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Martin Kohlstedt live in München: Klangarchitekt zwischen Intuition und Innovation

16. April 2025

Es war wieder einmal soweit. Zusammen mit meiner Frau besuchte ich das Münchner Konzert von Martin Kohlstedt im Münchner Werk 7, dem ehemaligen Kartoffelkeller der Pfanniwerke. Der Künstler aus dem thüringischen Breitenworbis zählt für mich zu den herausragenden Komponisten und Pianisten der zeitgenössischen Musikszene.

Nach einem Konzert in eindrucksvollen Konzerthaus in Göggingen sollte ich ihn nun in der nüchternen Industrieatmosphäre in München sehen. Dieses Jahr treffe ich ihn noch bei den Jazz Open in Stuttgart und fiebere einer möglichen Zusammenarbeit mit Jean-MichelJarre entgegen.#Kohlstedt Werke zeichnen sich durch eine einzigartige Verbindung von klassischem Klavierspiel und elektronischen Elementen aus, wodurch er eine eigene musikalische Sprache entwickelt hat.

Kohlstedts Ansatz des “modularen Komponierens” bedeutet, dass seine Kompositionen nicht als abgeschlossene Werke betrachtet werden, sondern als flexible Module, die je nach Kontext neu kombiniert und interpretiert werden können. Diese Herangehensweise erlaubt es ihm, seine Musik in Live-Auftritten stets neu zu gestalten und auf das Publikum sowie die Atmosphäre des Raumes einzugehen. Improvisation spielt dabei eine zentrale Rolle und macht jedes Konzert zu einem einzigartigen Erlebnis. Das machen Konzerte von Martin Kohlstedt für mich zu einem besonderen Erlebnis.

Kohlstedts Live-Auftritte sind bekannt für ihre emotionale Tiefe und die direkte Interaktion mit dem Publikum, so auch in München. Seine Konzerte bieten den Zuhörern ein intensives und persönliches Musikerlebnis.

Zwischen klassischer Komposition und elektronischer Improvisation bewegt sich sein Werk – immer im Wandel, nie abgeschlossen. Doch wer ihn wirklich verstehen will, muss ihn live erleben – und dass tat ich wieder in München.

Eine Klangsprache, die sich im Raum entfaltet
Was Martin Kohlstedts Musik so besonders macht, ist nicht allein ihr Klang, sondern das, was zwischen den Tönen entsteht. Sein Konzert in München war keine klassische Darbietung, bei denen ein vorgefertigtes Programm abgespult wird – sie war eine Begegnung: Mit dem Raum, dem Publikum, dem Moment. Um einen Eindruck zu bekommen, hier das letzte Stück des Münchner Konzerts.

Die Atmosphäre bei seinem Auftritt war andächtig. Es ist still – nicht aus Höflichkeit, sondern aus Spannung. Jeder Ton, jedes Echo, jede Pause bekam eine Bedeutung. Das Publikum lauschte, als würde es selbst Teil des Stücks werden. Und tatsächlich: Kohlstedt lädt das Publikum ein, mitzuschwingen, zu atmen, zu hören.

Improvisation als Haltung
Seine modular aufgebauten Kompositionen gaben ihm die Freiheit, sich ganz auf den Moment einzulassen. Ein Stück, das am Vorabend ganz ruhig dahinfloss, kann an einem anderen Ort eruptiv und kantig klingen. München war sehr experimentell. Diese Unvorhersehbarkeit ist gewollt – Kohlstedt vertraut auf seine Intuition, auf die Energie des Raums und auf die Reaktion des Publikums.

Das Ergebnis: Musik, die sich lebendig anfühlt. Keine sterile Studioarbeit, sondern ein lebendiger Prozess. Besonders eindrucksvoll ist dies, wenn er während des Spiels zwischen Flügel und Synthesizer wechselte, eigene Soundschleifen kreierte und dabei doch nie die emotionale Tiefe verlor, die sein Spiel prägte.

Ein Konzert wie eine Reise – nach innen
Wer ein Konzert von Martin Kohlstedt besucht, kommt selten so wieder heraus, wie er hineingegangen ist. Es ist eine Reise – keine laute, spektakuläre, sondern eine stille, eindringliche. Seine Musik schafft Räume für Gedanken, Erinnerungen, Sehnsüchte. Sie fordert nicht, sie begleitet. Und genau das macht sie so kraftvoll.Alben als musikalische Reisen
Seine Diskografie umfasst mehrere Alben, die jeweils unterschiedliche Facetten seines Schaffens beleuchten. Das Debütalbum “Tag” (2012) und das Nachfolgewerk “Nacht” (2014) präsentieren seine frühen Solo-Klavierkompositionen. Mit “Strom” (2017) integrierte er erstmals elektronische Klänge in seine Musik. Das Album “Ströme” (2019), eine Zusammenarbeit mit dem GewandhausChor Leipzig, verbindet Chormusik mit seinen modularen Kompositionen. Während der Pandemie entstand “Flur” (2020), ein introspektives Solo-Klavieralbum, das in seinem Wohnzimmer in Weimar aufgenommen wurde. Sein jüngstes Werk “Feld” (2023) kombiniert elektronische Produktion mit akustischen und klassischen Elementen und reflektiert die Herausforderungen und Veränderungen der vergangenen Jahre. Ich denke, nach all den Touren wird in nächster Zeit ein Live-Album herauskommen.

Engagement für Umwelt und Gemeinschaft
Neben seiner musikalischen Tätigkeit engagiert sich Kohlstedt für Umweltprojekte. Als Sohn eines Försters hat er eine enge Verbindung zur Natur und nutzt Einnahmen aus seiner Musik, um Brachflächen im Thüringer Wald aufzukaufen und aufzuforsten. Dieses Projekt unterstreicht sein Bestreben, Kunst und gesellschaftliche Verantwortung miteinander zu verbinden.

Persönliche Bemerkung
Nach dem Münchner Konzert holte ich mir ein Autogramm auf seiner Strom-Platte. Was mich erfreute, dass Martin Kohlstedt mich als Blogger noch erkannte. Ich hatte in Göggingen ein Interview mit ihm geführt. Das Interview hat heute noch Gültigkeit.

Konzertkritik: Martin Kohlstedt live in Augsburg

1. Dezember 2023

Vielleicht ist es wirklich so, dass die Umgebung die Atmosphäre eines Konzerts beeinflusst. Diesen Eindruck hatte ich als ich dem Auftritt von Martin Kohlstedt im traditionsreichen Parktheater Göggingen besuchte. Die hypnotische, zeitweise fast meditative Klangwelt Kohlstedts wirkte hervorragend in diesem nach einem Brand von 1972 wieder aufgebauten Pachtbau.

Auf der Bühne mit Flügel und Mini Moog sowie Sequenzer veranstalte der Thüringer Musikkünstler seine fast zweistündige Show aus Musik und Licht vor ausverkauftem Hause. Martin Kohlstedt beherrscht die hohe Kunst der Improvisation von analogen und digitaler Musik. Das Ganze kann komplett in die Hose gehen oder sich zu einem einmaligen Kunstgenuss entwickeln.

Über die meiste Zeit war es ein musikalischer Genuss, unterbrochen von kleinen Ansprachen des Künstlers, Er sprach zumeist über die Chancen und Risiken der Improvisation und hatte sein Publikum absolut im Griff. Ich habe die Schlussansprache und das finale Stück hier angefügt.

Ich kannte Martin Kohlstedt meist nur von Vinyl-Aufnahmen. Kennengelernt habe ich den Musiker in der Pandemie als ich auf der Suche nach neuen musikalischen Horizonten war. Ich kam von der Berliner Schule wie Klaus Schulze, Tangerine Dream oder Edgar Froese und wollte in Wogen aus Musik ertrinken. Die ersten Aufnahmen von Kohlstedt sind Klavierimprovisationen, dann kam mehr und mehr Elektronik dazu. Ich sah mir seine Albenvorstellungen als Live-Stream-Übertragungen im Netz an und wurde ein Fan des Musikers.

Nach Corona ging er auf große Tour und schloss eine kleine Reihe von Konzerten, die so genannten B-Tour an. Hier machte er auch in Bayern Station. Ich war schnell und kaufte Karten für das wunderschöne Kurhaus in Göggingen. Die Abstimmung von Musik und Licht wirkte in diesem historischen Raum besonders gut. Ob es in einem modernen Zweckbau oder einen klassischen Konzerthalle ebenso einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, kann ich nicht sagen. Die Wahl der Location war auf jeden Fall die richtige Wahl sowohl für Künstler und Publikum.

Nach der Show präsentierte sich Martin Kohlstedt als Künstler zum Anfassen. Er stand am Merch-Stand für kurze Gespräche mit Fans bereit. Auch ich holte mir Autogramme auf meine Vinyl-Alben und nutzte die Gelegenheit während der Abbauarbeiten zu einem kleinen improvisierten Interview. Vielen Dank dafür.