unerschütterlicher Wille für Gerechtigkeit machen ihn zu einem Stück Filmgeschichte, das trotz oder gerade wegen seiner Extrovertiertheit und Unglattheit immer wieder aufs Neue fasziniert.

Wenn Mauern sprechen – Glasgows Herz in Farbe

5. August 2025

Bei uns im Dorf dürfen sich Schüler an der dunklen Bahnunterführung mit ihren Malkünsten austoben, damit bei diesen traurigen Zustand optisch etwas ändert. Ähnliches hab ich auf meiner Schottland-Tour durch Glasgow beobachtet.

Glasgow gilt heute als eine der bedeutendsten Street-Art-Städte Europas – ein Ruf, der nicht aus Vandalismus oder willkürlicher Schmiererei hervorgegangen ist, sondern aus einem bewussten Wandel in der Stadtentwicklung und Kulturpolitik. Die vielen Graffitis und Wandbilder, die sich über Häuserfassaden, Unterführungen, Brückenpfeiler und ganze Gebäudewände ziehen, sind Ausdruck einer kreativen Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum, seiner Geschichte, den Menschen und sozialen Themen. Es macht unheimlichen Spaß durch diese Stadt zu spazieren und immer neue Graffitis zu entdecken.

Ein wesentlicher Grund für die Vielzahl an Graffitis liegt in der gezielten Förderung durch die Stadt selbst. Seit den 2000er Jahren unterstützt Glasgow aktiv Street-Art-Projekte, nicht zuletzt im Rahmen größerer Stadtverschönerungs- und Revitalisierungsmaßnahmen. Früher für Industrie und Schwerarbeit bekannt, hat sich Glasgow in den vergangenen Jahrzehnten neu erfunden – als Kulturstadt, Kreativmetropole und Zentrum für Design, Musik und zeitgenössische Kunst. Graffiti und Mural Art wurden dabei nicht als Problem, sondern als Potenzial gesehen: als Möglichkeit, leere oder heruntergekommene Flächen zu beleben und Identität zu stiften.

Ein Paradebeispiel dafür ist das Projekt City Centre Mural Trail, das von der Stadt in Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und Organisationen wie Art Pistol Projects initiiert wurde. Es handelt sich dabei um einen offiziell ausgewiesenen Rundgang durch die Innenstadt, auf dem man über 25 großformatige Wandbilder entdecken kann – von detailreichen Porträts über surrealistische Kompositionen bis hin zu politischen oder sozialkritischen Werken. Viele dieser Murals sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern erzählen Geschichten aus Glasgow: über lokale Berufe, Migration, Musikgeschichte oder den Alltag im Viertel.

Hinzu kommt, dass Glasgow eine lebendige Underground-Kunstszene hat. In Vierteln wie Finnieston, Trongate oder entlang des Clyde findet man viele kleinere, nicht offiziell geförderte Werke, die oft ebenso eindrucksvoll und gesellschaftlich relevant sind. Die tolerante Haltung der Stadt gegenüber Street Art hat dazu beigetragen, dass Künstler aus ganz Großbritannien und darüber hinaus Glasgow als Bühne nutzen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen „legaler“ und „illegaler“ Graffiti zunehmend – in vielen Fällen werden einst illegale Arbeiten heute als kulturelles Kapital betrachtet.

Nicht zuletzt spiegelt die Fülle an Graffitis in Glasgow auch den Stolz und den Humor seiner Bewohner wider. Die Wandkunst ist oft augenzwinkernd, manchmal melancholisch, aber fast immer geprägt von einem starken Lokalbezug. Sie macht die Straßen der Stadt zu einem offenen Museum und bringt damit Kunst dorthin, wo sie jeder sehen kann – ohne Eintritt, ohne Schwelle, mitten im Alltag.