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Nosferatu – Phantom der Nacht – Rückblick auf meine phantastische Matinee

15. September 2025

Werner Herzog wurde mit Preisen überhäuft und feierte seinen 80. Geburtstag. Noch vor dem ganzen Trubel widmete ich ihm eine phantastische Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck mit seinem Film Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht. Die nächste phantastische Matinee ist am Sonntag, 21. September um 10:45 mit dem Film Shaun of the Dead. Karten gibt es hier.

Aber zurück zu Werner Herzogs Film. Die 1979 entstandene Hommage an F. W. Murnaus Stummfilmklassiker Nosferatu (1922) stellt eine atmosphärisch dichte Neuinterpretation dar, in der der Vampirmythos als kulturelles, psychologisches und existenzielles Motiv neu verhandelt wird. Hier die Aufzeichnung meines Vortrags.

Der Film verbindet expressionistische Bildsprache mit einer tiefen Melancholie und schafft dadurch ein Werk, das Fragen nach Tod, Zeit, Isolation und gesellschaftlichem Verfall stellt.

Zentral ist dabei die Figur des Vampirs, gespielt von Klaus Kinski. Anders als bei Murnau oder in späteren Dracula-Adaptionen ist dieser Nosferatu kein rein dämonisches Wesen, sondern eine tieftraurige, gequälte Kreatur, die unter ihrer Unsterblichkeit leidet. Er ist ein Außenseiter, der Nähe sucht, aber nur Tod bringt. Diese Ambivalenz macht ihn zur Projektionsfläche existenzieller Fragen: Was bedeutet es, ewig zu leben, aber von der Welt ausgeschlossen zu sein? Welche Form nimmt das Böse an, wenn es selbst leidet?

Herzogs filmische Gestaltung ist von großer formaler Strenge und visueller Kraft. Die Kameraführung von Jörg Schmidt-Reitwein setzt auf langsame Bewegungen, lange Einstellungen und eine fast meditative Ruhe. Die Musik von Popol Vuh verstärkt diesen Eindruck durch sphärische, sakral anmutende Klänge, die eine fast religiöse Tiefe evozieren.

Ein zentrales Thema des Films ist der bürgerliche Verfall. Herzog zeigt, wie eine scheinbar geordnete, wohlhabende Gesellschaft durch eine unsichtbare Bedrohung – die Pest – in kürzester Zeit zusammenbricht. Die Reaktion der Bürger auf das sich ausbreitende Grauen ist nicht Widerstand oder Rationalität, sondern Resignation, Wahnsinn oder blinder Hedonismus. So tanzen Menschen auf dem Marktplatz zwischen Särgen, essen noch einmal üppig und lassen alle sozialen Normen fallen. Diese Bilder sind nicht karikaturhaft überzeichnet, sondern erschütternd ruhig und nüchtern. Sie machen deutlich, dass die Ordnung der Gesellschaft eine dünne Fassade ist – und dass das Chaos jederzeit zurückkehren kann.

Die nächste phantastische Matinee im Scala Kino ist am Sonntag, 21. September um 10:45 mit dem Film Shaun of the Dead. Karten gibt es hier.

Nosferatu – Phantom der Nacht – phantastische Matinee am Sonntag, 15. Juni im Scala FFB

13. Juni 2025

Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht ist weit mehr als ein klassischer Horrorfilm. Die 1979 entstandene Hommage an F. W. Murnaus Stummfilmklassiker Nosferatu (1922) stellt eine atmosphärisch dichte Neuinterpretation dar, in der der Vampirmythos als kulturelles, psychologisches und existenzielles Motiv neu verhandelt wird. Der Film verbindet expressionistische Bildsprache mit einer tiefen Melancholie und schafft dadurch ein Werk, das Fragen nach Tod, Zeit, Isolation und gesellschaftlichem Verfall stellt. Ich bespreche und zeige den Film bei meiner phantastischen Matinee am Sonntag, 15. Juni im Scala FFB. Karten gibt es hier.

Herzog folgt inhaltlich weitgehend der bekannten Handlung: Der junge Immobilienmakler Jonathan Hutter reist nach Transsylvanien, um dem geheimnisvollen Graf Orlok ein Anwesen in Wismar zu verkaufen. Der Graf, eine vampirische Erscheinung, folgt Hutter in dessen Heimatstadt und bringt die Pest mit sich. Am Ende opfert sich Hutters Frau Lucy, um das Unheil zu stoppen. Trotz dieser klassischen Struktur gelingt es Herzog, den Stoff mit eigener Handschrift aufzuladen.

Zentral ist dabei die Figur des Vampirs, gespielt von Klaus Kinski. Anders als bei Murnau oder in späteren Dracula-Adaptionen ist dieser Nosferatu kein rein dämonisches Wesen, sondern eine tieftraurige, gequälte Kreatur, die unter ihrer Unsterblichkeit leidet. Er ist ein Außenseiter, der Nähe sucht, aber nur Tod bringt. Diese Ambivalenz macht ihn zur Projektionsfläche existenzieller Fragen: Was bedeutet es, ewig zu leben, aber von der Welt ausgeschlossen zu sein? Welche Form nimmt das Böse an, wenn es selbst leidet?

Herzogs filmische Gestaltung ist von großer formaler Strenge und visueller Kraft. Die Kameraführung von Jörg Schmidt-Reitwein setzt auf langsame Bewegungen, lange Einstellungen und eine fast meditative Ruhe. Die Bildkompositionen – etwa das verlassene Wismar mit seinen leergefegten Gassen, die düstere Festung des Grafen oder der stillgleitende Sargzug – erzeugen eine ästhetische Atmosphäre des Verfalls und der Erstarrung. Die Musik von Popol Vuh verstärkt diesen Eindruck durch sphärische, sakral anmutende Klänge, die eine fast religiöse Tiefe evozieren.

Ein zentrales Thema des Films ist der bürgerliche Verfall. Herzog zeigt, wie eine scheinbar geordnete, wohlhabende Gesellschaft durch eine unsichtbare Bedrohung – die Pest – in kürzester Zeit zusammenbricht. Die Reaktion der Bürger auf das sich ausbreitende Grauen ist nicht Widerstand oder Rationalität, sondern Resignation, Wahnsinn oder blinder Hedonismus. So tanzen Menschen auf dem Marktplatz zwischen Särgen, essen noch einmal üppig und lassen alle sozialen Normen fallen. Diese Bilder sind nicht karikaturhaft überzeichnet, sondern erschütternd ruhig und nüchtern. Sie machen deutlich, dass die Ordnung der Gesellschaft eine dünne Fassade ist – und dass das Chaos jederzeit zurückkehren kann.

Die Frauenfigur Lucy, gespielt von Isabelle Adjani, bildet einen Kontrapunkt zum allgemeinen Verfall. Sie ist die Einzige, die dem Grauen aktiv begegnet, die das Rätsel des Vampirs durchschaut und bereit ist, sich selbst zu opfern. In ihr verdichtet sich eine fast archetypische Symbolik: Reinheit, Erkenntnis, Opferbereitschaft. Ihre Rolle erinnert an die romantische Heldin des 19. Jahrhunderts, wird aber von Herzog nicht sentimentalisiert. Ihr Tod ist notwendig, aber nicht erlösend. Auch nach Nosferatus Vernichtung bleibt der Tod gegenwärtig.

Herzogs Nosferatu ist damit auch eine Reflexion über Zeit und Geschichte. Die Handlung spielt zwar in einer vage historischen Epoche, doch durch die Stilmittel – die Mischung aus expressionistischer Bildsprache, naturalistischer Ausstattung und zeitloser Musik – wirkt der Film entrückt und zugleich gegenwärtig. Der Verfall der Stadt kann als Allegorie auf das 20. Jahrhundert gelesen werden: als Gleichnis für Krieg, Krankheit, soziale Umbrüche und das Ende bürgerlicher Selbstgewissheit. Auch die Figur des Vampirs steht hier nicht nur für das Übernatürliche, sondern für das Unausweichliche, das Fremde, das Andere – das, was nicht kontrolliert oder integriert werden kann.

Für mich ist Nosferatu – Phantom der Nacht ein Film von großer stilistischer Konsequenz und philosophischer Tiefe. Herzog nutzt die bekannten Motive des Vampirfilms nicht für Effekte oder Schockmomente, sondern für eine ruhige, eindringliche Auseinandersetzung mit den Grenzen der menschlichen Existenz. Der Horror liegt nicht im Blut oder in der Gewalt, sondern im unausweichlichen Vergehen, in der Einsamkeit, im stummen Verfall der Ordnung. Gerade diese Zurückhaltung macht Herzogs Nosferatu zu einem Meisterwerk des poetischen Kinos – und zu einem Film, der lange nachwirkt. Zu sehen in meiner phantastischen Matinee im Scala Kino Fürstenfeldbruck. Karten gibt es hier.

Mein Besuch der Passionsspiele in Oberammergau

22. August 2022

Ich bin wahrlich kein religiöser Mensch, aber die Passionsspiele in Oberammergau wollte ich dann doch sehen. Meine Frau und ich schlossen einen Deal: Sie begleitet mich nach Bayreuth zu Wagner und ich begleite sie nach Oberammergau zum Leidenweg Jesu. Beide Aufführungen waren ein Erlebnis.

Alle zehn Jahre werden in Oberammergau die Passionsspiele aufgeführt. Aufgrund von Corona mussten die Aufführungen verschoben werden, so dass die nächste Show schon in acht Jahren ansteht.

Meinen allergrößten Respekt, was Oberammergau da auf die Beine gestellt hat. Alle Mitwirkenden sind Einheimische. Im Vorfeld gab eine Diskussion, dass ein Teilnehmer noch nicht 20 Jahre im Ort wohnt – Schwamm drüber, was soll das? Was hier geboten wurde, war komplexes Laienschauspiel. Die Mitwirkenden sind keine Profis, sondern haben meist solide Berufe am Ort. Und sehr nett anzusehen: Zur Aufführung kommen viele Darsteller mit dem Fahrrad angeradelt und fahren in der dreistündigen Pause wieder nach Hause. Und was für ein Anblick: Lange Bärte, wallendes Haar auf dem Fahrrad.

Durch die Inszenierung von Christian Stückl, ein Vollbuttheatermann allererster Güte, kam ein hervorragendes Schauspiel auf die Bühne des Passionstheaters.

Durch Stückls Engagement und Ehrgeiz, vielleicht auch Fanatismus, wurde dem Zuschauer ein eindrucksvolles Schauspiel über fünf Stunden präsentiert mit Text und Gesang. Stückl gilt als Revolutionär und auf seine Art auch als ein Provokateur, der die Oberammergauer Festspiele auf ein neues künstlerisches Niveau hob. Das ist allerdings nicht ganz unumstrittenen. Konservative wehrten und wehren sich gegen den neuen, frischen Stil.

Christian Stückl wählte aus den drei Chören des Ortes aus und gibt den Sängerinnen und Sängern eine hervorragende Ausbildung. Talent alleine reicht nicht, um in Oberammergau Tag für Tag auf der Bühne zu stehen. Kettenraucher Stückl bekam vor der Premiere einen Infarkt und hat versprochen, das Rauchen sein zu lassen – gut so.
Diskussionswürdig sind die Textänderungen, die Stückl vornahm. Selbst ich, der nicht gerade Bibelfest ist, bemerkte die Änderungen. Aus „führe uns nicht in Versuchung“ wurde „führe uns durch die Versuchung“. Konservative sind hier wahrscheinlich tot umgefallen.

Obwohl das Spiel nur die letzten Tage im Leben Jesu darstellt, geht es uns um das Ganze des Evangeliums, insbesondere um die Botschaft Jesu und sein Menschenbild. Im Vordergrund steht der Aufruf Jesu zur radikalen Umkehr und seine Hinwendung zu jedem einzelnen Menschen.

Die dreistündige Pause ist ein Paradies für die Gastronomie und den Handel des Ortes. Man musste reservieren, um einen Platz für sein Pausenmahl zu erhalten. Nun, wir kauften uns beim Supermarkt einen Cappuccino und belegte Semmel und kauften dafür im Einzelhandel ein. Empfehlen kann ich das Hutgeschäft Kronburger und den Holzschnitzer Franz Barthels (mit einer hervorragenden Braun Anlage.)

Wie kam es eigentlich zu den Oberammergauer Festspielen? Nun vor rund 400 Jahren wütete die Pest in Oberbayern. Wenn der Ort vom schwarzen Tod im Dreißigjährigen Krieg einigermaßen verschont bliebe, dann legten die Gemeindeverantwortlichen 1633 einen Schwur ab, alle zehn Jahre ein Passionsspiel aufzuführen. Und siehe da, die Pest machte einen Bogen um Oberammergau. Die erste Aufführung des „Spiel[s] vom Leiden, Sterben und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus“ fand 1634 auf dem Friedhof, neben der Pfarrkirche – über den frischen Gräbern der Pestopfer – statt. Und so wurden die Passionsspiele zum Dauerbrenner, mal von der Obrigkeit hofiert, mal kleiner gehalten. 1750 gab es eine eigene Passionsfassung, die in Grundzügen heute noch gilt.

Als Wagner-Fan sehe ich viele Gemeinsamkeiten zwischen Oberammergau und Bayreuth, obwohl in Oberbayer die Kleidung eher locker war. Fünf Stunden Aufführung, für Fans ein heiliger Inhalt und im Grunde immer knappe Karten. Bisher war es schwierig an Karten in Oberammergau zu kommen, aber dieses Jahr war es kein Problem. Das Publikum war international. Die Passionsspiele laufen noch bis 2. Oktober und Karten gibt es auch noch. Schwarzhändler haben schlechte Karten.

In acht Jahren will ich wiederkommen und hoffe, dass Christian Stückl sich weiter gegen die Konservativen behauptet.

Filmtipp: Eleonore – Horrorfilm von 1975

27. Juni 2021

Der Film Eleonore ist für mich in doppelter Hinsicht ein vergessener Film. Zum einen ist der Film in der Reihe vergessene Historienfilme auf DVD erschienen, zum anderen hatte ich diesen Film auf DVD in meinem Archiv vergessen und wurde erst wieder von meinem Filmkollegen Stefan Preis erinnert, dass der Film seit zehn Jahren in meinem Besitz ist.

Der Film Eleonore ist für mich in doppelter Hinsicht ein vergessener Film. Zum einen ist der Film in der Reihe vergessene Historienfilme auf DVD erschienen, zum anderen hatte ich diesen Film auf DVD in meinem Archiv vergessen und wurde erst wieder von meinem Filmkollegen Stefan Preis erinnert, dass der Film seit zehn Jahren in meinem Besitz ist.
Eleonore ist ein wunderbarer Schauerfilm aus dem Jahre 1975 unter der Regie von Juan Bunel, der Sohn des großen Bunel. Wie ich recherchierte, lief der Film vor Urzeiten wohl im deutschen Fernsehen und war dann in den Archiven verschwunden. Erst das Voulez vous-Label brachte den Film wieder zum Vorschein mit einer DVD-Veröffentlichung aus dem Jahre 2010. Ich habe keine Bluray-Fassung des romantischen Horrors bisher gefunden. Verdient hätte es dieser Klassiker allemal.


Als ich mir den Film damals blind gekauft hatte, ging ich fälschlicherweise von einer literarischen Vorlage von Edgar Allen Poe aus. Aber ich täuschte mich: Eleonore wurde geschrieben von Ludwig Tieck (1773 bis 1853). Die Verfilmung hat eine Besetzung, die sich sehen lassen kann. Vor der Kamera der große Michel Piccoli sowie die großartige Liv Ullmann und eine bezaubernde junge Ornella Muti. Hinter der Kamera stand Luciano Tovoli, den wir später bei Argento wieder treffen. Den Score schuf Ennio Morricone – was muss man also noch sagen?

Auf DVD erschien der Film als Historienfilm, was dem Werk aber nicht gerecht wird. Ich würde ihn als Grusel- oder Schauerfilm, wenn nicht gar als Horrorfilm, aber auf jeden Fall zum fantastischen Film einordnen. Die ersten 50 Minuten sind ein Melodram über den Verlust der großen Liebe und die Sehnsucht nach ihr und es ist große Schauspielkunst. Der Ritter Richard verliert seine Eleonore bei einem Reitunfall und begräbt sie trauernd in einer Gruft. Er kommt aber nicht los von ihr, heiratet ein junges Ding und wird Vater von zwei Jungs. Das Herz und der Verstand bleiben aber in Erinnerung an Eleonore.

Nach 50 Minuten taucht ein Fremder auf und bringt die Verstorbene zurück ins Leben. Und nun beginnt der Horror. Eine unschuldige Hexe wird verbrannt, die Pest geht um. Die Untote tötet Kinder in der Umgebung und auch die Stiefsöhne müssen daran glauben. Der Untoten ist nicht bewusst, dass sie tot war und ins Leben zurückgeholt wurde. Scheinbar wird sie nur am Leben erhalten, wenn sie Kinder tötet. Das Leben ernährt sie und daher die Anleihen vom Vampirfilm. Dennoch ist in in Eleonore kein Tropfen Blut oder spitze Zähne zu sehen. Jugend als Lebenselixier.

Im Grunde eine Mischung aus dem Vampirthema und Rebecca von Daphne du Maurier in der Hitchcock-Verfilmung. Eleonore als tragische Figur. Richard verfällt der Untoten immer mehr, will sie aber dennoch mit Zauberei bezwingen und geht aber gemeinsam in den Tod.

Europäisches Hansemuseum – so muss Museum heute sein

18. September 2019

Die Kaufleute der Hanse.

Die Kaufleute der Hanse.

So stelle ich mir ein Museum mit moderner, zeitgemäßer Museumskonzeption vor. Am Ende meines Aufenthalts in Lübeck besuchte ich das Europäische Hansemuseum und es war schlichtweg ein Erlebnis.
Die Hanse ist eine Mischung aus EU, NATO und OPEC des Mittelalters und nachdem ich bereits in zahlreichen Hansestädten war, war Lübeck das Zentrum dieses Reichs von Kaufmänner. Ich war von dem Museum so begeistert, dass ich mir gleich den Museumskatalog und zwei Bücher Die Hanse und Die Deutsche Hanse: Eine heimliche Supermacht im Shop kaufte und auf der 6 stündigen Heimfahrt nach Bayern verschlang.

Der Eingang zum Museum.

Der Eingang zum Museum.

Was begeisterte mich an dem Europäischen Hansemuseum? Es begann mit dem Ticket. Der Preis von 13 Euro beinhaltete das Museum und das Burgklosters, was aber aufgrund von Renovierungsarbeiten und Aufbau einer Tanzveranstaltung nur teilweise zu besichtigen war. Einen Preisnachlass gab es aber nicht. Nun, mir ging es erst mal um das Hansemuseum. Ein Eintrittskarte beinhaltet einen NFC-Code. Im Eingangsbereich mache ich meine Karte scharf, wähle aus einer von vier Sprachen. Bei mir war es Deutsch, aber es gibt auch Englisch, Schwedisch und Russisch – interessant, denn in Bayern hätte Italienisch oder Französisch dazu gehört und sicherlich Chinesisch. Dann kann ich eine von 50 europäischen Städten wählen unter deren Sichtweise meine Führung steht und zum Schluss kann ich noch ein Interessengebiet auswählen. So stelle ich mir eine individuelle Führung durch das Hansemuseum zusammen. Ich halte meine Karte vor die Monitore und ein individueller Inhalt wird angespielt – so muss Museum heute sein.

An einem Einführungsmonitor am Anfang jeder Szene gibt es einen Überblick über die dort dargestellte historische Situation. Sie wurde auf Basis aktueller Forschungsergebnisse rekonstruiert, wird mir von den Guides zu Beginn meiner Tour vermittelt. Der Rundgang ist didaktisch hervorragend aufgebaut. Es gibt so genannte Kabinette mit historischem Material und zahlreichen Erläuterungen. Dem schließen sich Räume mit Szenen in historischen Kulissen an.
Der Rundgang startet mit einer Fahrt eines Aufzugs nach unten. Hier gibt es eine Art Luftschleuse, damit die historische Grabung nicht beschädigt wird. Es zeigt die Ursprünge Lübecks und historische Schichten des Burghügels.

Dann folgen Informationen über den wegweisenden Zusammenschluss an der Newa um 1193. So geht es weiter mit Lübeck um 1226, London 1550, Hansetag 1518, Handel & Glaube, die Pest um 1367 und Brügge um 1361. Mir als Filmfreund kamen die Setbauten von Filmbau Decotec entgegen. Auch das Filmstudio Babelsberg Potsdam schuf Figuren. Den Vorwurf von „erdachten Welten“ halte ich für nicht angebracht, basiert die Konzeption und Darstellung auf historischen Fakten. In dieser Art kann ich historisches Wissen vermitteln – und es macht auch noch Spaß. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und kann gar nicht sagen, welcher Raum mir am besten gefallen hat. Wahrscheinlich war es die Idee der Hanse: Der Zusammenschluss von Menschen mit gleichem Interesse, die die Welt verändern.

Leider hatte ich nur 2,5 Stunden Zeit, die sollte man sich aber auch nehmen. Beim nächsten Lübeck-Besuch nehme ich mir einen Tag Zeit, denn alle Tafeln und Hinweise konnte ich vor Ort nicht lesen – aber ich habe ja den exzellenten Ausstellungskatalog gekauft und verschlungen. Bald fahre ich nach Riga und werde mein Hanse-Wissen dort angeberisch anbringen.

Ein paar Zahlen und Fakten um das Hansemuseum. Das Hansemuseum war im April 2015 Tagungsort der Außenminister der G7-Staaten. Offiziell eröffnet wurde es am 27. Mai 2015 von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Museumsbetrieb wurde am 30. Mai 2015 aufgenommen.

Hier mein Videorundgang in drei Teilen: