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Mein Besuch bei FOCUS Online

27. August 2014

Bei den Print-Magazinen geht es wieder rund. Der Spiegel ist mit sich selbst beschäftigt und die Print-Garde mag kein Online. Beim Stern und beim Focus – beide Print – müssen die Chefredakteure gehen. Der Medienwandel wird auch durch einen Wechsel der Chefredaktion nicht aufgehalten.
Daher blicke ich einmal auf den Reichweitenprimus FOCUS Online. Im Rahmen meines Lehrauftrags bei der Macromedia Akademie organisierte ich für meine Studenten einen Besuch bei FOCUS Online. Angesiedelt bei TOMORROW Focus, einem Burda-Unternehmen, bekam ich als langjähriger Zeitungs- und Zeitschriftenjournalist einen kleinen Eindruck von der Arbeit eines Online-Journalisten. Vielen Dank dafür.

Chefredakteur Daniel Steil und seinem Stellvertreter Florian Fest

Chefredakteur Daniel Steil und seinem Stellvertreter Florian Fest

Selbst bezeichnet sich FOCUS Online als Portal für Qualitätsjournalismus, dies wurde von Chefredakteur Daniel Steil und seinem Stellvertreter Florian Festl in den Gesprächen immer wieder betont. Die Reichweite von FOCUS Online sei enorm. Im Moment steht die Newsportal an der Spitze vor Spiegel online und der Absatz zwischen München und Hamburg wird größer. Kein Wunder, wenn sich Hamburg nur um sich selbst dreht. Schnelligkeit ist eine absolute Stärke des Mediums.

Der erste Action Room bei der Besichtigung.

Der erste Action Room bei der Besichtigung.

Bei meinem Besuch in München hatte ich das Gefühl, dass in der Online-Welt nur der Schnellste auch gewinnt. Klicks zählen, Reichweite zählt, dann fließt das Werbebudget. Und diese Klicks werden mit unterschiedlichen Zielen erreicht, sei es durch klassische Bilderklickstrecken, sei es aber auch durch unterschiedliche Aufmachungen eines und des selben Themas. Bei meinem Besuch konnte ich feststellen, dass einzelne Themen unterschiedlich angepackt und immer wieder neu aufgemacht und verpackt werden. Kein großer Artikel, lieber viele kleine zum Thema mit unterschiedlichen Ansprachen. Überschriften gewechselt, Einstiege und Leads geändert, doch der Nachrichtenwert hat sich kaum verändert – nur die Perspektive auf die Nachricht selbst. Das habe ich in Print noch anders gelernt, aber ich bin ja lernfähig.

Der Action Room der Redaktion.

Der Action Room der Redaktion.

Als ich die beiden Redaktionsräume besuchte, die bei FOCUS Online als Action-Rooms bezeichnet werden, erreichte gerade eine Eilmeldung die Redaktion. Der mutmaßliche Dieb der Schumacher-Krankenakte habe sich in der Schweiz erhängt. Diese News-Meldung musste für ein führendes Nachrichtenmedium natürlich so schnell als möglich online gehen. Ich stand hinter dem Desk des CvD (Chef vom Dienst) und sah ihn bei seiner Arbeit zu.

Über die Schulter geschaut: Die Arbeit des CvD

Über die Schulter geschaut: Die Arbeit des CvD

Gleichzeitig verfolgte ich über das iPhone die relevanten Websites wie Bild, Spiegel und Kollegen. Twitter hatte die Nachricht als erstes – und dann folgte FOCUS Online. Ob die Meldung gegengecheckt wurde, kann ich nicht sagen. Als Quelle wurde die Schweizer Boulevardzeitung Blick genannt. Ob der Blick.ch eine seriöse Quelle ist, muss jeder für sich selbst beurteilen. Reicht es für ein Portal des Qualitätsjournalismus nur eine Quelle zu nennen und diese ist noch eine reißerische dazu? Ob mit der Staatsanwaltschaft in der Schweiz gesprochen wurde, bevor die Meldung in München online ging, weiß ich nicht. Gesehen habe ich keinen bei der Gegenrecherche, so dass mein Eindruck rein subjektiv ist.
Eindrucksvoll war auf alle Fälle das Monitoring in der Redaktion. So etwas hätte ich mir als Print-Redakteur auch gerne gewünscht. Als Papiermann musste ich auf die Scannerkassen und später auf die IVW-Zahlen warten, um zu wissen, ob eine Geschichte beim Leser ankommt oder nicht. Mein persönliches Monitoring damals war meine langjährige Erfahrung, oftmals mein Bauchgefühl. Heute sind es harte Zahlen im Online-Geschäft.

Eilmeldung - der Online-Dienst hat gewonnen.

Eilmeldung – der Online-Dienst hat gewonnen.

Im Online-Zeitalter ist es schließlich anders: Die Klickzahlen und andere KPIs werden laufend erfasst und in die Redaktion gegeben. So kann jeder sehen, wie sein Artikel läuft und ob er erfolgreich ist. Und erfolgreich heiß, wenn er geklickt wird. Wahrscheinlich haben die festangestellten Mitarbeiter auch vereinbarte KPI-Ziele, um Unternehmensprämien zu erhalten. Nur so kommt die enorme Reichweite zustande.

Die Kommando-Brücke - die KPI-Zahlen links habe ich unkenntlich gemacht.

Die Kommando-Brücke – die KPI-Zahlen links habe ich unkenntlich gemacht.

Traffic kommt auch über die zahlreichen Social Media Kanäle und die Push-Meldungen auf Smartphones. Hier muss im Fall einer Einmeldung, die Technik stimmen und die Server nicht in die Knie gehen. Zudem werden zahlreiche Artikel mit PDFs verknüpft, um ein Zusatzgeschäft zu generieren. Das kommt mir in vielen Fällen sinnvoll vor, aber manches Mal ist es nur krampfhaft, eine Meldung mit einem kostenpflichtigen PDF zu verbinden. Aber der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. So werden als den digitalen Pennys wieder analoge Dollars, in Anlehnung an Hubert Burdas berühmten Ausspruch.
Mit den arbeitenden Online-Journalisten konnte ich mich nicht unterhalten. Ich wollte nicht bei der Arbeit stören. Mir fiel nur auf, dass die Mannschaft sehr jung ist und wahrscheinlich dadurch auch sehr preiswert. Alte Zeitschriftenhasen (und damit teuer) habe ich nicht entdeckt. Daniel Steil, Chefredakteur FOCUS Online, erklärte, dass er freilich auch auf die Kostenstruktur achten müsse. Obwohl man Teil von Burda sei, fühle man sich bei TOMORROW Focus als junges Start-up, ergänzte der stellvertretende Chefredakteur Florian Festl.
Was aber auch klar ist: FOCUS Online setzt klar auf mobile Kommunikation. Smartphones sind die neuen Klickbringer und natürlich müssten die Journalisten für einen künftigen Smartphone-Journalismus anders schreiben als für klassischen Desktop-Journalismus am Rechner. Diesen Trend haben die beiden Chefredakteure klar erkannt und sie werden darauf reagieren. Dies sei sicher, versicherten sie mir. Ich bin also gespannt, wohin sich der Journalismus weiter entwickelt. Bei den Klicks scheint FOCUS Online die Nase vorn zu haben. Ich regte an, What’s App-Redakteure einzustellen und über diesen Kanal auch Klicks zu generieren. Und Roboterjournalismus für Sport und Wirtschaft seien auch nicht ausgeschlossen.
Nachdenklich verließ ich die Redaktion. Der Einblick war faszinierend und ich weiß nicht, ob er mir gefallen hat. Ich bin in der Tradition der Geschichtenerzähler groß geworden. Aber Geschichten zu erzählen, ist wohl in einem Newsportal nicht so wichtig. Ich werde die Sache weiter beobachten.

Die Unbestechlichen nun in US-Kongressbibliothek

5. Januar 2011

Einer meiner absoluten Lieblingsfilme wurde Ende 2010 in die US-Kongressbibliothek aufgenommen: Die Unbestechlichen (2 DVDs) von Alan J. Pakula. Der Film mit dem Originaltitel „All the President´s Men“ aus dem Jahr 1976 ist eine Verfilmung der Watergate-Recherchen der beiden Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward für die Tageszeitung Washington Post. Die Recherchen brachte US-Präsident Richard M. Nixon zu Fall. Bernstein und Woodward schrieben aus ihrem Material ihr aufsehenerregendes Buch „Die Unbestechlichen“. Die blu ray Die Unbestechlichen [Blu-ray]wird im Feb. 2011 endlich erscheinen und ich gelobe: Sie wird gleich gekauft.

Der Film ist hoch spannend, verzichtet aber auf Action. Es zeigt die akribische Arbeit der beiden unterschiedlichen Reporter mit all ihren Konflikten und Niederlagen. Ich glaube von Regisseur Pakula stammt auch der Satz: „Eine Schreibmaschine ist tödlicher als eine Pistole.“ Die beiden Hauptdarsteller Robert Redford und Dustin Hoffmann brachten mir die Recherchearbeit von Tageszeitungsjournalisten näher, so dass ich mich entschloss, so einen Beruf zu ergreifen. Zudem sorgte die TV-Serie Lou Grant dafür, dass der Journalistenjob in mir als Berufsperspektive reifte.

Ich verschlang alles zu dem mit vier Oscars ausgezeichneten Film und der literarischen Vorlage. So war ich überrascht, dass dieser Klassiker des Journalismus in Buchform nur noch Englisch All the President’s Men zu kaufen ist. So geht man mit Klassikern nicht um. Eindrucksvoll ist das Drehbuch von Wilhelm Goldman. Er schrieb ein wichtiges Buch über die Entstehung dieses und anderer Filme in seinem Werk: Das Hollywood-Geschäft. Hinter den Kulissen der amerikanischen Filmindustrie.. Leider ist das Buch nur noch antiquarisch erhältlich, lohnt sich aber auf alle Fälle. Schließlich handelt es sich im Fall Watergate um ein hoch politisches Thema und die Verfilmung war erst zwei Jahre nach Nixons Sturz. Die Nerven lagen offen, die Republikaner leckten sich noch die Wunden und beobachten alles genau, was über ihren ehemaligen US-Präsidenten berichtet wurde. Davon war natürlich auch der Drehbuchautor des Films betroffen.

Games Convention: Die Zeiten sind im Wandel

22. August 2008

Als absoluter Fan von Bob Dylan freute es mich, dass Sony seine Pressekonferenz auf der Games Convention in Leipzig mit Zeilen des Meisters eröffnete. „The Times They Are A-Changin“ wurde über den Beamer an die Großbildleinwand gestrahlt. Hunderte von Kollegen lauschten den Ausführungen von Sony und nahmen die Ankündigungen entgegen: Neue PSP 3000 mit Mikro und besserem Display, eine 160 GByte große Playstation 3, ein WirelessKeypad, die Sing Star DVDs der PS2 laufen künftig auf der PS3 und es gibt eine Sing Star-Edition auf Türkisch für den deutschen Markt. Aber zurück zu Dylan: Come On Wirters And Critiks, Who Prophezise With Your Pen, And Keep Your Eyes Wide … Und ich habe dann gemerkt, dass es auf mich bezogen ist. Es geht eine Veränderung in der Presselandschaft vor, die mir gar nicht gefällt. Bei der Games Convention waren Unmengen von Journalisten akkreditiert. Doch was waren dies für Kollegen? Diese so genannten Journalisten waren von Community-Sides, Blogs, Spiele-Fanzines usw. Der klassische Journalist von Presse, Funk und Fernsehen war in Leipzig in der Minderzahl. Und das merkte er an den Ständen auch. Es gab am Mittwoch einen Fachbesucher und Pressetag. Auch der war überlaufen, so dass eine wirkliche Aufbereitung von Informationen für den Leser kaum möglich war. Die Firmenmitarbeiter konnten nur noch auf Masse gehen und verteilten Schlüsselbänder an die Meute. Dabei ging der Consumertag mit den Jägern, Sammlern und Beutelratten erst am Donnerstag los. Wem ist mit einer solchen lockeren Akkreditierung gedient? Klar, die Messe kann verweisen, in Leipzig waren X-Tausend Journalisten vor Ort, Das soll Köln im nächsten Jahr erst mal nachmachen. Wir wissen aber auch: Die nackte Zahl sagt über die Qualität nichts aus. Doch ist es den Ausstellern gedient? Reicht es auf Commuity-Sides präsent zu sein, weil die klassische Fachpresse überrollt wurde? Doch anders herum gefragt: Ist die klassische Fachpresse noch zeitgemäß? Reicht es nicht nur zu schreiben, das Spiel XY sei cool oder eben nicht cool und die Sache mit User Generated Content anzufüllen? Halten wir es mit Dylan: Die Zeiten sind im Umbruch.