Posts Tagged ‘Prag’

Prag (4): Flashback – Rubik’s Zauberwürfel

25. Oktober 2024

Damals war er bei uns in der Stadt ausverkauft und die Mutter eines Bekannten ist extra nach München gefahren, um einen Würfel zu besorgen. In der Schule war ich dann ein Held als ich stolz zur ersten Stunde den Zauberwürfel auf eine Bank ablegte. An Unterricht war dann nicht mehr zu denken, denn alle Mitschüler und auch mein Lehrer wollten das Ding ausprobieren: Rubik’s Zauberwürfel

Bei meiner Reise nach Prag fand ich in dem großen Spielzeugladen The Playground diese Jugenderinnerung wieder. Der Rubik’s Zauberwürfel ist weit mehr als nur ein Spielzeug – er ist eine Ikone, ein Symbol für menschlichen Einfallsreichtum, Geduld und den unermüdlichen Drang, das scheinbar Unlösbare zu bewältigen. Seit seiner Erfindung im Jahr 1974 durch den ungarischen Architekten und Professor Ernő Rubik hat der Würfel Generationen von Menschen weltweit fasziniert, herausgefordert und inspiriert. Was auf den ersten Blick wie ein einfaches Puzzle aussieht, entpuppt sich schnell als eine fast schon überwältigende Herausforderung, die die Grenzen der Logik, des räumlichen Denkens und der Ausdauer testet.

Ich stand also vor der Auslage in Prag und dachte an meine Würfel zurück. Ich hatte den Standardwürfel und einen kleinen Würfel, den ich an meinen Schulranzen hängen konnte. Der kleine Würfel war aber schwieriger zu lösen, weil er sich oft verklemmte und im schlimmsten Fall auseinanderbrach.

Es ist schwer, die Magie des Rubik’s Würfels zu erklären, wenn man ihn das erste Mal in den Händen hält. Sechs Farben, 54 kleine Quadrate und 43 Quintillionen mögliche Positionen. Doch nur eine Anordnung ist die richtige, und der Weg dorthin scheint unmöglich – zumindest auf den ersten Blick. Jeder, der je versucht hat, den Würfel zu lösen, kennt das Gefühl von Frustration und Verzweiflung, wenn sich die Farben scheinbar immer weiter von der Lösung entfernen. Doch genau darin liegt die Faszination des Würfels: Er zwingt uns, anders zu denken, neue Strategien zu entwickeln, Muster zu erkennen und geduldig zu sein. Es ist eine Reise der Selbstüberwindung, bei der man oft nahe daran ist, aufzugeben, nur um dann doch weiterzumachen.

Der Moment, wenn sich alle Farben schließlich ordnen und der Würfel perfekt gelöst ist, ist unbeschreiblich. Es ist nicht nur ein Sieg über das Puzzle, sondern ein Triumph des Geistes über die eigene Unsicherheit und Unruhe. Es ist der Beweis dafür, dass selbst die komplexesten Herausforderungen überwunden werden können, wenn man sich ihnen Schritt für Schritt nähert. In dieser einen Sekunde, in der der Zauberwürfel perfekt gelöst ist, scheint die Welt stillzustehen. Alles, was bleibt, ist die stille Zufriedenheit, etwas erreicht zu haben, das viele für unmöglich hielten. Ich war nicht so schnell wie andere beim Lösen der Aufgabe. Andere Mitschüler hatten den Bogen raus und drehten in Sekundenschnelle die Farben richtig rum.

Doch der Rubik’s Würfel ist nicht nur ein persönliches Erfolgserlebnis. Er ist auch ein globales Phänomen, das Menschen jeden Alters, Geschlechts und Herkunft zusammengebracht hat. In den vergangenen Jahrzehnten haben unzählige Wettbewerbe, sogenannte „Speedcubing“-Turniere, Menschen aus aller Welt zusammengeführt, die sich der Herausforderung des Würfels mit unglaublicher Schnelligkeit und Präzision stellen. Für diese Cuber ist der Würfel nicht nur ein Puzzle, sondern eine Leidenschaft, ein Kunstwerk der Bewegung, bei dem jede Drehung mit Präzision und Kontrolle ausgeführt wird. Die Faszination dieser Wettbewerbe liegt nicht nur in der Geschwindigkeit, sondern in der Eleganz, mit der die Würfel gelöst werden. Für Zuschauer, die nicht in die Welt des Cubings eingeweiht sind, wirkt es fast schon magisch, wenn der Würfel nach wenigen Sekunden in seinen perfekten Zustand zurückkehrt.

Der Rubik’s Zauberwürfel hat auch die Popkultur geprägt, in Filmen, Serien und Büchern. Er steht oft symbolisch für das menschliche Streben nach Ordnung in einer chaotischen Welt, für das unaufhörliche Bemühen, Komplexität zu meistern und Struktur zu schaffen. Der Würfel hat auch eine tiefere philosophische Bedeutung: Er erinnert uns daran, dass das Leben oft wie ein Puzzle ist – chaotisch, herausfordernd und manchmal unübersichtlich. Doch mit Geduld, Kreativität und Beharrlichkeit können wir selbst die verworrensten Situationen entwirren und zu einer harmonischen Lösung finden.

Ernő Rubik schuf mit seinem Würfel ein Meisterwerk, das die Grenzen des bloßen Spielzeugs weit überschritten hat. Der Rubik’s Würfel ist eine Herausforderung für den Verstand, ein Symbol der Beharrlichkeit und ein Spiegelbild der menschlichen Fähigkeit, das Unlösbare zu lösen. Jeder, der ihn je in den Händen gehalten hat, weiß, dass er nicht nur ein Puzzle ist – er ist eine Metapher für das Leben selbst.

Prag (3): Wie Wagner vom Konzerthaus Rudolfinum genommen wurde

24. Oktober 2024

Als glühender Verehrer der Musik von Richard Wagner (nicht seiner Politik) war ich von einer erfundenen Geschichte über die Statuen auf der Prager Philharmonie sehr angetan.

Damit es gleich klar ist. Es ist eine erfundene Geschichte von Jiří Weil aus dem Roman Mendelssohn auf dem Dach, aber sie ist so schön skurril, dass sie eine Legende unter Wagner-Anhängern geworden ist. Aber die Geschichte ist erfunden.

Der so genannte Reichsprotektor von Böhmen und Mähren Reinhard Heydrich hatte nach der Besetzung Prags durch die Nazis das ehrwürdige Konzerthaus Rudolfinum zum „Haus der deutschen Kunst“ umwidmen lassen, da entdeckt er unter den Komponistenstatuen auf dem Dach einen Juden: Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Der SS-Anwärter Julius Schlesinger erhält den Befehl, sich um dessen Beseitigung zu kümmern. Aber das ist schwieriger als gedacht. Denn erstens ist er nicht schwindelfrei und will nicht aufs Dach. Und zweitens finden die beiden mitgebrachten Tschechen, Be vá und Stankovský, nicht heraus, wer der fragliche Mendelssohn-Bartholdy ist, denn die Statuen tragen keine Namen. Da hat Schlesinger eine Idee: Eben erst hat er gelernt, dass Juden die größten Nasen hätten. Und die größte Nase hatte nun Mal die Statue von Hitlers Lieblingskomponisten Richard Wagner. Wagner wird abgebaut und als der Fehler bemerkt wird, wird Wagner wieder aufgebaut, allerdings von deutschen Arbeitern.

Es ist eine kuriose Anekdote, die oft erzählt wird, um die Absurdität und den Fanatismus des NS-Regimes zu verdeutlichen. Die Geschichte ist allerdings erfunden und hat sich im Laufe der Zeit zu einer Art urbaner Legende entwickelt. Es gab zu keiner Zeit eine Statue von Richard Wagner auf dem Konzerthaus Rudolfinum.

Der Hintergrund dieser Geschichte ist der fanatische Antisemitismus der Nationalsozialisten und ihre Abneigung gegenüber jüdischen Künstlern, auch wenn diese zu ihrer Zeit große musikalische Beiträge geleistet hatten. Felix Mendelssohn Bartholdy war ein jüdischer Komponist, der im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der Musikgeschichte spielte. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Romantik und trug zur Wiederentdeckung der Werke von Johann Sebastian Bach bei. In der Nazi-Ideologie wurde seine Kunst jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft verachtet.

Diese Geschichte hat viele symbolische Implikationen und wird oft als Beleg für die Ignoranz und den fanatischen Antisemitismus des NS-Regimes herangezogen. Während der Fehler den absurden Rassismus der Nazis bloßstellt, verdeutlicht die Anekdote auch den tiefen kulturellen Hass, den die Nazis auf jüdische Künstler projizierten, ungeachtet ihres enormen Beitrags zur europäischen Kultur.

Prag (2): Gottesdienst in der Wenzelskapelle

23. Oktober 2024

Eine besondere Ehre wurde den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates Maisach zu Teil, als man zu Ehren von St. Vitus in der sonst gesperrten Wenzelskapelle im Prager Veitsdom einen Gottesdienst feiern und an der Reliquie von St. Vitus beten durfte. St. Vitus ist der Namenspatron der Maisacher Pfarrkirche im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der Pfarrgemeinderat machte sich auf die Reise nach Prag, organisiert von Matthias Dörr. Und ich war dabei.

Es war schon ein wirklich bedeutsames Ereignis. Im menschenleeren Veitsdom durften wir in der Seitenkapelle einen Gottesdienst feiern, der den Reisenden in Erinnerung blieb. Zelebrant war Pfarrer Terance Palliparambil. An der Orgel: Christian Walch. Kantorin war Doris Ortlieb. Hier der komplette Gottesdienst.

Und hier der erste Teil des Gottesdienst als VR360.

Die Wenzelskapelle im Prager Veitsdom ist eine der künstlerisch beeindruckendsten und bedeutendsten Kapellen innerhalb des Doms und befindet sich auf der Prager Burg. Sie ist dem heiligen Wenzel, dem Schutzpatron Böhmens, geweiht und wurde über seinem Grab errichtet. Die Kapelle ist ein Meisterwerk gotischer Architektur und spiegelt den religiösen und historischen Rang des Heiligen wider.
Die Wände der Kapelle sind reich mit Halbedelsteinen und kunstvollen Malereien verziert, die das Leben des heiligen Wenzel darstellen. Besonders auffällig ist die untere Wandhälfte, die mit wertvollem Marmor und Schmucksteinen verkleidet ist, was der Kapelle eine fast mystische und feierliche Atmosphäre verleiht. Das Deckengewölbe ist ebenso prächtig gestaltet, mit christlichen Symbolen und Szenen aus dem Leben des heiligen Wenzel, die kunstvoll in die gotische Architektur integriert wurden.

Im Zentrum der Kapelle steht der Altar, über dem eine Statue des heiligen Wenzel in Ritterrüstung thront. Diese Darstellung zeigt ihn als starken Beschützer und Nationalhelden. Die Wenzelskapelle ist nicht nur ein spiritueller Ort, sondern auch ein künstlerisches Juwel, das die Bedeutung des heiligen Wenzel für die tschechische Geschichte und Kultur verdeutlicht.

Gebet an der Reliquie von St Vitus
Dann ging es weiter durch den Dom zum Kopf von St. Vitus. Seit 1355 wird das Haupt des Heiligen Veit im Veitsdom als Reliquie aufbewahrt. Der Kopf von St. Vitus liegt hinter dem Hauptaltar. Hier sprachen die Reisenden ein Gebet. Zelebrant ist der Maisacher Pfarrer Terance Palliparambi. Hier das Video.

Der Veitsdom beherbergt zahlreiche Gräber und Grabmäler bedeutender Persönlichkeiten der tschechischen Geschichte, darunter Könige, Kaiser und Heilige wie den heiligen Wenzel und den heiligen Johannes Nepomuk. Sein Grab ist deutlich prachtvoller als das von St. Vitus.Johannes Nepomuk, auch bekannt als Jan Nepomucký, war ein böhmischer Priester und Märtyrer, der im 14. Jahrhundert in Prag lebte. Er diente als Generalvikar des Erzbistums Prag und wurde vor allem für seine standhafte Weigerung bekannt, das Beichtgeheimnis zu brechen. Als Beichtvater der böhmischen Königin verweigerte er dem König Wenzel IV. die Offenlegung ihrer Beichte, was letztlich zu seinem Tod führte. Im Jahr 1393 wurde er auf Befehl des Königs von der Karlsbrücke in die Moldau geworfen und ertränkt. Ich hab mir den Ort des Ertränkens angesehenen, der eine Touristenattraktion ist.

Johannes Nepomuk wird heute als Schutzpatron der Beichtväter und Brücken verehrt und ist eine bedeutende Figur in der christlichen Tradition Böhmens. Seine Statue auf der Prager Karlsbrücke ist ein Pilgerziel, aber vielmehr ein Selfie-Hotspot.

Die fünf Lichter, die mit Johannes Nepomuk in Verbindung gebracht werden, spielen eine wichtige Rolle in seiner Heiligenlegende und symbolisieren seine Heiligkeit und sein Martyrium. Laut der Überlieferung sollen unmittelbar nach seinem Tod, als er in die Moldau geworfen wurde, fünf Sterne über dem Wasser erschienen sein. Diese Sterne gelten als Zeichen seiner Reinheit und seines Glaubens.
Die fünf Sterne werden oft als Symbol für die fünf Buchstaben des lateinischen Wortes “tacui” (auf Deutsch: „Ich habe geschwiegen“) interpretiert, was auf Johannes’ Weigerung hinweist, das Beichtgeheimnis zu brechen. Diese Sterne erscheinen auf vielen Darstellungen von Johannes Nepomuk, insbesondere auf seiner Statue auf der Prager Karlsbrücke. Sie unterstreichen sein Standhaftigkeit und seine Heiligkeit, da er lieber sein Leben opferte, als die religiösen Pflichten zu verletzen.

Prag (1): Eine etwas komplizierte Anreise nach Prag

22. Oktober 2024

Die tschechische Hauptstadt Prag stand auf dem Programm für ein paar Tage – so war der Plan. Um klimatechnisch das Sinnvollste daraus zu machen und es bequem zu haben, fiel unsere Wahl auf den Zug als ideales Verkehrsmittel. Nimm den Zug, haben sie gesagt, dann bist du in ein paar Stunden im Zentrum von Prag und kannst diese wunderbare goldene Stadt des Ostens erkunden. Wenn es denn so einfach gewesen wäre.

Als Besitzer des Deutschlandtickets wollten wir kostenlos an die Grenze im bayerischen Furth im Wald fahren und dann mit einem tschechischen Ticket die Fahrt fortsetzen. Mit dem DB Navigator wurde es nicht eindeutig (und vor allem zu teuer), also musste eine Beratung im DB-Reisezentrum im Münchner Hauptbahnhof her. Als Puffer hatten wir dazu eine Stunde – 60 Minuten eingeplant, die Rechnung aber nicht mit der Bahn und den Hunderten von Oktoberfestbesuchern gemacht. Zahlreiche potentielle Bahnfahrer wünschten eine Beratungsleistung, also erst einmal Nummer ziehen und warten. Mit Blick auf die Uhr wurde es bald knapp, denn so mancher Reisender plante wohl eine Weltreise an einem der Schalter, die nicht voll besetzt waren.

Als 349 aufgerufen wurde, hatten wir noch 20 Minuten Puffer. Die DB-Mitarbeiterin war super freundlich und extrem kompetent. Ich frage mich nur, warum ein Ticket von Regensburg nach Prag deutlich preiswerter ist als ein Ticket von Furth im Wald nach Prag, obwohl Furth im Wald die Grenzstadt ist und Regensburg deutlich weiter weg liegt – das sind die Geheimnisse des Tarifsystems der Deutschen Bahn.

Der Zug war gut voll, von wegen Platz und entspannte Anreise. Wir nahmen in einem Sechserabteil Platz, die Wagons hatten den Charme der frühen siebziger Jahre. Mit uns ein Ehepaar aus Kempten, die den 50. Geburtstag der Frau in Prag feiern wollten und ein Arbeitnehmer, der in Regensburg aussteigen wollte.

An Arbeiten war im Zug nicht zu denken, also ein bisschen Smalltalk mit den sympathischen Mitreisenden. Vor Regensburg wurde uns bewusst, dass wir im falschen Zugteil saßen, und so packten wird unser Marschgepäck und zogen in bequemere Waggons nach Prag um, noch bevor andere Reisende auf die gleiche Idee kamen und alle Plätze besetzten. In Regensburg wurde der Zug richtig voll. Wir hatten aber unsere Plätze und weihten die stehenden Mitreisenden vor dem nächsten Hindernis auf der Reise ein.

Nach der Grenze zwischen Domazlice und Pilsen gibt es Schienenersatzverkehr mit Bussen. Schienenarbeiten unterbrachen unsere Reise. SEV – jeder Bahnreisende weiß, was das bedeutet. In Deutschland in der Regel ein Chaos und in Tschechien wird es nicht besser sein. Hunderte Reisende rumpelten mit Kind und Kegel aus dem Zug und Richtung Busbahnhof unter ein vermoostes Plastikdach. Alles war da, bis auf die Busse. Ein gemütlicher Fahrer tauchte auf und erklärte, dass es in rund 1,5 Stunden weiter geht. Er habe erst mal Pause. Ein anderer Mitarbeiter der tschechischen Bahn in gelber Warnweste zählte hektisch uns Reisende durch. Die beiden angeforderten Busse werden wohl nicht reichen und wir wissen ja, dass der Mensch zum Tier wird, wenn die Busse kommen. Hauen und stechen wird vorprogrammiert sein, wenn der Platz nicht reicht.

Der Gatte des mitreisenden Ehepaars, inzwischen sind wir eine Schicksalsgemeinschaft, sprach auf der Straße einen Tschechen an, der wiederum einen Bekannten mit einem Taxi hatte. Hier kennt jeder jeden und das ist die Improvisationskunst, wie ich sie aus postsozialistischen Ländern kenne. Taxi geordert, Preis ausgemacht, eingestiegen und ab nach Pilsen mit leichtem Nieselregen. Als Übersetzungshilfe diente uns deepl. Die App möchte ich ausdrücklich empfehlen. Für die rund einstündige Fahrt berechnete der Fahrer rund 60 Euro – wir legten noch ein fettes Trinkfeld in Euro oben drauf.

Der Bahnhof Pilsen ist Prachtbau des Jugendstil, extrem sauber und modern. Da können sich deutsche Bahnhöfe eine Scheibe abschneiden. Insgesamt scheint in Tschechien die Zeit nicht stehengeblieben zu sein, sondern hier schreitet die Zukunft voran, während bei uns die Gesellschaft verharrt. Roman Herzog und sein „ein Ruck muss durch Deutschland gehen“ fällt mir immer wieder ein.

Am Bahnhof versorgten wir uns mit Getränken wie Pilsner Bier, Wasser, Cola. Gezahlt wurde mit der digitalen Debitkarte Wise, die meine Frau besorgt hat, um die hohen Wechselgebühren bei Kartenzahlungen im Ausland zu vermeiden. Auch ein wunderbarer Erfolg der Digitalisierung.

Der leere Zug nach Prag stand bereits am Gleis. Wir nahmen zu viert in einem Achterabteil Platz, stießen auf das Abendteuer Bahn mit Bier an und genossen die Fahrt in die Hauptstadt. Ich machte mir noch mit meiner mobilen Espressomaschine einen starken Kaffee, ein Laster, das ich pflege.

Auch der Hauptbahnhof Prag ist ein Ort der Sauberkeit und Übersichtlichkeit. Hier trennten sich unsere Wege. Das sympathische Ehepaar bezog sein Hotel im Zentrum. Unsere Unterkunft, die kirchliche Bildungsstätte Mariapoli, lag etwa 17 Kilometer außerhalb. Also U-Bahn und dann Bus standen uns noch bevor. Die Infrastruktur ist in Schuss. Bahn und Bus waren aufeinander abgestimmt. Die Tickets, wir haben für 72 Stunden gelöst, wurden digital gekauft. Ein Hoch auf die Digitalisierung.

Nach einer Stunde konnten wir unser Gepäck ablegen und uns mit den Gepflogenheiten des Hauses vertraut machen. Kurz frischgemacht und zurück in die Innenstadt. Prag wir kommen.

Werbung: Junggesellenabschied in Prag

7. November 2019

In meinem Umfeld heiraten Menschen wieder, oftmals zum zweiten Mal. Und am Tag der Tage soll es ne große Sause geben, ne richtig fette Party für den wichtigsten Tag des Lebens. Und wenn ich die Planungen mir so ansehe, dann fällt immer wieder die Begriffe Junggesellenabschied für den Herrn und Junggesellinnenabschied für die Damen.

Vor der Hochzeit steht der Junggesellenabend

Vor der Hochzeit steht der Junggesellenabend

Ich bin glücklich verheiratet, allerdings gab es bei mir solche Aktionen nicht. Unsere Hochzeit war eher klein intim. Ich bin nicht der Typ für solche Feierlichkeiten. Aber ich gehe gerne auf solche Veranstaltungen, also Einladungen gerne an mich.
Als Filmfreund kenne ich natürlich einige Filme rund um den Junggesellenabend. Ich habe bei der Facebook-Gruppe Filmtoast nachgefragt, welche Filme zum Thema die Community kennt und es kamen einige Sachen zusammen.
Mir fiel als erstes der Film Hangover ein, dem noch zwei Teile folgen sollten. Im humorvollen Film Hangover von 2009 geht es um einen Junggesellenabschied, der in Las Vegas stattfand. Die Herrschaften im Film schlugen über die Strenge. Die Übersetzung von Hangover lautet schließlich Kater. Und ein Spruch in dem Film lautet: „Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas.“
Und es kamen weitere Nennungen, zum Teil Filme, die ich bis dato gar nicht kannte. Danke an das Schwarmwissen. Hier eine Auswahl: Girls’ Night Out, Die Trauzeugen, Bachelor Party, Very Bad things, Las Vegas, Sausage party, American Pie, Mike and dave need weddingdates, Gelegenheit macht Liebe, Die Junggesellenparty (1957), Brautalarm, 8 erste Dates, The Bachelor Weekend und natürlich Elvis in Viva Las Vegas.
In vielen Filmen geht es darum, richtig die Sau rauszulassen. Und ich hab mal geschaut, was es für Riten gibt und ich bin fündig geworden. So machen sich manche Junggesellen richtig zum Deppen, ziehen sich verrückt an und ziehen durch die Straßen Münchens. Bei uns in Bayern ist ein Youtube-Video von Harry G. Durch die Decke gegangen, das optimal zum Thema passt.

Und da ist mir was aufgefallen. Es scheint, dass es in Ungarn und Tschechien spezielle Unternehmen gibt, die sich auf Junggesellenabschiede spezialisiert haben, so mit Strech-Limo, Tabel-Dance und mehr. Die Grenzen werden vom Geldbeutel und der Moral gesetzt. Die Anreise nach Prag ist relativ preiswert. Von München gibt es eine gute Zugverbindung zum Hotspot Prag.


Ich bin bei der Recherche auf ein Angebot ab 18 Jahre gestoßen, was zeigt, was für Geld alles möglich ist: Ein tschechischer Dienstleister, der vergnügungswilligen und zahlungswilligen Damen und Herren ziemlich viel ermöglichten einschläige Wünsche erfüllt. https://www.goldfingers.cz/de . Ich war erstaunt, was alles geht und scheinbar besteht nach so einem Angebot eine regelrechte Nachfrage. Marktwirtschaft pur und der Markt in Tschechien findet einen Weg. Es gibt verschiedene Shows im Angebot, die nach bestimmten Bedürfnissen des zahlenden Publikums ausgerichtet sind.
Vielleicht bin ich ein Langweiliger. Wie gesagt, meine Hochzeit sah anders aus, einen Junggesellenabend gab es nicht, auch keinen Polterabend. Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas galt für mich nicht. Und was in Prag passiert, bleibt in Prag – das gab es bei mir erst recht nicht.

Besuch in Hitlers Arbeitszimmer – der Ort des Münchner Abkommens

5. Mai 2015

Vor diesem Kamin wurde das Münchner Abkommen ausgehandelt.

Vor diesem Kamin wurde das Münchner Abkommen ausgehandelt.

Irgendwann wurde ich mir die Geschichte des Raums in dem ich saß schlagartig bewusst. Ich hörte auf einmal den Vortrag von Dr. Alexander Krause nicht mehr. Krause ist Kanzler der Hochschule für Musik in der Münchner Arcisstraße 12. In dem Gebäude befand sich der Führerbau, hier residierte Adolf Hitler. Mir wurde bewusst, wo ich hier war und was hier in diesem Raum geschehen ist.

IMG_8474
Dr. Alexander Krause dozierte in einem Hörsaal im ersten Stock des Gebäudes vor Mitgliedern des Münchner PresseClubs. Im Laufe des Vortrags wurde es mir schlagartig bewusst, wo ich mich befand. Es war nicht mehr ein einfacher Hörsaal mit Stühlen, Tischen und Klavier. Es war ein Raum, der Geschichte atmet. Es war das ehemalige Arbeitszimmer von Adolf Hitler.

Das historische Foto vom Münchner Abkommen.

Das historische Foto vom Münchner Abkommen.

In diesem Raum, im so genannten Führerbau an der Arcisstraße 12 in München, unterzeichnete der britische Premier Neville Chamberlain, der französische Premierminister Edouard Daladier, der italienische Diktator und Ministerpräsident Benito Mussolini und der deutsche Diktator Adolf Hitler am 30. September 1938 das so genannte Münchner Abkommen über die unverzügliche Abtretung des Sudentengebietes an das Deutsche Reich. Die westlichen Staatsmänner glaubten, durch diese Konzession einen Krieg abgewendet zu haben. Doch schon im März 1939 brach der Gröfaz diese Vereinbarung, ließ deutsche Truppen in Prag einmarschieren und proklamierte das Protektorat Böhmen und Mähren. Dieser Gewaltakt erwies sich im Rückblick als entscheidender Schritt zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Nachdem die Vorlesung von Dr. Krause vorbei war, streifte ich durch diesen historischen Raum. Ich berührte Gegenstände, den Kamin und ich ging auf den Balkon des Gebäudes. Den Blick auf die Arcisstraße nahm ich nicht wahr, sondern ich sog die Atmosphäre des Raumes auf. Ich schauderte. Auf dem Balkon hatte ich die Straße im Rücken und schaute mir den Bau im Dunkel an. Der Reichsadler samt Hakenkreuz ist freilich nicht mehr da, vor meinem geistigen Auge sah ich das Symbol des Nationalsozialismus auftauchen.

Dr. Alexander Krause hatte einige historische Fotos aus seinem hervorragenden Buch Arcisstraße 12 dabei, die die historische Situation von damals zeigten. Für mich ein Lehrbeispiel von historischer Vermittlung für die ich dankbar bin. In wenigen Metern Entfernung eröffnete das NS-Dokuzentrum am Königsplatz in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Führerbau. Das werde ich mir nun ansehen.

20 Jahre Deutsche Einheit

30. September 2010

In wenigen Tagen ist es wieder soweit. Zum 20. Mal jährt sich am 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit. Und wieder wird viel geschrieben und viel diskutiert. Ich habe zum Jahrestag ein Video im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung aufgezeichnet. Hier gibt der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair professionell ein Statement ab, dem ich zustimmen kann. Gut gesprochen. Wir sollten uns freuen, freuen über unseren Tag der Deutschen Einheit.

Ich erinnere mich noch an die bewegten Szenen in Prag, als der Träger des gelben Pullunders Hans-Dietrich Genscher den Flüchtlingen in der Botschaft ihre Freiheit verkündete. Die kurze Ansprache von Genscher geht im Jubel der Massen unter. Noch heute läuft es mir kalt den Rücken herunter. Hier wurde Geschichte gemacht. Ich erinnere mich gerne daran und auch wenn mit der Deutschen Einheit nicht alles optimal verlaufen ist, die Entscheidung war richtig.

Ich hatte damals in Ungarn mit Schulfreunden Urlaub gemacht und habe die Vorläufer des Zusammenbruchs live miterlebt. Wir hatten ein Haus am Plattensee gemietet und der Nachbar ein war DDR-Offizieller. Ich glaub, er war bei der Armee und wir unterhielten uns abends über den Zaun über das geteilte Land. Wir luden ihn ein, ein Bier auf unserer Seite des Gartenzauns zu trinken. Er lehnte ab. Die Geschichte hat gezeigt, dass seine Mitbürger nicht ablehnten und den Zaun niederrissen. Das war gut so. Am 9. November vergangenen Jahres habe ich mir meine Gedanken zum Mauerfall gemacht.