Posts Tagged ‘Presse’

Der Damm bricht: 20 Minuten setzt KI-Bilder ein

25. September 2024

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Als Fan von Künstlicher Intelligenz bin ich entsetzt, was Zeitungskollegen aus der Schweiz da angerichtet haben. Sie haben nicht nur die eigenen Leser belogen, sondern der gesamten Presse einen Bärendienst erwiesen.

In dem Boulevardblatt 20 Minuten wurde zum 25. Geburtstag der Zeitung Grußworte der Leser der Zeitung veröffentlicht. An sich ist der Einsatz von Testimonials eine gängige Praxis der Leser-Blatt-Bindung. Allerdings stammen zwei Fotos und Zitate der Seite von der Künstlichen Intelligenz und nicht vom menschlichen Leser. Und diese Maßnahme wurde nicht gekennzeichnet. Hier mal die ganze Seite vom 11. September zur Übersicht.

Und hier die von der KI generierten Fotos: „Ich schätze 20 Minuten, weil die Berichterstattung neutral und sachlich ist. Dadurch fühle ich mich gut informiert und kann mir meine eigene Meinung bilden, ohne das Gefühl zu haben, in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden“, erklärt uns Darrell (23) in der Mitte der Seite. Und dann, etwas kleiner, lässt uns Remo (28) wissen: „Mit 20 Minuten weiss ich immer, was los ist. Schnell und easy – danke!“

Als es zum Protest in der Schweiz kam, erklärte Chefredakteurin ­Désirée Pomper in der Zeitung und auf der Website, dass dies ein „fundamentalen Verstoß“ gegen die eigenen publizistischen Leit­linien sei: Zwei Mitglieder der Redaktion hätten „in Eigen­initiative zwei Fotos von vermeintlichen Lesern mit Künstlicher Intelligenz generiert“ und publiziert.

Das Kind ist in den Brunnen gefallen und die Glaubwürdigkeit der Presse hat gelitten. Die Büchse der KI-Pandora ist geöffnet, der Geist ist entwichen. Die Glaubwürdigkeit der Presse ist beschädigt, da wird 20 Minuten in den gleichen Topf mit der gesamten Presse geworfen. Die Büchse der KI-Pandora ist geöffnet. Klingt dramatisch, aber wenn wir ehrlich sind, sind es nicht die KI-Tools, die die Glaubwürdigkeit der Presse angreifen – es sind die Menschen, die sie missbrauchen. Und das Problem liegt darin, dass die Leute die Büchse der Pandora selbst geöffnet haben und dann schockiert sind, dass KI eben kein Zauberstab ist, sondern ein Werkzeug. Vielleicht sollten wir die Technik nicht verteufeln, nur weil wir zu faul oder inkompetent sind, sie richtig zu nutzen.

Olympia 1972: Ein technischer Mammutprojekt der Medien

15. August 2022

Die Olympischen Spiele von 1972 waren auch ein medialer Höhepunkt. Presse, Funk und Fernsehen (online gab es ja noch nicht) berichteten aus München – erst vom Sport, dann vom Terror.

Als gelernter Redakteur interessiert mich das Medienaufgebot der damaligen Zeit. Es gab ja nur öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen sowie Zeitungen und Zeitschriften.
Hauptquartier der Rundfunk- und Fernseh- Journalisten war das Deutsche Olympia- Zentrum (DOZ) mitten im Olympiapark in München. Für das Übertragen der Olvmischen Spiele standen 27 Farbfernseh-Ü-Wagen, 130 Farbfernsehkameras – die Betonung liegt auf Farbe. 80 Filmkameras, ein Post-Richtfunknetz mit über 300 Fernmeldetürmen, bewegliche Richtfunkanlagen, darunter 45 Post-Übertragungswagen und mobile Antennenmasten, die bis zu 40 Metern Höhe ausgefahren werden konnten, zur Verfügung. Das war ein wahrhaft technischer Overkill zu dieser Zeit, eine richtige Materialschlacht. Die Generation meiner Eltern schaffte sich zu diesem Zweck den ersten Farbfernseher an, es war ein Grundig mit Fernbedienung.

Es gibt leider nicht viele Dokumentationen über die Technik der Spiele. Ich habe mich mit ein paar Journalisten der damaligen Zeit unterhalten, wie denn die ihre Arbeit mit Bleistift, Schreibblock und Schreibmaschine war.

Es gab ja auch allerhand zu berichten. Das Medienereignis Olympische Spiele 1972 verschaffte der Stadt München eine perfekte Bühne, um sich als Gastgeberin zu präsentieren und der Bundesrepublik nach der NS-Zeit ein neues demokratisches Image zu verleihen. Die im Wettbewerb 1967 prämierte schwebende Zeltdachkonstruktion war letztlich auch ein gezielt gewähltes Zeichen, mit dem der Welt das Bild eines neuen Deutschland vermittelt werden sollte. Nach der Vergabe im April 1966 war die Presse im Westen zunächst durchaus verhalten, der Osten versuchte sogar mit dem Slogan „36+36=72“ die Bundesrepublik zu diskreditieren. Um das Deutschlandbild zu korrigieren, wurden weltweite PR-Kampagnen in Gang gesetzt.

12.000 Vertreter der Weltpresse wurden mit Material versorgt und über die Olympia-Baustellen geführt. Zuerst monatlich und dann 14-tägig erschiender auf sattgrünem Papier gedruckter Newsletter „Olympia-Press“, der in 126 Länder per Post verschickt wurde, und auf allen fünf Kontinenten fanden Pressekonferenzen statt. Aufwendig gestaltete Bulletins über die XX. Olympiade sowie die Imagefilme „Eine Stadt bereitet sich vor“ und „Eine Stadt lädt ein“ warben für die Offenheit, Toleranz und Internationalität Münchens.

Im Vorfeld wurde dann aber ausgerechnet das Zeltdach als eine „Zurschaustellung wirtschaftlicher Potenz“ kritisiert und „alte Klischees des Größenwahns“ heraufbeschworen, die zu innenpolitischen Unstimmigkeiten führten. Die Los Angeles Times schrieb 1972: „German Efficiency Hits its Peak in Olympic Games Installations“, und der Christian Science Monitor titelte: „An Affluent West Germany Seeks Acceptance“. Nach der Eröffnungsfeier, die etwa eine Milliarde Menschen – ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung – an ihren Fernsehgeräten verfolgte, belegte allerdings ein überragendes Echo aus Presse und Politik die nationale und internationale Anerkennung der Inszenierung Deutschlands. Der westdeutsche Sportinformationsdienst schrieb von einer „Überraschung und Entzückung“, zu der auch der Mut „zum Bau des verrückten Daches“ gehört habe, „denn man weiß ja – wir tun uns ein bißchen schwer mit der Leichtigkeit“.

Dann der Terror im Fernsehen. Der palästinensische Terroranschlag am 5. September fand vor laufenden Fernsehkameras statt, doch ein Imageverlust für die Gastgeber blieb weitgehend aus. Gleichwohl legte sich über die Wahrnehmung der heiteren Spiele und die Erinnerung an München ’72 ein langer Schatten.

Protest gegen AfD bei uns im Dorf

20. März 2017

Bürgerinnen und Bürger aus Maisach demonstrieren gegen die AfD.

Bürgerinnen und Bürger aus Maisach demonstrieren gegen die AfD.

Ich bin ein politischer Mensch. Allerdings ist dieser Blog im Grunde frei von großen politischen Stellungnahmen. Heute eine Ausnahme, denn ich nahm an einer Protestveranstaltung gegen die AfD bei uns am Ort teil. Ich musste als Europäer einfach Flagge gegen diese Engstirnigkeit und dumpfen Nationalismus dieser Gruppierung zeigen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD Alexander Gauland kam ins Maisacher Bräustüberl, um eine Strategiesitzung mit dem AfD-Abgeordneten für unseren Wahlkreis abzuhalten. Maisach ist im Landkreis Fürstenfeldbruck, rund 20 Kilometer westlich von München.

Im Bräustüberl Maisach tagte die AfD und Maisacher zeigen Flagge gegen diese Gruppierung.

Im Bräustüberl Maisach tagte die AfD und Maisacher zeigen Flagge gegen diese Gruppierung.

Im Vorfeld haben die örtlichen Parteien diskutiert, ob und was man gegen die Gruppierung unternehmen kann. Unser Ortsbürgermeister von der CSU hat abgewunken mit der Begründung, da dies das öffentliche Interesse mehr anfache als es die AfD verdiene. Da ich anderer Meinung bin, wollte ich Flagge zeigen und mich in die Menschenkette vor dem Bräustüberl Maisach einreihen. Ich halte das Gedankengut der AfD für gefährlich. Als Demokrat und Europäer wende ich mich eindeutig gegen diese Leute. Ich will mir später nicht von meinen Kindern vorwerfen lassen, ich habe mich nicht engagiert. Ich stelle mich gegen diesen dumpfen Nationalismus, gegen diese fremdenfeindlichen Parolen, gegen dieses antieuropäische Bashing.
Interessant war die Reaktion mancher Dorfbewohner während der Protestveranstaltung. Die einen fragten, was wir hier machen. Die anderen reihten sich für eine Zeit ein, andere gingen einfach mit frischen Semmeln an uns vorbei, schließlich war es Sonntag vormittag. Ab und zu hutsche jemand ins Bräustüberl – ob er zur AfD wollte oder zum Frühschoppen am Sonntag, das weiß ich nicht.

Ich stand neben Margret Kopp von der Togohilfe.

Ich stand neben Margret Kopp von der Togohilfe.

Ich stand neben Margret Kopp in der Protestreihe. Sie ist Kreisrätin der CSU und Vorsitzende des Togohilfsprojekts und wir unterhielten uns. Ein örtlicher Unternehmer fuhr mit Stinkefinger vorbei. Leider hatte ich das iPhone im Moment nicht bereit für ein Foto, denn das wäre mir schon eine Anzeige gegen den Herrn wert gewesen. Ich weiß allerdings, bei wem ich nicht mehr meine Dienstleistung in Anspruch nehmen werde.

Der Pressefotograf der örtlichen SZ lichtete die Protestler ab.

Der Pressefotograf der örtlichen SZ lichtete die Protestler ab.

Die örtliche Pressevertreter waren da und ich sprach mit den alten Kollegen. Klassische Massenmedien werden am nächsten Tag über den Protest berichten. Die Veranstalter sprachen von 200 Teilnehmern. Das halte ich für zu viel, aber es freut mich sehr, dass unser Dorf Flagge gegen diese Hetzer gezeigt hat. Hat durch die AfD Aufmerksamkeit durch die Berichterstattung in Massenmedien und sozialen Netzwerken bekommen? Ja, das hat sie – aber nicht in dem Sinne, wie es diese engstirnige Truppe möchte. Ich zeige klar, dass mir die AfD nicht gefällt.

(Mein) Print-Journalismus der Zukunft

14. Juni 2010

Ich habe Zeit meines Lebens für Printobjekte gearbeitet und es geliebt: Tageszeitung, Wochenzeitung, Magazine, Special Interest und auch B2B-Produkte – das ganze Programm. Doch ich sehe Print in Gefahr, weil Papier nicht mit der Schnelligkeit von online mithalten kann oder Werbung in manchen Bereichen zu hohe Streuverluste hat. Daher habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, die ich gerne teilen würde. Was braucht der neue (Qualitäts-)Journalismus im Print?

Zeitung muss mehr Orientierung geben. Die Zeitung als Nachrichtenplattform ist für mich nur noch begrenzt vorstellbar. Das war früher anders: Da kam ich aus der Redaktion und wusste, was morgen in der Zeitung steht und ich wusste es vor allen anderen. Die News erreichen mich heute auf anderem Wege, aber nicht mehr durch die gedruckte Zeitung. Die News, wie sie Agenturen liefern, sind austauschbar geworden. Das haben die Leser gemerkt und so wurden Zeitungen beliebig, weil sie alle die gleiche Quelle haben. Zeitungen müssen heute daher zum Navigator in der Informationswelt werden. Recherchieren, aufbereiten und bewerten – darum wird es Zukunft mehr gehen. Journalistische Darstellungsformen wie Reportage und vor allem der Kommentar werden wichtiger für die Orientierung. Und in Print gehören Themen, die den Leser auch wirklich interessieren, und nicht diejenigen, die der Journalist glaubt, was interessieren könnte. Die Zeitung der Zukunft wird schließlich vom Leser bezahlt und weniger vom Anzeigenkunden finanziert.

Nutzwert, Service und Identifikation sind die Schlüsselbegriffe. Dann weiß der Leser auch, wie die Zeitung ausgerichtet ist. Ich will keine Parteienpresse der Weimarer Zeit, aber ich will klare Standpunkte. Als Leser möchte ich mich mit meiner Zeitung identifizieren. Zeitung braucht Tendenz und muss dieser Tendenz treu bleiben.

Daher ist ein Leitbild eines Mediums wichtig. Früher fand ich Leitbilddiskussionen in der Branche schrecklich und heute weiß ich, wie wichtig eine Vision oder Leitbild ist.

In meiner Ausbildung, im Volontariat wurde mir eingetrichtert: Der Journalist ist der Gatekeeper. Das galt, aber es ist vorbei. Der Journalist der Zukunft ist Pathfinder und Gatewatcher. Ich recherchiere und ich beobachte und bringe das zu Papier für meine Zielgruppe. Das ist das Ende der klassischen Massenmedien, wie wir sie heute kennen. Ich schreibe für eine klar umrissene Zielgruppe und nicht für alle. Identifikation der Leser und der verbliebenen Anzeigenkunden mit dem Blatt werden die Folge sein. Das erhöht auch die Wertigkeit von Kommentaren. Ich werde damit zur Marke. Nicht nur die Publikation wird zu einer Marke, nein – auch ich werde zu einer Marke und Marken schaffen Identifikation und Reibung. Der Journalist als Marke gibt dem Medium ein Profil. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt weniger auf Information, als vielmehr auf Emotion liegt. Und: Die Schreibe wird boulevard  – sie wird verständlicher, weil emotionaler.

Und das Wachstum hat ein Ende: Ich glaube nicht daran, dass Auflagen bis ins Unendliche gesteigert werden können. Vielmehr muss es gelingen, in meiner Zielgruppe eine Auflagensteigerung zu erreichen oder in der heutigen Zeit zumindest die Auflage zu stabilisieren. Das wäre ein Erfolg.

Für all diese Überlegungen braucht es eine neue Art von Journalisten. Denn es wird dadurch eine neue Art von Qualitätsjournalismus entstehen, für den die User auch bereit sind zu bezahlen. Aber nur für Qualität.